Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-220663/18/Kon/Fb

Linz, 15.05.1995

VwSen-220663/18/Kon/Fb Linz, am 15. Mai 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch die 6. Kammer (Vorsitzender: Mag. Gallnbrunner, Berichter: Dr. Konrath, Beisitzer: Dr. Grof) über die Berufung des Dipl.-Ing. G.K., vertreten durch Rechtsanwälte Dr. E.H. und Dr. K.

H., gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt L. vom 15. Juni 1993, GZ: ..wegen Übertretung von Arbeitnehmerschutzvorschriften, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird hinsichtlich des Schuldspruches keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis diesbezüglich bestätigt.

II. Hinsichtlich der Strafhöhe wird der Berufung teilweise Folge gegeben und werden die zu Faktum a) und b) verhängten Geldstrafen jeweils auf den Betrag von 10.000 S und die für den Uneinbringlichkeitsfall vorgesehenen Ersatzfreiheitsstrafen auf die Dauer von jeweils drei Tagen herabgesetzt.

Der Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens erster Instanz wird mit insgesamt 2.000 S (1.000 S + 1.000 S) festgesetzt.

III. Dem Berufungswerber sind keine Kosten für das Berufungsverfahren aufzuerlegen.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 51 Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) iVm § 24 VStG.

zu II.: §§ 16 und § 19 VStG.

zu III.: § 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I. und II.:

Das angefochtene Straferkenntnis enthält nachstehenden Schuld- und Strafausspruch:

"Der Beschuldigte, Herr Dipl. Ing. G.K., wohnhaft L. hat es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit gemäß § 9 VStG verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher der Voest Alpine Stahl Linz Ges.m.b.H. mit dem Sitz in L., zu vertreten, daß a) am 7.10.1992 im Werksgelände der Voest Alpine in L., in der Halle M-N und b) am 2.12.1992 im Werksgelände der Voest Alpine in L., in der Halle 8 des KWW II in den Stützenreihen H9 - H13 des o.a. Betriebes, wie anläßlich von Überprüfungen des Arbeitsinspektorates für den 9. Aufsichtsbezirk am 7.10.1992 und am 2.12.1992 festgestellt wurde, bedingt durch Platzmangel, die Lagerung von Bunden derart durchgeführt wurde, daß eine Gefährdung von Arbeitnehmern durch herabstürzende bzw. wegrollende die Unterlagshölzer überspringende Bunde gegeben war (es wurden Stapelhöhen von 5 m gemessen und die Durchgänge waren teilweise nur 30 cm breit), obwohl § 64 AAV vorschreibt, daß Lagerungen so vorzunehmen sind, daß Arbeitnehmer durch herabfallendes, abrutschendes, umfallendes oder wegrollendes Lagergut nicht gefährdet werden.

Der Beschuldigte hat hiedurch folgende Verwaltungsübertretungen begangen:

ad a) - b) jeweils § 31 Abs. 2 lit.p) Arbeitnehmerschutzgesetz, BGBl.Nr. 234/1972 i.d.g.F. i.V.m. § 64 Abs. 2 und § 100 Allgemeine Arbeitnehmerschutzverordnung, BGBl.Nr.

218/1983.

Über den Beschuldigten werden wegen dieser Verwaltungsübertretungen in Anwendung des § 22 VStG folgende Geldstrafen verhängt:

ad a) S 50.000,-ad b) S 50.000,-insges. S 100.000,-Im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafen treten an deren Stelle Ersatzfreiheitsstrafen in der Dauer von ad a) 14 Tage ad b) 14 Tage insges. 28 Tage Der Beschuldigte hat gem. § 64 Abs. 2 VStG als Beitrag zu den Kosten des Strafvollzuges 10.v.H. der verhängten Strafen, das sind ad a) S 5.000,-ad b) S 5.000,-insges. S 10.000,-leisten, sowie gem. § 54 d VStG die allfälligen Kosten des Strafvollzuges (1 Tag Arrest = S 81,--) zu ersetzen." Ihrer Begründung nach stützt sich die Erstbehörde hinsichtlich des Vorliegens der objektiven Tatseite auf die Feststellungen des Arbeitsinspektorates, welche in dessen Anzeige festgehalten sind. Das Vorliegen der subjektiven Tatseite (Verschulden) wird darin begründet, als es dem Beschuldigten nicht gelungen ist, sich vom Vorwurf der unzureichenden Beaufsichtigung und Kontrolle des Betriebes zu entlasten.

Gegen dieses Straferkenntnis hat der Beschuldigte rechtzeitig Berufung erhoben und zu deren Begründung im wesentlichen vorgebracht:

Aus dem gesamten Ermittlungsverfahren, insbesondere auch aus der Stellungnahme des Arbeitsinspektorates für den 9. Aufsichtsbezirk, gehe nicht hervor, weshalb diese Art der Lagerung der Bunde eine Gefährdung von Arbeitnehmern zur Folge gehabt hätte. Auch in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses werde nicht dargetan, inwieweit durch die Lagerung der Bunde eine Gefahr für die Arbeitnehmer gegeben gewesen wäre. Die Erstbehörde habe es weiters unterlassen, diesbezüglich eine Ermittlungstätigkeit durchzuführen, wodurch ein gravierender Verfahrensmangel vorliegt. Hätte nämlich die Erstbehörde im Zuge ihrer Ermittlungstätigkeit beispielsweise ein Sachverständigengutachten eingeholt, so wäre sie zum Ergebnis gelangt, daß durch die Lagerung der Bunde keine Gefährdung der Arbeitnehmer ausgegangen wäre. In bezug auf den Vorwurf fahrlässigen Handelns hält der Berufungswerber fest, daß sich aus der Definition der Fahrlässigkeit ergebe, daß die Sorgfaltswidrigkeit in eine objektive und eine subjektive Komponente aufzuspalten sei.

Der Berufungswerber könne hinsichtlich der objektiven Komponente nur dann einen Sorgfaltsverstoß begehen, wenn er zu einer bestimmten Handlung nach den Umständen verpflichtet gewesen wäre. In diesem Zusammenhang werde auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.9.1985, Zl.

82/10/0145, hingewiesen, wonach der handelsrechtliche Geschäftsführer dann sorgfaltsgemäß handle, wenn er alle Maßnahmen getroffen habe, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten läßt. Bei einer weit verzweigten Organisation könne ein sorgfaltsgemäßes Handeln des satzungsgemäß zur Vertretung nach außen berufenen Organes zweckmäßigerweise nur in einer "Oberaufsicht" bestehen, wie weiters darin, durch entsprechende Organisation, Schulung der Dienstnehmer und Dienstanweisung alle nur denkbaren, zweckmäßigen Vorkehrungen für die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen zu treffen. Es ergebe sich schon aus dem Wortlaut des § 31 Abs.5 ASchG, daß Arbeitgeber, hier der handelsrechtliche Geschäftsführer, nur so weit zu einer eigenen Beaufsichtigung des Betriebes verpflichtet sind, so weit ihnen diese nach den gegebenen Verhältnissen möglich ist. Diese Bestimmung hat offensichtlich gerade solche Betriebe im Auge, bei denen es den handelsrechtlichen Geschäftsführern schon allein aus organisatorischen und zeitlichen Gründen nicht möglich sei, die einzelnen Produktionsstätten und Filialbetriebe auf die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzbestimmungen zu überprüfen und selbst zu kontrollieren, da in Großbetrieben, wie dem gegenständlichen Betrieb, mit einer Beschäftigungszahl von 11.000 Arbeitnehmern einem handelsrechtlichen Organ eine solche Verpflichtung zur eigenen Kontrolle aus völlig einsichtigen Gründen nicht auferlegt werden könne, denn es sei gerade Aufgabe dieser handelsrechtlichen Geschäftsführer, die wirtschaftlichen Agenden eines derartigen Großbetriebes zu besorgen. Der gegenständliche Großbetrieb mit seinen ca 11.000 Beschäftigten sei in derart viele Produktionseinheiten gegliedert, in denen überall bestimmte, im einzelnen verschiedene Arbeitnehmerschutzmaßnahmen zu treffen und eine eigene vom handelsrechtlichen Geschäftsführer selbst durchgeführte Kontrolle völlig ausgeschlossen und unmöglich sei. Der diesbezügliche Vorwurf gehe daher schon deshalb ins Leere, da eine Verpflichtung zur eigenen Kontrolle unter Berücksichtigung des Regulativs "möglich" schon ex lege nicht besteht.

Die Behörde lasse den Vorwurf des Sorgfaltsverstoßes hinsichtlich der Auswahl des Bevollmächtigten unbegründet.

Der Bevollmächtigte, für den hier gegenständlichen Tätigkeitsbereich: Beschaffung/Logistik war Dipl.-Ing. K. P. M.

und dieser habe wiederum Herrn Dipl.-Ing. Z. eingesetzt; beide seien langjährige Mitarbeiter des Unternehmens, die schon allein aufgrund ihrer Ausbildung und aufgrund ihrer sonstigen Tätigkeit im Betrieb über das notwendige spezielle Fachwissen verfügten und daher für diese Tätigkeit jedenfalls geeignet seien. Ein Sorgfaltsverstoß bei der Auswahl des Bevollmächtigten liege daher keinesfalls vor.

Hinsichtlich der Beaufsichtigung des Bevollmächtigten übersehe die Behörde, daß das Kontroll- bzw Sicherheitssystem der Voest Alpine Stahl GmbH aufgrund der weit verzweigten Organisation entsprechend durchdacht und aufgrund der Größe des Betriebes selbstverständlich von einer Arbeitsteilung und einer Zuteilung von Verantwortlichkeiten gekennzeichnet sei. Ansonsten wäre ein solcher Großbetrieb nicht verwaltbar. Nach dem Organisationsplan sei Dipl.-Ing. M. für den Bereich der Beschaffung/Logistik beauftragt worden. Darüber hinaus bestehe ein Organisationsplan der Abteilung Arbeitssicherheit. Diese Abteilung sei für die Kontrolle verantwortlich und habe Abweichungen dem Vorstand zu melden. Darüber hinaus existiere gemäß Geschäftsordnung unabhängig von der Geschäftsverteilung eine wechselseitige Berichtspflicht der Vorstandsmitglieder über alle Vorkommnisse von Bedeutung, im Rahmen derer die Ergebnisse der Kontrolltätigkeit jedes Vorstandsmitgliedes für seine Führungsbereiche vorgetragen würden. Durch dieses langjährige durchorganisierte System in Verbindung mit den Kontrolleinrichtungen konnte der Berufungswerber davon ausgehen, daß die Arbeitnehmerschutzvorschriften entsprechend eingehalten würden. Ein etwaiger Mißstand wäre nur dann aufgefallen, wenn der Berufungswerber selbst vor Ort kontrolliert hätte. Im übrigen hätte es seitens des Vorstandes für den Fall der Überlagerung mit Lagergut die Anweisung gegeben, kurzfristig zusätzliche Flächen zur Lagerung anzumieten, damit eine Überlagerung und etwaige Gefährdung von Arbeitnehmern vermieden würde.

Im gegenständlichen Fall sei die gesetzlich vorgesehene Höchststrafe von 50.000 S pro Übertretung verhängt worden.

Die Behörde hätte bei der Strafhöhe berücksichtigen müssen, daß die Tat keine nachteiligen Folgen nach sich gezogen habe.

Die Behörde führe sogar selbst an, daß die bisherigen Unbescholtenheiten als strafmildernd zu werten sei. Damit habe die Behörde das ihr eingeräumte Ermessen bei weitem überschritten.

Der Berufungswerber beantragt daher, den angefochtenen Bescheid als rechtswidrig aufzuheben sowie das Strafverfahren einzustellen bzw in eventu die verhängten Strafen entsprechend herabzusetzen.

Weiters wurde die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung beantragt.

Die belangte Behörde hat von der Erlassung einer Berufungsvorentscheidung Abstand genommen und die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsakt ohne Ersattung einer Gegenäußerung sogleich dem unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt.

Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den erstbehördlichen Verfahrensakt und darüber hinaus auch die Ergebnisse des Beweisverfahrens im Berufungsverfahren VwSen-220669 und VwSen-220667 herangezogen. Von besonderer Bedeutung sind dabei die Aussagen des Zeugen W.HR. Dr. F.N.vom Arbeitsinspektorat für den 9. Aufsichtsbezirk in L. sowie die des Zeugen Dipl.-Ing.

K.M..

Der unabhängige Verwaltungssenat hat nachstehenden rechtserheblichen Sachverhalt festgestellt:

Nachdem es im Jahr 1976 am Gelände der Voest Alpine im Bereich der Bundlagerung einen tödlichen Arbeitsunfall durch das Einstürzen von Bunden gegeben hatte, wurde von Vertretern der Betriebsinhaberin im Zusammenwirken mit dem Arbeitsinspektorat eine Stapelordnung erstellt, die gleichermaßen den Stand der Technik bezüglich Sicherheit repräsentierte, aber auch die Manipulierbarkeit und Wirtschaftlichkeit im Zusammenhang mit der Bundlagerung berücksichtigte. Diese Stapelordnung ist als Betriebsanweisung anzusehen und wurde im Jahr 1990 überarbeitet.

Zur Ortung nachgefragter Bunde müssen sich ständig Arbeitnehmer zwischen den Bundreihen bewegen, weshalb eine Mindestbreite der Durchgangswege von 60 cm und eine Stapelhöhe von 2,70 m festgelegt wurden. Diese Stapelhöhe berücksichtigt, daß es zu Notabsenkungen des Kranes kommen kann, wobei durch die eintretende Belastung ein Sicherheitskoeffizient notwendig ist. Bei der Einhaltung der Stapelordnung kam es saisonbedingt zu Schwierigkeiten, und zwar dann, wenn Niedrigwasser die Donauschiffahrt oder gehäufte (Weihnachts)Urlaube den Abtransport der gerollten Stahlblechbunde verzögerten.

Der Arbeitsinspektor hat anläßlich seiner Inspektionen zu den im Tatvorwuf angeführten Terminen und an den dort angeführten Örtlichkeiten Stahlblechbunde mit einem Durchmesser bis zu 2 m und einem Gewicht bis zu 25 t vorgefunden, welche teilweise in vier Lagen gestapelt waren.

Es bestand dabei die Gefahr, daß die Bunde infolge des Gewichtes und der wirkenden Kräfte aus der zweiten oder dritten Reihe hätten herausspringen können, weiters aber auch, daß der Hallenkran, der wegen der hohen Bundlagerung bereits gezwungen war, "zick-zack" zu fahren, die Bunde berührte und dadurch zum Abwurf bringen konnte. Hiedurch wären die mit der Sichtung und der Manipulation beschäftig ten Arbeitnehmer einer unmittelbar drohenden Gefahr ausgesetzt gewesen. Eine weitere Gefahr für die im Bereich der Bundlagerung beschäftigten Arbeitnehmer bestand darin, daß die Durchgangswege nur eine Breite von 30 cm aufwiesen.

Dies hatte zur Folge, daß die Leitern nur mit einem sehr steilen Anstellwinkel angelehnt werden konnten, und die darauf stehenden Arbeitnehmer einer großen Absturzgefahr ausgesetzt waren. Die geringe Durchgangsbreite von 30 cm schränkte auch die Fluchtmöglichkeit der Arbeitnehmer in erheblichem Maße ein.

Aufgrund der gefährlichen Situation, wie sie sich aus der beschriebenen Bundlagerung darstellt, veranlaßte der einschreitende Arbeitsinspektor durch Anweisung an die anwesenden Bediensteten die sofortige Umlagerung der Bunde, um hiedurch der unmittelbar vorhandenen drohenden Gefahr für Leben und Gesundheit der Beschäftigten zu begegnen.

Zu den Tatzeitpunkten war der im Berufungsverfahren VwSen-220667 vor dem O.ö. Verwaltungssenat als Zeuge vernommene Dipl.-Ing. K. P. M. der zuständige Bereichsleiter der Voest Alpine Stahl GmbH für Beschaffung und Logistik und hier wiederum für fünf Betriebsbereiche, nämlich Einkauf, Materialwirtschaft, Transport, Fertigwarenlager und Versand sowie Verkehrsbetriebe. In dieser Funktion stand er in der ersten Berichtsebene nach dem Vorstand. In Erfüllung seiner Aufgaben nahm er auch durch Berichte von Untergebenen und bei persönlichen Kontrollgängen die immer wiederkehrenden saisonalen Überlagerungen und die Flächenknappheit bei der Bundlagerung wahr. Er berichtete hierüber dem Vorstand und wies auf die Notwendigkeit hin, Abhilfe zu schaffen, sei es durch Errichtung eines eigenen Baues oder durch Anmieten von Flächen. Dipl.-Ing. K. P. M.

besaß jedoch keine Entscheidungsbefugnis darüber, die Produktion stillzulegen bzw zu drosseln, um den Anfall übermäßigen Lagergutes zu vermeiden. Er hatte lediglich die Befugnis, die Anmietung von Lagerflächen vorzubereiten. Die Entscheidung über die Anmietung oblag jedoch dem aus fünf Mitgliedern, und zwar den Herren Prof. Dipl.-Ing. Dr.

H.K., KR H.P., Dkfm. G.

J., Dipl.-Ing. G.K. und Dipl.-Ing. H.H., bestehenden "Vorstand" der Voest Alpine Stahl GmbH.

Dies deshalb, weil mit der Anmietung von Lagerflächen Kosten von mehreren Millionen Schilling verbunden sind, worüber nur der Vorstand entscheiden kann. Andere denkbare Abhilfemaßnahmen, beispielsweise der Einbau von stabilen Eisentraversen, die das Abgleiten von Lagergut verhindert hätten, waren wegen der hohen Kosten ebenfalls von der Entscheidung des Vorstandes abhängig. Abstand von einer solchen Maßnahme wurde auch deshalb genommen, weil wegen der dabei auftretenden Druckstellen eine Verminderung der Qualität des Lagergutes zu befürchten war. Die Verhandlungen zur Anmietung zusätzlicher Lagerflächen wurden in erster Linie vom Vorstand selbst geführt und führten erst im Jahr 1993 zum Erfolg. Zu der in der Tatumschreibung angeführten gefährlichen Überlagerung im Jahr 1992 kam es vor allem wegen der Stahlkrise und den damit verbundenen Absatzschwierigkeiten.

Eine Einstellung der Produktion - Dipl.-Ing. M. war nicht befugt eine solche zu verfügen - hat der erwähnte Vorstand nicht angeordnet. Der Vorstand hat auch keine zeitgerechte Zustimmung zur Anmietung von Lagerflächen erteilt.

Mangels einer entsprechenden Anordnungsbefugnis in dem Sinn, daß er die Produktion stoppen bzw drosseln oder Lagerkapazität anmieten konnte, war es Dipl.-Ing. K. P. M.

nicht möglich, ein rechtmäßiges Alternativverhalten zu setzen.

In rechtlicher Hinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

Gemäß § 31 Abs.2 lit.p ASchG, BGBl.Nr. 234/1972 idgF, begehen Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die den Vorschriften der aufgrund des § 24 dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen oder den aufgrund des § 27 dieses Bundesgesetzes vorgeschriebenen Bedingungen und Auflagen zu den erteilten Aufträgen zuwiderhandeln, eine Verwaltungsübertretung und sind, sofern die Tat nicht nach anderen Gesetzen strenger zu bestrafen ist, von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 50.000 S zu bestrafen.

Gemäß § 64 Abs.1 und Abs.2 der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung (AAV) sind Lagerungen, insbesondere unter Beachtung der §§ 21 Abs.6, 23 Abs.3, 24 Abs.6 und 7 sowie 25 Abs.1 und 5 in einer Weise vorzunehmen, daß Gefahren für die Arbeitnehmer möglichst vermieden sind. Durch Lagerung nahe von Bauteilen, Betriebseinrichtungen, sonstigen mechanischen Einrichtungen oder Betriebsmitteln sowie durch zu geringen Abstand von Lagerungen voneinander, dürfen Arbeitnehmer nicht gefährdet werden. Erforderlichenfalls sind zur Durchführung von Lagerarbeiten geeignete Betriebseinrichtungen und Betriebsmittel, wie Fördereinrichtungen, Regalbedienungsgeräte, ortsfeste Stapeleinrichtungen oder Hubstapler zur Verfügung zu stellen. Lagerungen sind so vorzunehmen, daß Arbeitnehmer durch herabfallendes, herabrutschendes, umfallendes oder wegrollendes Lagergut nicht gefährdet werden.

Gemäß § 100 AAV sind Übertretungen dieser Verordnung nach Maßgabe des § 31 ASchG zu ahnden.

Das Vorliegen der objektiven Tatseite im Sinne einer nicht den Bestimmungen des § 64 Abs.1 und 2 AAV entsprechenden Lagerung der Stahlblechbunde ist als gegeben zu erachten und wird im Grunde auch vom Berufungswerber nicht bestritten.

Dies ergibt sich aus den an Ort und Stelle getroffenen Feststellungen des Arbeitsinspektors wie auch aus dessen zeugenschaftlicher Aussage im Verfahren VwSen-220667. Der Genannte hat glaubwürdig und schlüssig dargelegt, daß bei der vorgefundenen Lagerung eine unmittelbare Gefährdung von Arbeitnehmern durch aus der Lagerung ausspringende Stahlblechbunde bestanden hat. Die Feststellung des Arbeitsinspektors wird auch durch die Aussage des Zeugen Dipl.-Ing. M. zumindest indirekt erhärtet, wonach es Dipl.-Ing. M. seiner Aussage nach bewußt gewesen ist, daß die zum Tatzeitpunkt vorhandene Lagerkapazität für die Stahlblechbunde überschritten war. Weder in seiner Berufung noch in seiner Stellungnahme vom 26.4.1995 vermochte der Berufungswerber die Feststellung des Arbeitsinspektors aus fachlich-sicherheitstechnischer Sicht zu widerlegen.

Zur verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit und zum Verschulden:

Vorwegnehmend ist in bezug auf die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit aufzuzeigen, daß Dipl.-Ing. K. P.

M. entgegen dem Berufungsvorbringen nicht als Bevollmächtigter iSd § 31 Abs.2 ASchG angesehen werden kann. Dies deshalb, weil der Genannte die für die Erfüllung dieser Funktion erforderlichen Befugnisse nicht im notwendigen Umfang besaß, wie dies schon in der vorstehenden Sachverhaltsdarstellung festgehalten ist. Ferner wird in diesem Zusammenhang auf das Erkenntnis des unabhängigen Verwaltungssenates vom 21. Februar 1994, VwSen-220669/7/Gu/Atz, verwiesen, in welchem ebenfalls festgehalten ist, daß Dipl.-Ing. M. im Zusammenhang mit der gegenständlichen Verwaltungsübertretung nicht die Stellung eines Bevollmächtigten iSd § 31 Abs.2 ASchG innehatte.

Gemäß § 9 Abs.1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.

Gemäß § 9 Abs.2 leg.cit. sind die zur Vertretung nach außen Berufenen berechtigt, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt.

Gemäß § 9 Abs.4 leg.cit. kann verantwortlicher Beauftragter nur eine Person mit Wohnsitz im Inland sein, die strafrechtlich verfolgt werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für den ihrer Verantwortung unterliegenden, klar abzugrenzenden Bereich, eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist.

Die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Berufungswerbers ergibt sich aus seiner Stellung als handelsrechtlicher Gechäftsführer der Voest Alpine Stahl GmbH. Die Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten, die den Berufungswerber aus seiner strafrechtlichen Verantwortlichkeit befreien würde, ist der Aktenlage nach nicht erfolgt und wird in der Berufung auch nicht behauptet. Wenngleich nach der Geschäftsordnung und dem Organisationsplan der genannten Gesellschaft, auf die in der Berufung wie auch schon im erstbehördlichen Verfahren hingewiesen wird, hervorgeht, daß für den Bereich Beschaffung/Logistik und somit auch für die Lagerung der Stahlbunde ein weiterer handelsrechtlicher Geschäftsführer, nämlich KR P.

zuständig war, kann aus dieser rein internen Kompetenzverteilung der Mitglieder des Vorstandes keine den Bestimmungen des § 9 Abs.4 VStG entsprechende Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten aus dem Kreise der zur Vertretung nach außen Berufenen der Voest Alpine Stahl L.

GmbH abgeleitet werden. Dies unter anderem schon deshalb, weil zum einen diese Geschäftsordnung der Behörde nicht bekanntgegeben und sie außerdem vom Aufsichtsrat der genannten Gesellschaft und nicht von den Vorstandsmitgliedern beschlossen wurde.

Sohin ist die strafrechtliche Verantwortlichkeit iSd § 9 Abs.1 VStG hinsichtlich des Berufungswerbers gegeben.

Wenngleich der Berufungswerber für den Betriebsbereich Beschaffung/Logistik, in dem die gegenständliche Verletzung der Arbeitnehmerschutzvorschrift zu verzeichnen war, nach der erwähnten Geschäftsordnung nicht zuständig war, ist ihm dennoch ein Verschulden iSd § 5 Abs.1 VStG an der Verwaltungsübertretung anzulasten. Dieses liegt im wesentlichen darin begründet, daß er es unterlassen hat, eine letztverantwortliche Kontrolltätigkeit in bezug auf die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzbestimmung auszuüben, obwohl er hiezu aufgrund seiner strafrechtlichen Verantwortlichkeit iSd § 9 Abs.1 VStG verpflichtet gewesen wäre.

Dies unbeschadet des Umstandes, daß einem anderen, ebenfalls strafrechtlich verantwortlichen Vorstandsmitglied aufgrund innerorganisatorischer Regelungen die Leitung dieses Betriebsbereiches oblag.

Aus den dargelegten Gründen war der erstbehördliche Schuldspruch zu bestätigen.

Zur Strafhöhe:

In Anbetracht des Umstandes, daß im Verfahren einerseits keine Erschwerungsgründe zu Tage getreten sind und andererseits dessen bisherige Unbescholtenheit einen Milderungsgrund darstellt, erweist sich die Verhängung der Höchststrafe schon aus diesem Grund als überhöht. Darüber hinaus übersteigt sie bei weitem den Schuldgehalt der Tat, weil sie unberücksichtigt läßt, daß der Beschuldigte trotz seiner gegebenen strafrechtlichen Verantwortlichkeit für den Betriebsbereich, in dem die vorschriftswidrige Lagerung der Stahlblechbunde erfolgte, aufgrund der innerbetrieblichen Organisationsregelung zumindest nicht unmittelbar zuständig war. Es war ihm daher nicht zuzumuten, das gleiche Maß an Kontrollintensität aufzubringen, wie sie von einem für diesen Bereich zuständigen Vorstandsmitglied verlangt werden muß. Das Maß der dem Berufungswerber anzulastenden Fahrlässigkeit ist daher im Vergleich zu der des für diesen Bereich zuständigen Vorstandsmitgliedes wesentlich geringer anzusetzen. Aus diesen Erwägungen heraus war in teilweiser Stattgebung der Berufung die Strafe auf das im Spruch festgesetzte Ausmaß herabzusetzen.

In dieser Höhe entspricht sie dem Schuld- und Unrechtsgehalt der Tat, welcher insbesondere in der Gefährdung des Lebens und der Gesundheit - sohin der höchstrangigen Rechtsgüter der im Tatortbereich beschäftigten Arbeitnehmer begründet ist. Eine weitere Herabsetzung der Strafe wäre aus Gründen der Prävention nicht zu vertreten.

zu III.:

Der Kostenspruch ist in den zitierten Gesetzesstellen begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Gallnbrunner

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