Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-221451/10/Le/Ha

Linz, 09.12.1997

VwSen-221451/10/Le/Ha Linz, am 9. Dezember 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch die 9. Kammer (Vorsitzender: Dr. Bleier, Beisitzer: Mag. Kisch, Berichter: Dr. Leitgeb) über die Berufung des Dipl.Ing. Gert K, F, L, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. H, DDr. M, Dr. W, Dr. M, Dr. G, K, L, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz als Bezirksverwaltungsbehörde vom 23.4.1997, GZ 502-32/Sta/177/96i, wegen Übertretung der Gewerbeordnung 1994, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Der Berufung wird, soweit sie sich gegen die Schuld richtet, keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, daß a) die Tatzeit eingeschränkt wird auf "Ende August 1996 bis 22.10.1996", b) im Spruch des Straferkenntnisses die Wendung ",der nicht den Bestimmungen des Arbeitnehmerschutzgesetzes unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn" ersatzlos entfällt, c) vor den beiden letzten Worten ("zu gefährden") folgende Wendung eingefügt wird: "durch allenfalls austretendes Tiegelgas".

Der Berufung wird jedoch, soweit sie sich gegen die Strafe richtet, Folge gegeben; die verhängte Geldstrafe wird aufgehoben; von der Verhängung einer Strafe wird abgesehen.

Der Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens entfällt. Ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens entfällt.

Rechtsgrundlage: Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1991, iVm §§ 24, 19, 21, 44a, 51 Abs.1, 51c und 51e Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52 idgF. Zu II.: § 64 und 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz als Bezirksverwaltungsbehörde vom 23.4.1997 wurde über den nunmehrigen Berufungswerber (im folgenden kurz: Bw) wegen Übertretung des § 366 Abs.1 Z3 iVm § 81 iVm § 74 Abs.2 Z1 Gewerbeordnung 1994 (im folgenden kurz: GewO) eine Geldstrafe in Höhe von 12.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 80 Stunden) verhängt; gleichzeitig wurde er zum Ersatz der Verfahrenskosten in Höhe von 10 % der verhängten Strafe verpflichtet.

Im einzelnen wurde ihm vorgeworfen, er habe es als gewerberechtlicher Geschäftsführer der V zu vertreten, daß diese Gesellschaft bei der mit gewerbebehördlichem Betriebsanlagengenehmigungsbescheid vom 5.7.1976, GZ 601/So-151/75, genehmigten Betriebsanlage "Hochofen A samt Fackelanlage" in der Zeit vom 20.2.1996 bis 22.10.1996 eine genehmigungspflichtige Änderung, nämlich die Umstellung der Brennstoffvermengung für die Gebläsezentrale 2 und die Winderhitzer, wobei das Gichtgas mit Tiegelgas aufgefettet wird (Gichtgasauffettung Hochofen A), durchführte, ohne daß die hiefür erforderliche gewerbebehördliche Betriebsanlagenänderungsgenehmigung vorgelegen wäre. Im einzelnen wurde angeführt, daß die beiden Tiegelgasdruckerhöhungsgebläse auf Fundamenten installiert und sämtliche zu- und abführenden Rohrleitungen ausgeführt sowie Elemente zur Steuerung bzw. Meß- und Regeltechnik in und an den erwähnten Anlageteilen bereits installiert worden seien, obwohl die durchgeführte Änderung geeignet sei, das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des Arbeitnehmer-schutzgesetzes unterliegenden Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage nach der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, zu gefährden.

In der Begründung dazu wurde im wesentlichen ausgeführt, daß bei der mündlichen Verhandlung über das eingereichte Bewilligungsprojekt am 22.10.1996 festgestellt worden sei, daß ein Großteil der Anlage bereits errichtet gewesen sei. Dem gewerbetechnischen Amtssachverständigen sei am 11.11.1996 von einem Vertreter der Gesuchstellerin mitgeteilt worden, daß mit den Bauarbeiten ungefähr Mitte Februar begonnen worden wäre.

Sodann wurde der Gang des Ermittlungsverfahrens zusammengefaßt wiedergegeben und die anzuwendende Rechtslage dargelegt. Die Erstbehörde kam dabei zum Ergebnis, daß die angelastete Verwaltungsübertretung in objektiver Hinsicht erfüllt sei. Hinsichtlich des Verschuldens nahm die Erstbehörde in Anwendung des § 5 Abs.1 VStG Fahrlässigkeit an. Schließlich wurden die Gründe der Strafbemessung dargelegt, wobei die beiden einschlägigen Vorstrafen sowie die drei ausgesprochenen Ermahnungen als erschwerend berücksichtig wurden.

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 13.5.1997, mit der beantragt wird, der Berufung Folge zu geben und den angefochtenen Bescheid zur Gänze aufzuheben.

In der Begründung dazu wurde im wesentlichen ausgeführt, daß das Ermittlungsverfahren mangelhaft geblieben sei, weil sich die belangte Behörde weder ausreichend mit der Gleichartigkeit der installierten Anlagenteile auseinandergesetzt hätte noch eine ausreichende Begründung dafür erfolgt wäre, warum diese neuen Anlagenteile grundsätzlich geeignet seien, das Leben und die Gesundheit des in § 74 Abs.2 Z1 GewO angeführten Personenkreises zu gefährden. Tatsächlich handle es sich um den Austausch eines gleichartigen Anlagenteiles, weil der Verwendungszweck mit den bisher vorhandenen Anlagenteilen gleichartig sei und die zu erwartenden Auswirkungen im Sinne des § 81 Abs.2 Z5 GewO keineswegs vom bisherigen Zustand abweichen würden. Durch diesen Austausch erfolge vielmehr eine Verbesserung der Umweltsituation, da die CO2-Emissionen um 36.000 Tonnen pro Jahr reduziert würden. Das Ermittlungsverfahren sei mangelhaft, da der Sachverständige mit keinem Wort auf die zu erwartenden Auswirkungen der behaupteten Anlagenänderung eingegangen sei und weder von ihm noch von der Behörde dargelegt worden wäre, warum eine Änderung des Verwendungszweckes vorliegen sollte. Alleine die Änderung des Einsatzstoffes lasse auf eine Änderung des Verwendungszweckes der gesamten Anlage jedenfalls nicht schließen. Der vorliegende Bescheid sei rechtswidrig, weil die Erstbehörde den Bescheid nicht ausreichend begründet hätte, sondern bloß die Ergebnisse eines Sachverständigengutachtens wiederholt habe, ohne Überlegungen anzuführen, aufgrund deren der Sachverständige zu den behaupteten Tatsachen gelangt sei. Zur Beweislastumkehr des § 5 Abs.1 zweiter Satz VStG könne es nicht kommen, da der objektive Tatbestand im vorliegenden Fall nicht feststehe.

Zu den am 22.10.1996 getroffenen Feststellungen führte der Bw aus, daß es sich bei den genannten Arbeiten um bloße Vorarbeiten zur geplanten Betriebsanlagenänderung gehandelt hätte. Es sei offensichtlich, daß eine derart technisch komplizierte Anlage nicht schon allein aufgrund des Vorhandenseins von Elementen der Steuerung bzw. Meß- und Regeltechnik betrieben werden könne. Diese Vorarbeiten wären nur deshalb zum genannten Zeitpunkt schon vorgenommen worden, da man aufgrund betriebswirtschaftlicher und technischer Erwägungen Zeit gewinnen mußte; ein Betreiben der Anlage aufgrund dieser Vorarbeiten in geänderter Form wäre jedenfalls technisch ausgeschlossen gewesen. Es liege auf der Hand, daß daher aufgrund dieser Vorarbeiten auch keine Gefahr der in § 74 Abs.2 Z1 GewO geschützten Interessen gegeben sein konnte.

Der Einschreiter sei von Anfang an davon ausgegangen, daß es sich bei dem geplanten Umbau der Anlage um einen gewerbebehördlich nicht genehmigungspflichtigen Austausch gleichartiger Maschinen und Geräte handle. Sollte die Berufungsbehörde zur gegenteiligen Auffassung gelangen, wäre der Einschreiter einem Rechtsirrtum unterlegen. Die Tatsache, daß ein Antrag auf behördliche Bewilligung der Anlagenänderung gestellt worden war, spreche nur für das sorgfaltsgemäße Vorgehen des Einschreiters. Fahrlässigkeit liege grundsätzlich nur dann vor, wenn ein "maßgerechter" Mensch aus dem Verkehrskreis des Täters, ausgestattet mit dessen Spezialwissen, in der Situation des Täters anders gehandelt hätte und dem Täter diese Abweichung vom Sorgfaltsmaßstab auch vorwerfbar ist. In der Situation des Einschreiters, der trotz der Tatsache, daß eine bewilligungspflichtige Anlagenänderung nicht vorliege, eine Genehmigung beantragt hätte, hätte ein maßgerechter gewerberechtlicher Geschäftsführer nicht anders gehandelt wie der Einschreiter. Es könne ihm daher nicht einmal fahrlässiges Verhalten zur Last gelegt werden. Die Erstbehörde hätte daher von der Verhängung einer Strafe absehen und gemäß § 21 Abs.1 VStG mit Ermahnung vorgehen können.

3. Der Bürgermeister der Landeshauptstadt Linz als Bezirksverwaltungsbehörde hat die Berufung und den zugrundeliegenden Verwaltungsakt dem unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt; eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.

3.1. Zur vollständigen Klärung der Sach- und Rechtslage wurde am 27.11.1997 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, an der ein Vertreter der Erstbehörde sowie der Rechtsvertreter des Bw teilnahmen; der gewerbetechnische Amtssachverständige des M Linz, Herr Dipl.Ing. Dr. Albert B, sowie Herr Ing. Rainer Maderthaner von der V wurden als Zeugen gehört.

3.2. Als Ergebnis dieser mündlichen Verhandlung steht nachfolgender Sachverhalt als erwiesen fest:

Im September 1995 beantragte die V die Erteilung der gewerbebehördlichen Betriebsanlagengenehmigung für das gegenständliche Projekt "Gichtgasauffettung - Hochofen A".

Wie der Zeuge Ing. M plausibel darlegte, dient die (mittlerweile konsensgemäß errichtete und betriebene) Anlage zur Verwertung von überschüssigem Tiegelgas, das vom Stahlwerk transferiert wird. Dieses Tiegelgas, welches zuvor abgefackelt wurde, wird nunmehr in das Gichtgassystem eingespeist, um dessen Heizwert zu erhöhen. Das Tiegelgas kommt über das bestehende Tiegelgasgebläse, welches bisher im Ein-Stufen-Betrieb gefahren wurde, nach der Änderung jedoch im Parallelbetrieb, zum neuen Tiegelgasgebläse, wo der Druck erhöht wird; sodann wird es in das Inselnetz sowie zu den Winderhitzern bei der Gebläsezentrale geleitet, wo es - vermischt mit Gichtgas - zum Antrieb einer Dampfturbine verwendet wird, die wiederum den Kaltwind für den Hochofen erzeugt. Die beiden zusätzlichen Gebläse wurden neu errichtet, ebenso die dazugehörenden Rohrleitungen und die Armaturen mit der Meß- und Regeleinrichtung. Die Fundamente besitzen nach Angaben des Zeugen eine Größe von etwa 1,5 mal 3 m und ragen etwa 1/2 m über den Boden; die Gebläse sind einschließlich der jeweiligen Motoren ebenso groß. Auf die Frage nach der Länge der neuen Rohrleitungen gab der Zeuge an, daß in einem kleinen System das ehemalige Koksgasleitungssystem verwendet wurde, während das andere System neu errichtet wurde und zwar in einer Länge von etwa 150 - 200 m; bis zum Gebläse waren ca. 30 - 40 m neue Rohrleitungen erforderlich. Der Zeuge gab weiters an, daß durch die gegenständlichen Änderungen andere Betriebsteile nicht abgebaut oder stillgelegt worden sind. Nach Ansicht des Zeugen Ing. M wurde durch die vorgenommene Änderung die Anlage an den Stand der Technik angepaßt und eine Produktivitäts-steigerung erreicht, weil die bessere Heizleistung auch eine gesteigerte Turbinenleistung zur Folge hatte. Dadurch wurde auch eine Qualitätsverbeserung sowie eine Emissionsreduzierung erreicht, weil weniger Tiegelgas abgefackelt werden muß; darüber hinaus kann auch das bisher als Stützbrennstoff verwendete Erdgas entsprechend eingespart werden.

Zum Zeitpunkt der Änderung der Anlage gab der Zeuge an, daß die Gebläse im Sommer 1996 geliefert wurden und die Fundamente etwa zwei Wochen vorher hergestellt wurden.

Der als Zeuge vernommene gewerbetechnische Amtssachverständige des M bestätigte im wesentlichen in seiner Aussage die Darstellung des Zeugen Ing. M.

Zu den Auswirkungen der Anlage auf das Leben und die Gesundheit von Betriebsinhaber, Kunden und Nachbarn befragt gab er an, daß Tiegelgas etwa so schwer ist wie Luft, aber einen CO-Anteil von ca. 60 Volumsprozent hat. Dieser hohe CO-Anteil bewirkt, daß Tiegelgas als giftig eingestuft wird. Im Falle eines Lecks sinkt dieses Gas zu Boden und kann dort einen Kohlenmonoxidsee bilden und dadurch Personen, die sich dort aufhalten, gefährden. Das in kleinen Teilen bisher verwendete Koksgas ist leichter als Luft, weshalb es im Falle eines Lecks in der Leitung nach oben entweichen kann. Zum Gefährdungsbereich gab der Zeuge Dr. Bilath an, daß in diesem Bereich Verbindungsstraßen bestehen, die nicht nur von den dort Beschäftigten, sondern auch von Kunden benützt werden könne. Zum Zeitpunkt der Überprüfung am 22.10.1996 war die Anlage noch nicht fertig: Fertig war bereits das Gebläse und der wesentliche Teil der Rohrleitung, bei der lediglich ein Zwischenstück fehlte. Ob die Steuerung einsatzbereit war, konnte er bei der visuellen Prüfung nicht feststellen.

4. Hierüber hat der O.ö. Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Im Verwaltungsstrafverfahren steht den Parteien gemäß § 51 Abs.1 VStG das Recht der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat. Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des O.ö. Verwaltungssenates.

Da eine Geldstrafe über 10.000 S verhängt wurde, ist für die Durchführung dieses Verfahrens die Zuständigkeit der Kammer gegeben (§ 51c VStG).

4.2. Nach § 366 Abs.1 GewO begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 50.000 S zu bestrafen ist, wer 3. eine genehmigte Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung ändert oder nach der Änderung betreibt (§ 81).

§ 81 Abs.1 GewO bestimmt, daß auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung im Sinne der vorstehenden Bestimmungen bedarf, wenn es zur Wahrung der im § 74 Abs.2 umschriebenen Interessen erforderlich ist. Nach Abs.2 ist eine Genehmigungspflicht nach Abs.1 jedenfalls in folgenden Fällen nicht gegeben: 5. Austausch von gleichartigen Maschinen oder Geräten; Maschinen oder Geräte, die an die Stelle der in der Betriebsanlage befindlichen Maschinen oder Geräte treten sollen, sind nur dann gleichartig, wenn ihr Verwendungszweck dem der in der Anlage befindlichen Maschinen oder Geräte entspricht und die von ihnen zu erwartenden Auswirkungen von den Auswirkungen der in der Anlage befindlichen Maschinen oder Geräte nicht so abweichen, daß der Austausch als genehmigungspflichtige Änderung gemäß Abs.1 zu behandeln ist. (Die Änderungen durch das BGBl.Nr. I 63/1997 wurden mangels Anwendbarkeit im gegenständlichen Verfahren nicht berücksichtigt).

Aus der zuletzt zitierten Bestimmung geht hervor, daß eine Änderung einer genehmigten Betriebsanlage nur dann (explizit) von der Bewilligungspflicht ausgenommen ist, wenn es sich um den Austausch von gleichartigen Maschinen oder Geräten handelt. Ein solcher Austausch lag jedoch im gegenständlichen Fall nicht vor, weil die beiden Gebläse mit den dazugehörenden Fundamenten, eine etwa 30 - 40 m lange und eine etwa 150 - 200 m lange Rohrleitung sowie Elemente zur Steuerung bzw. Meß- und Regeltechnik in und an den erwähnten Anlageteilen neu zur bestehenden Anlage dazugebaut worden sind. Aus der Zeugenaussage des Ing. Maderthaner sowie aus dem vorgelegten Plan steht fest, daß keine Anlagenteile durch die Änderung entbehrlich und in der Folge aufgelassen wurden, sondern wurden die neuen Anlagenteile zusätzlich zu den bestehenden Anlagen neu errichtet. Von einem "Austausch" kann daher nicht gesprochen werden, weil ein solcher den Ersatz bestehender Einrichtungen durch neue voraussetzt. Damit aber ist die Ziffer 5 des § 81 Abs.2 GewO nicht anwendbar.

Wenn der Bw in seiner Berufung vorbringt, daß die Erstbehörde zu Unrecht nicht den Verwendungszweck der Änderung sowie ihre Auswirkungen im Vergleich zur bestehenden Anlage geprüft hätte, so muß ihm entgegengehalten werden, daß dies auch nicht zu prüfen war: Der zweite Halbsatz der Ziffer 5 des § 81 Abs.2 GewO dient ausschließlich der Erläuterung des ersten Halbsatzes; wenn aber bereits feststeht, daß der erste Halbsatz nicht anwendbar ist, so ist es müßig und entbehrlich, die Voraussetzungen des zweiten Halbsatzes zu prüfen.

Eine Überprüfung der weiteren Fälle des § 81 Abs.2 GewO, in denen eine Genehmigungspflicht einer Änderung nicht gegeben ist, durch die Berufungs-behörde hat ergeben, daß die dort genannten Voraussetzungen auf den Anlaßfall nicht zutreffen. Derartiges war vom Bw auch nicht behauptet worden.

4.3. § 81 Abs.1 GewO legt fest, daß auch die Änderung einer genehmigten Betriebsanlage einer Genehmigung bedarf, wenn es zur Wahrung der in § 74 Abs.2 umschriebenen Interessen erforderlich ist.

§ 74 Abs.2 ordnet an, daß gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde errichtet oder betrieben werden dürfen, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind, 1. das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des Arbeitnehmerschutzgesetzes unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden; ... (die weiteren Kriterien dieser Bestimmungen treffen auf den Anlaßfall nicht zu).

Für die Genehmigungspflicht der Änderung einer gewerblichen Betriebsanlage genügt bereits die (von vornherein nicht auszuschließende) Möglichkeit der Beeinträchtigung der in § 74 Abs.2 GewO genannten Interessen (VwGH 96/04/0253 vom 22.4.1997). Die Genehmigungspflicht einer Änderung einer gewerblichen Betriebsanlage ist bereits dann gegeben, wenn die Änderung grundsätzlich geeignet ist, die in § 74 Abs.2 GewO erwähnten Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder sonstigen Einwirkungen hervorzurufen. Um dies zu beurteilen, genügt es in der Regel, auf das allgemeine menschliche Erfahrungsgut zurückzugreifen (VwGH vom 20.9.1994, 94/04/0068).

Bei der Errichtung zweier Gebläsestationen sowie der Erweiterung eines Rohrleitungssystems um über 200 m, das den Transport eines - dem Sicherheitsdatenblatt nach giftigen und hochentzündlichen - Gases (nämlich Tiegelgas) dient, ist es offensichtlich, daß wegen dem Auftreten von möglichen Undichtheiten eine Gefahr für den in § 74 Abs.2 Z1 GewO genannten Personenkreis auftreten kann. Dies entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung und wurde auch vom Sachverständigenzeugen Dr. B anläßlich der mündlichen Berufungsverhandlung bestätigt.

Wenn der Bw in der mündlichen Berufungsverhandlung ausführte, daß die Gewerbetreibende eine Ges.m.b.H. sei, weshalb ihr Leben oder Gesundheit nicht gefährdet sein könnte, und auch keine mittätigen Familienangehörigen vorhanden wären, so muß dem entgegengehalten werden, daß eine juristische Person gemäß § 9 GewO zwingend einen Geschäftsführer haben muß, was aber zur Folge hat, daß dieser die Stelle des "Gewerbetreibenden" in § 74 Abs.2 Z1 GewO einnimmt. "Mittätige Familienangehörige" sind im Berufungsverfahren nicht hervorgekommen, weshalb diese aus dem Spruch zu eliminieren waren. Auch das Vorhandensein von Nachbarn hat sich im Zuge des Berufungsverfahrens nicht bestätigt, weil die Betriebsanlage inmitten des Werksgeländes der V liegt und Nachbarn dort nicht vorhanden sind. Auch hier war eine Spruchkorrektur vorzunehmen, zu der die Berufungsbehörde nach § 66 Abs.4 AVG berechtigt ist.

Insbesonders aus der Zeugenaussage des Dipl.Ing. Dr. B ging allerdings hervor, daß sich die geänderte Betriebsanlage in einem Bereich der V befindet, zu welchem auch Kunden Zutritt haben; damit ist eine Gefährdung dieses Personenkreises möglich, sodaß sich letztlich die vorgenannte Änderung der Betriebsanlage als bewilligungspflichtig im Sinne des § 81 Abs.1 GewO herausstellt.

Dadurch, daß der Bw vor Erteilung der gewerbebehördlichen Bewilligung mit der Änderung dieser Anlage begonnen hat, hat er die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung verwirklicht.

Wenn der Bw dazu ausführt, daß es sich dabei lediglich um "Vorarbeiten" gehandelt hätte, so ist ihm entgegenzuhalten, daß nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine "Änderung" schon dann vorliegt, wenn mit der Änderung begonnen wird (VwGH vom 25.2.1993, 91/04/0248). Damit aber ist die objektive Tatseite erfüllt.

4.4. Da sohin die Erfüllung des objektiven Tatbildes feststeht, kann die gesetzliche Verschuldensvermutung des § 5 Abs.1 VStG Platz greifen. Der Bw hat in seiner Berufung das Vorliegen eines Rechtsirrtums für sich reklamiert; ein solcher liegt jedoch nicht vor: Nach herrschender Lehre erkennt beim Rechtsirrtum der Täter zwar den Sachverhalt, er irrt aber über die rechtliche Seite der Tat und erkennt deshalb nicht das Unrecht seines Verhaltens (siehe Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, Seite 759). Eine irrige Gesetzesauslegung entschuldigt aber nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis des Inhaltes der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte (siehe etwa VwGH vom 13.11.1973, 565/73). Auf eine solche unverschuldete Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift kann sich der Bw jedoch im vorliegenden Fall nicht berufen: Wenn sich jemand über die Anwendbarkeit oder Nichtanwendbarkeit einer Vorschrift (hier des § 81 GewO) im Unklaren ist, hat er fachlichen Rat einzuholen, nötigenfalls bei der zuständigen Behörde. Im vorliegenden Fall hat dies der Bw auch getan, und zwar dadurch, daß er bereits im September 1995 um die behördliche Bewilligung für die gegenständliche Änderung der Betriebsanlage angesucht hat. Aus dem von der Behörde eingeleiteten Ermittlungsverfahren hat er zweifelsfrei erkennen müssen, daß die (sachlich und örtlich zuständige) Behörde sehr wohl von der Bewilligungspflicht dieser Anlage ausgeht. In mehreren Schriftsätzen und mündlichen Besprechungen mit seinen Mitarbeitern wurde ihm von der Behörde die Verbesserung seines Ansuchens aufgetragen und ist er - auch im Zeitraum vor Beginn der Arbeiten zur Änderung der Betriebsanlage - diesen behördlichen Aufträgen nachgekommen.

Das bedeutet aber, daß der Bw sehr wohl von der Bewilligungspflicht seiner Anlagenänderung wußte, was aber zur Folge hat, daß er sich auf Rechtsirrtum nicht berufen kann. Damit aber hat der Bw auch die subjektive Tatseite (in Anwendung des § 5 Abs.1 VStG) erfüllt; es ist ihm nicht gelungen glaubhaft zu machen, daß ihn an der Verletzung der vorgeworfenen Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Der Bw hat als gewerberechtlicher Geschäftsführer der V gemäß § 370 Abs.2 GewO für diese Verwaltungsübertretung einzustehen.

4.5. Zur Strafbemessung: Die Erstbehörde hat im angefochtenen Erkenntnis die Voraussetzungen der Strafbemessung dargestellt; hinsichtlich der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse ging sie mangels Mitwirkung des Bw von Schätzungen aus, nämlich von einem monatlichen Nettoeinkommen von 80.000 S und dem Fehlen von Sorgepflichten. Als straferschwerend berücksichtigte sie drei bisher ausgesprochene Ermahnungen sowie zwei rechtskräftige Vorstrafen. In der Tatsache, daß die Anlage zwar bewilligungslos, aber derart ausgeführt wurde, daß sie genehmigungsfähig war, erblickte die Erstbehörde keinen Milderungsgrund, sondern lediglich das Fehlen eines Erschwerungsgrundes.

Im Berufungsverfahren war nunmehr festzustellen, daß die als erschwerend gewertete Vorstrafe vom 12.9.1992 im Sinne des § 55 VStG als getilgt gilt und daher bei der Strafbemessung nicht mehr berücksichtigt werden darf.

Nach Ansicht des unabhängigen Verwaltungssenates sind im erstinstanzlichen Verfahren jedoch Milderungsgründe des § 34 StGB unberücksichtigt geblieben: Zunächst ist auf die überlange Verfahrensdauer des Bewilligungsverfahrens zur beantragten Änderung der Betriebsanlage hinzuweisen: Laut den vorgelegten Aktenunterlagen wurde um die Bewilligung bereits mit Schreiben vom 20.9.1995 angesucht; die mündliche Verhandlung darüber fand erst am 22.10.1996 statt, die Bewilligung wurde mit Bescheid vom 11.12.1996 erteilt. Im Hinblick auf die Bestimmung des § 73 Abs.1 AVG hat die Bewilligungsbehörde den ihm vorgegebenen Zeitrahmen für die Entscheidungsfindung erheblich überschritten. Dabei ist auch zu beachten, daß die Betriebsanlage in der errichteten Form bewilligt wurde und beim Bau sämtliche Sicherheitsvorschriften eingehalten wurden. Die geänderte Betriebsanlage ging auch erst nach Erteilung der Bewilligung in Betrieb.

Dadurch, daß der Bw bereits einige Monate vor Erteilung der Bewilligung mit der Errichtung der Anlage begonnen hatte, konnte die Anlage dementsprechend früher in Betrieb gehen. Nach der von der Erstbehörde unwidersprochen gebliebenen, plausibel erscheinenden Darstellung des Bw, daß mit der geänderten Betriebsanlage der jährliche CO2-Ausstoß um 36.000 Tonnen reduziert werden kann, hat der Berufungswerber dazu beigetragen, daß die Umwelt mit weniger Schadstoffen belastet (nämlich ca. 3.000 Tonnen CO2 pro Monat) und sohin geschont wurde, weil das Tiegelgas durch die neue Anlage nicht mehr abgefackelt werden mußte, sondern sinnvoll eingesetzt werden konnte; dadurch wurde auch der Einsatz von Erdgas in erheblichem Umfang entbehrlich. Damit aber hat der Bw einereits den Intentionen der Richtlinie 96/61/EG über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung, andererseits aber auch den weltweiten Anstrengungen zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes (so etwa denen der Klimakonferenz von Kyoto) Rechnung getragen, was wiederum zur Folge hat, daß der besondere Milderungsgrund des § 34 Z3 StGB erfüllt ist.

Bei der Gegenüberstellung des Ergebnisses der Prüfung der subjektiven Tatseite, nämlich der fahrlässigen Begehung der angelasteten Verwaltungsübertretung einerseits, zu den vorhandenen besonderen Milderungsgründen andererseits, insbesonders dem beträchtlichen Vorteil für die Umwelt bei gänzlichem Fehlen von (schädlichen) Folgen der Übertretung, kam der unabhängige Verwaltungs-senat zum Schluß, daß in diesem besonderen Einzelfall das Verschulden des Berufungswerbers geringfügig ist und überdies die Folgen der Übertretung geringfügig sind, sodaß von der Verhängung einer Strafe abgesehen werden muß.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu II.:

Gemäß § 64 Abs.1 VStG ist in jedem Straferkenntnis auszusprechen, daß der Bestrafte einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat. Dieser Beitrag ist nach § 64 Abs.2 VStG mit 10% der verhängten Strafe zu bemessen. Da durch die gegenständliche Berufungsentscheidung von der Verhängung einer Strafe abgesehen wurde, war auch der Kostenbeitrag zum Strafverfahren der ersten Instanz entsprechend aufzuheben. Die Kosten des Berufungsverfahrens waren gemäß § 65 VStG dem Bw nicht aufzuerlegen, weil der Berufung zumindest teilweise Folge gegeben wurde.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Ergeht an: Beilage Dr. B l e i e r Beschlagwortung: Absehen von der Strafe; Änderung der Betriebsanlage; positive Auswirkung für Umweltschutz

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum