Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-221357/2/Ga/La

Linz, 30.05.1996

VwSen-221357/2/Ga/La Linz, am 30. Mai 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Gallnbrunner über die Berufung der U... F..., vertreten durch Dres. D... und S..., Rechtsanwälte in M..., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. vom 10. April 1996, Zl.

Ge96-59-1995, wegen Übertretung der Gewerbeordnung 1994 GewO 1994, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Strafverfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage:

AVG: § 66 Abs.4.

VStG: § 24; § 44a Z1, § 45 Abs.1 Z3, § 51 Abs.1, § 51c, § 51e Abs.1; § 66 Abs.1.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde die Berufungswerberin wie folgt schuldig erkannt:

"Sie haben anläßlich der Gastgewerbeausübung beim Park- und Stadlfest des T... U... am 30.6. und 1.7.1995 im Standort U..., G..., die Sperrstunde von 03.00 Uhr nicht eingehalten und nach diesem Zeitpunkt den anwesenden Gästen von 30.6.

auf 1.7.1995 jedenfalls bis 03.15 Uhr und von 1.7. auf 2.7.1995 jedenfalls bis 03.30 Uhr Getränke verabreicht, obwohl mit Bescheid der BH Ried i.I. vom 26.6.1995, Ge01-171-1995, eine Sperrstunde (Ende des Ausschanks) von 03.00 Uhr vorgeschrieben wurde." Dadurch habe die Berufungswerberin § 368 Z14 GewO 1994 iVm Punkt I. des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. vom 26. Juni 1995, Ge01-171-1995, verletzt und sei sie wegen dieser Verwaltungsübertretung gemäß "368 Z14 GewO 1994" mit einer Geldstrafe in der Höhe von 5.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: vier Tage) kostenpflichtig zu bestrafen gewesen.

2.1. Die gegen dieses Straferkenntnis zunächst von der Beschuldigten selbst erhobene und sodann durch rechtsfreundliche Vertretung mit weiteren Gründen ergänzte, in der Hauptsache die Aufhebung und Verfahrenseinstellung beantragende Berufung hat die belangte Behörde mit dem bezughabenden Strafakt zur Entscheidung "übermittelt" (gemeint ist damit wohl die die Zuständigkeit des UVS konkret erst begründende 'Vorlage' der Berufung). In der zugleich erstatteten Gegenäußerung beantragt die belangte Behörde die Zurückweisung der Berufung, hilfsweise deren Abweisung.

Den weiteren, allerdings mit dem gerichtsförmigen Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat nicht konvenierenden Antrag, "ergänzende Zeugeneinvernahmen nicht mehr zuzulassen und von einer mündlichen Berufungsverhandlung auf Grund der klaren Sachlage abzusehen", deutet das erkennende Mitglied als ausdrücklich erklärten Verzicht auf die öffentliche mündliche Verhandlung iSd § 51e Abs.3 erster Satz VStG.

Schließlich ersucht die belangte Behörde in ihrer Gegenäußerung "im Hinblick darauf, daß das jährliche Park und Stadlfest des T... U... für heuer an den Samstagen 6.

und 13.7. geplant ist ..., um Entscheidung über die eingebrachte Berufung bis dorthin". Den Zusammenhang dieses, sonst nicht näher erläuterten Ersuchens mit den der belangten Behörde als Organpartei gemäß § 51d VStG in diesem Berufungsverfahren zur Wahrnehmung eröffneten (formellen) Parteirechten sieht der unabhängige Verwaltungssenat nicht.

Immerhin aber wäre denkbar, daß die belangte Behörde im Hintergrund dieses Ersuchens den neutralen (Art. 6 Abs.1 MRK: "unparteiischen") Tribunalcharakter des unabhängigen Verwaltungssenates verkennt und ihm - unzulässig - Aufgaben und Stellung einer in die herkömmliche Verwaltungshierarchie eingebundenen Oberbehörde zusinnt.

2.2. Mit den im materiellen Teil der Gegenäußerung unter Punkt 1. und 2. so formulierten Standpunkten übersieht die belangte Behörde, daß - jedenfalls im Verwaltungsstrafverfahren - Fragen betreffend die Zulässigkeit einer Berufung nur ihrer vorläufigen Meinungsbildung zugänglich sind.

Zur Zulässigkeit des vorliegenden Rechtsmittels stellt der unabhängige Verwaltungssenat daher fest, daß entgegen dem unter Punkt 1. von der belangten Behörde vertretenen Standpunkt die Berufung sehr wohl und ausdrücklich den Bescheid bezeichnet, gegen den sie sich richtet, und daß entgegen dem unter Punkt 2. vertretenen Standpunkt bereits die von der Berufungswerberin selbst eingebrachte Rechtsmittelschrift einen erkennbar auf Aufhebung des Straferkenntnisses gerichteten Berufungsantrag, der zudem auch in einem Mindestmaß begründet ist, enthält.

3. Schon aus der Aktenlage und ohne ergänzende Erhebungen war jedoch ersichtlich, daß - insofern gemäß § 51e Abs.1 VStG ohne öffentliche mündliche Verhandlung - das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben ist.

Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. In der rechtsfreundlichen Ergänzungsschrift zur Berufung macht die Beschuldigte ua. Verfolgungsverjährung geltend und führt damit das Rechtsmittel im Ergebnis zum Erfolg.

Gemäß § 44a Z1 VStG muß der Spruch eines Straferkenntnisses die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau umschreiben, daß 1. die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und 2. die Identität der Tat (jedenfalls nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht (vgl. dazu die allgemeinen Fußnoten zu § 44a VStG in Hauer/Leukauf, Handbuch 4. Auflage 1990, 936 ff). Für das Zeitkriterium der Tatidentität verlangt die ständige Judikatur, daß der Zeitpunkt der Begehung und, falls es sich um einen Zeitraum handelt, auch dessen Ende kalendermäßig eindeutig umschrieben wird. In der Regel ist somit die als erwiesen angenommene Tat durch die Feststellung der Tatzeit zu präzisieren. Diesen Bestimmtheitsanforderungen muß, soll der Lauf der Verjährungsfrist unterbrochen werden, auch schon die erste Verfolgungshandlung iSd § 32 VStG genügen (vgl. das bei Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze II [1992], 294 ff, zu § 32 unter E5 zit. Erk. VwSlg. 12.375 A/1987; ferner zB VwGH 9.7.1992, 92/10/0004; uva).

4.2. Zur Tatbestandsmäßigkeit Zwar scheint die Aktenlage dafür zu sprechen, daß das inkriminierte Verhalten der Berufungswerberin als Begehungsund nicht als Unterlassungsdelikt einzuordnen wäre. Die umfängliche Prüfung dahin aber, ob unter objektiven Gesichtspunkten die Zuordnung des Tatverhaltens zu der als verletzt angegeben Verwaltungsvorschrift rechtens erfolgte, ist dem unabhängigen Verwaltungssenat schon deshalb verwehrt, weil zum einen der Schuldspruch ersichtlich keine wörtliche Wiedergabe der zum wesentlichen Bestandteil des Straftatbestandes erhobenen Sperrstundennorm enthält und weil zum anderen dem mit der Berufung vorgelegten Strafakt keine Ausfertigung (oder wenigstens Kopie) des im Schuldspruch bezeichneten gewerbebehördlichen Bewilligungsbescheides einliegt (und insoweit der im Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat grundsätzlich als Beweismittel zu würdigende Strafakt nur unvollständig vorgelegt wurde).

4.3. Zur Identität der Tat Mit der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 11. Juli 1995, das ist die erste Verfolgungshandlung in diesem Fall, wurde der Berufungswerberin die hier in Rede stehende Tat wie folgt angelastet:

"Sie haben anläßlich der Gastgewerbeausübung beim Park- und Stadlfest des T... U... am 30.6. und 1.7.1995 im Standort U..., G...

1. die Sperrstunde von 03.00 Uhr nicht eingehalten und nach diesem Zeitpunkt den anwesenden Gästen bis 06.00 Uhr Getränke verabreicht, obwohl mit Bescheid der BH.

Ried i.I. vom 26.6.1995, Ge01-171-1995, eine Sperrstunde (Ende des Ausschanks) von 03.00 Uhr vorgeschrieben wurde;".

Innerhalb der sechsmonatigen Verjährungsfrist kommen im Berufungsfall nach Ausweis des vorgelegten Strafaktes als Verfolgungshandlungen noch die Zeugenvernehmungen vom 27.

September 1995, vom 20. Oktober 1995 und vom 22. November 1995 in Betracht. Allerdings kann diesen Amtshandlungen keinerlei konkretes, auf die Tat des Berufungsfalles bezogen gewesenes Beweisthema entnommen werden. Daraus ist zu folgern, daß diesen Vernehmungen keine andere Tatbeschreibung zugrundegelegt war als jene der zit. Aufforderung zur Rechtfertigung. Der Zeugenbeweis vom 30. Oktober 1995 hingegen betraf eine andere Verwaltungsübertretung mit anderem Sachverhalt in einem anderen Strafverfahren und scheidet für den vorliegenden Fall als Verfolgungshandlung aus.

Erstmals im Zuge der Zeugenvernehmung am 21. März 1996 war von einem Sachverhalt, wie ihn der angefochtene Schuldspruch umschreibt, die Rede, u.zw. im Zusammenhang mit der der Berufungswerberin gleichfalls vorgeworfenen Übertretung des O.ö. Veranstaltungsgesetzes. Diese Zeugenvernehmung erfolgte jedoch ebenso bereits außerhalb der Verjährungsfrist, wie auch das angefochtene Straferkenntnis außerhalb dieser Frist erlassen wurde.

4.4. Aus dem Vergleich aber der Tatanlastungen der zit.

ersten Verfolgungshandlung und des angefochtenen Schuldspruches geht hervor, daß die Berufungswerberin nunmehr einer anderen Tat schuldig gesprochen wurde. Der maßgebende Sachverhalt des Schuldspruchs kann - entgegen der von der belangten Behörde in der Bescheidbegründung und auch in ihrer Gegenäußerung vertretenen Auffassung - keineswegs als Vorwurf derselben Tat, die im Verhältnis zur ersten Verfolgungshandlung hinsichtlich der Tatzeit nur eingeschränkt worden sei, verstanden werden.

Abgesehen nämlich davon, daß der Vorwurf der Nichteinhaltung der Sperrstunde am 2. Juli 1995 mit dem Schuldspruch überhaupt das erste Mal erhoben wurde und insofern jedenfalls bereits verjährt gewesen ist, erweist sich hingegen der auf den 1. Juli 1995 bezogene Tatvorwurf in der Aufforderung zur Rechtfertigung schon hinsichtlich der Überschreitungszeit nicht mit der aus dem Blickwinkel des § 44a Z1 VStG für eine Unterbrechung der Verjährungsfrist erforderlichen Bestimmtheit angelastet. Es kann nämlich der vorliegenden Formulierung nicht mit Sicherheit entnommen werden, daß die Überschreitungszeit "bis 6.00 Uhr" auf die beiden genannten Tage, nämlich den "30.6. und 1.7.1995" bezogen sein soll. So ist das bestimmende Element: "nach diesem Zeitpunkt" nur pauschal auf die Zeitangabe "3.00 Uhr" gerichtet; der Vorwurf, daß damit an beiden genannten TAGEN jeweils und übereinstimmend eine Überschreitung bis 6.00 Uhr erfolgte, ist gerade nicht eindeutig erhoben. Diese Beurteilung wird auch dadurch bestärkt, daß im angefochtenen Schuldspruch eine Sperrstundenüberschreitung für den 30.

Juni nicht mehr, hingegen für den 2. Juli 1995 zum ersten Mal vorgeworfen wird; in der Verquickung mit der daraus ersichtlichen Unsicherheit der belangten Behörde über die maßgeblichen Tattage verbleibt jedoch der 1. Juli 1995 nicht mit einer solchen Unzweifelhaftigkeit, daß darauf gestützt und eingeschränkt - der Schuldspruch bestätigt werden könnte.

5. Zusammenfassend war das angefochtene Straferkenntnis - unbeschadet der aufzuzeigen gewesenen Zweifel an der Tatbildlichkeit (oben 4.2.) - wegen Vorwurfs einer teils von Anfang an verjährten Tat und teils nicht hinlänglich individualisierten Tat aufzuheben; gleichzeitig war gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG die Einstellung des Strafverfahrens zu verfügen, weil Umstände vorliegen, die die Verfolgung der Berufungswerberin in dieser Sache ausschließen.

6. Mit diesem Verfahrensergebnis entfällt die Kostenpflicht der Berufungswerberin (die Aufhebung bewirkt zugleich auch den Wegfall des strafbehördlichen Kostenausspruchs; Beiträge zu den Kosten des Berufungsverfahrens waren nicht aufzuerlegen).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Gallnbrunner

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