Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230054/2/Gf/Hm

Linz, 19.05.1992

VwSen - 230054/2/Gf/Hm Linz, am 19. Mai 1992 DVR.0690392 - &

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Alfred Grof über die Beschwerde des Z, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Braunau vom 24. März 1992, Zl. Sich96/5554/1990, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 VStG eingestellt.

II. Der Kostenausspruch des angefochtenen Straferkenntnisses wird gemäß § 66 Abs. 1 VStG aufgehoben.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

1. Der vorliegenden Beschwerde liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

1.1. Mit Strafverfügung des Bezirkshauptmannes von Braunau vom 24. Jänner 1991, Zl. Sich96/5554/1990, wurde über den Beschwerdeführer wegen einer Übertretung des Paßgesetzes 1969 eine Geldstrafe von 1.500 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 72 Stunden) verhängt.

1.2. Gegen diese Strafverfügung hat der Beschwerdeführer rechtzeitig Einspruch erhoben.

1.3. Nach Durchführung eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens hat der Bezirkshauptmann von Braunau mit Straferkenntnis vom 24. März 1992, Zl. Sich96-5554/1990, über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von 1.500 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 72 Stunden) verhängt, weil er sich als Fremder (polnischer Staatsangehöriger) der zwischenstaatlichen Vereinbarung zwischen Polen und Österreich zuwider vom 4. März 1990 bis 6. September 1990 und damit länger als drei Monate in St. F, aufgehalten hat, ohne im Besitz eines gültigen Sichtvermerkes zu sein, wodurch er die Bestimmungen des § 40 Abs. 2 des Paßgesetzes 1969 i.V.m. dem Abkommen zwischen Österreich und Polen verletzt hat.

1.4. Gegen dieses dem Beschwerdeführer am 27. März 1992 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 2. April 1992 - und damit rechtzeitig - zur Post gegebene Berufung.

2.1. Im angefochtenen Straferkenntnis führt die belangte Behörde begründend aus, daß es zwar zutreffe, daß der Beschwerdeführer seinen Aufenthalt vom 1. Juni 1990 bis 17. Juni 1990 unterbrochen hat, daß er jedoch vom 4. März 1990 bis 20. August 1990 durchgehend unter der Adresse "St. F" polizeilich gemeldet gewesen sei; am 21. August 1990 sei der Beschwerdeführer sodann nach I bei Mattighofen, übersiedelt. Daraus gehe hervor, daß der Beschwerdeführer gar nicht die Absicht hatte, Österreich auf Dauer zu verlassen.

2.2. Dagegen bringt der Beschwerdeführer in seiner Berufung vor, daß aus dem Ausreise- bzw. Wiedereinreisevermerk in seinem Reisepaß zweifelsfrei hervorgehe, daß er zwischen dem 1. Juni 1990 und dem 17. Juni 1990 Österreich tatsächlich verlassen habe; die polizeiliche Abmeldung habe er nur deshalb unterlassen, weil er die entsprechenden Vorschriften des Meldegesetzes nicht kannte.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Braunau zu Zl. Sich96/5554/1990; da aus diesem der Sachverhalt hinreichend geklärt erschien und mit der vorliegenden Beschwerde lediglich eine unrichtige rechtliche Beurteilung geltendgemacht wird, konnte die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 51e Abs. 2 VStG unterbleiben.

Im Zuge dieser Beweisaufnahme wurde der oben unter 1. dargestellte Sachverhalt als erwiesen festgestellt.

4. In der Sache selbst hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

4.1. Gemäß § 40 Abs. 2 i.V.m. § 23 Abs. 3 des Paßgesetzes, BGBl.Nr. 422/1969, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 190/1990 (im folgenden: PaßG), begeht derjenige Fremde, der sich aufgrund einer Verordnung, mit der Ausnahmen von der Sichtvermerkspflicht gewährt werden, länger als drei Monate im Bundesgebiet aufhält, eine Verwaltungsübertretung und ist hiefür mit einer Geldstrafe bis zu 3.000 S oder mit einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen zu belegen.

Mit Verbalnote vom 25. Juni 1987, BGBl.Nr. 485/1987, wurde die auf § 23 Abs. 3 PaßG gestützte, als Regierungsabkommen zwischen Österreich und Polen über die gegenseitige Aufhebung der Sichtvermerkspflicht bezeichnete Verordnung BGBl.Nr. 330/1972 (im folgenden: österreichisch-polnisches Sichtvermerkabkommen) mit Wirkung vom 1. Juli 1987 bis 31. Dezember 1987 ausgesetzt. Eine Verlängerung dieser Aussetzung unterblieb sodann bis zum 6. September 1990. Erst mit Verbalnote vom 4. September 1990, BGBl.Nr. 573/1990, wurde das angeführte Regierungsabkommen wieder, und zwar mit Wirkung vom 7. September 1990 und vorerst beschränkt auf sechs Monate, teilweise ausgesetzt; ergänzend dazu wurde mit der Verordnung BGBl.Nr. 683/1990 festgelegt, daß polnische Staatsangehörige von der Sichtvermerkspflicht befreit sind, wenn sie einen gültigen polnischen Reisepaß und bestimmte Einreiseerlaubnisse für die Schweiz nachweisen. Die teilweise Aussetzung wurde in der Folge bis 31. Juli 1991 (BGBl.Nr. 164a/1991) und bis 31. August 1991 (BGBl.Nr. 398/1991) verlängert; die Sichtvermerksbefreiungsverordnung BGBl.Nr. 683/1990 wurde durch die Verordnung BGBl.Nr. 475/1991 hingegen mit Wirkung vom 1. September 1991 aufgehoben. Seit diesem Zeitpunkt gilt daher - wie im Zeitraum zwischen dem 1. Jänner 1988 und dem 6. September 1990 - das eingangs angeführte Regierungsabkommen wieder unbeschränkt.

Dies bedeutet, daß die Rechtslage im Tatzeitraum (4. März 1990 bis 6. September 1990) und im Zeitpunkt der Entscheidung durch den unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich einerseits identisch und andererseits für den Beschwerdeführer günstiger ist als das zur Zeit der Fällung der Entscheidung in erster Instanz geltende Recht. Diesem Grundsatz des § 1 Abs. 2 VStG hat aber wohl auch bereits die belangte Behörde obwohl dies infolge des Unterlassens einer exakten Zitierung der von ihr angewendeten Rechtsvorschriften insoweit nicht nachvollziehbar ist - Rechnung getragen. Jedenfalls ist aber davon auszugehen, daß sich der Beschwerdeführer aufgrund der im Tatzeitraum unbeschränkten Geltung des Art. 1 des österreichisch-polnischen Sichtvermerkabkommens ohne Sichtvermerk bis zu drei Monaten im Bundesgebiet aufhalten durfte, soweit er nicht die Absicht hatte, in Österreich ein Arbeitsverhältnis einzugehen.

4.2. Schon in seinem Einspruch gegen die Strafverfügung vom 6. März 1991 hat der Beschwerdeführer behauptet, vom 4. März 1990 bis zum 1. Juni 1990 und vom 17. Juni 1990 bis zum 6. September 1990, also stets kürzer als drei Monate, jeweils lediglich als Tourist in das Bundesgebiet eingereist zu sein und sich in diesem aufgehalten zu haben. Die belangte Behörde hat sich weder mit diesem Einwand auseinandergesetzt noch auf der anderen Seite dem Beschwerdeführer zum Vorwurf gemacht, daß sich dieser zwecks Erlangung eines Arbeitsverhältnisses in Österreich aufhält, obwohl entsprechende Ermittlungen angestellt wurden und auch entsprechende Ergebnisse zeitigten (vgl. den im Verwaltungsakt erliegenden Aktenvermerk der BH Braunau vom 13. September 1990, ONr. 1). Völlig offen bleibt auch, warum der Tatzeitraum mit dem 6. September 1990 begrenzt und nicht bis zum 18. September 1990 erstreckt wurde (obwohl sich der Beschwerdeführer offensichtlich auch bis zu diesem Tag im Bundesgebiet aufhielt), womit die Dreimonatsfrist ohne jeden Zweifel überschritten gewesen wäre; außerdem wäre mit dem 7.

September 1990 die Aussetzung des österreichisch-polnischen Sichtvermerksabkommens in Wirksamkeit getreten, was einen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet rechtlich nur bei Vorliegen eines gültigen Sichtvermerkes gestattet hätte.

Mangels einer darauf gerichteten Verfolgungshandlung und der zwischenzeitlich eingetretenen Verfolgungsverjährung ist es dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich aber von vornherein verwehrt, die letztgenannten Aspekte seiner Entscheidung zugrundezulegen. Es verbleibt daher lediglich der im angefochtenen Straferkenntnis erhobene Vorwurf, daß sich der Beschwerdeführer zwischen seiner Ausreise und Wiedereinreise von seinem Wohnsitz nicht polizeilich abgemeldet und in der Folge an diesem Ort auch tatsächlich seinen Aufenthalt genommen hat. Insoweit ist aber dem Beschwerdeführer beizupflichten, daß es sich hiebei - wenn überhaupt - allenfalls um eine Übertretung des Meldegesetzes handelt, die dem Beschwerdeführer von der belangten Behörde aber nicht zur Last gelegt wurde. Eine Verletzung des österreich-polnischen Sichtvermerkabkommens und in dessen Gefolge des Paßgesetzes kann aber allein darin, daß sich ein Fremder weniger als drei Monate in Österreich als Tourist aufhält, danach das Bundesgebiet verläßt und in kurzer zeitlicher Folge wiederum als Tourist für weniger als drei Monate in dieses einreist, hingegen nicht gefunden werden.

4.3. Aus diesem Grunde war der vorliegenden Beschwerde gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG mangels eines tatbestandsmäßigen Verhaltens des Beschwerdeführers stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 VStG einzustellen.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war gemäß § 66 Abs. 1 VStG auch die von der Erstbehörde getroffene Kostenentscheidung aufzuheben.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s : Gegen diesen Bescheid kann von den Parteien des Verfahrens (§ 51d VStG) innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Linz, am 19. Mai 1992 Für den O.ö. Verwaltungssenat: Dr. G r o f Für die Richtigkeit der Ausfertigung.

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