Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230104/28/Bi/Fb

Linz, 03.11.1992

VwSen - 230104/28/Bi/Fb Linz, am 3.November 1992 DVR.0690392 - &

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Mag. Karin Bissenberger über die Berufung des A, vom 27. Juli 1992 gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wels vom 16. Juli 1992, III-St-1789/92/S, aufgrund des Ergebnisses der am 3. November 1992 durchgeführten öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu Recht:

I. Der Berufung wird teilweise stattgegeben. Der Spruch des Straferkenntnisses wird mit der Maßgabe bestätigt, daß die Übertretung dadurch begangen wurde, daß der Beschuldigte seine Gattin festgehalten und versucht hat, ihr den Mund zuzuhalten, sodaß ihr Passanten zu Hilfe kommen mußten. Die Geldstrafe wird auf 500 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 12 Stunden herabgesetzt.

II. Demgemäß ermäßigt sich der Kostenbeitrag für das Verfahren erster Instanz auf 50 S und entfällt ein Kostenbeitrag zum Berufungsverfahren.

Rechtsgrundlage: zu I.: § 66 Abs.4 AVG i.V.m. §§ 24, 51 und 19 VStG, Art.IX Abs.1 Z.1 i.V.m. Art.IX Abs.1/Schlußsatz EGVG.

zu II.: §§ 64 und 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I. 1. Die Bundespolizeidirektion Wels hat mit Straferkenntnis vom 16. Juli 1992, III-St-1789/92/S, über Herrn A wegen der Verwaltungsübertretung gemäß Art.IX Abs.1 Z.1 EGVG eine Geldstrafe von 1.200 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 72 Stunden verhängt, weil er am 23. April 1992 um 10.05 Uhr in Wels, Rainerstraße vor dem Haus Nr. , dadurch, daß er seine Gattin zu Boden geworfen hat, sie festgehalten und auf sie eingeschlagen hat, sodaß ihr Passanten zu Hilfe kommen mußten, ein Verhalten gesetzt hat, das geeignet war, Ärgernis zu erregen und auch tatsächlich bei den Passanten Ärgernis erregt hat, die Ordnung an einem öffentlichen Ort gestört hat.

Gleichzeitig wurde er zur Leistung eines Verfahrenskostenbeitrages von 120 S verpflichtet.

2. Dagegen hat der Rechtsmittelwerber rechtzeitig Berufung erhoben. Vom Rechtsinstitut der Berufungsvorentscheidung hat die Erstbehörde nicht Gebrauch gemacht, sodaß die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates gegeben ist, der, da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden hat. Am 3. November 1992 wurde eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Rechtsmittelwerbers, der Vertreterin der Erstbehörde, Dr. K, sowie des Zeugen C durchgeführt.

3. Der Rechtsmittelwerber macht im wesentlichen geltend, der Vorfall habe sich am Kaiser-Josefs-Platz und nicht in der Rainerstraße ereignet und ein Mann mit einem Ohrring, den er kenne, habe seine Frau in der Rainerstraße in ein Geschäft gebracht. Er habe versucht, sie am Schreien zu hindern, schließlich sei sie, seine Frau und auch seine Tochter dabei gewesen. Er habe sie aber nicht geschlagen und auch nicht zu Boden geworfen. Er verstehe nicht, wie ihn die Zeugen verstehen konnten, da er mit seiner Frau türkisch gesprochen habe. Der Streit mit seiner Frau bestehe seit mehreren Jahren und sie habe ihn auch mehrmals bei Gericht, Verwaltungsbehörden, Finanzamt u.s.w. angezeigt. Er sei mittlerweile psychisch krank und befürchte dies auch bei seinem Kind.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Der Rechtsmittelwerber hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung ausgesagt, seine Frau sei um den 24. April 1992 mit dem Kind von zu Hause ausgezogen, ohne ihm dies mitzuteilen. Er habe sie eher zufällig auf der Straße getroffen, wobei auch seine 7jährige Tochter anwesend gewesen sei. Seine Frau habe sofort zu schreien begonnen, sodaß mehrere Passanten stehengeblieben seien. Er habe daher versucht, seiner Frau den Mund zuzuhalten und sie zu diesem Zweck festgehalten. Er habe aber nie auf sie eingeschlagen, oder sie gar zu Boden geworfen. Er habe dann aber seine Frau kurzfristig losgelassen und sie habe weitergeschrien, weshalb er wieder versucht habe, ihr den Mund zuzuhalten. Der ältere Mann, von dem in der Anzeige die Rede sei, nämlich ein stärkerer blonder Mann mit einem Ohrring, habe seine Frau dann in ein Geschäft hineingeführt.

Der Zeuge C hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung bestätigt, daß der Rechtsmittelwerber vor seinem an der Ecke Kaiser-Josefs-Platz - Rainerstraße Nr. befindlichen Geschäft seine Frau festgehalten und ihr den Mund zugehalten habe, wobei die Frau versucht habe, um Hilfe zu schreien. Er, sein Bruder und seine nunmehrige Gattin hätten vom Geschäft aus das Schreien der Frau gehört und seien deshalb auf die Straße hinausgelaufen. Er habe den Mann aufgefordert, die Frau in Ruhe zu lassen, worauf ihm dieser auf deutsch geantwortet habe, daß sei seine Frau und er mache, was er wolle. Sein Bruder und er hätten dann versucht, die beiden zu trennen, und seine Gattin hätte dann die türkische Frau in das Geschäft geführt. Es sei nicht richtig, daß der Beschuldigte die Frau mit der Faust geschlagen hätte oder, daß sie auf dem Boden gelegen wäre. Sie sei vielmehr bei der Auslage gehockt und ein kleines Kind sei auch noch dabei gewesen. Aufgrund des Vorfalls seien zwei ältere Leute stehengeblieben, die aber dann wieder weiter gingen, und auch der Beschuldigte habe sich entfernt, nachdem er nicht in das Geschäft eingelassen worden sei.

Gemäß Art.IX Abs.1 Z.1 EGVG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist zu bestrafen, wer durch ein Verhalten, das Ärgernis zu erregen geeignet ist, die Ordnung an öffentlichen Orten stört.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. Erkenntnis vom 16. April 1984, 84/10/0045) sind für das Urteil, ob ein Verhalten objektiv geeignet ist, Ärgernis im Sinne dieser Gesetzesstelle zu erregen, die guten Sitten maßgeben; es ist zu prüfen, wie unbefangene Menschen auf ein solches Verhalten reagieren würden. Das Verhalten muß mittelbar oder unmittelbar zur Folge haben, daß ein Zustand herbeigeführt wird, wie er geordneten Verhältnissen an öffentlichen Orten widerspricht.

In der Berufungsverhandlung konnten die Angaben der Gattin des Rechtsmittelwerbers vor der BPD Wels, der Beschuldigte habe sie mit der Faust geschlagen und zu Boden geworfen, nicht verifiziert werden. Der Vorfall stellt sich vielmehr so dar, daß der Rechtsmittelwerber zunächst versuchte, seine Gattin, die er zufällig auf der Straße getroffen hatte und die ihn offensichtlich lautstark mit Vorwürfen überhäufte, dadurch zu beruhigen, daß er sie festhielt und versuchte, ihr den Mund zuzuhalten. Der Vorfall spielte sich zunächst auf dem Kaiser-Josefs-Platz ab, wobei beide in Richtung Rainerstraße weitergingen, sodaß sich der Schauplatz vor das Geschäft im Haus Rainerstraße Nr. verlagerte. In diesem Geschäft waren u.a. der Zeuge C anwesend, der aufgrund des Schreiens der Frau auf den Vorfall aufmerksam wurde und den Rechtsmittelwerber schließlich von seiner Gattin trennte, indem er die Frau in das Geschäft brachte.

Offensichtlich hat die Gattin des Rechtsmittelwerbers dessen Verhalten durch ihr lautstarkes Schreien ausgelöst, wobei der Versuch, ihr Verhalten dadurch zu beenden, daß er ihr den Mund zuhielt, noch einsehbar ist. Nicht mehr nachvollziehbar ist aber, warum er sein Verhalten nicht eingestellt hat, nachdem seine Frau um Hilfe schrie, weil sie keine Luft mehr bekam. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte der Rechtsmittelwerber sein Verhalten einstellen müssen, zumal er ja - wie er in der Verhandlung glaubwürdig darlegte - lediglich mit seiner Frau reden wollte, da diese samt der 7jährigen Tochter an diesem oder dem vorherigen Tag von der gemeinsamen Wohnung in das Welser Frauenhaus übersiedelt war.

In objektiver Hinsicht war das Verhalten des Rechtsmittelwerbers, nämlich das konkrete Festhalten und Mundzuhalten, geeignet, Ärgernis zu erregen und hat durch das Eingreifen der unbeteiligten Zeugen aus dem Geschäft auch tatsächlich Ärgernis erregt. Außer Zweifel steht für den unabhängigen Verwaltungssenat auch, daß durch dieses Verhalten die Ordnung an einem öffentlichen Ort gestört wurde, zumal ein Zustand geschaffen wurde, der den geordneten Verhältnissen auf einer öffentlichen Straße widerspricht. Das Argument des Rechtsmittelwerbers, er habe durch sein Eingreifen eben diese Ordnung wiederherstellen wollen, geht deshalb ins Leere, weil zum einen Provokation eine Ordnungsstörung nicht rechtfertigen oder entschuldigen kann (vgl. VwGH vom 9. Juli 1984, 84/10/0080), und zum anderen zu dem Zeitpunkt, als seine Gattin um Hilfe schrie, auch nicht mehr von einer Provokation auszugehen war, sodaß der Rechtsmittelwerber den ihm zur Last gelegten Tatbestand erfüllt und sein Verhalten als Verwaltungsübertretung zu verantworten hat.

Aufgrund des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung war auch der Spruch im Hinblick auf das konkrete Verhalten des Rechtsmittelwerbers abzuändern.

4.2. Bei der Strafbemessung war zu berücksichtigen, daß aufgrund des vom Berufungswerber im Rahmen der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindrucks von einem leichteren Verschulden als von der Erstbehörde angenommen auszugehen ist. Aus diesem Grund war die Strafe wesentlich herabzusetzen. Der Strafrahmen des Art.IX EGVG reicht bis 3.000 S Geldstrafe bzw. 2 Wochen Ersatzfreiheitsstrafe gemäß § 16 Abs.2 VStG.

Die nunmehr verhängte Strafe entspricht dem Unrechts- und Schuldgehalt der Übertretung, wobei mildernd die bisherige Unbescholtenheit und erschwerend kein Umstand zu berücksichtigen war.

Auf die Einkommens- und Vermögenslosigkeit des Rechtsmittelwerbers wurde Bedacht genommen.

Eine weitere Herabsetzung der Strafe war im Hinblick auf general- sowie vor allem spezialpräventive Überlegungen nicht gerechtfertigt.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

zu II.: Der Ausspruch über die Verfahrenskosten gründet sich auf die zitierten Gesetzesbestimmungen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Bissenberger 6

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