Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-221283/7/Kon/Fb

Linz, 20.12.1995

VwSen-221283/7/Kon/Fb Linz, am 20. Dezember 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Dr. Robert Konrath über die Berufung des Herrn J H, H, O, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. W B und Dr. K W, O, S, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried/Innkreis vom 14. September 1995, Ge96-39-1995, wegen Übertretung der Gewerbeordnung 1994 (GewO), zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Strafverfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 AVG iVm § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG und § 45 Abs.1 Z1 (1. Fall) VStG.

Entscheidungsgründe:

Das angefochtene Straferkenntnis enthält in seinem Schuldspruch nachstehenden Tatvorwurf:

"Sie sind als gewerberechtlicher Geschäftsführer der H Gesellschaft mbH, welche im Standort A, W, das Handelsgewerbe ausübt, dafür verantwortlich, daß am 21.4.1995 gegen 10.45 Uhr in der Ortschaft R, Gemeinde E, Bezirk Schärding a.I., das Handelsgewerbe im Umherziehen von Haus zu Haus ausgeübt wurde, obwohl eine Gewerbeausübung, auch wenn sie kurzfristig oder vorübergehend ist, außerhalb des Standortes der Gewerbeberechtigung oder einer weiteren Betriebsstätte unzulässig ist." Die belangte Behörde erachtet ihrer Begründung nach die objektive Tatbestandsmäßigkeit der gegenständlichen Verwaltungsübertretung deshalb für gegeben, weil der am 21.4.1995 vom Fahrverkäufer des Beschuldigten aufgesuchte Käufer einer Jeanshose, J H in R Nr. 1, Gemeinde E, nicht ständiger Kunde iSd § 55 Abs.3 GewO 1994 des Beschuldigten gewesen sei. Dies gehe aus der zeugenschaftlichen Aussage vom 26.6.1995 des Genannten hervor. So habe der Zeuge J H ausdrücklich erklärt, nicht ständiger Kunde der Firma des Beschuldigten zu sein, wenngleich er angab, diese Firma zu kennen. Er sei nämlich vor einiger Zeit von einer Person dieser Firma aufgesucht worden, wobei er sich nicht mehr erinnern könne, ob er damals etwas gekauft habe oder nicht. Die belangte Behörde hält in diesem Zusammenhang fest, daß der Umstand, wonach der Zeuge H bereits einmal vom Erfüllungsgehilfen der Firma H aufgesucht worden wäre, keinesfalls den Schluß zulasse, daß er dadurch zu den ständigen Kunden dieser Firma zähle und ihm deshalb Waren bereits anläßlich der Entgegennahme einer Bestellung hätten ausgefolgt werden dürfen. Als ständige Kundschaft könne wohl nur jemand angesehen werden, der bereits mehrere Male aufgesucht worden wäre und Waren bestellt habe. So würde man beim zweiten oder dritten Besuch noch nicht davon ausgehen können, daß der Aufgesuchte ein ständiger Kunde sei. Aus diesem Grund wäre es auch ohne Belang, ob eine Jeanshose als Ware angesehen werden könne, die Landwirte für die Ausübung ihrer selbständigen Erwerbstätigkeit benötigten.

Gegen dieses Straferkenntnis hat der Beschuldigte rechtzeitig Berufung erhoben und zu deren Begründung im wesentlichen vorgebracht:

Es entspreche nicht den Tatsachen, daß J H in R Nr. 1, nicht zum Kreis der ständigen Kunden der Firma H zähle. Vielmehr sei Tatsache, daß Herr J H bereits seit 5.1.1994 zu den Stammkunden der Firma zähle und bereits fünfmal Ware bestellt und bezogen habe. Es handle sich dabei um Einkäufe vom 15.1.1994, vom 29.3.1994, vom 30.10.1994, vom 21.4.1994 und vom 28.8.1995, welche durch Auftragsbestellungen und Rechnungen unter Beweis gestellt seien.

Aufgrund der Tatsache, daß Herr H bereits mehrere Male jedenfalls öfters als zwei oder dreimal - aufgesucht worden sei und Waren bestellt habe, sei dieser als ständige Kundschaft im Sinne der gewerberechtlichen Bestimmungen anzusehen.

Es sei daher das Gewerbe im Rahmen des § 55 Abs.3 GewO 1994 ausgeübt worden und sei eine Subsumierung des Sachverhaltes unter die Tatbestände des § 367 Z17 iVm § 46 Abs.1 leg.cit.

nicht geboten. Die Mitnahme von bereits bestellten Waren im Rahmen von derartigen Servicebesuchen sei jedenfalls nicht genehmigungspflichtig und stelle daher - wie bereits erwähnt - keinen Verstoß gegen gewerberechtliche Bestimmungen dar.

Der unabhängige Verwaltungssenat hat aufgrund des Berufungsvorbringens eine mündliche Verhandlung für den 7.12.1995 unter Ladung der Parteien des Verwaltungsstrafverfahrens anberaumt und an diesem Tag durchgeführt. Bei dieser Verhandlung wurden vom Beschuldigtenvertreter von der H GesmbH ausgestellte Rechnungsbelege samt den dazugehörenden Bestellscheinen über Warenlieferungen an J H in R, Gemeinde E, vorgelegt. Es handelt sich dabei um Rechnungen über Putzmittel für Melkmaschinen und Grundreiniger sowie von Waschmitteln. Die Rechnungen datieren vom 15.1.1994, 29.3.1994, 30.10.1994 und 28.8.1995. Sämtlichen Rechnungsbelegen sind die von H unterzeichneten Bestellscheine beigeschlossen.

Unter Zugrundelegung des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Aufzuzeigen ist zunächst, daß die in den Rechnungen angeführten Waren als solche, welche der Landwirt J H für seinen Betrieb benötigt, angesehen werden können. Dies gilt auch für die in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses erwähnte Jeanshose, da er diese am 21.4.1995, seiner zeugenschaftlichen Aussage nach, auf die Frage, ob er Arbeitskleidung benötige, gekauft hat. Der Umstand, daß Jeanshosen auch als Freizeit und Alltagskleidung Verwendung finden, steht einer Qualifizierung dieses Kleidungsstückes als Arbeitskleidung nicht entgegen bzw steht diese mit der allgemeinen Lebenserfahrung voll im Einklang.

Was das Tatbestandsmerkmal des "ständigen Kunden" iSd § 55 Abs.3 GewO 1994 betrifft, so ist darunter ein solcher zu verstehen, der zum Lieferanten in ständiger Geschäftsbeziehung steht (siehe Mache-Kinscher, Gewerbeordnung 1973, 5.

Auflage, Erläuterung zu § 55 Abs.3 GewO 1973). Ob eine ständige Rechtsbeziehung vorliegt, stellt nach Ansicht des unabhängigen Verwaltungssenates eine Tatsachenfrage dar, die nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen ist.

Wenngleich eine große Anzahl von Geschäftsfällen für das Vorliegen einer ständigen Rechtsbeziehung zwischen Kunden und Verkäufer sprechen wird, kann dessen ungeachtet hierin nicht das einzige Kriterium für das Vorliegen einer solchen erblickt werden. Ob eine ständige Rechtsbeziehung vorliegt, wird beispielsweise auch davon abhängen, ob aufgrund der Art der Ware, des Intervalles der Kaufabschlüsse und dem Vorliegen einer gewissen Mindestanzahl von solchen - im vorliegenden Fall sind es drei - erwartet werden kann, daß die bisherigen Geschäftsbeziehungen fortgesetzt werden. Unter diesem Gesichtspunkt wäre es im vorliegenden Fall gerechtfertigt, J H als "ständigen Kunden" (§ 55 Abs.3 leg.cit.) des Beschuldigten zu qualifizieren.

Ob J H tatsächlich ständiger Kunde des Beschuldigten zum Tatzeitpunkt gewesen ist, ist unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen des § 25 Abs.2 VStG zu prüfen. Demnach sind die der Entlastung des Beschuldigten dienlichen Umstände in gleicher Weise zu berücksichtigen, wie die belastenden.

Die vom Beschuldigten bei der mündlichen Verhandlung vorgelegten Rechnungsbelege samt den dazugehörigen, von J H unterfertigten, Bestellscheinen stellen ein soweit taugliches Beweismittel für das tatsächliche Zutreffen seines Berufungseinwandes dar. Der Zeuge J H hat zwar bei seiner Einvernahme ausdrücklich bestritten, ständiger Kunde des Beschuldigten zu sein, gab aber auch an, sich nicht mehr erinnern zu können, ob er schon früher von der ihm bekannten H GesmbH etwas gekauft hat oder nicht. Die Aussage des genannten Zeugen reicht daher nicht aus, die Behauptungen des Beschuldigten in der Berufung mit ausreichender Sicherheit zu widerlegen. Da anhand der Aktenlage sonstige belastende Indizien nicht aufscheinen, ist es nicht möglich, das Vorliegen des objektiven Tatbestandes der gegenständlichen Verwaltungsübertretung unter Beweis zu stellen, weshalb der Berufung stattzugeben und das Strafverfahren wegen nicht erweisbarer Tat einzustellen war.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. K o n r a t h

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum