Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-221428/10/Le/Km

Linz, 08.04.1997

VwSen-221428/10/Le/Km               Linz, am 8. April 1997 DVR.0690392   

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Leitgeb über die Berufung der H K, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. H K, S, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Steyr als Bezirksverwaltungsbehörde vom 17. Dezember 1996, Ge-544/96, wegen Übertretung der Gewerbeordnung nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird, soweit sie sich gegen die Schuld richtet, keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis diesbezüglich mit der Maßgabe bestätigt, daß als Verwaltungsstrafnorm die Bestimmung des § 367 Einleitungssatz Gewerbeordnung 1994 idgF festgestellt wird. Der Berufung wird jedoch, soweit sie sich gegen die Strafe richtet, Folge gegeben: die verhängte Geldstrafe wird auf 3.000 S herabgesetzt; die Ersatzfreiheitsstrafe bleibt unverändert.

II. Der Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens ermäßigt sich sohin auf 300 S. Ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens entfällt.

Rechtsgrundlage: Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1991, iVm §§ 24, 19, 44a, 51 Abs.1, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52 idgF. zu II.: §§ 64 und 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Steyr als Bezirksverwaltungsbehörde vom 17.12.1996 wurde über die nunmehrige Berufungswerberin (im folgenden kurz: Bw) wegen Übertretung des § 367 Z25 Gewerbeordnung 1994 (im folgenden kurz: GewO) eine Geldstrafe in Höhe von 10.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 60 Stunden) verhängt; gleichzeitig wurde sie zum Ersatz der Verfahrenskosten in Höhe von 10% der verhängten Strafe verpflichtet.

Im einzelnen wurde ihr vorgeworfen, sie habe es als Gewerbeinhaberin der I im S, P, zu vertreten, daß diese am 15.5.1996 um 23.50 Uhr noch betrieben worden sei. Dies stelle eine Übertretung des Bescheides des Magistrates der Stadt Steyr vom 11.7.1996, Ge-1008/93, dar, wo als Auflage 1. vorgeschrieben wurde: "Die Errichtung sowie der Betrieb der geplanten Imbißstube hat entsprechend den eingereichten Planunterlagen sowie entsprechend den vorgesehenen Ausführungen des Befundes, soweit nachstehend nichts anderes vorgeschrieben wird, zu erfolgen." In den angeführten Planunterlagen wurde eine tägliche Betriebszeit von 8.00 Uhr bis 22.00 Uhr festgelegt.

In der Begründung dazu wurde ausgeführt, daß aufgrund einer Anzeige der Bundespolizeidirektion Steyr vom 17.5.1996 das Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet worden sei; der Beschuldigten wäre eine mehr als zweiwöchige Frist zur Rechtfertigung eingeräumt worden, doch hätte sie diese Möglichkeit nicht wahrgenommen. Die erkennende Behörde hätte daher davon auszugehen, daß Organe der Bundespolizeidirektion Steyr am 15.5.1996 um 23.50 Uhr festgestellt haben, daß das gegenständliche Lokal noch betrieben wurde.

Nach einer Darstellung der maßgeblichen Rechtslage kam die Erstbehörde zum Ergebnis, daß die Nichteinhaltung dieser Auflage eine Übertretung des § 367 Z25 GewO darstellte und die Beschuldigte dafür verantwortlich wäre, weil sie die Inhaberin der Gewerbeberechtigung für dieses Lokal sei. Hinsichtlich des Verschuldens wurde in Anwendung des § 5 Abs.1 VStG fahrlässiges Verhalten angenommen.

Hinsichtlich der Strafbemessung wertete die Erstbehörde als erschwerend, daß im Bescheid des Magistrates der Stadt Steyr vom 11.7.1994 ausdrücklich im Spruch festgehalten worden sei, daß die Auflagen selbigen Bescheides einzuhalten wären. Es wäre daher der Beschuldigten die Rechtswidrigkeit gegenständlicher Handlung bekannt.

Weiters wurde als straferschwerend gewertet, daß über die Beschuldigte bereits mehrere rechtskräftige Verwaltungsstrafen wegen der Nichteinhaltung dieser Auflage verhängt worden seien. Bei der Strafbemessung ging die Erstbehörde von einem geschätzten Nettoeinkommen pro Monat in Höhe von 20.000 S und dem Nichtvorliegen von Sorgepflichten aus.

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 16.1.1997, mit der beantragt wird, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

In der Begründung dazu wurde vorgebracht, daß der Tatvorwurf nicht stimme, da der Betrieb um spätestens 22.00 Uhr geschlossen worden sei. Es hätten keine Gäste mehr das Lokal betreten können. Jene Personen, die sich einige Minuten nach 22.00 Uhr in der Imbißstube befunden hätten, hätten lediglich den Rest der längst vor 22.00 Uhr bestellten Getränke konsumiert. Ein Betrieb des Lokales nach 22.00 Uhr hätte jedenfalls nicht stattgefunden.

Darüber hinaus wurde darauf hingewiesen, daß die nebenan befindliche Imbißstube trotz identer gewerberechtlicher Voraussetzungen eine Betriebszeit bis 24.00 Uhr bewilligt erhalten habe. Im Hinblick auf diese eindeutige Ungleichbehandlung sei bereits am 28.2.1995 eine Verlängerung der Sperrzeit auf 24.00 Uhr beantragt worden. Aufgrund einer unrichtigen rechtlichen Beruteilung der Behörde sei dieses Ansuchen abgewiesen worden; aufgrund eines am 18.9.1995 eingelangten Bescheides der Berufungsbehörde sei der Erstbescheid behoben und der Erstbehörde die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens aufgetragen worden. Daraufhin hätte ihr Rechtsvertreter mehrfach bei der Gewerbebehörde interveniert, doch wäre aus nicht von ihr zu vertretenden Gründen das Ansuchen auf Sperrstundenverlängerung erst mit Bescheid vom 6.8.1996 bewilligt worden. Tatsächlich hätte allerdings diese Bewilligung bereits längst im Jahre 1995 erteilt werden können und müssen, sodaß eine Bestrafung nunmehr zum einen als grob unbillig und zum anderen als gleichheitswidrig zu betrachten sei.

3. Der Bürgermeister der Stadt Steyr hat die Berufung und den zugrundeliegenden Verwaltungsakt dem unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt; eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.

3.1. Zur Überprüfung des Berufungsvorbringens wurde für 8. April 1997 eine öffentliche mündliche Verhandlung anberaumt und an diesem Tage auch durchgeführt. Die Berufungswerberin nahm daran nicht teil, sondern ließ sich von Rechtsanwalt Dr. H K vertreten. Bei dieser Verhandlung wurden Herr Ü K, der Bruder der Bw und gleichzeitig Betreiber der verfahrensgegenständlichen Imbißstube, sowie Herr Rev.Insp. A S, der die Anzeige verfaßt hatte, als Zeugen vernommen; die Erstbehörde war durch zwei Behördenorgane vertreten.

3.2. Aus den Zeugenaussagen steht als erwiesen fest, daß die gegenständliche Imbißstube am 15.5.1996 tatsächlich bis 23.50 Uhr betrieben worden ist. Dies gab auch der Zeuge Ü K unumwunden zu, wobei er sich damit rechtfertigte, daß er schon kurz vor 22.00 Uhr das Lokal zusperren wollte, daßáaber dann Stammgäste aufgetaucht wären, die ihm angedroht hätten, zur nebenan befindlichen Konkurrenz zu gehen, wenn sie nichts mehr bekämen. Daraufhin hätte er diese noch bedient und wären dann noch weitere Personen gekommen, sodaßáer nicht hätte zusperren können.

3.3. Der Rechtsvertreter der Bw verwies auch bei der mündlichen Verhandlung auf die überlange Verfahrensdauer des Verfahrens zur Erweiterung der Betriebszeit. Überdies gab er bekannt, daß die Bw derzeit lediglich über ein Einkommen von monatlich 5.000 S netto verfüge, da sie derzeit in Ausbildung (zur Krankenschwester) stehe. Vom gegenständlichen Lokal hätte sie keine Einkünfte, sondern hätte vielmehr noch am Schuldendienst mitzutragen, weil das Lokal bereits eineinhalb Jahre fertig war, bevor es eröffnet werden durfte. In dieser Zeit waren bereits hohe Investitionskosten sowie Miete zu bezahlen. Der Zeuge Ü K gab dazu an, daß das Lokal nur deshalb existieren könne, weil er, seine Gattin und seine beiden Kinder den Betrieb führen würden.

4. Hierüber hat der O.ö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Im Verwaltungsstrafverfahren steht den Parteien gemäß᧠51 Abs.1 VStG das Recht der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat. Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des O.ö. Verwal tungssenates.

4.2. Im Betriebsanlagengenehmigungsbescheid des Magistrates Steyr vom 11.7.1994 betreffend die Genehmigung der gegenständlichen Imbißstube wurde als Auflage vorgeschrieben, die Imbißstube entsprechend den eingereichten Planunterlagen zu errichten und zu betreiben. Im Ansuchen, welches durch diesen Bescheid bewilligt wurde, war als Betriebszeit die Zeit zwischen 8.00 Uhr und 22.00 Uhr vorgesehen gewesen. Das bedeutet, daß der Betrieb spätestens um 22.00 Uhr zu schließen gewesen wäre. Tatsächlich wurde aber unbestritten der Betrieb am vorgeworfenen Tattag bis zumindest 23.50 Uhr betrieben. Dies stellt eine Übertretung des § 367 Z25 GewO dar, wonach eine Verwaltungsübertretung begeht, wer ... die gemäß den Bestimmungen der §§ 74 bis 83 und 359b in Bescheiden vor geschriebenen Auflagen oder Aufträge nicht einhält.

Damit steht fest, daß der objektive Tatbestand der ange lasteten Verwaltungsübertretung erfüllt ist.

4.3. Zur subjektiven Tatseite ist feszustellen, daß die Bw Gewerbeinhaberin des gegenständlichen Lokales ist. Da die Bestellung eines gewerberechtlichen Geschäftsführers bzw. eines Pächters nicht angezeigt wurde, trifft daher die Bw als Gewerbeinhaberin auch die Verantwortlichkeit gegenüber der Behörde, die gewerberechtlichen Vorschriften einzuhalten.

Der Bw ist - übereinstimmend mit der Erstbehörde - Verschulden zumindest in Form der Fahrlässigkeit im Sinne des § 5 Abs.1 VStG anzulasten, weil es ihr nicht gelungen ist, glaubhaft zu machen, daß sie an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Wenn die Bw in ihrer Berufung auf die ihrer Ansicht nach überlange Verfahrensdauer des gewerberechtlichen Verfahrens zur Verlängerung der Betriebszeit von 22.00 Uhr auf 24.00 Uhr als Entschuldigungsgrund vorbringt, beruft sie sich in Wahrheit auf Notstand im Sinne des § 6 VStG. Nach dieser Bestimmung ist eine Tat nicht strafbar, wenn sie durch Notstand entschuldigt .... ist.

Nach herrschender Lehre und Judikatur kann unter "Notstand" im Sinne des § 6 VStG nur ein Fall der Kollision von Pflichten und Rechten verstanden werden, in dem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein dadurch retten kann, daß er eine im allgemeinen strafbare Handlung begeht; es muß sich um eine unmittelbar drohende Gefahr für das Leben, die Freiheit oder das Vermögen handeln; dies trifft aber selbst bei Annahme einer wirtschaftlichen Schädigung, sofern sie die Lebensmöglichkeit selbst nicht unmittelbar bedroht, nicht zu (siehe hiezu Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, Seite 788).

Daß die Lebensmöglichkeit selbst unmittelbar bedroht werde, hat aber nicht einmal die Bw selbst behauptet.

Daher ist davon auszugehen, daß auch die subjektive Tatseite der angelasteten Verwaltungsübertretung erfüllt ist.

4.4. Bei der Strafbemessung war zu berücksichtigen, daßáentgegen der Annahme der Erstbehörde (die durch die mangelnde Mitwirkung der Bw das Einkommen schätzen mußte) nicht von einem monatlichen Nettoeinkommen von 20.000 S, sondern von lediglich 5.000 S auszugehen ist; dazu kommen nicht nur kein Vermögen, sondern auch Schulden in nicht unbeträchtlicher Höhe durch das lange Geschlossenhalten des fertigen Geschäftes bis zur Betriebsanlagengenehmigung. Zu berücksichtigen war weiters, daß die Bw keine Sorgepflichten hat.

Als erschwerend war jedoch die Tatsache zu werten, daß die Bw bereits vier einschlägige Vorstrafen hat, sowie die lange Dauer der Sperrstundenüberschreitung am Vorfallstag.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu II.:

Gemäß § 64 Abs.1 VStG ist in jedem Straferkenntnis auszusprechen, daß die Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat. Dieser Beitrag ist nach § 64 Abs.2 VStG mit 10% der verhängten Strafe zu bemessen. Da durch die gegenständliche Berufungsentscheidung die verhängte Strafe herabgesetzt wurde, war auch der Kostenbeitrag zum Strafverfahren der ersten Instanz entsprechend anzupassen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens waren gemäß § 65 VStG der Bw nicht aufzuerlegen, weil der Berufung zumindest teilweise Folge gegeben wurde.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungs gerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Dr. L e i t g e b

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum