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VwSen-221399/14/GU/Mm

Linz, 11.02.1997

VwSen-221399/14/GU/Mm Linz, am 11. Februar 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Hans Guschlbauer über die Berufung des Dkfm. G. M., vertreten durch RA Dr. D. N., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft L. vom 11. September 1996, Zl. .., wegen zwei Übertretungen der GewO nach der am 27. Jänner 1997 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Die Berufung wird, soweit sie sich auf Faktum 1 des angefochtenen Strafer-kenntnisses bezieht, abgewiesen und dieses bestätigt.

Der Rechtsmittelwerber hat hiezu als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens den Betrag von 600 S zu entrichten.

Hinsichtlich Faktum 2 wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

Diesbezüglich entfallen Beiträge zu den Kosten des Berufungsverfahrens.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG, § 5 Abs.1, § 19, § 64 Abs.1 und 2 VStG - hinsichtlich Faktum 2 auch § 65 VStG - § 370 Abs.2 GewO 1994, § 367 Z25 GewO 1994 iVm Auflage 18 des Genehmigungsbescheides der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 7.6.1978, Ge1953/14-1978; hinsichtlich Faktum 2: § 45 Abs.1 Z1 VStG, § 148 Abs.3, § 367 Z34 GewO 1994.

Entscheidungsgründe:

Die Bezirkshauptmannschaft L. hat den Rechtsmittelwerber mit dem angefochtenen Straferkenntnis schuldig erkannt als gewerberechtlicher Geschäftsführer für das Handelsgewerbe der A. Österreich Handels-AG im Standort W., es verantworten zu müssen, daß von der genannten Gesellschaft in der weiteren Betriebsstätte in A. der Auflagenpunkt 18. des Genehmigungsbescheides der Bezirkshauptmannschaft L. vom 7.6.1978, Ge-.., wonach die Warenanlieferung mit Kraftfahrzeugen nur in der Zeit zwischen 06.00 Uhr und 20.00 Uhr erfolgen darf, nicht eingehalten worden sei, indem durch die Fa. A. mit dem LKW am 15.7.1995 in der Zeit von 01.44 Uhr bis 01.59 Uhr und mit dem LKW am 28.7.1995 in der Zeit von 22.19 Uhr bis 22.27 Uhr, Anlieferungen stattgefunden hätten und weiters durch die Fa. M., Anlieferungen werktäglich in der Zeit zwischen 03.30 Uhr und 04.10 Uhr erfolgten; am 28.7.1995 im Rahmen eines Grillfestes auf dem Vorplatz des dortigen Betriebsgebäudes an Gäste entgeltlich gegrillte Speisen verabreicht und Faßbier ausgeschenkt worden sei und dadurch das Gastgewerbe in der Betriebsart "Schnellimbiß" ausgeübt worden sei, ohne daß die hiefür erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt worden wäre.

Wegen Verletzung des § 367 Z25 GewO 1994 iVm dem vorzitierten Auflagenpunkt Betriebsanlagengenehmigungsbescheid, wurde ihm in Anwendung des § 367, Einleitungssatz GewO 1994, eine Geldstrafe von 3.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden) und zu Faktum 2 wegen Verletzung des § 366 Abs.1 Z1 iVm § 142 Abs.1 Z2 und 3 GewO 1994 in Anwendung des § 366 Abs.1 Einleitungssatz GewO 1994 eine Geldstrafe von 2.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 16 Stunden), auferlegt.

Außerdem wurden ihm die gesetzlichen Verfahrenskostenbeiträge für das erstin-stanzliche Verfahren zur Zahlung vorgeschrieben.

In seiner dagegen von dem rechtsfreundlichen Vertreter eingebrachten Berufung macht der Rechtsmittelwerber Unzuständigkeit der Bezirkshauptmannschaft L. wegen des in Wien gelegenen Unternehmenssitzes geltend und ergeht sich in weitwendigen Ausführungen über das satzungsgemäß zur Vertretung nach außen berufene Organ und dessen Verantwortungsbereich.

Für die Einhaltung aller gewerberechtlichen Vorschriften im Bereich der Zentrale Oberösterreich, der A. Österreich Handels AG, sei Frau A. G. per Adresse N.straße, verantwortlich.

Die Behörde habe keinerlei Erhebungen gepflogen, wieweit das organisatorische System der A. geeignet sei dem Grunde nach eventuelle Verstöße gegen gewerberechtliche Vorschriften zu verhindern. Bei dem nach § 5 VStG herrschenden Verschuldensprinzip sei es unerfindlich und widerspreche der Lebenserfahrung und der wirtschaftlichen Realität, daß Vorstandsmitglieder einer AG, trotz Einrichtung eines geordneten Kontroll- und Verantwortungssystemes ein Verschulden für eine bestimmte Verwaltungsübertretung träfe.

Durch den Hinweis auf die Einrichtung eines zweistufigen Kontrollsystemes, das an sich funktioniere, sei die initiative Darlegung, warum der Einschreiter nicht selbst für die Verwaltungsübertretung verantwortlich sei, gelungen. Die A. habe alle Lieferanten auf die strenge Einhaltung der gewerberechtlichen Auflagen hingewiesen. Sofort nach Erhalt der Strafverfügung sei die Bäckerei M. angewiesen worden, daß eine Anlieferung erst nach 06.00 Uhr erfolgen dürfe. Die Anlieferung durch A. LKWs zur Nachtzeit seien nur aufgrund verschiedenster Verzögerungen in der Transportkette erfolgt und stellten eine Ausnahme dar.

Die Anlieferung erfolge stets über die Bundesstraße Nr. 1, welche auch zur Nachtzeit zu den stark befahrenen Straßen der Umgebung zähle, sodaß eine zusätzliche Lärmbelästigung durch ein einmaliges Anliefern nach 22.00 Uhr äußerst gering sei. Die Anlieferung habe durch den Nachbarn aufgrund des herrschenden Lärmpegels auf der Bundesstraße gar nicht wahrgenommen werden können.

Hinsichtlich der zur Last gelegten Ausübung eines Gastgewerbes ohne Gewerbebe-rechtigung, wird die Regelmäßigkeit, welche für das Tatbild maßgeblich ist, bestritten.

Während des Berufungsverfahrens hat der Rechtsmittelwerber ergänzend vorgebracht, daß die A. Österreich-AG an einem anderen Standort ohnedies eine Gastgewerbeberechtigung besitze.

Bei der Strafbemessung sei die erste Instanz nur auf objektive Merkmale eingegangen. Bei der Strafbemessung sei aber auch die Schuld des Täters sowie mildernde und erschwerende Umstände zu berücksichtigen und eine Gesamtsicht erforderlich.

Aufgrund des Fehlens nachteiliger Folgen könne der Unrechtsgehalt als unbedeutend angesehen werden. Eine Schädigung oder Gefährdung von Interessen, deren Schutz die Strafdrohung diene, liege nicht vor, auch das Verschulden sei aufgrund des Delegationssystemes in der Gesellschaft wesentlich hinter dem in der Strafdrohung von § 367 Z25 GewO typisierten Schuldgehalt zurückgeblieben. Aus diesem Grunde liege die Voraussetzung für die Anwendung des § 21 VStG vor. Schließlich beantragt der Rechtsmittelwerber das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen, in eventu die Strafe schuld- und tatangemessen herabzusetzen.

Aufgrund der Berufung wurde am 27.1.1997 in Gegenwart des Vertreters des Beschuldigten die öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, in deren Rahmen ein Lokalaugenschein abgehalten und K. T. sowie A. G. als Zeugen vernommen wurden. Ferner wurde in die Konzessionsurkunde der A. Österreich Handels-AG mit dem Sitz in W., lautend auf das Gastgewerbe im Standort S., Einsicht genommen.

Demnach ist erwiesen: Der Beschuldigte ist der gewerberechtliche Geschäftsführer der A. Österreich Handels-AG mit dem Sitz in W. Diese AG besaß im Juli 1995 im Standort A., eine weitere Betriebsstätte, für welche allerdings kein gesonderter gewerberechtlicher Filialgeschäftsführer bestellt war. Für diese weitere Betriebsstätte galt durch die in rem wirkung eines Betriebsanlagenbescheides der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft L. vom 7.6.1978, Ge-.. und damit für den Betrieb der Anlage dessen Auflage Nr. 18, wonach die Warenanlieferung mit Kraftfahrzeugen nur in der Zeit zwischen 06.00 Uhr und 20.00 Uhr erfolgen darf. Das Tor zur Warenanlieferung befindet sich nicht an der, der Bundesstraße 1 zugewandten Frontseite, sondern im hinteren Bereich des Objektes A., gegenüber der vom Nachbarn K. T. bewohnten Nachbarliegenschaft A., W. Die Entfernung der Anlieferungsöffnung zu den Schlafzimmerfenstern des Nachbarn beträgt rund 20 m. Dazwischen befindet sich lediglich eine Hecke. Am 15.7.1995 fand in der Zeit zwischen 01.44 Uhr bis 01.59 Uhr eine Belieferung der vorgenannten A. Filiale an der vorerwähnten Stelle mit einem Firmen LKW Kennzeichen O-.. statt. Desgleichen am 28.7.1995 von 22.19 Uhr bis 22.27 Uhr und zwar mit dem LKW.

Zu diesen erwähnten Zeitpunkten sowie bis hin zum Mai 1996 wurde der Markt auch vom Bäckermeister M. regelmäßig vor 06.00 Uhr beliefert, wobei auch Anlieferungen zwischen 03.30 Uhr und 04.10 Uhr erfolgten.

Von der Marktleitung bzw. der Oberösterreich-Zentrale der A. auf die Schwierigkeiten und die Beschränkung der Anlieferungszeit hingewiesen, handhabte der Bäcker dann die Anlieferung so, daß er mit dem Firmenfahrzeug auf der Front (Straßen) -seite des A.-Marktes vorfuhr und die Körbe mit den Backwaren zum Anlieferungsbereich zurücktrug.

Am 28.7.1995 wurde auf dem Vorplatz des A. Einkaufsmarktes ein Grillfest ver-anstaltet und in diesem Rahmen an Gäste entgeltlich gegrillte Speisen verabreicht und Faßbier ausgeschenkt. Eine vorgängige Gewerbeanmeldung oder Einholung einer Bewilligung zur vorübergehenden Ausübung des Gastgewerbes im Sinn des § 148 Abs.3 GewO 1994 lag nicht vor. Vorstehender Sachverhalt ist im wesentlichen nicht bestritten.

Daran anknüpfend war folgendes rechtlich zu bedenken:

Gemäß § 367 Z25 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung die mit einer Geldstrafe bis zu 30.000 S zu bestrafen ist, wer unter anderem die gemäß den Bestimmungen der §§ 74 bis 83 und 359b in Bescheiden vorgeschriebenen Auflagen oder Aufträge nicht einhält. Der Auflagenpunkt 18 des Betriebsanlagenge-nehmigungsbescheides für den Einkaufsmarkt A., vom 7.6.1978, Ge-.., lautet: "Die Warenanlieferung mit Kraftfahrzeugen darf nur in der Zeit zwischen 06.00 Uhr und 20.00 Uhr erfolgen. Während des Ladevorganges sind die Motoren der Kraftfahrzeuge abzustellen, worauf durch einen entsprechenden Anschlag im Bereich der Ladezone hinzuweisen ist." Gemäß § 366 Abs.1 Z1 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung die mit Geldstrafe bis zu 50.000 S zu bestrafen ist, wer ein Gewerbe ausübt ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben.

Gemäß § 142 Abs.1 GewO 1994 bedarf einer Gewerbeberechtigung für das Gast-gewerbe und somit einer Gewerbeanmeldung dieses gebundenen Gewerbes, die Verabreichung von Speisen jeder Art und dem Verkauf von warmen und angerichteten kalten Speisen, sowie der Ausschank von alkoholischen Getränken und der Verkauf dieser Getränke in unverschlossenen Gefäßen. Gemäß § 159 Abs.1 GewO 1994 stehen den Gewerbetreibenden, die den Kleinhandel mit Lebensmitteln ausüben im Rahmen ihrer Gewerbeausübung auch zu, daß Zubereiten von Fleisch, Fleischwaren, Fisch und Geflügel in einfacher Art, von Salaten, Brotaufstrichen und belegten Brötchen; die Verabreichung der in Z1 genannten Speisen mit üblichen kalten Beigaben wie Essig, Gemüse, Mayonnaise, Senf, Kren, Brot und Gebäck in einfacher Art, in den dem Verkauf gewidmeten Räumen; der Verkauf von warmen oder kalten Speisen im Umfang der Z1 und 2, der Ausschank von Milch, Milchgetränken, nicht alkoholischen kalten Getränken und Flaschenbier, in den dem Verkauf gewidmeten Räumen.

Gemäß § 148 Abs.3 GewO 1994 darf ein Gastgewerbe außerhalb der Betriebsräume und allfälligen sonstigen Betriebsflächen des Standortes nur vorübergehend aus Anlaß einzelner besonderer Gelegenheiten (Volksfeste, Wohltätigkeitsver-anstaltungen, Ausstellungen, Märkte, Sportveranstaltungen, größere Baustellen udgl.) ausgeübt werden.

Eine solche Ausübung eines Gastgewerbes bedarf einer Bewilligung der Behörde.

Gemäß § 367 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung die mit Geldstrafe bis zu 30.000 S zu bestrafen ist, wer ein Gastgewerbe vorübergehend außerhalb der Betriebsräume und allfälligen sonstigen Betriebsflächen des Standortes ausübt, ohne die vorhin erwähnte Bewilligung erhalten zu haben.

Gemäß § 46 Abs.1 GewO 1994 ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, eine Gewerbeausübung, auch wenn sie nur kurzfristig oder vorübergehend ist, außerhalb des Standortes der Gewerbeberechtigung oder einer weiteren Betriebsstätte unzulässig. Das Recht zur Ausübung eines Gewerbes in einer weiteren Betriebsstätte wird durch die hievon bei der Behörde erstattete Anzeige des Gewerbeinhabers begründet.

Gemäß § 367 Z16 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 30.000 S zu bestrafen ist, wer entgegen dem § 46 Abs.1 ein Gewerbe unzulässigerweise außerhalb des Standortes der Gewerbeberechtigung oder einer weiteren Betriebsstätte ausübt.

Gemäß § 5 Abs.1 VStG genügt, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandlung gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungs-vorschrift kein Verschulden trifft.

Gemäß § 6 VStG ist eine Tat nicht strafbar, wenn sie durch Notstand entschuldigt, oder, obgleich sie den Tatbestand einer Verwaltungsübertretung entspricht, vom Gesetz geboten oder erlaubt ist.

Gemäß § 9 Abs.1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen (bei einer Aktiengesellschaft handelt es sich um eine solche) oder Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit, sofern die Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte bestellt sind strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist. Eine solche besondere Bestimmung enthält die Gewerbeordnung 1994 in ihrem § 370 Abs.2.

Nachdem für die Filiale in A. kein Filialgeschäftsführer bestellt war, hatte der für das Stammgewerberecht bestellte gewerberechtliche Geschäftsführer - der Beschuldigte - für die Taten einzustehen.

Anknüpfend daran ist bezüglich der relevierten Unzuständigkeit der Bezirkshaupt-mannschaft L. anzumerken, daß der Rechtsmittelwerber offensichtlich von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausgeht, welche sich auf den handelsrechtlichen Geschäftsführer und auf Dienstnehmerschutzangelegenheiten bezieht. Diese trifft aber im gegenständlichen Fall nicht zu. Es handelt sich um Verstöße im Betriebsanlagenrecht. Hier knüpft die Rechtsprechung des Verwaltungs-gerichtshofes im Gegensatz zu arbeitnehmerschutzrechtlichen Angelegenheiten an die Örtlichkeit der Betriebsanlage an und bestimmt demnach die Zuständigkeit an die für diese Örtlichkeit zuständige Bezirksverwaltungsbehörde.

Was die geltendgemachte Ausnahmesitutation bezüglich der Beschickung des Marktes zur Nachtzeit durch zwei Firmenfahrzeuge infolge unvorhersehbarer Zwischenfälle (Faktum 1) anlangt, womit hintergründig das Vorliegen von Notstand geltendgemacht wurde so ist anzumerken, daß ein solcher im Verwaltungsstrafver-fahren nur anerkannt ist, wenn die Rettungshandlung das einzige Mittel zur Abwehr des Nachteiles ist. Wenn hiebei die Möglichkeit einer wirtschaftlichen Schädigung gegeben ist und die Lebensmöglichkeit schlechthin nicht unmittelbar bedroht ist, ist keine unmittelbar drohende Gefahr gegeben und somit kein Notstand anerkannt (VwGH 23.9.1985, 85/18/301 uva.).

Was die Wertung des Unrechtsgehaltes zu Faktum 1 anlangt, so ist aufgrund der örtlichen Situierung des Anlieferbereiches etwas abgesetzt von der Bundesstraße und durch die Nähe und das Gegenüberliegen der Schlafzimmerfenster des Nachbarn die von letzterem geltendgemachte Ruhestörung plausibel. Daß auch das Bäckereifahrzeug zu früher Stunde (zwischen 03.30 Uhr und 04.10 Uhr) regelmäßig wahrgenommen werden konnte, widerspricht ebenfalls nicht der Lebenserfahrung, wenngleich die Bundesstraße 1 sicherlich kein unbedeutender Verkehrsträger ist.

Daß ungeachtet der Beschwerden des Nachbarn beim Personal des A. Marktes der Bäcker nicht schärfer in die Schranken gewiesen wurde oder ihm der Vertrag aufgekündigt wurde, liegt jedenfalls im Verantwortungsbereich, den der Beschuldigte als gewerberechtlicher Geschäftsführer zu tragen hat.

Was die Verschuldensfrage anlangt, so ist zu bemerken, daß in einem groß organisierten Unternehmen der gewerberechtliche Geschäftsführer, um seiner Verantwortung gerecht zu werden, sich sicherlich Erfüllungsgehilfen bedienen kann und muß, zumal er nicht allgegenwärtig sein kann. Wenngleich bei einem Großunternehmen die Rationalisierungseffekte auf verschiedensten Bereichen sich positiv kaufmännisch zu Buche schlagen, so ist, was die Einhaltung der Vorschriften anlangt, allerdings im Sinne des Gleichheitssatzes vom Blickwinkel des Konsumenten und Nachbarn, ungeachtet ob sie einem kleinen Unternehmer oder einer großen Kette gegenüberstehen, geboten, daß ihnen derselbe Schutz zuteil wird.

Ausgehend von diesem verfassungsrechtlichen Aspekt ist daher das Weisungs- und Kontrollrecht auf diesen Erfolg hin, nämlich auf die genaue Einhaltung der Vorschriften hin, zu organisieren und einzurichten.

Wenn nun die für die Aufsicht der gegenständlichen A. Filiale in A. zuständige Frau A. G. aussagte, daß sie nur mit dem Leiter der Landeszentrale Oberösterreich Kontakt habe und den gewerberechtlichen Geschäftsführer - den Beschuldigten - nur vom Sehen kenne und im übrigen weder vom Beschuldigten selbst dargetan, noch aus dem Akt oder sonstigen Beweisergebnissen hervorleuchtend, daß ein konkretes zielorientiertes Weisungs- und Kontrollsystem bestand, so konnte ihn von seiner Verantwortung nichts entlasten.

Die Möglichkeit der Bestellung eines(r) Filialgeschäftsführers(in), welche rechtswirksam die Verantwortung übertragen hätte, ist ungenutzt geblieben. Ein durchschlagendes Weisungs- und Kontrollinstrumentarium bis zur höchsten Ebene, nämlich zu der Geschäftsführerebene, war nicht nachvollziehbar und es konnte von keinem geringfügigen Verschulden ausgegangen werden.

Die objektive Tatseite war bei Faktum 1 insoweit nicht unbedeutend, als die Nachbarschutzinteressen verletzt und Störungen eingetreten sind. Aus diesem Grunde kam die Anwendung des § 21 Abs.1 VStG nicht in Betracht.

Bei der Strafbemessung zu Faktum 1 war gemäß § 19 VStG zu bedenken:

Gemäß § 19 Abs.1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Gemäß § 19 Abs.2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Der Strafrahmen beträgt gemäß § 367 Einleitungssatz, in Geld bis zu 30.000 S.

Der Unrechtsgehalt der Tat war von mittlerem Gewicht. Bezüglich der LKW-Anlieferungen war mildernd, daß es sich um schwer vorhersehbare Zwischenfälle gehandelt hat.

Auf der anderen Seite war bei der Belieferung mit Backwaren erschwerend, daß die Sache trotz der nachbarlichen Beschwerden treiben gelassen wurde und nicht energisch Abhilfe geschaffen wurde, sodaß es zu einer Wiederholung der Verletzung der Anlieferungsverbote, zusammengefaßt in der Figur eines fortgesetzten Deliktes, bedacht mit dem Erschwerungsgrund des § 33 Z1 StGB, kam.

Ausgehend von der unbestritten gebliebenen Vermögenslosigkeit und einem geschätzten Monatseinkommen von 30.000 S, ist daher der ersten Instanz, bei der von ihr ausgesprochenen Geldstrafe kein Ermessensmißbrauch unterlaufen. Auch die ausgesprochene Ersatzfreiheitsstrafe entspricht dem Verhältnismäßigkeitsgebot.

Was die angelastete unbefugte Ausübung des Gastgewerbes anlangt, so war allerdings beachtlich, daß die A. Österreich, Handels-AG, im Bundesgebiet nicht gänzlich ohne Gastgewerbekonzession dasteht, sondern, wie eingangs erwähnt, im Standort S., eine Berechtigung für die Verabreichung von Speisen und den Ausschank von alkoholischen Getränken sowie von nicht alkoholischen Getränken besitzt.

Nachdem die Verabreichungen im Rahmen des Grillfestes nicht in den Betriebsräumen stattfanden, schied zunächst die Annahme aus, daß es sich hiebei um die befugte Ausübung des Nebenrechtes eines Lebensmitteleinzelhändlers handelte.

Aufgrund der Spruchpraxis des Verwaltungsgerichtshofes, war allerdings eine Bestrafung wegen gänzlicher unbefugter Konzessionsausübung im Sinn des § 366 Abs.1 Z1 GewO 1994 nicht zulässig, weil spezielle Normen die Subsumtion betreffend die Unterlassung der Einholung einer Bewilligung zur vorübergehenden Ausübung des Gastgewerbes allenfalls die Unterlassung der Anzeige der Ausübung des Gastgewerbes in einer weiteren Betriebsstätte nicht von vorne herein ausgeschlossen war. Nahe lag der Verdacht der vorübergehenden Ausübung des Gastgewerbes ohne Bewilligung.

Ein Austausch der Tat durfte allerdings im Berufungsverfahren nicht erfolgen, wodurch mit der Einstellung des Verfahrens bezüglich Faktum 2 vorzugehen war.

Gemessen am Erfolg der Berufung war hinsichtlich Faktum 1, gemäß § 64 Abs.1 und 2 VStG ein 20 %-iger Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens aufzuerlegen.

Bezüglich der Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens zu Faktum 2, traf den Rechtsmittelwerber gemäß § 66 Abs.1 VStG keine Pflicht zur Übernahme von Verfahrenskosten.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. Guschlbauer

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