Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-221211/2/Le/La

Linz, 07.12.1995

VwSen-221211/2/Le/La Linz, am 7. Dezember 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Leitgeb über die Berufung des H L, vertreten durch Z, W & Partner Rechtsanwälte OEG, K, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 10.2.1995, Ge96-2489-1-1994, wegen Übertretung der Gewerbeordnung 1994 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Der Berufungswerber hat keinen Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens und des Berufungsverfahrens zu leisten.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1991 idgF iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z3, 51 Abs.1, 51c und 51e Abs.2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52/1991 idgF.

Zu II.: §§ 65 und 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 10.2.1995, Ge96-2489-1-1994, wurde der nunmehrige Berufungswerber (im folgenden kurz: Bw) wegen Beihilfe zur Übertretung der Gewerbeordnung 1994 iVm der O.ö. Sperrzeitenverordnung durch Frau E L mit einer Geldstrafe in Höhe von 500 S (Ersatzfreiheitsstrafe 12 Stunden) bestraft; gleichzeitig wurde er zum Ersatz der Verfahrenskosten verpflichtet.

Im einzelnen wurde ihm vorgeworfen dafür verantwortlich zu sein, daß er als Kellner den Gastgewerbebetrieb Lokal "B" am 4.4.1994 bis zumindest 4.50 Uhr offengehalten und Gästen das Verweilen in den Betriebsräumen gestattet hätte, obwohl die Sperrstunde für diesen Betrieb mit 4.00 Uhr festgesetzt sei.

In der Begründung zu diesem Erkenntnis wurde auf die Anzeige des Gendarmeriepostenkommandos Mondsee verwiesen, wonach sich anläßlich einer Kontrolle am 4.4.1994 um 5.10 Uhr noch Gäste im Lokal befunden hätten. Der Vordereingang des Lokales "B" wäre zwar verschlossen gewesen, doch wäre - wie sich bereits herumgesprochen hätte - der Hintereingang des Lokales geöffnet gewesen. Über diesen Hintereingang betraten die Gendarmen auch das Lokal und stellten fest, daß sich 9 Gäste im Lokal befanden, die auch noch bewirtet wurden. Die Gewerbeinhaberin war nicht persönlich anwesend, wohl aber ihr Sohn H L, der als Kellner in diesem Lokal tätig ist.

Nach einer Wiedergabe der Rechtslage führte die Erstbehörde aus, daß unbestritten geblieben sei, daß sich am 4.4.1994 bis 4.50 Uhr 9 Gäste in den Caferäumlichkeiten aufgehalten hätten, die auch vom Beschuldigten noch bewirtet worden seien. Seinem Rechtfertigungsvorbringen, daß Herr L keinerlei rechtswidriges Verhalten einer anderen Person vorsätzlich unterstützt habe und ihm somit auch keine Beihilfe angelastet werden könne, wurde entgegengehalten, daß Frau E L für die Einhaltung der Sperrzeit zu sorgen habe und auch dafür verantwortlich sei, was Herrn H L auch bekannt gewesen wäre. Er wäre daher verpflichtet und verantwortlich gewesen, die Sperrstunde am 4.4.1994 um 4.00 Uhr einzuhalten. Ohne sein Verhalten wäre es nie zu einem Strafverfahren gegen Frau E L gekommen.

2. Dagegen richtet sich die vorliegende rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 1.3.1995, mit der beantragt wird, das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

In der Begründung wurde vorgebracht, daß gegen Frau E L ebenfalls ein Straferkenntnis vom 10.2.1994 erlassen worden sei, das von ihr mit Berufung bekämpft wurde. Sollte dieser Berufung Folge gegeben werden, müßte auch dieser Berufung Folge gegeben werden. Ungeachtet dessen sei nach ständiger Judikatur unter "Beihilfe" die vorsätzliche Unterstützung des tatbestandsmäßigen rechtswidrigen Verhaltens eines anderen zu verstehen, wobei die Beihilfe nur dann strafbar sei, wenn der unmittelbare Täter das Tatbild hergestellt habe. Nach dem angefochtenen Straferkenntnis sei unmittelbarer Täter die Gewerbeberechtigte Frau E L, die jedoch nach dem angefochtenen Bescheid das Tatbild in der Form des Unterlassens, nämlich der entsprechenden Kontrolle hergestellt habe. Eine Beihilfe zu einem Unterlassungsdelikt sei rein begrifflich nicht möglich. Die Tätigkeit des Beihelfers müsse in einem ursächlichen Beitrag zur Ausführung einer strafbaren Handlung eines anderen (unmittelbaren Täters) bestehen, der auf jede andere Weise als durch unmittelbare Täterschaft erbracht werden könne.

Ein derartiger Beitrag liege nicht vor.

3. Aus dem Berufungsvorbringen, dem angefochtenen Straferkenntnis sowie dem vorgelegten Verwaltungsakt hat der unabhängige Verwaltungssenat einen hinreichend geklärten Sachverhalt vorgefunden, weshalb eine öffentliche mündliche Verhandlung entbehrlich war.

Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ergibt sich, daß der nunmehrige Bw mit Strafverfügung vom 22.4.1994 wegen "Beihilfe" zu einer Verwaltungsübertretung bestraft wurde; aufgrund eines rechtzeitig eingebrachten Einspruches dagegen wurde diese Strafverfügung gegenstandslos.

In der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 10.5.1994 wurde dem nunmehrigen Bw wiederum vorgeworfen, "Beihilfe" zu einer Verwaltungsübertretung durch die Gewerbeberechtigte E L geleistet zu haben.

Trotz des Hinweises in der Stellungnahme vom 25.5.1994 über die Rechtsnatur der "Beihilfe" wurde dem Bw im angefochtenen Straferkenntnis wiederum "Beihilfe" zu einer Verwaltungsübertretung vorgeworfen.

4. Hierüber hat der O.ö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Dem Beschuldigten steht das Recht der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat (§ 51 Abs.1 VStG).

Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des O.ö.

Verwaltungssenates.

4.2. Frau E L wurde als Betriebsinhaberin wegen dieser Sperrstundenüberschreitung am 4.4.1994 rechtskräftig bestraft. Es ist daher grundsätzlich zu untersuchen, ob der nunmehrige Bw als Beihilfstäter ebenfalls zu bestrafen ist:

§ 7 VStG bestimmt dazu folgendes:

Wer vorsätzlich veranlaßt, daß ein anderer eine Verwaltungsübertretung begeht oder wer vorsätzlich einem anderen die Begehung einer Verwaltungsübertretung erleichtert, unterliegt der auf diese Übertretung gesetzten Strafe, u.zw. auch dann, wenn der unmittelbare Täter selbst nicht strafbar ist.

Der Gesetzgeber unterscheidet sohin eindeutig zwischen Anstiftung bzw. Bestimmung einerseits und Beihilfe andererseits. Unter "Beihilfe" ist nach Lehre und Judikatur (siehe hiezu Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, Seite 746) die vorsätzliche Unterstützung des tatbestandsmäßigen rechtswidrigen Verhaltens eines anderen zu verstehen, ohne daß dabei Ausführungshandlungen gesetzt werden; die Tätigkeit des Gehilfen besteht somit in einem ursächlichen Beitrag zur Ausführung einer strafbaren Handlung eines anderen, der auf jede andere Weise als durch unmittelbare Täterschaft erbracht werden kann.

Für den Tatbestand der "Beihilfe" ist, wie schon der Bw zutreffend ausführt - ein Zusammenwirken zwischen Täter und Gehilfen wesentlich (VwGH vom 22.4.1959 Slg. 4948A).

Dagegen setzt die "Anstiftung" die vorsätzliche Bestimmung eines anderen zu rechtswidrigem tatbildmäßigen Verhalten, also die Hervorrufung des Handlungsentschlusses und die Ausführung der Haupttat selbst voraus. Eine "Bestimmung" kann insbesonders erfolgen durch ... Täuschung ... (siehe Hauer-Leukauf, aaO, Seite 745).

Diese vom Gesetzgeber doch sehr deutlich vorgenommene Unterscheidung zwischen Anstiftung und Beihilfe ist durch Lehre und Judikatur noch verfeinert worden. Es steht daher fest, daß zwischen "Anstiftung" und "Beihilfe" wesentliche Unterschiede bestehen.

Im vorliegenden Fall wurde dem Bw die "Beihilfe" zur Verwaltungsübertretung der Frau E L vorgeworfen. Tatsächlich handelt es sich dabei aber um keine Beihilfe, sondern um eine Anstiftung, da der Bw im Sinne einer vorsätzlichen Veranlassung die Betriebsinhaberin durch Täuschung zur Begehung der Verwaltungsübertretung veranlaßt hat. Der Bw hat die Gewerbeberechtigte dadurch getäuscht, daß er entgegen ihrer Weisungen und sohin entgegen des in ihn gesetzten Vertrauens die Sperrstunde nicht eingehalten hat.

Eine "Beihilfe" hätte vorausgesetzt, daß Frau E L als Täterin und Herr H L als Gehilfe "zusammengewirkt" hätten.

Ein solches "Zusammenwirken" kam im vorliegenden Fall jedoch nicht hervor, sondern ist vielmehr aus dem durchgeführten Ermittlungsverfahren der gegenteilige Eindruck entstanden:

Frau L hat nach ihren eigenen Angaben sowie nach Angaben des Bw entsprechende Weisungen zur Einhaltung der Sperrstunde gegeben, die der Bw am 4.4.1994 allerdings nicht beachtet hatte. Frau L wurde daher auch die mangelnde Kontrolle bzw.

die Bestellung einer nicht ausreichend verläßlichen Person zum Vorwurf gemacht.

Ein "Zusammenwirken" im Sinne der oben zitierten Judikatur ist daher aus den Handlungen des Bw sowie der Frau E L nicht nachvollziehbar; es wurde dies von der belangten Behörde auch weder festgestellt noch bewiesen.

Der Bw hat vielmehr Frau E L dadurch getäuscht, daß er entgegen ihrer Anweisungen und obwohl er diese Anweisungen verstanden hatte, dennoch die Sperrstunde nicht eingehalten hat. Er wurde dadurch aber nicht als Beihilfstäter, sondern als "Anstifter" tätig.

Das wurde dem nunmehrigen Bw jedoch im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens nie vorgeworfen! Eine Auswechslung dieses wesentlichen Tatbestandselementes durch die Berufungsbehörde war jedoch in Anbetracht der seit dem 4.4.1994 verstrichenen Zeit nicht mehr möglich.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu II.:

§ 66 Abs.1 VStG bestimmt, daß dann, wenn ein Strafverfahren eingestellt wird, die Kosten des Verfahrens von der Behörde zu tragen sind.

Die Kosten des Berufungsverfahrens sind gemäß § 65 VStG dem Bw nicht aufzuerlegen, wenn der Berufung auch nur teilweise Folge gegeben worden ist.

Dadurch, daß der Berufung Folge gegeben wurde, entfallen alle Beiträge zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. L e i t g e b

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