Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-221795/2/Ga/Mm

Linz, 28.11.2001

VwSen-221795/2/Ga/Mm Linz, am 28. November 2001

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch das Mitglied Mag. Gallnbrunner über die Berufung des Herrn J F, vertreten durch Rechtsanwälte, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft R vom 7. September 2001, Zl. Ge96-61-1-2000, wegen Übertretung der Gewerbeordnung 1994 (GewO), zu Recht erkannt:

Der Berufung wird stattgegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG. § 24; § 51 Abs.1, § 51c, § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

Mit bezeichnetem Straferkenntnis vom 7. September 2001 wurde der Berufungswerber für schuldig befunden, er habe in seiner Eigenschaft als handelsrechtlicher Geschäftsführer der B.. GmbH mit Sitz in der Gemeinde L., die das Gewerbe "Molker und Käser" besitze, zu verantworten, dass die unter a) Punkt 1 des angegebenen gewerbebehördlichen Betriebsanlagen-Genehmigungsbescheides vorgeschriebene "Auflage" mit dem Wortlaut: "Die Änderung und die Erweiterung der Molkereibetriebsanlage sind konsensgemäß zu errichten, auszustatten und zu betreiben", nicht eingehalten worden sei, weil die gegenständliche Molkereibetriebsanlage nicht konsensgemäß betrieben worden sei, indem die Betriebszufahrt nicht, wie im Projekt genehmigt, von Osten über eine neue Zufahrt über die Grundstücke Nr.. und .., KG L., und das öffentliche Gewässer "L" auf angegebener Parzelle führe, sondern von Westen über die Wegparzelle .., KG L.

Für die Zeit vom 1. Jänner bis 30. September 2000 sei der Berufungswerber neben dem mit 30. September 2000 ausgeschiedenen (im Spruch namentlich angegebenen) gewerberechtlichen Geschäftsführer der involvierten Gesellschaft strafbar, weil er die "gegenständliche Verwaltungsübertretung wissentlich geduldet" habe.

Dadurch habe er § 367 Z25 GewO iVm der unter Angabe der Fundstelle im genannten gewerbebehördlichen Bescheid enthaltenen Auflage und iVm § 370 Abs.4 GewO verletzt.

Über den Berufungswerber wurde eine Geldstrafe von 5.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe) kostenpflichtig verhängt.

Die belangte Behörde hat den Strafverfahrensakt vorgelegt und eine Gegenäußerung erstattet.

Über die - Aufhebung und Einstellung begehrende - Berufung hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

Der Berufungswerber bestreitet tatseitig im Wesentlichen mit dem Vorbringen, es entspreche die in Rede stehende "Auflage" nicht den sich aus der Judikatur ergebenden Anforderungen an die Bestimmtheit von derartigen Nebenbestimmungen einer Betriebsanlagen-Genehmigung.

Schuldseitig bekämpft er seine Bestrafung mit dem Vorbringen, es könne ihm angesichts der inhaltsleeren Auflage einer "konsensgemäßen Errichtung der Betriebsanlage" nicht vorgeworfen werden, er habe vorsätzlich, geschweige den wissentlich bestimmte, im Bescheid nicht konkret angeführte Auflagen missachtet. Wenn die Behörde in diesem Zusammenhang darauf verweise, ihm seien die Voraussetzungen für die Genehmigung des gesamten Projektes schon aus dem eigenen schalltechnischen Gutachten bekannt gewesen, so sei dem entgegen zu halten, dass sich auch aus diesem Gutachten keineswegs die Errichtung einer eigenen Zufahrt vom Osten her als generelle Voraussetzung für den Betrieb der Molkerei ergebe, sondern dies von den An- und Abfahrbewegungen mit Fahrzeugen zur Tages- und Nachtzeit abhänge. Insbesondere für die Fahrbewegungen zur Tageszeit ergebe sich schon aus dem schalltechnischen Projekt keine Notwendigkeit für die Verlegung der Zufahrt oder die Errichtung einer Schallschutzwand bezogen auf die Tageszeit.

Bereits dieses Vorbringen führt die Berufung im Ergebnis zum Erfolg.

Gemäß § 370 Abs.4 GewO ist der Gewerbeinhaber - hier der Berufungswerber in seiner Eigenschaft als handelsrechtlicher Geschäftsführer der involvierten Gesellschaft - neben einem, wie hier, bestellten gewerberechtlichen Geschäftsführer ua. nur strafbar, wenn er "die Verwaltungsübertretung wissentlich duldet (....)". Zu prüfen ist daher das Vorliegen folgender Merkmale: Hat der im Grunde des § 370 Abs.2 GewO zunächst haftbare gewerberechtliche Geschäftsführer die Tat vollständig verwirklicht? Hat der handelsrechtliche Geschäftsführer im sicheren objektiven Wissen um die Tat des anderen diese mit ebenso sicherem Wissen über seine Duldung - ohne jedwede Gegenwehr also - hingenommen?

Der Gehalt der "Wissentlichkeit" - als hier wesentliches Tatbestandsmerkmal der den Kreis der haftbaren Organe erweiternden Vorschrift des § 370 Abs.4 GewO - ist den Grundlegungen im allgemeinen Strafrecht zu entnehmen. Danach handelt gem. § 5 Abs.3 StGB wissentlich, wer "den Umstand oder Erfolg, für den das Gesetz Wissentlichkeit voraussetzt, nicht bloß für möglich hält, sondern sein Vorliegen oder Eintreten für gewiss hält."

Für den Anwendungsfall der kumulativen Sanktionierung (auch) des handelsrechtlichen Geschäftsführers muss daher der Beweis erbracht worden sein, dass dieser - weil bei Wissentlichkeit nicht der Willens- sondern der Wissensfaktor im Vordergrund steht (vgl Foregger/Serini StGB 4. Auflage, Manz, 39 f) - mit Gewissheit von der durch den gewerberechtlichen Geschäftsführer vollständig verwirklichten Verwaltungsübertretung Kenntnis hatte und er trotz dieser Gewissheit über die Tatverwirklichung das (fortgesetzte) Fehlverhalten des eigentlichen Täters dennoch nicht unterbunden hat. Ein "Wissen-Müssen", wie beim dolus eventualis, genügt nicht. Für den (bloß) hinzutretenden Täter des § 370 Abs.4 GewO muss also die zweifache Gewissheit vorliegen: über sein Duldungsverhalten als solches und über das Substrat der Duldung. Soweit es dabei um künftige Tatumstände geht - wie vorliegend die (spruchgemäß eben auch vorausgreifend) fortgesetzte Nichterfüllung der "Auflage" - wird subjektive Gewissheit als ausreichend angesehen (vgl Leukauf/Steininger Kommentar zum StGB 3. Auflage, Prugg-Verlag 1992, § 5 RN 10).

Dass jedoch im Berufungsfall der sichere Nachweis dieser (zweifachen) "Gewissheit" als dergestaltige scharfe Schuldform des Vorsatzes erbracht worden wäre, lässt sich weder dem Straferkenntnis noch dem Strafakt insgesamt entnehmen.

Für die spruchgemäße Annahme der Verwirklichung des Tatbestandsmerkmales der besonderen Schuldform durch den Berufungswerber ist kein Ergebnis einer darauf gerichtet gewesenen Ermittlungstätigkeit der belangten Behörde auffindbar; die Annahme ist, worauf die Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses hindeutet (Seite drei unten, vier oben), offensichtlich nur auf Folgerungen gegründet. Deren Schlüssigkeit ist jedoch, wie aus dem Akteninhalt hervorgeht, keineswegs zwingend. Im Gegenteil: Im von der belangten Behörde verfassten "Gedächtnisprotokoll über die Besprechung vom 27.4.2001" (OZ 16; anwesend bei dieser Besprechung waren ua. Vertreter der belangten Behörde und der Berufungswerber) findet sich folgende Notiz: "Ausdrücklich festgehalten wird, dass die Errichtung der neuen Zufahrt bzw. der Lärmschutzwand keine Auflagen der Behörde sind, sondern von der Fa. B .. GmbH. selbst im lärmtechnischen Gutachten der Emissionsbeurteilung zugrunde gelegt wurden."

Verstand demnach aber selbst die belangte Behörde die Errichtung der neuen Zufahrt nicht als "Auflage", durfte schon im Hinblick darauf - bloß schlussfolgernd; ohne die Grundlage von entsprechenden direkten Beweisführungen - unter den Kriterien eines auf Sanktionierung gerichteten Strafverfahrens dem Berufungswerber nicht zugesonnen werden, er habe mit Gewissheit von einer auf die ominöse "Auflage" bezogenen Verfehlung des zunächst haftbaren gewerberechtlichen Geschäftsführers vollständige Kenntnis gehabt und dessen Übertretung mit ebensolcher Gewissheit geduldet.

Im Ergebnis war daher zumindest im Zweifel zu Gunsten des Berufungswerbers die Nichterfüllung des hier wesentlichen Tatbestandsmerkmales der "wissentlichen Duldung" einer vom - laut Annahme der belangten Behörde - gewerberechtlichen Geschäftsführer der involvierten Gesellschaft begangenen Verwaltungsübertretung festzustellen.

Schon aus diesem Grund war die Aufhebung und im Grunde des § 45 Abs.1 Z1 VStG die Einstellung zu verfügen.

Bei diesem Verfahrensergebnis konnte die Frage nach der - vom Berufungswerber, wie aufgezeigt, bestrittenen - Bestimmtheit der in Rede stehenden "Auflage" (als solche verstand die belangte Behörde - ohne nähere Einlassung darüber - den "Auftrag" iS des § 359b Abs.1 Z2 GewO) auf sich beruhen.

Für den Berufungswerber entfällt damit auch die Kostenpflicht.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Mag. Gallnbrunner

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum