Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-221321/3/Ga/La

Linz, 10.03.1997

VwSen-221321/3/Ga/La              Linz, am 10. März 1997 DVR.0690392                                                          

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Gallnbrunner über die Berufung des I B, vertreten durch Dr. A T, Dr. H L, Dr. G G, Rechtsanwälte in L, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 7. Dezember 1995, Zl. 502-32/Kn/We/99/ 95e, wegen Übertretungen der Gewerbeordnung 1994 - GewO 1994, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird stattgegeben; das in allen 25 Spruchpunkten angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Ver fahren eingestellt.

Rechtsgrundlage: AVG: § 66 Abs.4. VStG: § 24; § 45 Abs.1, § 51 Abs.1, § 51c, § 51e Abs.1; § 65 und § 66 Abs.1.

Entscheidungsgründe:

1.1.  Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wird dem Berufungswerber vorgeworfen, er sei schuldig, er habe als Betreiber eines Cafehauses, näher angegebener Standort in L, die für dieses Lokal mit gewerbebehördlichem Betriebsanlagengenehmigungsbescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz vom 13.11.1990, GZ 501/S, unter Punkt 7. angeführte Auflage, daß "die Lokaleingangstüre nur bei unbedingt notwendigem Bedarf, wie zB Getränkeanlieferung, durch einen während der übrigen Zeit im Schankbereich verwahrten Holzkeil in offener Stellung fixiert werden darf", in insgesamt 25 Fällen nicht eingehalten, indem an den in den Fakten a. bis y. genannten Tagen (zwischen 4. April und 14. Mai 1995) die Eingangstür während der angegebenen Zeiträume ständig mittels Keil und nicht nur bei unbedingt notwendigem Bedarf offengehalten worden sei.

Dadurch habe er Verwaltungsübertretungen gemäß § 367 Z25 GewO 1994 iVm dem Auflagenpunkt 7. des zitierten Genehmigungs bescheides begangen und seien über ihn gemäß § 367 GewO 1994 in Anwendung des § 22 VStG in den Fakten a. bis y. je eine Geldstrafe in der Höhe von 1.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: je 5 Stunden) je kostenpflichtig zu verhängen gewesen.

1.2. Die Schuldsprüche begründend verweist die belangte Behörde zur objektiven Tatseite auf die Aktenlage, insbe sondere auf zwei Anzeigen einer Nachbarin zum Lokal des Berufungswerbers, und zwar vom 25. April 1995 und vom 8. Mai 1995, weiters auf die Einleitung des Verwaltungsstrafver fahrens im Wege von Rechtshilfeersuchen zwecks Vernehmung des Berufungswerbers als Beschuldigten sowie auf dessen Ver antwortung dahingehend, daß es um die fragliche Zeit sehr heiß gewesen sei und daher die Gäste in der Tür gestanden und sich die Türe selbst aufgehalten hätten. Aus dieser ihr vor gelegenen Aktenlage zog die belangte Behörde den Schluß, daßáder Sachverhalt zu sämtlichen Fakten erwiesen und daher auch die objektive Tatseite jeweils als erfüllt anzusehen gewesen sei.

2. Dagegen berief der Beschuldigte und beantragte in der Hauptsache Aufhebung und Verfahrenseinstellung. Die belangte Behörde legte den Verfahrensakt vor und erstattete keine Gegenäußerung und keine Anträge; die Akten vorlage ergänzte sie in der Folge mit einer weiteren Nieder schrift über die Vernehmung des Beschuldigten durch die zur Rechtshilfe ersuchte Gemeindebehörde.

Schon aus dieser Aktenlage war ersichtlich, daß das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist.

Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

3.1. Die belangte Behörde hat dem Strafverfahren keine andere Schuldform als Fahrlässigkeit zugrunde gelegt und daher, unter Hinweis auf VwGH-Judikatur, kein fortgesetztes Delikt angelastet, sondern zu den Fakten a. bis y. Einzel schuldsprüche gefällt und die Strafen gemäß § 22 VStG kumuliert verhängt.

Die zur Grundlage der Tatvorwürfe genommenen ANZEIGEN liegen dem vorgelegten Strafakt ein, allerdings nur in Kopie. Dennoch läßt sich daraus deutlich und unzweifelhaft ersehen, daß die Fakten a. bis k. auf die Anzeige vom 25. April 1995, die Fakten l. bis t. auf die Anzeige vom 8. Mai 1995 und die Fakten u. bis y. auf die Anzeige vom 15. Mai 1995 zurückgehen.

3.2.1. Im Strafakt - ein Beweismittel für das h Berufungs verfahren - sind weiters zwei VERFOLGUNGSHANDLUNGEN, die die belangte Behörde noch innerhalb der hier sechsmonatigen Ver jährungsfrist gesetzt hatte, dokumentiert: Die eine ist das Rechtshilfeersuchen an die Gemeinde Pasching vom 8. Mai 1995; damit sind nur die Fakten a. bis k. erfaßt. Die andere ist das Rechtshilfeersuchen vom 16. August 1995 an dieselbe Gemeinde; darin sind, gleichfalls in der Form eines Tatvor wurfs, Fakten mit verschiedenen Tatzeiten vom 16. Mai bis 28. Mai 1995 aufgelistet. Zu letzteren Fakten enthält der Akt jedoch weder eine Anzeige noch ist aus dem Akt nachvollzieh bar, auf welche sonstigen, für das Strafverfahren relevanten Umständen sich der Vorwurf dieser Fakten stützen könnte. In den Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses haben aber gerade diese Fakten (Tatzeiten vom 16. Mai bis 28. Mai 1995) keinen Eingang gefunden. Unter Hinweis auf das Ver schlechterungsverbot (§ 51 Abs.6 VStG) hätten diese Fakten daher selbst im Falle einer Bestätigung des angefochtenen Straferkenntnisses durch den unabhängigen Verwaltungssenat unberücksichtigt zu bleiben.

3.2.2. Andererseits kann aus dieser Aktenlage nicht nachvollzogen werden, daß die in den vorliegend angefochtenen Schuldspruch zwar aufgenommenen Fakten l. bis y. innerhalb der Verjährungsfrist je in Verfolgung gezogen wurden; akten kundig geschah die Anlastung nur durch das angefochtene Straferkenntnis (als Verfolgungshandlung) selbst, das jedoch erst nach Ablauf der Verjährungsfrist hinausgegeben worden ist. Im Ergebnis sind die Fakten l. bis y. verjährt und ist schon aus diesem Grund das angefochtene Straferkenntnis im bezeichneten Umfang aufzuheben und diesbezüglich das Ver fahren gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG einzustellen.

3.3. Somit verbleiben für die weitere Prüfung auf Grund der Berufung nur die Fakten a. bis k.

3.3.1. Diesbezüglich stützen sich, wie oben dargestellt, die Tatvorwürfe auf die Anzeige vom 25. April 1995, auf das Rechtshilfeersuchen vom 8. Mai 1995 sowie auf die daraufhin erfolgte Vernehmung des Beschuldigten durch die Gemeinde Pasching. Über das Ergebnis der Vernehmung übermittelte die Gemeinde der belangten Behörde zwei Niederschriften, beide datiert mit 27. November 1995, die eine mit ausgewiesenem Vernehmungsbeginn von "8.30 Uhr", die andere von "8.45 Uhr". Weder daraus noch aus dem sonstigen Inhalt der Nieder schriften ist eine sichere Zuordnung zum Rechtshilfeersuchen vom 8. Mai 1995 bzw den darin konkret aufgelisteten Einzel fakten möglich. Vielmehr ist als Aussage des Beschuldigten gänzlich undifferenziert jeweils nur festgehalten, daß es "um diese Zeit" sehr heiß gewesen sei und deshalb die Gäste in der Tür gestanden und diese selbst aufgehalten hätten. Aus diesen Niederschriften geht weiters nicht hervor, daß dem Beschuldigten der konkrete Tatvorwurf mit den verschiedenen Zeiten der einzelnen Zuwiderhandlungen überhaupt vorgehalten wurde, ob und welche konkreten Fragen an ihn gerichtet wurden bzw ob er zu den einzelnen Tatzeiten der Reihe nach vernommen wurde. Auffällig ist jedoch die pauschale Angabe des Be schuldigten, daß die Gäste in der Tür gestanden seien und diese Tür selber aufgehalten hätten. Ob das wesentliche Sach verhaltselement "Türkeil" eine Rolle bei den Vernehmungen gespielt hat, ist aus den Protokollen nicht zu ersehen. Daß darüber hinaus noch andere Ermittlungen geführt worden wären, kann dem vorgelegten Strafakt nicht entnommen werden und ist diesbezüglich auch in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses nichts dargestellt.

3.3.2.1. Der Berufungswerber bestreitet die Taten und rügt den von der belangten Behörde angeführten Sachverhalt als in einem mangelhaften Ermittlungsverfahren erhoben. Als weiteren Berufungsgrund wendet er die unzulängliche Be gründung zur objektiven Tatseite ein. Keineswegs nämlich habe die belangte Behörde davon ausgehen dürfen, daß der maßgebende Sachverhalt ausreichend vorliege und seien schon deswegen die Schuldsprüche rechtswidrig, jedenfalls aber nicht mit der erforderlichen Sicherheit erbracht. Die belangte Behörde habe zu sehr auf die Richtigkeit der privaten Anzeige vertraut und habe es deswegen unterlassen, der Wahrheit und Richtigkeit der Behauptungen in der Anzeige, denen keine nähere Begründung und auch sonst keine Einzel heiten der Beobachtungen hinzugefügt seien, durch Zeugen beweis auf den Grund zu gehen.

Mit diesem Vorbringen ist der Berufungswerber im Recht. Das angefochtene Straferkenntnis leidet an schwerwiegenden, vom unabhängigen Verwaltungssenat nicht sanierbaren Fest stellungsmängeln.

3.3.2.2. So sind schon die Angaben in der Anzeige vom 25. April 1995 keinesfalls von einer solchen Eindeutigkeit und Plausibilität, daß sie - unter gänzlichem Verzicht auf ihre Verifizierung durch zeugenschaftliche Vernehmung der an zeigenden Nachbarin und zusätzlich zumindest noch einer der vier mitunterzeichnenden Personen - als Grundlage der Schuld sprüche geeignet gewesen wäre. Ohne Bekräftigung durch förmlichen Zeugenbeweis aber mußte fragwürdig bleiben, wie insgesamt fünf Personen jeweils gemeinsam und gleichzeitig ununterbrochen durch Stunden hindurch (an mehreren Tagen sogar ununterbrochen durch 10 bzw 9 Stunden) dieselben Beobachtungen, insbesondere die Verwendung eines Türkeiles, in übereinstimmender Sicherheit treffen konnten. In diesem Zusammenhang hätte auf Bedenken stoßen müssen, daß die Anzeige, mit Ausnahme allenfalls für die offensichtlich federführende Nachbarin, keinerlei näheren Angaben zu den objektiven und subjektiven Umständen der wahrnehmenden Personen (Beziehung zum Tatort und zum Täter? Wie und genau was von welchem Standort aus wurde beobachtet? Alter etc) offenbart. So ausgestattet aber erlaubt die Anzeige aus dem Blickwinkel der Kautelen für eine verläßliche Beweiswürdigung keine Rückschlüsse auf die Glaubwürdigkeit der Anzeiger einerseits und auf die Richtigkeit der Be obachtungen andererseits. Diese unsichere Beweislage wird durch das unspezifizierte und vage Ergebnis der Beschuldigtenvernehmung nicht ge bessert. In der vorliegenden Qualität hätten die Nieder schriften nicht als Bekräftigung der Angaben in der Anzeige herangezogen werden dürfen. Keinesfalls konnten diese, in Wahrheit nichtssagenden Niederschriften - ihr Beweiswert bleibt noch unter dem generell schon unzulänglichen Standard von Vernehmungen durch ersuchte Gemeindeorgane in Verwaltungs strafverfahren - die oben monierte Zeugenvernehmung entbehrlich machen.

3.4. Im Ergebnis erweist sich als schwerwiegender Feststellungs-mangel, daß sich die belangte Behörde mit der unzureichenden Anzeige (und der zu ihrer Bestätigung dies falls nicht geeigneten Vernehmung des Beschuldigten durch die Gemeindebehörde) begnügte und kein eigenes, weiteres Er mittlungsverfahren durchführte, um die entscheidungs- wesentlichen Umstände in einer für das Verwaltungsstrafverfahren gebotenen Qualität zu klären. Wie der unabhängige Verwaltungssenat schon wiederholt aussprach (vgl h Erk vom 10.2.1995, VwSen-220859/2/Wei/Bk; mit Vorjudikatur), kann es nicht seine Aufgabe als eines verfassungsrechtlich eingerichteten Organs der Rechts- und Tatsachenkontrolle sein, substantielle Versäumnisse der Strafbehörde auszugleichen und an ihrer Stelle den subsumtionsrelevanten Sachverhalt erstmals zu ermitteln; dies erschiene auch mit Art.6 EMRK nicht vereinbar, zumal mit der Verlagerung der strafbehördlichen Ermittlungspflicht auf das kontrollierende Tribunal eine Verkürzung der Rechtsschutz möglichkeiten des Beschuldigten einherginge. Aus allen diesen Gründen war das angefochtene Straf erkenntnis daher auch hinsichtlich der Fakten a. bis k. aufzuheben und im Grunde des § 45 Abs.1 Z1 VStG die Einstellung des Verfahrens zu verfügen.

4. Mit dieser Entscheidung entfällt die Kostenpflicht des Berufungswerbers (die Aufhebung bewirkt zugleich auch den Wegfall des strafbehördlichen Kostenausspruchs; Beiträge zu den Kosten des Berufungsverfahrens waren nicht aufzuerlegen).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichts hof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Mag. Gallnbrunner

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum