Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-221239/3/Le/La

Linz, 07.05.1996

VwSen-221239/3/Le/La Linz, am 7. Mai 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch die 9. Kammer (Vorsitzender: Dr. Bleier, Beisitzer: Mag. Kisch, Berichter: Dr. Leitgeb) über die Berufung der E... J..., vertreten durch Rechtsanwälte Dr.

W... B... und Dr. K... W..., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 28.4.1995, Zl.

Ge96-14-1995, wegen Übertretungen der Gewerbeordnung 1994 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird, soweit sie sich gegen die Schuld richtet, keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis diesbezüglich bestätigt.

Der Berufung wird jedoch, soweit sie sich gegen die Strafen richtet, Folge gegeben; die beiden verhängten Geldstrafen werden auf je 4.000 S, die Ersatzfreiheitsstrafen auf je 24 Stunden herabgesetzt.

II. Der Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens ermäßigt sich sohin auf 1.600 S.

Ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens entfällt.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1991, iVm §§ 24, 19, 44a, 51 Abs.1, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52 idgF.

zu II.: §§ 64 und 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 28.4.1995 wurde über die nunmehrige Berufungswerberin (im folgenden kurz: Bw) wegen Übertretungen des § 366 Abs.1 Z1 iVm § 142 Abs.1 Z2 und 3 bzw. § 124 Z11 zwei Geldstrafen in Höhe von je 20.000 S (Ersatzfreiheitsstrafen in der Dauer von jeweils 134 Stunden) verhängt; gleichzeitig wurde sie zum Ersatz der Verfahrenskosten in Höhe von 10% der verhängten Strafen verpflichtet.

Im einzelnen wurde ihr vorgeworfen, als handelsrechtliche Geschäftsführerin der K... E... F...- und W... GmbH am 2.2.1995 in S..., S..., 1. durch Plakatständer vor dem Geschäft die Verabreichung einer Reihe von näher bezeichneten Speisen und den Ausschank von näher bezeichneten Getränken angeboten zu haben, ohne die hiefür erforderliche Gewerbeberechtigung für das Gastgewerbe in der Betriebsart "Imbißstube" erlangt zu haben, und 2. durch Plakatständer vor dem Geschäft, ein Schild oberhalb der Auslage und durch Anpreisungen an der Eingangstür bzw. im Auslagenfenster den Verkauf von näher bezeichneten Waren angeboten zu haben, ohne die hiefür erforderliche Gewerbeberechtigung für das Handelsgewerbe erlangt zu haben.

In der Begründung dafür wurde festgehalten, daß die vorgeworfenen Übertretungen durch amtliche Wahrnehmung festgestellt worden sind.

Sodann wurde das durchgeführte Ermittlungsverfahren zusammengefaßt und die Rechtfertigungsangaben der Beschuldigten widerlegt. Nach einer rechtlichen Beurteilung der Angelegenheit wurden auch die Gründe der Strafbemessung dargelegt. Dazu wurde insbesonders darauf hingewiesen, daß die verwaltungsstrafrechtliche Sanktionierung der ggst.

Verwaltungsübertretungen dem Schutz der Interessen der Wirtschaft, insbesonders des Fleischerhandwerks sowie des Gastgewerbes, diene. Durch derartige Tätigkeiten werde die Konkurrenzfähigkeit und im Extremfall auch die Lebensfähigkeit von vergleichbaren Betrieben gefährdet.

Als straferschwerend wurde eine einschlägige Vorstrafe sowie der Umstand gewertet, daß die GmbH schon mit dem Schreiben der Behörde vom 25.10.1994 ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht worden sei, daß kein Gewerbe mehr ausgeübt werden dürfe.

Die Strafe erscheine den wirtschaftlichen Verhältnissen der Beschuldigten angepaßt (Bezug eines Karenzgeldes in Höhe von 8.000 S, Besitz eines Einfamilienhauses, welches mit Schulden in der Höhe von 400.000 S belastet ist sowie Sorgepflichten für 1 Kind), wobei anzumerken sei, daß die Beschuldigte durch den unbefugten Geschäftsbetrieb erhebliche Einnahmen erzielt haben dürfte.

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 19.5.1995, mit der beantragt wird, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen, in eventu die verhängte Strafe auf ein angemessenes Maß herabzusetzen.

Im einzelnen führte die Bw aus, daß für sie der Entzug der Gewerbeberechtigung der GmbH nicht vorhersehbar gewesen wäre und ihr Gatte bereits eine befristete Nachsicht für die Gewerbeberechtigung für das Fleischerhandwerk und für das Gastgewerbe erlangt hätte.

Sie hätte seit der Entziehung der Gewerbeberechtigung alles erdenklich Mögliche unternommen, um eine Fortführung des bereits seit Jahrzehnten bestehenden Unternehmens, welches sie von ihren Eltern übernommen hätte, zu ermöglichen. In der Zwischenzeit wäre auch von ihrem Gatten bereits das Fleischereigewerbe für die Standorte L... und S...

angemeldet worden.

Die belangte Behörde übersehe, daß die vorgeworfenen Verwaltungsübertretungen von ihr zur Abwendung einer unmittelbar drohenden Gefahr, nämlich dem Verlust der wirtschaftlichen Existenz, erfolgt wären. Die Gefahr der Existenzvernichtung wäre für sie so groß gewesen, daß ihr nichts anderes übrig geblieben wäre, als die entsprechenden Vorschriften bis zur endgültigen Genehmigung der von ihrem Gatten gestellten Anträge zu übertreten, um nicht selbst zum Sozialfall zu werden. Sie hätte laufende Verbindlichkeiten zu decken und darüber hinaus zwei Kinder zu ernähren.

Zur Strafbemessung rügte die Bw, daß die belangte Behörde hinsichtlich der Sorgepflichten von falschen Voraussetzungen ausgegangen wäre und des weiteren fiktive Einnahmen der GmbH angenommen hätte, welche 1. nicht ihr zufließen und 2. durch Bankverbindlichkeiten und Bankzinsen in Millionenhöhe aufgebraucht würden.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Schärding hat die Berufung und den zugrundeliegenden Verwaltungsakt dem unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt; eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.

Der Sachverhalt ist durch das durchgeführte Ermittlungsverfahren der Bezirkshauptmannschaft Schärding ausreichend geklärt und wurde von der Bw auch nicht in Frage gestellt. Es konnte daher die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung iSd § 51e Abs.1 und 2 VStG entfallen.

4. Hierüber hat der O.ö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Im Verwaltungsstrafverfahren steht den Parteien gemäß § 51 Abs.1 VStG das Recht der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat.

Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des O.ö.

Verwaltungssenates.

Da eine Geldstrafe über 10.000 S verhängt wurde, ist für die Durchführung dieses Verfahrens die Zuständigkeit der Kammer gegeben (§ 51c VStG).

4.2. Die angelasteten Verwaltungsübertretungen sind durch das Ermittlungsverfahren erwiesen und wurden von der Bw auch nicht bestritten.

In Frage gestellt wurde in der Berufung jedoch die subjektive Zurechenbarkeit dieser beiden Verwaltungsübertretungen, wobei vorgebracht wurde, daß für die Bw der Entzug der Gewerbeberechtigung der GmbH nicht vorhersehbar gewesen wäre, daß ihr Gatte bereits um Nachsicht hinsichtlich des Handwerkes für Fleischer angesucht und diese erlangt hätte und daß mittlerweile für die beiden Standorte das Gewerbe bereits angemeldet worden sei, und schließlich, daß diese Verwaltungsübertretung von der Bw zur Abwendung einer unmittelbar drohenden Gefahr, nämlich dem Verlust ihrer wirtschaftlichen Existenz für sie und ihre Kinder begangen worden wären.

Mit diesen Angaben befindet sich die Bw jedoch nicht im Recht: Wie bereits im h. Bescheid vom 4.9.1995, VwSen-221213/2/Le/La, der im Zusammenhang mit einschlägigen Vorstrafen ergangen ist, ausgeführt wurde, hätte eine verantwortungsbewußte handelsrechtliche Geschäftsführerin einer Ges.m.b.H. unverzüglich nach dem Entzug der Gewerbeberechtigung den Betrieb einstellen müssen.

Auch die Erteilung einer Nachsicht an den Gatten sowie die Anmeldung des Fleischereigewerbes an den beiden erwähnten Standorten konnte die Bw von der subjektiven Verantwortlichkeit für diese beiden Verwaltungsübertretungen nicht befreien, da zum vorgeworfenen Tatzeitpunkt 2.2.1995 sie ausschließlich für die K... E... F...- und W... GmbH tätig war und nicht für ihren Gatten.

Schließlich beruft sich die Bw auf strafbefreienden Notstand:

§ 6 VStG bestimmt dazu, daß eine Tat nicht strafbar ist, wenn sie durch Notstand entschuldigt oder, obgleich sie dem Tatbestand einer Verwaltungsübertretung entspricht, vom Gesetz geboten oder erlaubt ist.

Die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat den Begriff des Notstandes näher erläutert und ihn beschrieben als einen Fall der Kollision von Rechten und Pflichten, indem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein dadurch retten kann, daß er eine im allgemeinen strafbare Handlung begeht. Dies trifft aber selbst bei Annahme einer wirtschaftlichen Schädigung, sofern sie die Lebensmöglichkeit selbst nicht unmittelbar bedroht, nicht zu (siehe hiezu Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, Seite 736f).

Die wirtschaftlichen Nachteile für die Bw, die sich aus der Schließung des Betriebes ergeben hätten, sind augenscheinlich; daß jedoch die Lebensmöglichkeit selbst unmittelbar bedroht gewesen wäre, geht aus dem vorliegenden Sachverhalt und auch aus dem Berufungsvorbringen selbst nicht hervor. Die Bw hat es zudem unterlassen, Angaben über die Einkommensverhältnisse ihres Gatten vorzubringen, der nach den Bestimmungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches ebenfalls zur Sorge für Frau und Kinder verpflichtet ist.

In Anbetracht der persönlichen Situation der Bw (dem elterlichen Betrieb wurde die Gewerbeberechtigung entzogen; das unmittelbar darauf eingebrachte Ansuchen um Nachsicht vom Befähigungsnachweis für den Ehegatten wurde vom Landeshauptmann bewilligt) ist im vorliegenden Fall jedoch von einer notstandsähnlichen Situation auszugehen, die sich - wenn schon nicht schuldbefreiend - so doch iSd § 19 Abs.2 VStG als strafmildernd auswirkt.

Strafmildernd war weiters zu berücksichtigen, daß die Bw Sorgepflichten für zwei Kinder hat (anstelle der von der belangten Behörde angenommenen Sorgepflicht für ein Kind), daß sie ein relativ geringes Einkommen von lediglich 8.000 S hat sowie der Umstand, daß die Vermutung der belangten Behörde, daß die Bw durch den unbefugten Geschäftsbetrieb erhebliche Einnahmen erzielt haben dürfte, völlig unbegründet geblieben ist. Aus dem Verwaltungsakt geht hervor, daß die Bw als Geschäftsführerin der GmbH tätig war, weshalb die Einnahmen (deren Höhe überhaupt nicht festgestellt worden war!) wohl ausschließlich der GmbH und nicht der Bw als Geschäftsführerin zugekommen sind.

In Anbetracht des gesetzlichen Strafrahmens von bis zu 50.000 S war die Strafe sohin unter Berücksichtigung der einschlägigen Vorstrafen mit 4.000 S je Verwaltungsübertretung neu zu bemessen. Dabei wurde auch berücksichtigt, daß auf Grund der mittlerweile durchgeführten Gewerbeanmeldung durch den Ehegatten eine Tatwiederholung unwahrscheinlich ist und daher der spezialpräventive, in die Zukunft gerichtete Aspekt der Abhaltung von weiteren gleichartigen Straftaten, inhaltsleer wird.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu II.:

Gemäß § 64 Abs.1 VStG ist in jedem Straferkenntnis auszusprechen, daß der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat.

Dieser Beitrag ist nach § 64 Abs.2 VStG mit 10% der verhängten Strafe zu bemessen.

Da durch die gegenständliche Berufungsentscheidung die verhängte Strafe herabgesetzt wurde, war auch der Kostenbeitrag zum Strafverfahren der ersten Instanz entsprechend anzupassen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens waren gemäß § 65 VStG der Bw nicht aufzuerlegen, weil der Berufung zumindest teilweise Folge gegeben wurde.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. B l e i e r

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