Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-222065/6/Bm/Sta

Linz, 22.03.2006

 

 

 

VwSen-222065/6/Bm/Sta Linz, am 22. März 2006

DVR.0690392

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Michaela Bismaier über die Berufung des Herrn DI Dr. F S, E, G, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. J G, Dr. W D. P, S, L, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 9.11.2005, BZ. Pol-10056-2005, wegen Übertretung des Öffnungszeitengesetzes 2003, zu Recht erkannt:

 

  1. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.
  2. Es entfallen jegliche Verfahrenskostenbeiträge.

 

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 44a, 45 Abs.1 Z3 und 51 VStG.

Zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1. Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 9.11.2005, BZ-Pol-10056-2005, wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe von 500 Euro, Ersatzfreiheitsstrafe von 154 Stunden, wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß
§ 368 GewO 1994, BGBl. Nr. 194/1994 idgF iVm §§ 4 und 11 Öffnungszeitengesetz 2003, BGBl. I 48/2003 idgF sowie § 2 Abs.1 Z1 Oö. Öffnungszeitenverordnung 2003, LGBl. 93/2003, verhängt. Dem Schuldspruch liegt folgender Tatvorwurf zu Grunde:

"Sie haben es als gewerberechtlicher Geschäftsführer und somit als iSd § 370 Abs.1 GewO 1994 verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher der Firma E W S. - S- und D GmbH, G - , W, zu verantworten, dass am 14.6.2005 (Dienstag) um 21.15 Uhr - zusätzlich zum dem direkt bei der Tankstelle befindlichen Shop von ca. 80 m2 - eine Verkaufsstelle mit ca. 400 m2 offen gehalten wurde, obwohl Verkaufsstellen an Werktagen - Montag bis Freitag - nur von 6.00 Uhr bis 19.30 Uhr offen gehalten werden dürfen."

 

Die belangte Behörde begründet ihren Schuld- und Strafausspruch nach Zitierung der entsprechenden Gesetzesstellen im Wesentlichen damit, dass von den Bestimmungen des Öffnungszeitengesetzes 2003 Tankstellen hinsichtlich des Kleinverkaufes von im § 157 Abs.1 Z2 GewO 1994 angeführten Waren ausgenommen sind. Ein solcher Kleinverkauf liegt laut § 157 Abs.2 GewO 1994 bei einer Verkaufsfläche von max. 80 m2 vor. Diese Verkaufsfläche ist am spruchgegenständlichen Tattag wesentlich überschritten worden, was vom Beschuldigten auch nicht geleugnet wird. Durch einen Betriebsanlagenbescheid kann niemals in andere Rechtsmaterien eingegriffen und somit auch keine Verlängerung von gesetzlich festgelegten Öffnungszeiten herbeigeführt werden. Damit ist dem Beschuldigten die Glaubhaftmachung iSd § 5 Abs.1 VStG, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft, nicht gelungen.

Hinsichtlich der Strafbemessung führte die belangte Behörde aus, dass diese unter Berücksichtigung der Bestimmungen des § 19 VStG erfolgt ist. Es sind weder Strafmilderungs- noch Straferschwerungsgründe zu berücksichtigen und erscheint die verhängte Strafe auch unter Berücksichtigung der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse, die mangels Mitwirkung des Beschuldigten im Verwaltungsstrafverfahren geschätzt werden mussten, als angemessen.

 

2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Berufungswerber fristgerecht Berufung eingebracht und diese im Wesentlichen damit begründet, dass das Straferkenntnis teilweise von einem unrichtigen Sachverhalt ausgehe. Bei einer Besichtigung an Ort und Stelle hätte sich ergeben, dass es sich sehr wohl um einen Tankstellenverkauf handle. Dem Hinweis, dass ein Verkauf diverser Waren in Tankstellenshops nur in einer Größe von 80 m2 zugelassen sei, sei entgegenzuhalten, dass dies zumindest den faktischen Gegebenheiten widerspreche. Es gebe ausreichend Tankstellen in Wels, aber auch in anderen Städten, die wesentlich größere Verkaufsshops haben. Für die gegenständliche Tankstelle bestehe auch eine Gewerbeberechtigung mit dem gleichen Umfang wie die Betriebsanlagenbewilligung. Ausdrücklich sei von Seiten der Gewerbebehörde der Betrieb bewilligt worden, obwohl die Gewerbeberechtigung noch nicht rechtskräftig sei. Somit sei sich der Beschuldigte in keiner Weise eines verwaltungsstrafrechtlich relevanten Verhaltens bewusst. Es sei ihm die Offenhaltung durch 24 Stunden an allen Tagen der Woche genehmigt worden. Auch im gewerberechtlichen Verfahren I. Instanz habe er die Betriebsbewilligung nach Begehung ausdrücklich hiefür erhalten. Die Bestrafung wäre dann rechtens, wenn seitens der Gewerbebehörde bereits Betriebsgröße und Betriebszeit in dem im Straferkenntnis festgehaltenen Ausmaß eingeschränkt worden wäre. In
§ 157 Abs.1 GewO 1994 seien verschiedene Ausnahmen für Betriebszeiten der Tankstelle für den Verkauf an Tankstellen während der Betriebszeiten der Tankstelle gestattet und sei im Bescheid nicht festgestellt, dass Waren, die von dieser Ausnahmeregelung erfasst seien, angeboten werden. Es fehle im Bescheid jedwede Feststellung, welche Waren im Tankstellenshop des Beschuldigten angeboten würden und ob damit gegen § 157 Abs.2 Z2 verstoßen werde oder nicht.

 

3. Der Bürgermeister der Stadt Wels als belangte Behörde hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Akteneinsichtnahme zu BZ-Pol-10056-2005 sowie durch Durchführung einer mit einem Lokalaugenschein verbundenen öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 16.3.2006, bei der der Berufungswerber und sein anwaltlicher Vertreter sowie die Vertreterin der belangten Behörde gehört wurden.

 

Folgender Sachverhalt ist entscheidungswesentlich:

 

Der Berufungswerber betreibt am Standort G, Gst. Nr. , , KG. L, ein Servicecenter mit Tankstelle und Shops, für welches mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Wels vom 30.3.2005, BG-BA-66-2003Gr, die gewerbebehördliche Genehmigung erteilt wurde. Das Betriebsgelände umfasst neben Freiflächen für Lkw- und Pkw-Abstellplätze, überdachte Stellplätze (Halle) sowie Geschäfts- und Gastrobereiche. Weiters befinden sich am Betriebsgelände zwei Tankstellen, eine direkt nach der Einfahrt zum Betriebsgelände, welche über die M erfolgt, mit Tankstellenshop sowie ein weiterer Tankstellenbereich im eingehausten Teil (Halle) in westlicher Richtung, ca. 145 m von der alten Tankstelle entfernt. Im Hallenteil (westseitig im Anschluss an die Tankstelle im eingehausten Teil) befindet sich auch der Geschäftsbereich mit einer Nutzfläche von ca. 200 m2. In diesem Shop werden neben Waren des üblichen Reisebedarfs vorverpackt gelieferte Lebensmittel, Kaffee, alkoholfreie Getränke, Spirituosen, Waschmittel, Tiefkühlkost, Brot sowie Obst und Gemüse angeboten. Ein Drittel der Verkaufsfläche wird ausschließlich zum Verkauf von Kraftfahrzeugzubehör herangezogen.

Der an den Tankstellen abgegebene Treibstoff kann über ein zentrales Computersystem sowohl direkt bei den Tankstellen als auch in dem in Rede stehenden Shop (wie auch im Shop neben der "alten" Tankstelle) bezahlt werden.

Sowohl nach dem Betriebsanlagengenehmigungsbescheid als auch nach dem äußeren Erscheinungsbild entfällt der Hauptbetrieb auf den LKW-Einstellbereich (Servicebereich) und die Treibstoffabgabe.

 

5. Hierüber hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

Gemäß § 1 Abs.1 ÖZG 2003 gelten die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, sofern sich nicht nach § 2 anderes ergibt, für alle ständigen und nicht ständigen für den Kleinverkauf von Waren bestimmten Betriebseinrichtungen (Läden und sonstige Verkaufsstellen) von Unternehmungen, die der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) unterliegen.

 

Nach § 2 Z3 leg.cit. sind von den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes Tankstellen für den Verkauf von Betriebsstoffen für Kraftfahrzeuge sowie für den Kleinverkauf von in § 157 Abs.1 Z2 GewO 1994 angeführten Waren ausgenommen.

 

Gemäß § 157 Abs.1 GewO 1994 sind Gewerbetreibende, die Betriebsstoffe an Kraftfahrer im Bereich von Zapfstellen abgeben, unbeschadet des § 32 zu folgenden Tätigkeiten berechtigt:

  1. ....,
  2. den Verkauf folgender Waren während der Betriebszeiten der Tankstelle
    a) Heizöl, Grillkohle, Grillkohlenanzünder

b) Kraftfahrzeugersatzteile und Kraftfahrzeugzubehör, soweit diese Ersatzteile und dieses Zubehör für die Erhaltung oder Wiederherstellung der Betriebsfähigkeit des Kraftfahrzeuges oder für die Verkehrssicherheit notwendig sind, Kraftfahrzeugpflegemittel, Verbandzeug in Behältern wie iSd § 102 Abs.10 KFG 1967, BGBl. Nr. 267 idF BGBl. Nr. 615/1977,

c) Waren des üblichen Reisebedarfes (zB Straßenkarten, Fotoverbrauchsmaterial, Toillettartikel, Ansichtskarten, Reiseandenken),

d) vorverpackt gelieferte und ohne weitere Zubereitung fertige Lebensmittel (§ 2 LMG) sowie Futtermittel für Heimtiere, löslicher Kaffee, alkoholfreie Getränke und Bier in handelsüblichen verschlossenen Gefäßen. Soweit es sich um Getränke handelt, dürfen diese nur in Kleinmengen abgegeben werden.

 

Nach Abs.2 dieser Bestimmung muss bei Ausübung der Rechte gemäß Abs.1 der Charakter des Betriebes als Tankstelle gewahrt bleiben und es dürfen, soweit es sich nicht um die Ausübung des Kleinhandels mit Heizöl handelt, keine Räumlichkeiten verwendet werden, welche ausschließlich dem Kleinverkauf von Waren gemäß Abs.1 Z2 dienen. Die dem Verkauf von Waren gemäß Abs.1 Z2 gewidmete Fläche darf
80 m2 nicht übersteigen.

 

Gemäß § 368 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu 1.090 Euro zu bestrafen ist, wer andere als in den §§ 366 und 367 genannte Gebote oder Verbote dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen oder der Bescheide, die auf Grund der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes oder auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassener Verordnungen ergangen sind, nicht einhält.

 

Vorweg ist festzuhalten, dass im Grunde des Beweisergebnisses davon auszugehen ist, dass der in Rede stehende Shop dem Tankstellengebäude im Sinne des ersten Satzes des § 157 Abs.2 GewO 1994 zuzurechnen ist. Gleichzeitig ist aber unbestritten und erwiesen, dass in diesem Tankstellenshop andere als in § 157 Abs.2 erwähnte Waren angeboten und verkauft werden. Insofern ist der belangten Behörde zuzustimmen, als für diese Tätigkeit grundsätzlich die Bestimmungen des ÖZG gelten.

 

Das angefochtene Straferkenntnis war dennoch aus folgenden Gründen zu beheben.

 

Gemäß § 44a Z1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten.

Danach ist es im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass

  1. die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und
  2. die Identität der Tat (zB nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht.

 

Was den vorstehenden Punkt 1 anlangt, sind entsprechende, dh in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Was den Punkt 2 anlangt muss im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass er in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und es muss ferner der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

 

Es muss daher die Tat unter Anführung aller wesentlicher Tatbestandsmerkmale dem Beschuldigten innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist vorgeworfen werden.

Eine Umschreibung der Tatbestandsmerkmale lediglich in der Bescheidbegründung reicht im Bereich des Verwaltungsstrafrechtes nicht aus (vgl. Hauer/Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens, zu § 44a Z1 VStG.

 

Davon ausgehend, dass der Shop im Rahmen des Tankstellenbetriebes geführt wird, findet § 157 Abs.1 Z2 GewO 1994 Anwendung. Dementsprechend muss der Schuldspruch, um das Erfordernis des § 44a Z1 VStG zu erfüllen, auch jene Tatumstände enthalten, die eine Beurteilung dahingehend zulassen, ob der mit § 157 Abs.1 Z2 dem Tankstellenbetreiber zugestandene Kleinverkauf überschritten wird und damit das ÖZG zum Tragen kommt.

Eine solche konkretisierte Umschreibung der angebotenen Waren, die über das im
§ 157 Abs.1 Z2 aufgezählte Warensortiment hinausgehen, ist dem Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses nicht zu entnehmen.

Die Angabe der Verkaufsfläche (die im Übrigen nicht 400 sondern 200 m2 beträgt) reicht hiefür nicht aus, zumal die Ausnahmebestimmung des § 2 Z3 ÖZG auf
§ 157 Abs.2, der die Beschränkung der Verkaufsfläche auf 80 m2 enthält, nicht Bezug nimmt.

Die Überschreitung der Verkaufsfläche, die allenfalls den Straftatbestand des § 368 iVm § 157 Abs.2 GewO 1994 erfüllt, war aber vom Unabhängigen Verwaltungssenat nicht zu prüfen, weil dies einen unzulässigen Austausch der Tat bewirkt hätte.

 

Der Tatvorwurf entspricht somit nicht dem Konkretisierungsgebot gemäß § 44a Z1 VStG.

Weder in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 18.7.2005 noch im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses wurde eine ausreichende Tatumschreibung vorgenommen. Es konnte wegen bereits abgelaufener Verjährungsfrist eine entsprechende Ergänzung auch nicht vom Oö. Verwaltungssenat vorgenommen werden.

 

Es war daher das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das diesbezügliche Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

 

Weil die Berufung Erfolg hatte, war ein Verfahrenskostenbeitrag nicht vorzuschreiben (§ 66 Abs.1 VStG).

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

 

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

Mag. B i s m a i e r

 

 

Beschlagwortung:

Tankstelle § 357 Abs.1 Z2 GewO 1994

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