Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-221182/5/Le/Fb

Linz, 12.12.1995

VwSen-221182/5/Le/Fb Linz, am 12. Dezember 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Leitgeb über die Berufung des Dr.

I I, pA W, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz als Bezirksverwaltungsbehörde vom 14.12.1994, GZ 101-6/3-2369, wegen Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

Es entfällt ein Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 AVG, BGBl.Nr.51/1991 idgF iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z2, 51 Abs.1, 51c, 51e Abs.1, 65 und 66 Verwaltungsstrafgesetz 1991 VStG, BGBl.Nr.52/1991 idgF.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurden über den Berufungswerber (im folgenden kurz: Bw) je 3 Geld- bzw Ersatzfreiheitsstrafen für 3 Verwaltungsübertretungen wegen Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes verhängt.

Im einzelnen wurde dem Bw vorgeworfen, es als gemäß § 9 Abs.1 VStG haftbarer handelsrechtlicher Geschäftsführer der "W GesmbH" in Linz verantworten zu haben, daß die genannte Gesellschaft am Firmenstandort L, B, als Arbeitgeber insgesamt drei Arbeitnehmer entgegen den Bestimmungen des AZG beschäftigt habe, wobei die Ruhezeitbestimmungen nicht eingehalten worden seien.

In der Begründung zu diesem Straferkenntnis wurde darauf hingewiesen, daß zwar die Bestellung der Beauftragten G Z dem zuständigen Arbeitsinspektorat Linz ordnungsgemäß angezeigt worden sei, daß diese Bestellung jedoch deshalb nicht rechtmäßig sei, weil die Beauftragte keine leitende Angestellte wäre. Aus der Stellenbeschreibung sei ersichtlich und von Frau Z auch ausdrücklich bestätigt worden, daß sie gegenüber dem zuständigen Außendienstdirektor in Arbeitnehmerschutzangelegenheiten weisungsgebunden sei, wobei dieser wiederum der Geschäftsleitung unterstellt sei. Bei Frau Z, welche im Handelsregister nicht aufscheine, handle es sich demnach bestenfalls um eine weisungsgebundene Angestellte der mittleren Führungsebene. Leitende Angestellte in Arbeitnehmerschutzangelegenheiten könnten nach einem Grundsatzerlaß des BMAS nur solche sein, die im Spitzenfeld der Unternehmenshierarchie mit maßgeblichen Führungsaufgaben und Anordnungsbefugnissen tätig wären; weisungsgebundene und untergeordnete Angestellte kämen nicht in Frage.

In der Begründung des Straferkenntnisses wurden weiters die Gründe für die subjektive Vorwerfbarkeit der Tat sowie die Strafbemessung näher ausgeführt.

2. Dagegen richtet sich die vorliegende rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 12. Jänner 1995, mit der beantragt wurde, den angefochtenen Bescheid zu beheben.

In der Begründung dazu führte der Bw aus, daß er als handelsrechtlicher Geschäftsführer veranlaßt habe, daß Frau G Z als Restaurantleiterin im Restaurant in der B als verantwortliche Beauftragte rechtmäßig bestellt und dem Arbeitsinspektorat gemeldet wurde. Zur Qualifikation von Frau Z als leitende Angestellte verwies der Bw auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19.5.1994, 92/18/098 (gemeint wohl: 92/18/0198) sowie auch auf ein Universitätsgutachten von Herrn Prof. S, der zum Ergebnis gekommen sei, daß die Restaurantleiter des Unternehmens W GesmbH leitende Angestellte iSd ArbIG wären (dieses Universitätsgutachten wurde der Berufung allerdings nicht beigelegt).

Zum Aufgabenbereich der Restaurantleiterin wurde ausgeführt, daß diese für den Einkauf von Waren in der Höhe von über 8 Millionen Schilling p.a. sowie über Personalkosten über 4,5 Millionen Schilling p.a. verantwortlich sei. Die Restaurantleiterin sei unmittelbare Vorgesetzte aller Mitarbeiter im Betrieb und sei auch befugt, Dienstverhältnisse abzuschließen und zu lösen. Es bleibe ihr vollkommen freigestellt, ob sie hierüber mit dem Bereichsleiter Rücksprache halte oder nicht.

Auch die Arbeitszeitkarten werden vom Restaurantleiter oder Mitarbeiter geführt und von beiden unterzeichnet. Die Aufzeichnungen kämen monatlich in die Zentrale nach Linz und würden dort ausgewertet. Die Auswertungen würden gesammelt in einem Personalbericht zusammengefaßt und stünden sowohl der Geschäftsführung als auch den Bereichsleitern zur Verfügung. Wenn Arbeitszeitüberschreitungen festgestellt würden, reagiere die Geschäftsführung in der Form, daß die Restaurantleiter hierauf aufmerksam gemacht und die Ursachen der Übertretungen mit diesen besprochen würden. Darüber hinaus schule das Unternehmen alle Restaurantleiter in den für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere auch des Arbeitszeitgesetzes, in unternehmenseigenen Seminaren. Frau Z sei für die selbständige Ausübung des Gastgewerbes befähigt und auch gewerberechtliche Geschäftsführerin im gegenständlichen Betrieb.

3. Der O.ö. Verwaltungssenat hat aus dem vorgelegten Verwaltungsakt einen ausreichend ermittelten Sachverhalt vorgefunden, weshalb die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung entbehrlich war.

Dem Arbeitsinspektorat für den 9. Aufsichtsbezirk wurde die vorliegende Berufung zur Kenntnis gebracht. Im Schreiben vom 4. Dezember 1995 nahm das Arbeitsinspektorat dazu Stellung und führte aus, daß unter Berücksichtigung der zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes einer allfälligen Einstellung des Verfahrens gegen Herrn Dr. I zugestimmt werde.

4. Hierüber hat der O.ö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Dem Beschuldigten steht das Recht der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat (§ 51 Abs.1 VStG).

Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des O.ö.

Verwaltungssenates.

4.2. Der Sachverhalt des gegenständlichen Berufungsverfahrens ist unbestritten. Die Kernfrage ist, ob der Bw neben der Restaurantleiterin G Z verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich ist oder ob er diese Verantwortlichkeit zur Gänze auf die Restaurantleiterin übertragen hat.

Während sich die belangte Behörde der ersten Rechtsmeinung angeschlossen hat, ist der unabhängige Verwaltungssenat der Auffassung, daß den Bw keine Verantwortlichkeit mehr trifft, weil er diese rechtzeitig und umfassend an die Restaurantleiterin G Z abgetreten hat.

Dafür sprechen folgende Überlegungen:

§ 9 Abs.2 VStG bestimmt folgendes:

"(2) Die zur Vertretung nach außen Berufenen sind berechtigt ..., aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen .... für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden." Nach Abs.4 leg.cit. kann verantwortlicher Beauftragter nur eine Person mit Wohnsitz im Inland sein, die strafrechtlich verfolgt werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist.

Aus der bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Meldung der W GmbH über die Bestellung von Frau G Z zur verantwortlichen Beauftragten an das Arbeitsinspektorat Linz, datiert mit 26.8.1993 und von Frau Z auch eigenhändig unterschrieben, geht eindeutig hervor, daß Frau Z zur verantwortlichen Beauftragten für die Einhaltung der für den Betrieb in L, B, in Betracht kommenden Verwaltungsvorschriften bestellt wurde. Demgemäß obliegt ihr die eigenverantwortliche Beachtung der Einhaltung aller Arbeitnehmerschutzbestimmungen. Die Beauftragte hat durch eigenhändige Unterschrift bestätigt, mit dieser Bestellung einverstanden zu sein.

Damit wurde der Restaurantleiterin des Gastbetriebes L, B, wirksam die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit übertragen, die sich räumlich auf den Betrieb B in L sowie sachlich für den selben Betrieb unter anderem auch auf die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzbestimmungen bezieht.

Dadurch, daß der Restaurantleiterin die selbständige Berechtigung übertragen wurde, alle zur Durchsetzung der übernommenen Verpflichtungen erforderlichen Anordnungen zu treffen, sind auch die Voraussetzungen des § 9 Abs.4 VStG erfüllt.

4.3. Für verantwortliche Beauftragte zur Einhaltung von Arbeitnehmerschutzbestimmungen bestimmt § 23 Abs.1 des Arbeitsinspektionsgesetzes 1993 - ArbIG, daß die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs.2 und 3 des VStG erst rechtswirksam wird, nachdem beim zuständigen Arbeitsinspektorat eine schriftliche Meldung über die Bestellung samt einem Nachweis der Zustimmung des Bestellten eingelangt ist.

§ 23 Abs.2 ArbIG bestimmt, daß Arbeitnehmer für die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften und für die Einhaltung dieses Bundesgesetzes nur dann zu verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs.2 und 3 VStG rechtswirksam bestellt werden können, wenn sie leitende Angestellte sind, denen maßgebliche Führungsaufgaben selbstverantwortlich übertragen sind.

Die belangte Behörde vermeinte, daß die Weisungsgebundenheit der Restaurantleiterin G Z in Arbeitnehmerschutzangelegenheiten gegenüber dem zuständigen Außendienstdirektor ihre Qualifikation als "leitende Angestellte" ausschließe.

Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß § 23 Abs.2 ArbIG diese Einschränkung tatsächlich nicht vorsieht und gerade im Anlaßfall die Restaurantleiterin G Z geradezu klassisch als "leitende Angestellte" tätig ist. Dafür spricht nicht nur ihre Eigenverantwortlichkeit für den Wareneinkauf in Höhe von immerhin acht Millionen Schilling pro Jahr, sondern besonders auch ihre selbständige Kompetenz, Dienstverhältnisse selbständig abschließen und auch wieder lösen zu können, sowie auch ihre Befugnis, die Diensteinteilung der Mitarbeiter zu regeln.

Damit erfüllt die Restaurantleiterin des Betriebes L, B, alle maßgeblichen Führungsaufgaben selbstverantwortlich; sie ist damit als "leitende Angestellte" iSd § 23 Abs.2 ArbIG anzusehen. Ihre Weisungsgebundenheit in der Hierarchiepyramide "nach oben" steht ihrer Anordnungsbefugnis "nach unten" - also hinsichtlich der Mitarbeiter des Betriebes "B" - nicht entgegen. Nicht nur die Person(Personen), die an der Spitze der Hierarchiepyramide steht(stehen), kann (können) Anordnungsbefugnis haben, sondern auch der Unternehmensspitze unterstellte Personen. Für diese Auffassung spricht auch bereits der vom Gesetzgeber verwendete Begriff "leitende Angestellte", weil ein "Angestellter" eben immer weisungsgebunden ist.

In diesem Zusammenhang wird auch auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19.5.1994, VwGH 92/18/0198, verwiesen, mit dem diese Rechtsauffassung hinsichtlich eines weisungsgebundenen Filialleiters gestärkt wird.

Es kann daher im vorliegenden Fall kein Zweifel daran bestehen, daß den Bw für die vorgeworfene Verwaltungsübertretung keine Verantwortlichkeit trifft, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

4.4. Wenn ein Verwaltungsstrafverfahren eingestellt wird, so entfällt auch ein Beitrag zu den Kosten des durchgeführten Verwaltungsstrafverfahrens.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. L e i t g e b

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