Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-221320/2/Schi/Km

Linz, 04.12.1996

VwSen-221320/2/Schi/Km Linz, am 4. Dezember 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Schieferer über die Berufung des K R, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 18.12.1995, Bi96-25-1994/Be/Ne, wegen Übertretung des Berufsausbildungsgesetzes (BAG), zu Recht erkannt:

I. Hinsichtlich der Schuld und der verhängten Geldstrafe wird die Berufung abgewiesen und diesbezüglich das angefochtene Straferkenntnis bestätigt; hinsichtlich der verhängten Ersatzfreiheitsstrafe wird der Berufung insofern stattgegeben, als diese auf 1 Tag herabgesetzt wird. Aus Anlaß der Berufung wird im Spruch das Wort "Lehrherr" durch den Begriff "Lehrberechtigter" ersetzt.

II. Der Kostenbeitrag des Berufungswerbers vor der Erstbehörde bleibt daher unverändert (200 S); ein Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat hingegen hat zu entfallen.

Rechtsgrundlage:

Zu I: § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51/1991 idF BGBl.Nr. 471/1995, iVm §§ 24, 16, 19, 21, 51 Abs.1, 51c, 51d und 51e Abs.2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr.52/1991 idF BGBl.Nr.620/1995; zu II: § 64 Abs. 1 und 2 sowie § 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit Straferkenntnis vom 18.12.1995, Bi96-25-1994/Be/Ne, wurde über den Berufungswerber (Bw) wegen Übertretung nach § 9 Abs.5 iVm § 32 Abs.1 lit.c BAG eine Geldstrafe von 2.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 4 Tage) verhängt, weil es der Bw als Lehrherr vom 14.11.1994 bis 17.11.1994 unterlassen habe, dem Lehrling R S, der zum Besuch der Berufschule 1 in Wels verpflichtet war und diese laut Einberufung vom 5.10.1994 ab 14.11.1994 besuchen mußte, dazu anzuhalten, daß dieser dem regelmäßigen Schulbesuch nachkommt, da dieser jedenfalls bis zum 17.11.1994 die Berufschule nicht besuchte; gemäß § 64 VStG wurde als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens ein Kostenbeitrag von 200 S auferlegt.

2. Dagegen hat der Bw mit Schriftsatz vom 30.12.1995 das mit "Einspruch" bezeichnete Rechtsmittel der Berufung erhoben und - indem er das Straferkenntnis als gegenstandslos und unakzeptabel zurück wies - offensichtlich die Aufhebung des Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens beantragt.

Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt, daß er 1994 beide Lehrlinge zehn Wochen zum Berufschulbesuch freigegeben hätte; als ein Lehrling abermals zum Schulbesuch nach drei Monaten einberufen worden sei, habe es Gründe gegeben, die auch vorgebracht worden seien, den Einberufungstermin zu verschieben. Ein Ansuchen um Verschiebung des Einberufungstermines zum nächsten Schulbesuchstermin stelle noch keine Straftat dar. Bei der Beurteilung, sei die triste, unmenschliche und persönliche Lage, in der sich der Lehrling befunden hätte, nicht berücksichtigt worden. Seine Verpflichtung habe darin bestanden, das Dasein des Lehrlings menschenwürdiger zu gestalten. Die Äußerung des Genossen Enökl am Telefon, der Lehrling sollte eben Heimfahren, falls er die Schule nicht besuchen könne oder wolle, könne nicht als konstruktiv gewertet werden. Die Einkommensschätzung, wonach ein Handwerksmeister 15.000 S netto verdiene, sei einfach falsch und weltfremd und könne als Beamtenwillkür gewertet werden. Auch ein Wiederholungsfall könne nicht eintreten, da er nunmehr keine Lehrlinge mehr ausbilden werde.

3. Die Strafbehörde hat keine Berufungsvorentscheidung erlassen, sondern - als nunmehr belangte Behörde - die Berufung samt Strafakt vorgelegt. Von einer Gegenäußerung zum Berufungsvorbringen hat die belangte Behörde abgesehen.

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist in diesem Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 51 Abs.1 VStG als Berufungsbehörde zuständig und entscheidet gemäß § 51c durch (nur) eines seiner Mitglieder, weil keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde.

Aus der Akteneinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat einen genügend geklärten Sachverhalt vorgefunden. Die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens sind in der Begründung des Straferkenntnisses vollständig und mit dem Akteninhalt übereinstimmend so dargestellt, daß sich der unabhängige Verwaltungssenat ein klares und abschließendes Bild über die maßgebenden Sachverhaltselemente machen kann. Weitere Beweise sind nicht mehr aufzunehmen.

Diesen Sachverhalt, der im übrigen vom Berufungswerber gar nicht bestritten wird, legt der unabhängige Verwaltungssenat auch seiner Entscheidung zugrunde.

4. Der O.ö. Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Gemäß § 9 Abs.5 BAG hat der Lehrberechtigte dem Lehrling, der zum Besuch der Berufschule verpflichtet ist, die zum Schulbesuch erforderliche Zeit freizugeben und ihn zum regelmäßigen Schulbesuch anzuhalten sowie auf den Stand der Ausbildung in der Berufschule nach Möglichkeit Bedacht zu nehmen.

Gemäß § 32 Abs.1 BAG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe bis zu 15.000 S (nach wiederholter Bestrafung mit einer Geldstrafe von mindestens 4.500 S bis 30.000 S) zu bestrafen, wer zwar befugt ist, einen Lehrling im Sinne dieses Bundesgesetzes auszubilden, aber seiner Verpflichtung nicht nachgekommen ist, den Lehrling zum regelmäßigen Schulbesuch anzuhalten (lit.c).

4.2. Insofern der Bw der Ansicht ist, daß ein Ansuchen um Verschiebung des Einberufungstermines zum nächsten Schulbesuchstermin keine Straftat darstelle, so ist dem zu erwidern, daß im gegenständlichen Fall auch nicht das Ansuchen um Verschiebung bestraft wurde, sondern lediglich der Umstand, daß der Bw als Lehrberechtigter des Lehrlings R S es unterlassen hat, diesen in der Zeit vom 14.11. bis 17.11.1994 zum Besuch der Berufschule 1 in Wels anzuhalten. Aus dem vorgelegten Akt geht hervor, daß in der gegenständlichen Angelegenheit der Bw mit dem Berufschuldirektor O E, aufgrund seines schriftlichen Ansuchens, den Lehrling bis in das Frühjahr 1995 zurückzustellen, ein Telefongespräch geführt hat; dabei wurde dem Bw - nachdem auch ein Tausch mit einem anderen Lehrling (S) nicht möglich gewesen ist - mitgeteilt, daß die ursprünglich getroffene Einteilung aufrecht bleibe und somit R ab 14.11.1994 die Schule besuchen müsse.

Weiters wurde der Bw aufgrund seines Schreibens am 7.11.1994 vom Sekretariat der Berufschule nochmals telefonisch verständigt, daß R am 14.11.1994 zur Schule kommen müsse. Daß nun der Lehrling R S in der angeführten Zeit (14.11. bis 17.11.1994) die Berufschule 1 in Wels nicht besucht hat, bestreitet auch der Bw nicht; der objektive Tatbestand ist sohin als erwiesen anzusehen.

4.3. Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgen eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Da zum Tatbestand der den Bw zur Last gelegten Verwaltungsübertretung weder der Eintritt eines Schadens noch einer Gefahr gehört, handelt es sich bei dieser Übertretung um ein Ungehorsamsdelikt. In einem solchen Fall besteht von vornherein die Vermutung eines Verschuldens (in Form fahrlässigen Verhaltens) des Täters, welche aber von ihm widerlegt werden kann.

Es wäre daher Sache des Bw gewesen, glaubhaft zu machen, daß ihm die Einhaltung der objektiv verletzten Verwaltungsvorschrift ohne sein Verschulden unmöglich war.

Dabei hätte er initiativ alles darzutun gehabt, was für seine Entlastung spricht, insbesondere, daß er solche Maßnahmen getroffen hat, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen (VwGH 2.4.1990, Zl.

90/19/0078). Das hier in diese Richtung deutende Vorbringen des Bw, wonach er offenbar keine schriftliche Erledigung auf sein (schriftliches) Ansuchen um Verschiebung des Berufschulbesuches erhalten hat, stellt keinerlei Entschuldigungsgrund im Sinne des § 5 Abs.1 VStG dar. Wenn auch das Bemühen des Bw, die triste, unmenschliche und persönliche Lage des Lehrlings (der offenbar aus den Kriegsgebieten im ehemaligen Jugoslawien stammt) zu verbessern und dessen Dasein menschenwürdiger zu gestalten, durchaus anerkennenswert ist, so kann sie dennoch keinen Entschuldigungsgrund im Sinne des oben angeführten § 5 Abs.1 VStG bewirken.

Somit war auch das Vorliegen der subjektiven Tatseite zu bejahen.

4.4. Absehen von der Strafe gemäß § 21 Abs.1 VStG:

Nach dieser Vorschrift kann von einer Strafe abgesehen werden, wenn das Verschulden geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind.

Das Verschulden bzw die Schuld des Täters ist gering, wenn das tatbildmäßige Verhalten hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt (vgl Hauer/Leukauf, Verwaltungsverfahren, 4. A, 814 ff, E 7, 8 und 23a zu § 21; Leukauf/Steininger, Kommentar zum StGB, 3. A, § 42 Rz 14).

Nach der Judikatur des OGH zum vergleichbaren § 42 StGB muß die Schuld absolut und im Vergleich zu den typischen Fällen der jeweiligen Deliktsverwirklichung geringfügig sein (vgl ua EvBl 1989/189 = JBl 1990, 124; SSt 55/59; SSt 53/15; SSt 51/21). Maßgebend ist zum einen der das Unrecht mitbestimmende Handlungsunwert und zum anderen der Gesinnungsunwert, der das Ausmaß der deliktstypischen Strafzumessungsschuld ebenso entscheidend prägt (vgl Leukauf/Steininger, Kommentar zum StGB, 3. A, § 42 Rz 14 f mwN). Der Aspekt des Erfolgsunwerts wurde im § 21 Abs.1 VStG ebenso wie im § 42 StGB unter dem Merkmal "unbedeutende Folgen der Tat" verselbständigt.

Im gegenständlichen Fall kann nicht erkannt werden, daß das Verschulden des Bw so geringfügig ist, daß im vorliegenden Fall der Handlungsunwert und der Gesinnungsunwert so geringfügig sind, insbesondere weil der Bw trotz mehrfacher mündlicher (telefonischer) Hinweise, den Lehrling zum Berufschulbesuch anzuhalten, nicht nachgekommen ist, weshalb das Ausmaß der deliktstypischen Strafzumessungsschuld doch nicht ganz unerheblich erscheint, sodaß ein Absehen von der Strafe im gegenständlichen Fall nicht in Betracht kam.

4.5. Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Gemäß § 19 Abs.2 leg.cit. sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen und auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des StGB sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

4.6. Die belangte Behörde bewertet im Zuge ihres Strafbemessungsverfahrens den Unrechtsgehalt der Tat im Sinne des § 19 Abs.1 VStG doch als erheblich; die belangte Behörde hat eingehend dargelegt, wie sie zur Höhe der verhängten Geldstrafe gelangt ist bzw. inwieweit sie die dabei zu berücksichtigenden Gesichtspunkte in ihre diesbezügliche Ermessensübung einfließen ließ. Dagegen hat der Bw in der Berufung lediglich die Einkommensschätzung als falsch und weltfremd bezeichnet, ohne irgendwelche Nachweise für sein tatsächliches Einkommen der Berufung beizuschließen, obwohl der Bw im Sinne der Mitwirkungspflicht hiezu gehalten gewesen wäre. Darüber hinaus hat er nicht einmal annähernd einen bloßen (unbelegten) Hinweis darauf gemacht, wie hoch sein tatsächliches Nettoeinkommen ist. Mit einem derartigen Vorbringen kann er keinesfalls die von der belangten Behörde vorgenommene Einschätzung seiner Einkommens-, Familien- und Vermögensverhältnisse und die darauf basierende Strafbemessung mit Erfolg erschüttern. Der Strafausspruch hinsichtlich der Geldstrafe war daher vollinhaltlich zu bestätigen.

4.7. Anderes gilt hingegen für die Verhängung der Ersatzfreiheitsstrafe. Hier war bei der Verhängung von einer Ersatzfreiheitsstrafe von 4 Tagen bei einer Geldstrafe von (nur) 2.000 S ein krasses Mißverhältnis festzustellen, insbesondere auch im Hinblick auf den Strafrahmen des § 32 Abs.1 BAG, der eine Geldstrafe bis zu 15.000 S vorsieht und in Verbindung mit § 16 Abs.2 VStG eine Ersatzfreiheitsstrafe von höchstens zwei Wochen festlegt. Die Festsetzung von 4 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe (sohin von 28,57 % der höchstmöglichen Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Tagen) bei einer Geldstrafe von "nur" 2.000 S (sohin von nur 13,33 % der Höchststrafe von 15.000 S) war im Sinne der diesbezüglichen Judikatur des VwGH rechtswidrig. Der O.ö.

Verwaltungssenat mußte daher im Sinne seiner Pflicht zur Richtigstellung dieses Mißverhältnis entsprechend korrigieren, um im Sinne des § 16 Abs.2 VStG das Verhältnis der Geldstrafe zur Ersatzfreiheitsstrafe entsprechend zu wahren (wobei die Ersatzfreiheitsstrafe ohne weiteres verhältnismäßig niedriger sein kann).

4.8. Schließlich war i.S. des vom BAG nunmehr verwendeten Begriffes "Lehrberechtigter" auch der (alte) Begriff "Lehrherr" entsprechend zu korrigieren.

5. Da somit letztlich der Berufung zumindest teilweise Folge gegeben wurde, waren die Kosten des Berufungsverfahrens dem Berufungswerber nicht aufzuerlegen (§ 65 VStG).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. Schieferer

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum