Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
A-4012 Linz, Fabrikstraße 32 | Telefon (+43 732) 70 75-155 85 | Fax (+43 732) 70 75-21 80 18

VwSen-230163/6/Schi/Fb

Linz, 19.01.1994

VwSen-230163/6/Schi/Fb Linz, am 19. Jänner 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 5. Kammer (Vorsitzende: Dr. Klempt; Berichter: Dr. Schieferer; Beisitzer: Dr. Fragner) über die Berufung des G P, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. E - Dr. W, M, gegen das wegen Übertretung des O.ö.

Polizeistrafgesetzes (O.ö. PolStG) erlassene Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried/Innkreis vom 14.12.1992, Pol96-393-1992, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

II. Es entfallen jegliche Strafkostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 51 und 45 Abs.1 Z3 VStG; § 2 Abs.3 lit.b und § 10 Abs.1 lit.b O.ö. PolStG 1979.

zu II.: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem eingangs zitierten Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried/Innkreis vom 14.12.1992 wurde der Berufungswerber zu einer Geldstrafe von 15.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 5 Tage) wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 2 Abs.3 lit.b iVm § 10 Abs.1 lit.b O.ö. PolStG 1979 verhängt, weil er in der Nacht vom 23. zum 24.10.1992 im Stadtgebiet von Ried/Innkreis (H, K, V) an geparkten PKW pinkfarbene Flugzettel mit der Aufschrift "C, R, T, Nette Mädchen erwarten Dich!!!, Tel.", und dem Abbild einer halbnackten Frau angebracht hat und somit durch öffentliche Ankündigung die Prostitution angebahnt bzw anzubahnen versucht hat.

2.1. Dagegen wurde fristgerecht beim O.ö. Verwaltungssenat Berufung eingebracht; die Strafbehörde hat keine Berufungsvorentscheidung erlassen, sondern - als nunmehr belangte Behörde - den bezughabenden Verwaltungsstrafakt samt Berufung vorgelegt. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist in diesem Verwaltungsstrafverfahren somit gemäß § 51 Abs.1 VStG als Berufungsbehörde zuständig und entscheidet gemäß § 51c VStG durch die nach der Geschäftsverteilung hiefür zuständige 5. Kammer, weil eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde.

2.2. Eine öffentliche mündliche Verhandlung war nicht anzuberaumen, da bereits aus der Aktenlage in Verbindung mit dem Ergebnis des vom O.ö. Verwaltungssenat durchgeführten Vorverfahrens ersichtlich war, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben war (§ 51e Abs.1 VStG).

3. Der O.ö. Verwaltungssenat hat erwogen:

3.1. In ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (verst. Sen. 13.6.1984 Slg. 11466A, verst. Sen. 3.10.1985 Slg. 11894A) wird ausgesprochen, daß gemäß § 44a Z1 VStG der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten hat. Danach erscheint es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, daß 1) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und 2) die Identität der Tat (insbesondere nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht.

Es muß daher dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, daß der Beschuldigte in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Strafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden.

3.2. Obwohl die Berufung das Straferkenntnis in jeder Hinsicht bekämpft, wird auch insbesondere die Angabe des Tatortes in Zweifel gezogen. Weiters wirft die Berufung insbesondere der Strafbehörde vor, daß sie gegen fundamentale Verfahrensgrundsätze der Erforschung der materiellen Wahrheit insofern verstoßen habe, da sie keine entsprechenden Ermittlungen gepflegt und auch keine Beweise für die Richtigkeit des Tatvorwurfes aufgenommen habe. Damit ist die Berufung - wie gleich zu zeigen sein wird - im Ergebnis im Recht.

3.3. Im Akt befindet sich lediglich ein Flugblatt dieses Club's der einsamen Herzen (wie im Spruch näher umschrieben); dieses wurde von der Gemeinde Tumeltsham der Strafbehörde mit dem Bemerken übermittelt, daß derartige Flugblätter "in der Nacht vom 23. zum 24.10.1992 im Stadtgebiet von R an geparkten PKW's angebracht wurden". Über die Gendarmerie Ried wurde sodann lediglich der Berufungswerber als Verantwortlicher und Verteiler der Flugzettel ausgeforscht.

3.4. In der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 12.11.1992 wurde erstmals der Tatort mit "R (H, K, V)" umschrieben. Für diese (neue) Tatortumschreibung finden sich aber im Akt keinerlei Anhaltspunkte. Aufgrund dieser Unklarheiten war es insbesondere im Hinblick auf die geplante öffentliche mündliche Berufungsverhandlung notwendig, einen Zeugen zumindest hinsichtlich des Tatortes auszuforschen; im Wege der Gemeinde T wurde vom O.ö. Verwaltungssenat schließlich der tatsächliche Zeuge (ein Beamter des Stadtamtes R) ermittelt. Dieser gab nach Kontaktaufnahme an, daß Tatort nicht der im Spruch des Straferkenntnisses angeführte Ort (H, K, V) war, sondern es handelte sich um den Riedberg. Glaublich am Abend des 23.10.1992 fand dort eine Veranstaltung (A B) statt; dabei stellte der Zeuge fest, daß sich an den dort abgestellten PKW's und auch an seinem PKW derartige Flugblätter befanden.

3.5. Die belangte Behörde hat somit ein unvollständig gebliebenes Ermittlungsverfahren durchgeführt, wozu noch in der Folge die Angabe von unrichtigen Tatorten dazukam. Aber auch dem O.ö. Verwaltungssenat war es im Rahmen seiner Entscheidungspflicht gemäß § 66 Abs.4 AVG - die auch eine Berechtigung und Verpflichtung enthält, den fehlerhaften Spruch der Strafbehörde zu berichtigen (VwGH 4.11.1992, 92/09/0185) -, verwehrt, dieses Versäumnis der Strafbehörde nachzuholen, weil die Richtigstellung des Tatortes nur innerhalb der sechsmonatigen Verfolgungsverjährungsfrist (§ 32 Abs.2 iVm § 31 Abs.2 VStG) zulässig wäre.

4. Aus den angeführten Gründen war daher das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z3 VStG einzustellen, weil eine weitere Verfolgung nicht mehr möglich ist.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Strafkostenbeiträge.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. K l e m p t