Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-221733/20/Le/La

Linz, 27.03.2001

VwSen-221733/20/Le/La Linz, am 27. März 2001

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch die 11. Kammer (Vorsitzender: Dr. Weiß, Beisitzer: Mag. Kisch, Berichter: Dr. Leitgeb) über die Berufung des E M K, S 37, Lg, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. M M, L 49, L, gegen Spruchabschnitt 5. des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 23.10.2000, Zl. Ge96-18-2000/Ew, wegen Übertretung der Gewerbeordnung nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 15.3.2001 zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird im Spruchabschnitt 5. aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren diesbezüglich eingestellt.

II. Es entfallen alle Beiträge zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl.Nr. 51/1991, iVm §§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z1, 51 Abs.1, 51c und 51e Abs.1 Verwaltungs-strafgesetz 1991 - VStG, BGBl.Nr. 52 idgF.

Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

Zu I.:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 23.10.2000 wurde im fünften Spruchabschnitt über den nunmehrigen Berufungswerber wegen Übertretung des § 366 Abs.1 Z3 iVm § 81 Abs.1 und § 74 Abs.2 Z1 Gewerbeordnung 1994 (im Folgenden kurz: GewO) eine Geldstrafe in Höhe von 25.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 5 Tagen) verhängt; gleichzeitig wurde er zum Ersatz der Verfahrenskosten in Höhe von 10 % der verhängten Strafe verpflichtet.

In den Spruchabschnitten 1. bis 4. wurde der Berufungswerber wegen weiterer Übertretungen der Gewerbeordnung bestraft. Da die dafür verhängten Strafen jeweils 10.000 S nicht übersteigen, war zur Verhandlung und Entscheidung hierüber das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied des Unabhängigen Verwaltungssenates berufen. Diese Entscheidung ergeht gesondert.

Im Einzelnen wurde dem Berufungswerber vorgeworfen, er habe als gemäß § 370 Abs.2 GewO verantwortlicher gewerberechtlicher Geschäftsführer der P-C Betriebsgesellschaft mbH & Co KG am (näher bezeichneten) Standort in P zu vertreten, dass am 7.12.1999 und am 14.12.1999 dieses Einkaufszentrum, welches mit (näher bezeichneten) Bescheiden behördlich genehmigt worden ist, nach erfolgter Änderung ohne die hiefür erforderliche Genehmigung der Behörde betrieben worden sei, indem außerhalb der genehmigten Aktionsflächen in der Mall wie nachstehend angeführt, konsenslos aufgestellte Verkaufstische, Einrichtungsgegenstände und andere Dispositionen betrieben worden seien und festgelegte Hauptverkehrswege bzw. Fluchtwege nicht freigehalten worden wären:

(Im Folgenden wurden auf einer ganzen Seite die Geschäfte und aufgestellten Gegenstände vage beschrieben und teilweise Angaben über verbliebene Ausgangs- und Fluchtwegbreiten vermerkt).

Aus dieser Aufzählung zieht die Erstbehörde den Schluss, dass auf Grund der Schmälerung der Breite von Verkehrs- und Fluchtwegen eine Gefährdung für das Leben und die Gesundheit von Personen (Kunden, Arbeitnehmer von Geschäften und Gewerbetreibende) bei Paniksituationen im Gefahrenfalle (Ausbrechen eines Brandes oder bei einem Stromausfall udgl.) durch eine mögliche Blockierung eines Fluchtweges nicht auszuschließen wäre.

2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung vom 21.11.2000, mit der beantragt wird, das angefochtene Straferkenntnis nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen, in eventu von der Verhängung einer Strafe abzusehen.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat die Berufung und den zu Grunde liegenden Verwaltungsakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat zur Entscheidung vorgelegt; eine Berufungsvorentscheidung wurde nicht erlassen.

3.1. Zur vollständigen Klärung der Sachlage hat der Unabhängige Verwaltungssenat für 15.3.2001 eine öffentliche mündliche Verhandlung anberaumt, die gleichzeitig mit der Verhandlung des Einzelmitgliedes über die Spruchabschnitte 1. bis 4. abgehalten wurde. Der Berufungswerber war mit seinem Rechtsvertreter erschienen, die belangte Behörde hatte sich schriftlich entschuldigt. Bei der Verhandlung wurden Herr Mag. M A und Herr K P als Zeugen gehört.

3.2. Daraus ergibt sich im Wesentlichen folgender Sachverhalt:

Die P-C Betriebsgesellschaft mbH & Co KG (im Folgenden kurz: P-C), deren gewerberechtlicher Geschäftsführer der Berufungswerber ist, betreibt im Standort P ein Einkaufszentrum, in dem auf 50.000 Verkaufsfläche 160 Firmen mit insgesamt 1.500 Mitarbeitern untergebracht sind. Die P-C beschäftigt ihrerseits 20 Mitarbeiter.

Zur Einhaltung der gewerberechtlichen Bestimmungen und Auflagen der Betriebsanlagengenehmigungsbescheide gab der Berufungswerber an, dass er diesbezüglich ein Informations- und Kontrollsystem eingerichtet habe, das er wie folgt beschrieb:

Bereits im Musterbestandsvertrag, der in den diesbezüglich relevanten Punkten Bestandteil jedes Bestandsvertrages ist, werden die Bestandnehmer auf die einzuhaltenden Verpflichtungen aus den gewerberechtlichen Bescheiden hingewiesen. Verletzungen dieser Bestimmungen werden laut Vertrag mit verschiedenen Sanktionen geahndet, die bis zur Auflösung des Bestandverhältnisses reichen können.

Der Berufungswerber räumte jedoch ein, dass es bisher zu einer Vertragslösung noch nie gekommen ist. Dies vor allem aber deshalb, um der P-C die wirtschaftliche Grundlage, die ja im Vermieten von Geschäftsflächen besteht, nicht zu zerstören; überdies sei auf Grund der Rechtsprechung der Gerichte in Bestandsangelegenheiten das Prozessrisiko sehr hoch und die Erfolgsaussichten sehr gering.

In den Verträgen sind jedoch auch andere Sanktionen für die Nichteinhaltung von gewerberechtlichen Vorschriften vorgesehen, zB die Überwälzung von Strafen.

Darüber hinaus werden die Mieter in zumindest jährlich wiederkehrenden Mieterversammlungen informiert, wobei ua auch auf die Einhaltung der Auflagen in den Betriebsanlagengenehmigungsbescheiden und den gesetzlichen Bestimmungen hingewiesen wird.

Weiters gibt es einen Werbebeirat als oberstes Gremium der Bestandnehmer, in welchem die fünf größten Firmen vertreten sind sowie zwei weitere gewählte Vertreter. Dieses Gremium tagt mindestens zweimal pro Jahr und wird auch das Thema der Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften immer wieder angesprochen.

Schließlich werden die Bestandnehmer auch immer wieder in Rundschreiben und Einzelgesprächen auf ihre aus der Gewerbeordnung und den Bescheiden resultierenden Verpflichtungen hingewiesen.

Zur Überwachung der Einhaltung dieser Vorschriften teilte der Haustechniker K P als Zeuge mit, dass er vom frühen Morgen an ständig im Haus unterwegs sei und unter anderem auch die Einhaltung der Auflagen kontrolliere. Er wohne ständig im Einkaufszentrum und er kenne das Haus seit Anbeginn der Planung her. Von der Geschäftsleitung sei er ermächtigt, mobile Verkaufsständer udgl., die auf freizuhaltenden Flächen abgestellt sind, nach erfolgloser Ermahnung des Betriebsinhabers zu entfernen und in einem Lagerraum der P-C zu versperren; er habe auch die Möglichkeit, Betriebsinhabern den Strom abzuschalten; von beiden Ermächtigungen habe er schon des öfteren Gebrauch gemacht.

Bei diesen Tätigkeiten werde er von den anderen Haustechnikern unterstützt.

Die Haustechniker werden von Herrn Mag. M A überwacht, der auch gegenüber den Gesellschaftern der P-C die Verantwortung für diese Aufgabe übernommen hat; der Berufungswerber legte dazu eine Kopie des Gesellschafterbeschlusses vom 17.9.1997 vor. Herr Mag. A schreitet gegenüber Geschäftsinhabern ein, die den Anordnungen der Haustechniker nicht Folge leisten und die ihm daher von seinen Mitarbeitern gemeldet werden. Er hat die Ermächtigung, weitergehende Sanktionen zu verhängen.

Herr Mag. A wird vom Berufungswerber überwacht.

Herr Mag. A überwacht somit die Tätigkeit der Haustechniker und übernimmt die Aufgabe, mit jenen Geschäftsinhabern zu sprechen, die sich an die Anweisungen und Beanstandungen der Haustechniker nicht halten. Bei seiner Zeugenaussage führte er dafür einige Beispiele an, in denen ihm erfolgreich gelungen ist, Geschäftsinhaber zur Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften zu bewegen.

Zu den einzelnen Tatvorwürfen gab der Berufungswerber an, dass diese mangelhaft präzisiert wurden und der Bescheidspruch vor allem im Abschnitt 5. unschlüssig sei.

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Im Verwaltungsstrafverfahren steht den Parteien gemäß § 51 Abs.1 VStG das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat.

Daraus ergibt sich die Zuständigkeit des Oö. Verwaltungssenates.

Dieser hatte, da eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch eine Kammer zu entscheiden (§ 51c VStG).

4.2. Im fünften Spruchabschnitt wurde dem Berufungswerber ohne nähere Differenzierung vorgeworfen, in einer Vielzahl von Fällen die behördlich genehmigte Betriebsanlage nach erfolgter Änderung ohne die hiefür erforderliche Genehmigung der Behörde betrieben zu haben, indem außerhalb der genehmigten Aktionsflächen in der Mall wie nachstehend angeführt konsenslos aufgestellte Verkaufstische, Einrichtungsgegenstände und andere Dispositionen betrieben und festgelegte Hauptverkehrswege bzw. Fluchtwege nicht freigehalten worden wären.

Daraufhin wurden ohne jede Untergliederung und nähere Beschreibung auf einer ganzen Seite die behördlichen Feststellungen bei den Überprüfungen am 7.12. und 14.12.1999 angeführt.

Dafür wurde eine Gesamtstrafe in Höhe von 25.000 S verhängt, ohne zu differenzieren, für welche dieser Übertretungen welche Geldstrafe im Einzelnen verhängt wurde.

4.3. Wenn man nun diesen Spruchabschnitt einer näheren Überprüfung unterzieht, so wird deutlich, dass diese Tatvorwürfe nicht ausreichend konkretisiert sind:

§ 44a VStG normiert, dass der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten hat:

1. die als erwiesen angenommene Tat;

2. die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist ...

Nach Lehre und Rechtsprechung kommt dem Spruch eines Straferkenntnisses im Hinblick auf die in § 44a Z1 - 5 VStG festgelegten Erfordernisse besondere Bedeutung zu. Der Beschuldigte hat nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Recht darauf, schon dem Spruch unzweifelhaft entnehmen zu können, welcher konkrete Tatbestand als erwiesen angenommen, worunter die Tat subsumiert, welche Strafe unter Anwendung welcher Bestimmung über ihn verhängt wurde usw. Die Tat ist hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass

1. die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und

2. die Identität der Tat (nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht (siehe hiezu mwN Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, Seite 969, Anm 2 zu § 44a VStG).

Wenn man nun diesen Prüfungsmaßstab an den Spruchabschnitt 5. des angefochtenen Straferkenntnisses anlegt, so wird deutlich, dass die hier enthaltenen Tatumschreibungen diesen Anforderungen nicht gerecht werden.

Bei diesen Aufzählungen handelt es sich auch in den einzelnen Punkten nur um rudimentäre Beschreibungen der Feststellungen an Ort und Stelle, ohne diese näher zu beschreiben, was aber zur Nachvollziehbarkeit der Tatvorwürfe unbedingt erforderlich wäre.

So fehlen präzise Ortsangaben der einzelnen Geschäfte, zumal Hinweise auf "Achsen" und "Ebenen" die Tatorte dann nicht wirksam beschreiben, wenn die erforderlichen Pläne oder Planauszüge mit entsprechenden Kennzeichnungen wie im vorliegenden Fall nicht angeschlossen sind.

Zur Nachvollziehbarkeit der Bewilligungspflicht der aufgestellten "Verkaufstische, Einrichtungsgegenstände und anderen Dispositionen" und zur Beurteilung, ob dadurch eine Änderung der Betriebsanlage oder ein Verstoß gegen Auflagen zu sehen ist, wäre die präzise Beschreibung oder Darstellung der genannten Gegenstände erforderlich; diese fehlt jedoch im angefochtenen Straferkenntnis.

Auch die festgestellten Verringerungen der Fluchtwege udgl. hätten in ihrem Ausmaß präzise dargestellt werden müssen, um die Tatvorwürfe nachvollziehen zu können.

Dies wäre auch im Hinblick auf die Bemessung der Strafhöhe von Relevanz gewesen, vor allem in Hinblick auf das gemäß § 19 Abs.1 VStG zu berücksichtigende Strafbemessungskalkül des Ausmaßes der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und des Umstandes, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Dies alles fehlt im Spruchabschnitt 5. des angefochtenen Straferkenntnisses, weshalb dieser Tatvorwurf in Ermangelung der gemäß § 44a Z1 VStG erforderlichen Konkretisierung aufzuheben war.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu II.:

Die Aufhebung und Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens bewirkt auf der Kostenseite, dass der Berufungswerber weder mit Beiträgen zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens erster Instanz noch zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu belasten ist.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Dr. W e i ß

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum