Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-221177/2/Le/La

Linz, 21.08.1995

VwSen-221177/2/Le/La Linz, am 21. August 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Leitgeb über die Berufung der G.

J., .............., ..............., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft ............. vom 12.12.1994, Ge96-159-1994, wegen Übertretungen des Arbeitnehmerschutzgesetzes, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird, soweit sie sich gegen Spruchabschnitt 1. richtet, Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis im Spruchabschnitt 1. aufgehoben und diesbezüglich das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

Hinsichtlich der übrigen Spruchabschnitte wird der Berufung keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis diesbezüglich bestätigt.

II. Hinsichtlich des Tatvorwurfes 1. entfällt ein Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens.

Ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens entfällt.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 51 Abs.1, 51c und 51e Abs.2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr.

52/1991 idgF.

Zu II.: § 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft .......... vom 12. Dezember 1994 wurde die nunmehrige Berufungswerberin (im folgenden kurz: Bw) als nach außen hin vertretungsbefugtes Organ der M. G. Ges.m.b.H und (somit) als verantwortliche Arbeitgeberin mit Geldstrafen in der Höhe von 1. 3.000 S (Ersatzarreststrafe drei Tage), 2. 3.000 S (Ersatzarreststrafe drei Tage), 3. 5.000 S (Ersatzarreststrafe fünf Tage) und 4. 2.000 S (Ersatzarreststrafe zwei Tage) bestraft, weil sie es zu verantworten hätte, daß am 7.

September 1994 in der Betriebsstätte in ......., ............., 1. die Mittel für die erste Hilfeleistung im ersten Obergeschoß in einer Lade eines Kastens lose aufbewahrt wurden; 2. eine ausführliche Anleitung zur ersten Hilfeleistung sowie Vermerke mit den Namen der für die erste Hilfe ausgebildeten Personen fehlte; 3. in der Betriebsanlage lediglich ein Handfeuerlöscher, der sich im versperrten, für die Arbeitnehmer nicht zugänglichen Lager befand, angebracht war; 4. ein Abdruck der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung (AAV) nicht im Betrieb an geeigneter, für die Arbeitnehmer leicht zugänglichen Stelle aufgelegt war.

Die Verwaltungsübertretung sei durch zwei Arbeitsinspektoren festgestellt worden.

In der Begründung dieses Straferkenntnisses wurde darauf hingewiesen, daß zwei namentlich bezeichnete Arbeitsinspektoren am 7. September 1994 die Betriebsstätte in ......., ............, überprüft und die vorgeworfenen Mängel festgestellt hätten. Die Beschuldigte sei aufgefordert worden, sich bis spätestens 29. November 1994 schriftlich oder mündlich zu rechtfertigen, wobei ihr angedroht worden sei, daß im Falle der Nichtbefolgung dieser Aufforderung das Strafverfahren ohne ihre Anhörung durchgeführt würde. Die Beschuldigte hätte eine Rechtfertigung unterlassen. Erschwerend sei gewertet worden, daß Frau J.

schon des öfteren wegen Übertretungen von Arbeitnehmerschutzbestimmungen bestraft worden sei.

2. Dagegen richtet sich die vorliegende, rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 27. Dezember 1994, mit der pauschal gegen die Bescheide Ge96-158-1994, Ge96-159-1994, Ge96-160-1994 und Ge96-157-1994 berufen wurde. In der Begründung wurde lediglich wortwörtlich folgendes ausgeführt:

"Ich berufe hiermit gegen das Straferkenntnis der oben angeführten Bescheide, mit der Begründung, daß die Firma M.-G. Mieterin ist und nicht Frau Gertraud J.." Diese Berufung, die bei der Erstbehörde eingebracht wurde, enthält keine weiteren Anträge oder Ausführungen.

3. Der O.ö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft ............., insbesonders die Anzeige des Arbeitsinspektorates für den 9. Aufsichtsbezirk vom 20.

Oktober 1994, den Auszug aus dem Firmenbuch betreffend die M.-G. Ges.m.b.H. in ..... sowie das Verwaltungsvorstrafenregister von Frau J..

Da daraus der maßgebliche Sachverhalt klar ersichtlich und durch die Berufung auch unbestritten ist, konnte von einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

4. Der O.ö. Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Der Beschuldigten steht das Recht der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat zu, in dessen Sprengel nach dem Ausspruch der Behörde erster Instanz die Tat begangen wurde (§ 51 Abs.1 VStG).

Durch diese Bestimmung wird die Zuständigkeit des O.ö.

Verwaltungssenates im vorliegenden Fall begründet.

Da Strafen in Höhe von je weniger als 10.000 S verhängt wurden, ist zur Entscheidung in dieser Angelegenheit gemäß § 51c VStG das Einzelmitglied zuständig.

4.2. Gemäß § 31 Abs.2 lit.p des Arbeitnehmerschutzgesetzes ANSchG begehen Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die p) den Vorschriften der aufgrund des § 24 dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen oder den aufgrund des § 27 dieses Bundesgesetzes vorgeschriebenen Bedingungen und Auflagen oder den erteilten Aufträgen zuwiderhandeln, eine Verwaltungsübertretung und sind, sofern die Tat nicht nach anderen Gesetzen strenger zu bestrafen ist, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 50.000 S zu bestrafen.

4.3. Zu Faktum 1.:

In § 81 Abs.2 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung, BGBl. 218/1983 idF 220/1993 - AAV ist folgendes angeordnet:

"(2) Für die erste Hilfeleistung müssen die entsprechenden Mittel in einer der Größe des Betriebes ausreichenden Zahl von staubdicht schließenden Behältern, wie Kasten, jederzeit gebrauchsfertig und in hygienisch einwandfreiem Zustand bereit gestellt sein ..." Im Tatvorwurf des angefochtenen Straferkenntnisses wurde der nunmehrigen Bw (lediglich) zur Last gelegt, die Mittel für die erste Hilfeleistung im ersten Obergeschoß in einer Lade eines Kastens lose aufbewahrt zu haben.

Aus diesem Tatvorwurf, der wortwörtlich von der Anzeige des Arbeitsinspektorates übernommen worden war, ist nicht ersichtlich, ob die Mittel für die erste Hilfeleistung nun staubdicht oder nicht staubdicht aufbewahrt wurden. Die Wendung "lose aufbewahrt" ist kein Indiz für die Staubdichtheit bzw. -undichtheit der Aufbewahrung der erste Hilfemittel. Dazu kommt, daß die Aufbewahrung in "Kasten" durchaus dem Wortlaut der zitierten Bestimmung der AAV entspricht.

Das Tatbestandsmerkmal, daß die Mittel für die erste Hilfeleistung nicht in staubdicht schließenden Behältern aufbewahrt wurden, wurde vom anzeigenden Arbeitsinspektorat weder behauptet (es widerspricht nicht der allgemeinen Lebenserfahrung, daß eine Lade eines Kastens staubdicht schließt) noch von der Erstbehörde in der Aufforderung zur Rechtfertigung als Beschuldigte vom 28.10.1994 vorgeworfen.

Damit konnte der mangelhafte Tatvorwurf des angefochtenen Straferkenntnisses im Berufungsverfahren wegen eingetretener Verfolgungsverjährung nicht mehr korrigiert werden.

4.4. Zu Faktum 2.:

Gemäß § 81 Abs.3 AAV müssen eine ausführliche Anleitung zur ersten Hilfeleistung, Vermerke mit den Namen der für die erste Hilfeleistung ausgebildeten Personen ... in jedem Behälter nach Abs.2 enthalten oder an bzw. neben diesem angebracht sein.

Zu Faktum 3.:

§ 76 Abs.1 AAV bestimmt, daß Feuerlöschmittel und Feuerlöschgeräte gut sichtbar, auffallend gekennzeichnet und jederzeit leicht erreichbar sein müssen.

Zu Faktum 4.:

§ 98 AAV bestimmt, daß der Arbeitgeber neben den sonst für seinen Betrieb in Betracht kommenden Arbeitnehmerschutzvorschriften einen Abdruck der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung ... im Betrieb an geeigneter, für die Arbeitnehmer leicht zugänglichen Stelle aufzulegen hat.

Durch die Feststellungen der Arbeitsinspektoren an Ort und Stelle ist der Sachverhalt erwiesen und stehen die zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen somit objektiv fest. Die Bw hat es als Beschuldigte im erstinstanzlichen Verwaltungsstrafverfahren trotz Aufforderung durch die belangte Behörde unterlassen, diesem Tatvorwurf entgegenzutreten. Sie hat damit ihrer Mitwirkungspflicht im Verwaltungsstrafverfahren (siehe hiezu VwGH vom 29. September 1993, 93/02/0105) nicht entsprochen und hat somit die Konsequenzen zu tragen.

4.5. Zur subjektiven Tatseite ist auszuführen, daß es sich bei den vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen um sogenannte Ungehorsamsdelikte handelt, weil schon das bloße Zuwiderhandeln gegen die Gebote, 1. eine ausführliche Anleitung zur ersten Hilfeleistung sowie Vermerke mit den Namen der für die erste Hilfe ausgebildeten Personen aufzulegen, 2. in jedem Betrieb Feuerlöschgeräte gut sichtbar, auffallend gekennzeichnet und jederzeit leicht erreichbar anzubringen und 3. einen Abdruck der AAV im Betrieb an geeigneter, für die Arbeitnehmer leicht zugänglichen Stelle aufzulegen, mit Strafe bedroht ist.

Der Gesetzgeber stellt für diese Kategorie der Verwaltungsübertretungen in § 5 Abs.1 VStG eine gesetzliche Schuldvermutung in Form der Fahrlässigkeit auf. Nach dieser Bestimmung kann jedoch der Täter glaubhaft machen, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Allerdings ist es dafür erforderlich, daß der Täter initiativ alles darlegt, was seiner Entlastung dient.

Im vorliegenden Fall hat jedoch die Bw eine solche Initiative unterlassen, weshalb von zumindest fahrlässiger Begehung der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung auszugehen ist.

Wenn die Bw nun in ihrer Berufung vorbringt, daß sie nicht selbst Mieterin sei, sondern die M.-G. Ges.m.b.H., so übersieht sie, daß sich der Tatvorwurf des angefochtenen Straferkenntnisses nicht gegen sie persönlich richtet, sondern gegen sie als nach außen hin vertretungsbefugtes Organ der M.-G. Ges.m.b.H.. Ihre Außenvertretungsbefugnis für die genannte Ges.m.b.H. ergibt sich aber eindeutig aus dem Firmenbuch, sodaß sie als Geschäftsführerin für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften iSd § 9 Abs.1 VStG voll verantwortlich ist.

4.6. Der unabhängige Verwaltungssenat hat die Angelegenheit über das Berufungsvorbringen hinaus überprüft. Aus diesem Grunde war die zum Tatvorwurf 1. unterlaufene Mangelhaftigkeit des Spruches und des durchgeführten Verwaltungsverfahrens aufzugreifen.

Darüber hinaus wurde keine Gesetzwidrigkeit des angefochtenen Straferkenntnisses sowie des durchgeführten Verwaltungsstrafverfahrens festgestellt.

Auch die Strafbemessung wurde überprüft und dabei festgestellt, daß die Bw seit 1993 neben einer großen Anzahl anderer Verwaltungsübertretungen insgesamt 27 Übertretungen von Arbeitnehmerschutzbestimmungen zu verantworten hat, nämlich 13 Übertretungen des Arbeitnehmerschutzgesetzes, 6 Übertretungen des Arbeitsinspektionsgesetzes, 6 Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes und 2 Übertretungen des Arbeitsruhegesetzes. Aufgrund dieser nachlässigen Einstellung zu arbeitnehmerschutzrechtlichen Bestimmungen war die vorgenommene Strafzumessung aus spezialpräventiven Gründen erforderlich.

Zu II.:

Gemäß § 64 Abs.1 VStG ist in jedem Straferkenntnis und in jeder Entscheidung eines unabhängigen Verwaltungssenates, mit der ein Straferkenntnis bestätigt wird, auszusprechen, daß der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat.

Die Aufhebung des Straferkenntnisses im ersten Punkt hatte zur Folge, daß nicht nur die verhängte Strafe, sondern auch der dafür vorgeschriebene Kostenbeitrag aufzuheben war.

Die Kostenbeiträge zu den Tatvorwürfen 2. bis 4. bleiben unverändert, weil diesbezüglich die Strafe auch nicht verändert wurde.

Die Kosten des Berufungsverfahrens sind gemäß § 65 VStG der Bw nicht aufzuerlegen, weil der Berufung teilweise Folge gegeben wurde.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Beilage Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. L e i t g e b

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