Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230178/4/Br/La

Linz, 06.04.1993

VwSen - 230178/4/Br/La Linz, am 6. April 1993 DVR. 0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung der Frau H, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Urfahr- Umgebung vom 1. Februar 1993, Zl. Sich-96/567/1992, nach der am 6.April 1993 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird keine Folge gegeben; das angefochtene Straferkenntnis wird vollinhaltlich bestätigt.

Rechtsgrundlage: § 23 Abs.1 iVm § 40 Abs.1 Paßgesetz 1969, BGBl.Nr.422/1969, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 190/1990, § 15 Abs.1 Z2 iVm § 82 Abs.1 Z 4 Fremdengesetz 1992 - FrG, BGBl.Nr.838 und § 1 VStG; § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 AVG, BGBl. Nr. 51, zuletzt geändert BGBl. Nr. 866/1992 iVm § 21 Abs.1, § 24, § 51 Abs.1 und § 51e Abs.1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert BGBl. Nr. 867/1992.

II. Zuzüglich zu den Verfahrenskosten für das erstinstanz- liche Verfahren werden für das Berufungsverfahren 60 S (20% der verhängten Strafe) auferlegt.

Rechtsgrundlage: § 64 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung hat mit dem Straferkenntnis vom 1. Februar 1993, Zl. Sich-96/567/1992, wider die Berufungswerberin wegen der Übertretung nach § 40 Abs.1 iVm § 23 Abs.1 Paßgesetz, BGBl. Nr. 422/1969 idF BGBl.Nr. 190/1990 und der Übertretung nach § 14b Abs.1 Z 4 iVm § 2 Abs.2 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. Nr. 190/1990 eine Strafe von je 300 S und für den Fall der Nichteinbringlichkeit von je 12 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, weil sie am 13. November 1992 in das Bundesgebiet ohne Sichtvermerk eingereist und eine Beschäftigung/Erwerbstätigkeit im Gastlokal des Siegfried Schauer aufgenommen habe. Sie habe sich somit nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten.

1.1. Begründend führt die Erstbehörde aus, daß gemäß Art. 1 Abs.2 des Abkommens zwischen der österreichischen Bundesregierung und der tschechoslowakischen sozialisti- schen Republik über die Aufhebung der Sichtvermerkspflicht BGBl. Nr. 47/1990 ausdrücklich festgelegt sei, daß für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit im Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaates ein Sichtvermerk erforderlich sei. Die dienstliche Wahrnehmung der ermittelnden Gendarmeriebeamten hätten ergeben, daß die Berufungswerberin (in weiterer Folge kurz genannt: Bw) am 13.11.1992 im Gasthaus des S beim Geschirrabwaschen beschäftigt gewesen sei. Daß dies nicht unentgeltlich gewesen sei, widerspräche jeglicher Lebenserfahrung. Die Bw habe selbst bei ihrer ersten Einvernahme angegeben, daß sie für ihre Tätigkeit Essen und Trinken sowie Kleidung erhalte. Weiters habe Herr S angegeben, daß die Bw von den Gästen auch Trinkgeld erhalte. Nach Ansicht des VwGH ( Erk. v. 21.6.1989, Zl. 88/03/0227) könne der ersten Aussage eines Beschuldigten verstärkt Glaube geschenkt werden. Für die Auslegung des Begriffes Erwerbstätigkeit komme es nicht darauf an, ob die ausgeübte Tätigkeit den gesetzlichen Bedingungen entspreche, sondern ob eine Tätigkeit gegen Entgelt ausgeübt werde. Der Erhalt von Essen, Trinken und Kleidung sei daher als Entgelt zu verstehen. Die Bw hätte daher für die Ausübung dieser Tätigkeit im Sinne des zit. zwischenstaatlichen Übereinkommens für die Einreise einen Sichtvermerk benötigt. Der Aufenthalt im Bundesgebiet am 13.11.1992 um 20.30 Uhr sei daher nicht rechtmäßig gewesen.

2. Dagegen wendet sich die am 24. Februar 1993 fristgerecht bei der Erstbehörde eingelangte Berufung. Diese Berufung wurde von der Bw persönlich unterfertigt, jedoch offenkundig vom Zustellbevollmächtigten und anläßlich der Erhebung des Einspruches gegen die Strafverfügung vom 7.12.1992 "zur Vertretung in dieser Angelegenheit" Bevollmächtigten, S, verfaßt. Inhaltlich wird im wesentlichen ausgeführt, daß es nicht richtig sei, daß die Bw eine Beschäftigung im Lokal des Siegfried Schauer ausgeübt hätte. Sie sei nur im Rahmen eines Volontariates im Lokal anwesend gewesen. Ferner sei ihr bei der Einreise erklärt worden, daß sie bei tageweiser Einreise einen Sichtvermerk nicht benötige. Sie bestreite auch den Erhalt einer Entschädigung. Sie ersuche daher die Behörde ihr die Strafe zu erlassen.

3. Da keine 10.000 S übersteigende Strafe verhängt worden ist, hat der unabhängige Verwaltungssenat durch eines seiner Mitglieder zu entscheiden. Gemäß § 51e Abs.1 VStG war eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen gewesen.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung, Sich-96/567/1992, und dessen Erörterung am Beginn der öffentlichen mündlichen Verhandlung, sowie durch die Vernehmung des S S als Zeugen. Der Zeuge hat die Berufungswerberin in der Verhandlung als Bevollmächtigter vertreten.

5. Folgender Sacherverhalt ist erwiesen:

5.1. Die Bw ist seit September 1992 regelmäßig (mindestens einen Tag pro Woche) im Gasthaus des Herrn S anwesend. Das erklärte Ziel dieses regelmäßigen Aufenthaltes ist es, daß sie als "Volontärin" tätig ist. Sie leistet dabei auch Hilfe - in welcher Art auch immer - im Gasthaus des Herrn S. Für diese "Hilfe" bekommt sie, wenn auch nur gelegentlich und in nicht bedeutender Höhe, Trinkgeld. Auf Grund der gegenständlichen Anzeige hat sich die Bw um einen Sichtvermerk bemüht und wurde ihr am 15.

Dezember 1992 ein solcher erteilt. Die Bw reiste in diesem Zusammenhang nicht als Touristin in das Bundesgebiet ein, sondern diente die Einreise dem obgenannten spezifischen Zweck.

5.2. Dieses Beweisergebnis stützt sich einerseits auf die Anzeigeangaben, andererseits aber auch auf das Vorbringen der Bw selbst. Insbesondere ist anläßlich der öffentlichen mündlichen Verhandlung hervorgekommen, daß die Bw sich offenbar in einem Irrtum hinsichtlich ihrer Sichtver- merkspflicht befunden hatte. Sie hatte sich aus diesem Grund auch sogleich um einen solchen bemüht. Ihre seinerzeitige Rechtfertigung, von einem Zollbeamten diesbezüglich falsch aufgeklärt worden zu sein, ist daher ein Beweis dafür, daß sie den Zollbeamten über das Motiv ihrer Einreise jedenfalls nicht informiert hatte.

6. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat wie folgt erwogen:

6.1. Da auf Grund des Beweisverfahrens jedenfalls davon auszugehen gewesen ist, daß die Bw zum Zweck der Ausübung einer Erwerbstätigkeit in das Bundesgebiet eingereist ist, ist die Frage der, aufgrund des von der Erstbehörde zitierten Abkommens, sichtvermerksfreien Einreise nicht mehr Gegenstand der rechtlichen Beurteilung. Die von der Bw ausgeübte Tätigkeit selbst wenn diese sowohl quantitativ als auch qualitativ - nur eine untergeordnete Bedeutung hat, war für die Einreise ein Sichtvermerk jedenfalls erforderlich. Die Bw hätte daher vor der Einreise in das Bundesgebiet die Erteilung des Sichtvermerkes erwirken müssen (VwGH 28.1.1991, 90/19/0114). Der objektive Unwertgehalt der hier zur Last gelegten Übertretungen ist nicht bloß unbedeutend. Die Gewährleistung geordneter Verhältnisse am Arbeitsmarkt einerseits und eines geordneten Fremdenwesens andererseits, stellt ein bedeutendes und schützenswertes Rechtsgut dar.

6.2. Nach § 5 Abs.1 VStG ist zum Verschulden auszuführen, daß, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

(2) Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, entschuldigt nur dann, wenn sie erwiesernermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte. Grundsätzlich muß von einer, in ein anderes Land reisenden Person erwartet werden können, daß diese sich über die in diesem Land geltenden, die Einreise betreffenden, Vorschriften informiert. Letztlich hatte sich die Bw bereits kurz nach der zu diesem Verfahren führenden Anzeige auch tatsächlich um die Ausstellung eines Sichtvermerkes erfolgreich bemüht gehabt.

Zur Frage des Ausmaßes der objektiven Sorgfaltspflicht hat der VwGH bereits wiederholt ausgesprochen (s E Slg 9710 A und 28.10.1980, 2244/80), daß der hiefür geltende Maßstab ein objektiv-normativer ist. Maßfigur ist der einsichtige und besonnene Mensch, den man sich in die Lage des Täters versetzt zu denken hat. Objektiv sorgfaltswidrig hat der "Täter" folglich nur dann gehandelt, wenn sich ein einsichtiger und besonnener Mensch des Verkehrskreises, dem der Handelnde angehört, an seiner Stelle anders verhalten hätte (VwGH 12.6.1989, 88/10/0169). Dieses "andere" Verhalten ist von einer derart "objektivierten Maßfigur" sehr wohl anzunehmen.

6.2.1. Gemäß § 1 Abs.2 VStG 1991 richtet sich die Strafe nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht, es sei denn, daß das zur Zeit der Fällung der des Bescheides in erster Instanz geltende Recht für den Täter günstiger wäre. Dies trifft im Falle des Fremdengesetzes zu. Dieses sieht gegenüber dem Fremdenpolizeigesetz für dieses Tatbild keine Freiheitsstrafe vor. Der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses wurde von der Erstbehörde jedoch im Sinne des § 44a VStG - auch nach dem inhaltlich identen Fremdengesetz alle Tatbestandselemente umfassend - gestaltet. Es hatte daher lediglich die dem Fremdenpolizeigesetz inhaltlich gleiche Bestimmung des Fremdengesetzes in Anwendung gebracht zu werden.

7. Zur Strafzumessung ist auszuführen, daß die von der Erstbehörde verhängte Strafe angemessen ist. Die von der Bw begangene Übertretung läuft rechtlich geschützten Interessen in nicht unerheblichen Ausmaß zuwider. Wie schon dargelegt, werden durch die illegale Beschäftigung und die in diesem Zusammenhang geübte Einreise ohne Sichtvermerk, die öffentlichen Interessen in nachhaltiger Weise negativ beeinträchtigt. Die Verhängung einer Strafe in Höhe von je 300 S hat ohnedies nur einen symbolischen Charakter. Auch beim Vorliegen ungünstigster Einkommens- und Vermögensverhältnisse und des Milderungsgrundes der bisherigen verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit kann diese Strafe nicht als überhöht erachtet werden.

Grundsätzlich ist gemäß § 19 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungsund Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist Bedacht zu nehmen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. B l e i e r 6

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