Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-230136/6/Br/La

Linz, 10.12.1992

VwSen - 230136/6/Br/La Linz, am 10. Dezember 1992 DVR.0690392 - &

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr.Bleier über die Berufung des R, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. G, K, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 22.9.1992, Sich-6/974/1991/Wim, wegen Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes, zu Recht:

I. Der gegen das Strafausmaß gerichteten Berufung wird Folge gegeben und die Strafe auf 700 S, im Nichteinbringungsfall 15 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe, herabgesetzt; demzufolge ermäßigen sich die erstinstanzlichen Verfahrenskosten auf 70 S.

II. Für das Berufungsverfahren entfallen sämtliche Kostenbeiträge.

Rechtsgrundlage: Zu I.: § 2 Abs.1 Z.1 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. 75/1954, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 406/1991 (im folgenden FrPG) i.V.m. § 14b Abs.1 Z.4 FrPG; § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl.Nr. 51/1991 - AVG 1991, i.V.m. § 24, § 51 Abs.1 und § 51 e Abs.2, sowie § 65 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl.Nr. 52/1991 - VStG 1991.

Zu II.: § 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land hat mit Straferkenntnis vom 22.9.1992 über den Berufungswerber wegen der ihm angelasteten Übertretung des § 2 Abs.1 Z.1 u. Abs.2 Z.2 i.V.m. § 14 b Abs.1 Z.4 des FrPG eine Geldstrafe von 2.000 S und für den Nichteinbringungsfall 48 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil er am 5.12.1991 um ca. 12.40 Uhr beim Grenzübergang S, ohne im Besitz eines gültigen Sichtvermerkes zu sein, eingereist sei, zumal der zuletzt erteilte Sichtvermerk in seiner Gültigkeit bis zum 22. Mai 1991 beschränkt gewesen wäre, obwohl der Berufungswerber seinen Wohnsitz im österreichischen Bundesgebiet, zur Zeit der Einreise in B gehabt habe, sodaß sich der Berufungswerber derzeit nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hätte.

2. Dagegen wendet der Berufungswerber in seiner Berufungsausführung sinngemäß ein, "er habe mit Antrag vom 21.5.1991 bei der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land die Erteilung eines neuerlichen Sichtvermerkes beantragt. Über diesen Antrag sei bis dato noch nicht entschieden worden. Eine Kopie des Antrages lege er seiner Berufung bei. Seit dieser Antragstellung seien wider ihn wegen des gleichen Deliktes von der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land drei Strafverfügungen erlassen worden. Gegen sämtliche Strafverfügungen hätte er Einspruch erhoben und seien diese Verfahren alle eingestellt worden. Der Umstand, daß bis heute über seinen Antrag noch nicht entschieden worden sei, könne nicht zu seinen Lasten gehen. Er sei mit seiner Familie in Österreich wohnhaft und gehe hier seiner Arbeit nach. Man könne ihm daher nicht die Einreise verweigern. Die bisherige Nichterteilung des Sichtvermerkes hätte für ihn die laufende Konfrontation mit dem Vorwurf der illegalen Einreise zur Folge und wären damit laufend strafrechtliche Konsequenzen die Folge. Dies könne nicht der Sinn der gesetzlichen Bestimmung sein. Er stelle sohin den Antrag auch auf Einstellung dieses Verwaltungsstrafverfahrens wider ihn, bzw. mit Schriftsatz vom 3.12.1992 die Berufung auf die Straffrage einschränkend, auf Herabsetzung des Strafausmaßes.

3. Die Berufung ist rechtzeitig eingebracht worden. Die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates des Landes O.Ö. zur Sachentscheidung ist gegeben. Zumal eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde, ist durch ein Einzelmitglied zu erkennen. Weil in der Berufung lediglich eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird bzw. zuletzt mit Schreiben vom 3. Dezember 1992 die Berufung auf das Strafausmaß eingeschränkt wurde, war eine öffentliche mündliche Verhandlung nicht anzuberaumen. Die Durchführung einer solchen wurde in der Berufung nicht ausdrücklich verlangt.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den vorgelegten Berufungsakt sowie die beigeschafften Akte der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land, Sich96/571, 579 und 1003/1991-Hm/Ro. Ebenso beigeschafft und Einsicht genommen wurde in den bei der Erstbehörde unter gleicher Zahl geführten Akt betreffend die Vorbereitung eines Aufenhaltsverbotes gegen den Berufungswerber.

4.1. Es liegt folgendes Beweisergebnis vor. Der Berufungswerber läßt unbestritten, daß zum angeführten Zeitpunkt die Einreise in das Bundesgebiet ohne Sichtvermerk erfolgt ist. Die bisher noch ausstehende Entscheidung betreffend den beantragten Sichtvermerk gründet laut Inhalt des ergänzend vorgelegten Aktes der Erstbehörde offenbar in noch nicht abgeschlossenen, den Berufungswerber betreffenden, fremdenpolizeilichen Ermittlungstätigkeiten. Allfällige diesbezügliche Rechtsmittel werden durch gegenständliche Entscheidung nicht betroffen.

5. In der Sache selbst hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

5.1. Der rechtmäßige Aufenthalt eines Fremden im Bundesgebiet setzt gemäß § 5 Abs. 2 FrPG die Erteilung eines Sichtvermerkes oder eine per Bescheid erteilte Aufenthaltsbewilligung voraus. Eine solche liegt jedoch nicht vor. Der Berufungswerber hätte vor der Einreise in das Bundesgebiet die Erteilung des Sichtvermerkes erwirken müssen (VwGH 28.1.1991, 90/19/0114). Diese Verpflichtung kann sinnvollerweise nur so verstanden werden, daß mit dem lediglichen Antrag auf Erteilung des Sichtvermerkes dieser Verpflichtung nicht nachgekommen worden ist. Sinngleich gilt auch die Verpflichtung des Besitzes eines Reisedokumentes zum Zeitpunkt des Grenzübertrittes. Dementsprechend ist es für die Frage der Rechtswidrigkeit ohne Bedeutung, daß ein diesbezügliches Ansuchen bereits vor Ablauf des "alten Sichtvermerks" gestellt wurde und die Behörde über die Erteilung eines weiteren Sichtvermerkes noch nicht entschieden hatte (VwGH 23.4.1990, 90/19/0155). In der Verschuldensfrage wird jedoch bei den Ausführungen zur Strafbemessung auf diesen Umstand noch einzugehen sein. Für die Schuldhaftigkeit der Übertretung einer Verwaltungsvorschrift genügt, wenn nicht ausdrücklich eine andere Verschuldensform normiert ist, bloße Fahrlässigkeit (§ 5 Abs.1 VStG). Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift entschuldigt nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und die Person, welcher die Übertretung zuzurechnen ist, das Unerlaubte ihres Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte (§ 5 Abs.2 VStG). Die vom Berufungswerber vorgebrachten Umstände, nämlich der bereits gestellte Antrag auf Erteilung des Sichtvermerkes sowie der Aufenthalt der Familie des Berufungswerbers in Österreich und der damit verbundene Mittelpunkt des Lebensinteresses, machen deutlich, daß die Vermeidung der Übertretung mit einer Beeinträchtigung achtenswerter subjektiver Interessen verbunden gewesen wäre. Ein Schuldausschließungsgrund kann darin jedoch nicht erblickt werden. Bei der Beurteilung des Grades des Verschuldens waren die vorliegenden Umstände jedoch sehr wohl zur berücksichtigen. Der Verschuldensgrad ist daher als gering zu erachten. Nicht näher nachvollziehbar und nicht Gegenstand dieses Verfahrens sind die Verfahrenseinstellungen der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land zu Sich-96/571, 579 und 1003/1991-Hm/Ro, gemäß § 45 Abs. 1 lit. b VStG - weil der Beschuldigte die Verwaltungsübertretung nicht begangen hätte.

Bei einem bis zu 10.000 S oder zwei Wochen Arrest reichenden Strafrahmen ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 - 35 StGB (Strafgesetzbuch) sinngemäß anzuwenden. Es wurde im gegenständlichen Fall nicht übersehen, daß die Vermeidung dieses Ungehorsamsdeliktes aus der Realität des täglichen Lebens nur schwer möglich gewesen sein mag (5.1. unten). Gemäß § 19 Abs. 1 und 2 Verwaltungsstrafgesetz ist daher bei einem von der Erstbehörde angenommenen Einkommen von monatlich ca. 7.500 S Vermögenslosigkeit und der Sorgefpflicht für zwei Kinder, bei Vorliegen weder mildernder noch erschwerender Umstände, die nunmehr verhängte Strafe angemessen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie mu von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.Ö.Verwaltungssenat:

Dr. B l e i e r 6

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum