Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230161/6/Br/La

Linz, 05.02.1993

VwSen-230161/6/Br/La Linz, am 5. Februar 1993 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr.Bleier über die Berufung des Herrn W, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 20. November 1992, Sich96/1548/1992, wegen der Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes, zu Recht:

I. Der Berufung wird hinsichtlich der Schuldfrage keine Folge gegeben; der Strafausspruch wird dahingend geändert, daß die Geldstrafe auf 1.000 S, die Ersatzfreiheitsstrafe auf 34 Stunden ermäßigt wird.

II. Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten ermäßigen sich sohin auf 100 S.

Für das Berufungsverfahren werden keine Verfahrenskosten auferlegt.

Rechtsgrundlage:

Zu I.: § 2 Abs.1 Z1 und 2 iVm § 14b Abs.1 Z4 des Fremdenpolizeigesetzes, BGBl.Nr. 75/1954 idF BGBl.Nr. 406/1991 FrPG; § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl.Nr. 51/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 866/1992 - AVG iVm § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.2 des Verwaltungsstrafgesetzes, BGBl.Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 867/1992 - VStG.

Zu II.: §§ 64, 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn hat mit Straferkenntnis vom 20. November 1992 über den Berufungswerber wegen der Übertretung des § 2 iVm § 14b Abs.1 Z4 des Fremdenpolizeigesetzes 1954, BGBl.Nr. 75 idF BGBl.Nr. 406/1991 eine Geldstrafe von 2.400 S und für den Nichteinbringungsfall 72 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil er sich in der Zeit vom 19. August 1991 bis 10. Juli 1992 ohne gültigen österreichischen Sichtvermerk rechtswidrig im Bundesgebiet der Republik Österreich aufgehalten habe, zumal der Sichervermerk am 18. August 1991 abgelaufen war.

1.1. Begründend führte die Erstbehörde zum Sachverhalt im wesentlichen aus, daß der Berufungswerber (folglich kurz Bw genannt) am 10.7.1991 am Grenzübergang Obernberg eingereist sei und dabei festgestellt worden wäre, daß der Sichtvermerk abgelaufen gewesen ist. Dieser Sachverhalt sei auf Grund der Anzeige der Grenzkontrollstelle Obernberg erwiesen.

2. Dagegen wendet der Bw in seiner rechtzeitig eingebrachten Berufung sinngemäß ein, daß er im Juli 1991 bei der Bezirkshauptmannschaft (gemeint wohl der BH Braunau) wegen Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft vorgesprochen gehabt habe. Dabei sei er nicht auf die Notwendigkeit einen Sichervermerk zu benötigen aufmerksam gemacht worden. Dies wäre aber die Pflicht des Beamten gewesen. Er sei der Meinung gewesen, daß dies genauso wie in der BRD gehandhabt würde, wo seine Ehefrau, bereits nach dreijährigen Aufenthalt, eine unbefristete Aufenthaltsbewilligung erhalten hatte. Darüber hinaus sei die Geldstrafe zu hoch. Er beziehe nur eine Pension in Höhe von 9.000 S und hätte für seine Gattin zu sorgen. Schließlich könne er weder 2.640 S bezahlen, noch wegen seines gesundheitlichen Zustandes die Ersatzfreiheitsstrafe antreten. Er habe auch nicht absichtlich irgendeine Rechtsvorschrift verletzt.

3. Zumal eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe nicht verhängt worden ist, hat der unabhängige Verwaltungssenat durch eines seiner Mitglieder zu erkennen. Obwohl lediglich eine unrichtige rechtliche Beurteilung und eine zu hohe Bestrafung gerügt worden ist (§ 51e Abs.2 VStG), war zur Klärung des Verschuldens die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung erforderlich.

4. Aus der Aktenlage ergibt sich nachfolgender, für die Entscheidung relevanter Sachverhalt:

4.1. Der Bw ist deutscher Staatsbürger. Er hat sich 1987 mit seiner Gattin, welche Österreicherin ist, in Österreich niedergelassen. Der dem Bw zuletzt erteilte Sichtvermerk war mit 18. August 1991 abgelaufen.

4.2. Dieser Sachverhalt ergibt sich aus der Anzeige der Grenzkontrollstelle Obernberg vom 11. Juli 1992 und der gesamten bisherigen Verantwortung des Bws. Diese geht im wesentlichen dahin, daß sich der Bw über die gesetzliche Verpflichtung, für den Aufenthalt in Österreich einen Sichtvermerk zu benötigen, in einem Irrtum befunden habe. Dieser Irrtum habe darin bestanden, daß seine Ehefrau für den Aufenthalt in Deutschland bereits nach drei Jahren ein unbefristetes Visum erhalten hatte. Diese Verantwortung war an sich nachvollziehbar und glaubwürdig.

5. Rechtlich ist wie folgt zu erwägen:

5.1. Der rechtmäßige Aufenthalt eines Fremden im Bundesgebiet setzt gemäß den zum Entscheidungszeitpunkt der Erstbehörde geltenden gesetzlichen Bestimmung, die Erteilung eines Sichtvermerkes oder eine per Bescheid erteilte Aufenthaltsbewilligung voraus. Der Bw hätte daher vor Ablauf seines letzten Sichtvermerkes um die neuerliche Erteilung eines Sichtvermerkes anzusuchen gehabt. Die Rechtfertigung, daß einerseits bei einer behördlichen Vorsprache - wegen Erteilung der Staatsbürgerschaft - der Bw vom Beamten über diese Verpflichtung nicht aufgeklärt wurde, andererseits, daß seine Ehefrau in Deutschland nach drei Jahren Aufenthalt ein unbefristetes Visum erhalten hatte, geht ins Leere. Für die Schuldhaftigkeit der Übertretung einer Verwaltungsvorschrift genügt, wenn nicht ausdrücklich eine andere Verschuldensform normiert ist, bloße Fahrlässigkeit (§ 5 Abs.1 VStG). Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift entschuldigt nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und die Person, welcher die Übertretung zuzurechnen ist, das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte (§ 5 Abs.2 VStG).

Hiezu bedarf es der Erörterung des Begriffes "Fahrlässigkeit". Fahrlässig handelt jemand, welcher jene Sorgfalt in seinem Handeln vermissen läßt, die in der jeweiligen Situation ein rechtstreuer, gewissenhafter und besonnener Mensch obwalten lassen würde. Die einschlägige Literatur stellt auf die "objektivierte Maßfigur" ab (Burgstaller, Das Fahrlässigkeitsdelikt im Strafrecht, Wien 1974, Seite 54 ff). Wie würde sich eine derart typisierte Person in konkreto verhalten haben? Wäre von einer dermaßen typisierten "Maßfigur" ein anderes Verhalten zu erwarten? Dies wird wohl zu bejahen sein. Immerhin hätte es für den Bw zur Klärung seiner irrigen Annahme, lediglich der fernmündlichen Rückfrage, bei der ihm vom früheren Sichtvermerksantrag bekannten zuständigen Behörde bedurft. Dieses Maß an Sorgfaltsübung in eigener Sache muß wohl von jedermann erwartet werden können (siehe auch VwGH 12.6.1989, 88/10/0169). Die Voraussetzungen für einen entschuldbaren Rechtsirrtum vermögen in der vorliegenden Rechtfertigung nicht erblickt zu werden. Wohl aber ist von einer geringen subjektiven Tatschuld auszugehen. Dies vermochte der Bw in der öffentlichen mündlichen Verhandlung glaubwürdig darzutun, indem er meinte, schon in kürze die österreichische Staatsbürgerschaft erwerben zu können und sich subjektiv nicht mehr als "Fremder" zu fühlen.

5.2. Bei einem bis zu 10.000 S reichenden Strafrahmen ist daher auch in Hinblick auf die zwischenzeitig ungünstiger gewordene Einkommenssituation des Bws die nunmehr verhängte Strafe angemessen zu erachten gewesen. Strafmildernd war die bisherige Unbescholtenheit.

Abschließend ist noch zu bemerken, daß die österreichische Rechtsordnung der Beachtung fremdenpolizeilicher und paßrechtlicher Vorschriften solche Bedeutung beimißt, sodaß schon die einmalige Mißachtung strafwürdig ist. Ein geordnetes Fremdenwesen stellt eben ein bedeutendes Rechtsgut dar. Eine Ermahnung oder ein Absehen von der Strafe konnte daher nicht in Betracht kommen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.Ö. Verwaltungssenat:

Dr. B l e i e r 6

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