Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230105/2/Gf/Hm

Linz, 12.08.1992

VwSen-230105/2/Gf/Hm Linz, am 12. August 1992

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Alfred Grof über die Berufung der T, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Grieskirchen vom 29. Juni 1992, Zl. SanRB/104/1992-Em, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG insoweit stattgegeben, als das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben wird; der Antrag auf Einstellung des Strafverfahrens wird hingegen als unzulässig zurückgewiesen.

II. Gemäß § 66 Abs. 1 VStG entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde sowie zu den Kosten des Verfahrens vor dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

1. Der vorliegenden Beschwerde liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Grieskirchen vom 29. Juni 1992, Zl. SanRB/104/1992-Em, wurde über die Beschwerdeführerin eine Geldstrafe von 1.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 24 Stunden) verhängt, weil sie am 28. Jänner 1992 einem Kunden in erwerbsmäßiger Absicht einen Geschlechtsverkehr angeboten und dadurch mit ihrem Körper gewerbsmäßig Unzucht getrieben habe, ohne sich vor Beginn dieser Tätigkeit sowie in regelmäßigen Abständen von einer Woche einer amtsärztlichen Untersuchung auf das Freisein von Geschlechtskrankheiten zu unterziehen; dadurch habe sie die Bestimmung des § 1 i.V.m. § 7 der Verord- nung BGBl.Nr. 314/1974 über die gesundheitliche Überwachung von Personen, die mit ihrem Körper gewerbsmäßige Unzucht treiben, verletzt, weshalb sie gemäß § 12 Abs. 2 des Geschlechtskrankhei- tengesetzes, StGBl.Nr. 152/1945, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 54/1946 (im folgenden: GeschlechtskrankheitenG) zu bestrafen gewesen sei.

1.2. Gegen dieses ihr am 3. Juli 1992 zugestellte Straferkenntnis wendet sich die Beschwerdeführerin mit der vorliegenden, am 17. Juli 1992 - und damit rechtzeitig - zur Post gegebenen Beschwerde.

2.1. Im angefochtenen Straferkenntnis führt die belangte Behörde begründend aus, daß die Tatbestandsmäßigkeit der Handlung der Beschwerdeführerin, nämlich der Ausübung der Prostitution, durch die Aussage eines "namentlich bekannten" Zeugen, dem sie angeboten habe, gemeinsam "aufs Zimmer zu gehen", als erwiesen anzusehen sei.

Unter "Ausübung" sei nämlich nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch die bloße Anbahnung der Prostitution zu verstehen. Daß sich die Beschwerdeführerin der hiefür erforderlichen Untersuchung nicht unterzogen habe, sei deshalb als feststehend anzusehen, weil beim Sanitätsdienst der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen keine Vormerkungen über eine derartige Untersuchung aufschienen. Unter Berücksichtigung der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse und des Umstandes, daß weder Erschwerungs- noch Milderungsgründe vorgelegen seien, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

2.2. Dagegen bringt die Beschwerdeführerin vor, daß das Ermittlungsverfahren keine Hinweise dafür ergeben hätte, daß die Beschwerdeführerin mit ihrem Körper gewerbsmäßig Unzucht getrieben habe; sie sei in dem fraglichen Club lediglich angestellt gewesen. Außerdem sei sie dadurch in ihren Verteidigungsrechten verletzt worden, daß ihr die Aufforderung zur Rechtfertigung an die falsche Adresse zugestellt worden sei, sowie dadurch, daß die belangte Behörde ihre Ermittlungsergebnisse nur auf die Aussage eines Zeugen, dessen Name nicht offengelegt wurde, zu stüt- zen vermochte.

Aus allen diesen Gründen wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Strafverfahrens beantragt.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen zu Zl. SanRB/104/1992; da bereits aus diesem hervorging, daß das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben war, konnte gemäß § 51e Abs. 1 VStG von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

4. In der Sache selbst hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

4.1. Gemäß § 12 GeschlechtskrankheitenG ist derjenige, der dieses Gesetz oder die aufgrund dieses Gesetzes ergangenen Verordnungen übertritt, mit Geld bis zu 1.000 S oder mit Arrest bis zu zwei Monaten zu bestrafen.

Gemäß § 7 i.V.m. § 1 der Verordnung des Bundesministers für Gesundheit und Umweltschutz über die gesundheitliche Überwachung von Personen, die mit ihrem Körper gewerbsmäßig Unzucht treiben, BGBl.Nr. 314/1974, haben sich Personen, die mit ihrem Körper gewerbsmäßig Unzucht treiben, vor Beginn dieser Tätigkeit sowie regelmäßig im Abstand von einer Woche einer Untersuchung auf das Freisein von Geschlechtskrankheiten zu unterziehen; Personen, die dieser Bestimmung zuwiderhandeln, sind nach § 12 Abs. 2 GeschlechtskrankheitenG zu bestrafen.

§ 12 Abs. 1 letzter Satz VStG sieht vor, daß eine längere als sechswöchige Freiheitsstrafe nicht verhängt werden darf; dem § 12 Abs. 2 GeschlechtskrankheitenG ist daher insoweit als materiell derogiert anzusehen, sodaß gegen letztere Bestimmung unter dem Blickwinkel des Art. 3 Abs. 2 des Bundesverfassungsgesetzes über den Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl.Nr. 684/1988, auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich sieht sich daher auch im Hinblick auf Art. 10 Abs. 1 Z. 12 B-VG einerseits und Art. 11 Abs. 2 B-VG andererseits, wonach sowohl das Gesundheits- wesen als auch die Allgemeinen Bestimmungen des Verwaltungsstraf- rechts jeweils zur Gesetzgebungskompetenz des Bundes zählen, nicht dazu veranlaßt, einen Normprüfungsantrag i.S.d. Art. 129a Abs. 3 i.V.m. Art. 89 und Art. 140 Abs. 1 B-VG an den Verfas- sungsgerichtshof zu stellen.

4.2. Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin dahingehend, daß sie dadurch, daß sich die Begründung des angefochtenen Bescheides ausschließlich auf eine Zeugenaussage stützt und dabei der Name dieses Zeugen nicht genannt wird, in ihren Rechten verletzt wurde, kommt im Ergebnis Berechtigung zu.

Gemäß Art. 6 Abs. 3 lit. d MRK, der in seiner vorbehaltslosen Geltung für das Verwaltungsstrafverfahren durch den von Österreich anläßlich der Ratifizierung der MRK abgegebenen Vorbehalt nicht eingeschränkt ist, hat der Beschuldigte u.a. das Recht, Fragen an den Belastungszeugen zu stellen oder stellen zu lassen.

Die belangte Behörde hat die Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall zwar dazu aufgefordert, sich zum Tatvorwurf zu rechtfertigen; diese Aufforderung wurde der Beschwerdeführerin auch am 13. April 1992 durch Hinterlegung zugestellt. Auf der im Akt erliegenden Kopie dieser Aufforderung findet sich jedoch weder ein Hinweis dafür, daß die der Beschwerdeführerin zur Last gelegte Tat von der belangten Behörde aufgrund einer Zeugenaussage als erwiesen angesehen wird, noch gar ein Hinweis dafür, daß der Beschwerdeführerin mit dieser Aufforderung zugleich auch eine Kopie der Niederschrift der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen über die Einvernahme des Belastungszeugen vom 4. Februar 1992, Zl. Pol/1991/37, beigelegt worden wäre. Da die Beschwerdeführerin sohin objektiv gar nicht wissen konnte, daß bzw. welchen Belastungszeugen die belangte Behörde zur Begründung des Tatvorwurfes herangezogen hat, kann ihr folglich auch nicht entgegengehalten werden, von dem ihr gemäß § 17 AVG zustehenden Recht auf Akteneinsicht nicht zweckentsprechend Gebrauch gemacht zu haben.

Nicht erst durch die Unterlassung der Namensnennung des Belastungszeugen in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses, sondern schon durch die Nichtinformation bzw. -konfrontation der Beschwerdeführerin über bzw. mit dessen Aussage in dem diesen vorausgehenden Verfahren wurde sie in ihrem gemäß Art. 6 Abs. 3 lit. d MRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt.

4.3. Das angefochtene Straferkenntnis war daher aus diesem Grunde aufzuheben. Eine Sanierung der Unterlassung der belangten Behörde im Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich konnte schon deshalb nicht erfolgen, da der Beschwerdeführerin ansonsten die Möglichkeit genommen würde, sich auch bereits im Verfahren vor der belangten Behörde im Hinblick auf den konkreten Tatvorwurf ausreichend verteidigen zu können; dadurch würde sie aber durch die solcherart resultierende faktische Übergehung einer Instanz in ihrem vrfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt (vgl. z.B. VfGH v. 1.10.1991, B 976/90; s.a. VwSen-200022 v. 18.5.1992).

Ob das Strafverfahren fortzuführen oder im Hinblick auf eine allenfalls bereits eingetretene Verfolgungsverjährung einzustellen ist, hat daher nicht der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich, sondern die belangte Behörde aus eigenem zu beurteilen. Der entsprechende Antrag der Beschwerdeführerin war daher als unzulässig zurückzuweisen.

4.4. Aus allen diesen Gründen war daher der vorliegenden Beschwerde gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG insoweit stattzugeben, als das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben wird; der Antrag auf Einstellung des Strafverfahrens war hingegen als unzulässig zurückzuweisen.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorzuschreiben.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann von den Parteien des Verfahrens (§ 51d VStG) innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Grof 6

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