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des Landes Oberösterreich
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VwSen-221185/8/Kl/Rd

Linz, 10.03.1995

VwSen-221185/8/Kl/Rd Linz, am 10. März 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Klempt über die Berufung des Dkfm. G W, vertreten durch RA Dr. W R, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 23.12.1994, Ge96-53-1994-Re, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Arbeitsinspektionsgesetz 1993 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Verfahrenskosten.

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z2 und 51 VStG sowie § 7 Abs.2 und § 24 Abs.1 Z3 Arbeitsinspektionsgesetz 1993 - ArbIG 1993.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 23.12.1994, Ge96-53-1994-Re, wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe von 1.000 S, Ersatzfreiheitsstrafe von zwölf Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 7 Abs.2 iVm § 24 Abs.1 Z3 ArbIG 1993 verhängt, weil er es als das für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften verantwortliche Organ (handelsrechtlicher Geschäftsführer) der G W GesmbH in N, zu verantworten hat, daß dem Arbeitsinspektor für den 19.

Aufsichtsbezirk in Wels trotz dessen Aufforderung vom 22.10.1993 nicht bis zum 31.1.1994 schriftlich mitgeteilt wurde, daß die im angeführten Schreiben vom 22.10.1993 beanstandeten Mängel im Betrieb der L der G W GesmbH in N, behoben wurden, obwohl Arbeitsinspektorate von Arbeitgebern schriftliche Auskünfte verlangen können und eine Verwaltungsübertretung begeht, wer als Arbeitgeber die erforderlichen Auskünfte nicht erteilt.

Gleichzeitig wurde ein Verfahrenskostenbeitrag von 100 S verhängt.

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung eingebracht, in welcher das Straferkenntnis zur Gänze angefochten wurde und begründend dargelegt wurde, daß die Kontakte zwischen der G W GesmbH und dem Arbeitsinspektorat seit Jahren unbürokratisch abgewickelt werden, wobei immer bestes Einverständnis bestand, weshalb die gegenständliche Vorgangsweise für den Beschuldigten unverständlich sei. Im übrigen ging die Geschäftsführung davon aus, daß durch die tatsächliche Erfüllung das Aufforderungsschreiben erledigt sei. Es werde daher aufgrund der langjährigen Praxis tatbild- und schuldausschließender Irrtum geltend gemacht. Es wurde daher beantragt, nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung das Straferkenntnis ersatzlos aufzuheben.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen als belangte Behörde hat den bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt und keine Stellungnahme abgegeben.

Das anzeigende Arbeitsinspektorat für den 19. Aufsichtsbezirk wurde vom O.ö. Verwaltungssenat am Verwaltungsstrafverfahren beteiligt; es wurde die Bestätigung des angefochtenen Straferkenntnisses beantragt.

Da bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, war eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht anzuberaumen (§ 51e Abs.1 VStG).

4. Der O.ö. Verwaltungssenat hat im wesentlichen folgenden entscheidungsrelevanten Sachverhalt festgestellt:

4.1. Mit Schreiben vom 22.10.1993, Zl. 0680/888-19/93, hat das Arbeitsinspektorat für den 19. Aufsichtsbezirk aufgrund einer Besichtigung vom 4.10.1993 der G W GesmbH mitgeteilt, daß Übertretungen von Arbeitnehmerschutzvorschriften in der Betriebsstätte festgestellt wurden, und es wurde die G W GesmbH gemäß § 9 Abs.1 ArbIG aufgefordert, unverzüglich den gesetzlichen Zustand herzustellen. In den nachstehend angeführten sieben Punkten wurden die Übertretungen und der gesetzlich geforderte Zustand dargelegt. Schließlich wurde "gemäß § 7 Abs.2 ArbIG aufgefordert, dem Arbeitsinspektorat Wels bis spätestens 31.1.1994 schriftlich mitzuteilen, ob die Mängel beseitigt und der gesetzliche Zustand hergestellt wurde".

4.2. Da eine entsprechende Meldung weder bis zum festgesetzten Termin noch bis zum 10.5.1994 ergangen ist, wurde mit letzterem Tag Anzeige an die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen wegen Übertretung des § 7 Abs.2 iVm § 24 Abs.1 Z3 ArbIG erstattet und ein Strafantrag von 1.000 S gestellt.

4.3. Es wurde im gesamten Verwaltungsstrafverfahren vom Beschuldigten nicht bestritten, daß gegenständlich keine schriftliche Meldung an das Arbeitsinspektorat Wels über die Erfüllung der Aufträge ergangen sei. Es wurde lediglich darauf hingewiesen, daß alles bereits erfüllt worden sei.

5. Der O.ö. Verwaltungssenat hat erwogen:

5.1. Gemäß § 9 Abs.1 Arbeitsinspektionsgesetz 1993 - ArbIG, BGBl.Nr. 27/1993, stellt die Arbeitsinspektion die Übertretung einer Arbeitnehmerschutzvorschrift fest, ist der Arbeitgeber/die Arbeitgeberin schriftlich aufzufordern, unverzüglich den den Rechtsvorschriften und behördlichen Verfügungen entsprechenden Zustand herzustellen.

Wird der Aufforderung nach Abs.1 nicht entsprochen, so hat das Arbeitsinspektorat Anzeige an die zuständige Verwaltungsstrafbehörde zu erstatten (Abs.2 leg.cit.).

Gemäß § 7 Abs.1 leg.cit. sind Organe der Arbeitsinspektion befugt, bei Besichtigungen Personen über alle Umstände zu vernehmen, die den Aufgabenbereich der Arbeitsinspektion berühren. Die Arbeitsinspektorate können von Arbeitgebern/Arbeitgeberinnen schriftliche Auskünfte verlangen (§ 7 Abs.2 leg.cit.).

5.2. Das gegenständliche aufgrund einer Betriebsbesichtigung erstellte Schreiben des Arbeitsinspektorates Wels vom 22.10.1993 stellt daher eine schriftliche Aufforderung gemäß § 9 Abs.1 ArbIG dar, unverzüglich den den Rechtsvorschriften entsprechenden Zustand herzustellen. Dies ist auch unmittelbar der Präambel des Schreibens zu entnehmen.

Entgegen der weiteren Auffassung des Arbeitsinspektorates sowie auch der belangten Behörde stellt aber der Schlußsatz dieses Schreibens, nämlich die Beseitigung der Mängel schriftlich mitzuteilen, ebenfalls einen Teil dieser Aufforderung dar. Wird auch in der Präambel die "unverzügliche" Mängelbeseitigung angeordnet, so stellt nämlich die Fristsetzung im Schlußsatz eine Terminisierung dar, bis zu welchem Zeitpunkt jedenfalls die Wiederherstellung zu erfolgen hat.

Wird einer solchen Aufforderung nicht entsprochen, so "hat" das Arbeitsinspektorat eine Anzeige an die zuständige Verwaltungsstrafbehörde zu erstatten (§ 9 Abs.2 ArbIG).

Dabei ist zu beachten, daß im österreichischen Verwaltungsstrafverfahren das Prinzip der Amtswegigkeit gilt, dh daß Verwaltungsübertretungen von Amts wegen festzustellen sind.

Es ist die Auferlegung einer Meldepflicht im Gesetz nicht vorgesehen. Eine solche Meldepflicht käme im übrigen einer Selbstdenunziation gleich und würde daher dem Anklageprinzip und dem Grundrecht auf ein faires Verfahren widersprechen.

Mangels einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung ist daher bei verfassungskonformer Auslegung der Gesetzesstelle die Erteilung eines Auftrages zur Meldung der Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes unzulässig.

5.3. Ein Straftatbestand gemäß § 24 Abs.1 Z3 ArbIG (danach ist strafbar, wer entgegen § 7 die erforderlichen Auskünfte nicht erteilt) ist deshalb nicht gegeben, weil zur Vollendung dieses Tatbestandes denknotwendig eine Anfrage durch das Arbeitsinspektorat vorauszugehen hat. Eine solche Anfrage stellt die Einholung von Erkundigungen über Tatsachen dar. Dies läßt sich schon aus der Systematik des ArbIG (Überschrift "Vernehmung von Personen" zu § 7 leg.cit.

und der weitere Verweis auf §§ 48 und 49 AVG) erkennen. Es soll durch diese Gesetzesstelle vielmehr die Möglichkeit geschaffen werden, durch persönliche Einvernahme und schriftliche Anfrage eine Momentaufnahme der Tatsachen in einem Betrieb zu erhalten. Die Auskunft über die Einhaltung der Gesetze ist vom Gesetzgeber nicht gemeint. Eine entsprechende Anfrage ist jedoch vom Arbeitsinspektorat Wels nicht ergangen bzw. ist nicht aktenkundig. Die Aufforderung zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes unter Fristsetzung kann nicht als Anfrage zwecks Erlangung einer Auskunft angesehen werden. Allenfalls hätte nach Ablauf der Frist eine entsprechende Anfrage um eine Auskunft betreffend den tatsächlichen Zustand in der betreffenden Betriebsstätte eingeholt werden müssen.

5.4. Im Grunde der genannten Bestimmungen hat daher der Berufungswerber die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen, weshalb das Straferkenntnis aufzuheben und das diesbezügliche Verwaltungsstrafverfahren einzustellen war.

6. Bei diesem Verfahrensergebnis entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. K l e m p t

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