Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230193/11/Schi/Gr

Linz, 04.06.1993

VwSen - 230193/11/Schi/Gr Linz, am 4. Juni 1993 DVR.0690392 - &

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Christian Schieferer über die Berufung des F, gegen das Straferkenntnis (Faktum 2) der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 19. Februar 1993, VetR-96/19/1991-Fu, wegen Übertretung des O.ö. Polizeistrafgesetzes nach der am 27. Mai 1993 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das Straferkenntnis im Faktum 2 behoben und das diesbezügliche Verwaltungsstrafverfahren eingestellt.

Rechtsgrundlagen: § 5 Abs.1 O.ö. Polizeistrafgesetz, LGBl.Nr.36/1979 in der Fassung des Landesgesetzes, LGBl.Nr.94/1985; § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24 und 45 Abs.1 Z1 VStG.

II. Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde sowie zu den Kosten des Verfahrens vor dem O.ö. Verwaltungssenat entfällt.

Rechtsgrundlagen: § 65 und § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I.: 1. Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 19. Februar 1993, VetR-96/19/1991-Fu, wurde unter Punkt 2 über den Berufungswerber eine Geldstrafe von 500 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs.1 O.ö. Polizeistrafgesetz verhängt, weil er am 4. September 1991, gegen 10.15 Uhr, Bahnhofstraße 10, als Halter eines Hundes - Schäferrüden, Rufname Herold - diesen so mangelhaft beaufsichtigt bzw. verwahrt habe, daß durch ihn Personen gefährdet bzw. über das zumutbare Maß hinaus belästigt wurden, da er seinen Schäferrüden alleine vor dem Fleischergeschäft "Schuh" und ohne ihn mit einer Leine zu sichern, liegen gelassen habe, sodaß dieser auf den Hund von R zulaufen konnte, um mit diesem zu raufen und dabei Frau H umstoßen und (sie) dadurch gefährden und über das zumutbare Maß hinaus belästigen konnte.

2. Dagegen wurde fristgerecht Berufung bei der Erstbehörde eingebracht, in der im wesentlichen ausgeführt wurde, daß nicht mit der notwendigen Sicherheit erwiesen sei, daß die Zeugin Zauner von seinem Hund umgestoßen bzw. gefährdet worden wäre; weiters handelt es sich bei seinem Hund um ein geschultes und ausgebildetes Tier, weshalb von einer mangelhaften Beaufsichtigung bzw. Verwahrung nicht gesprochen werden könne, schließlich sei durch die Verletzung der Zeugin Z der Tatbestand des § 88 StGB (fahrlässige Körperverletzung) verwirklicht worden; da § 5 Abs.1 O.ö. Polizeistrafgesetz lediglich eine subsidiäre Verwaltungsstrafbarkeit für den Fall vorsehe, daß der Tatbestand nicht eine gerichtlich strafbare Handlung bildet, hätte eine Bestrafung nach dieser Bestimmung nicht erfolgen dürfen.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt sowie durch die Anberaumung und Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 27. Mai 1993.

4. Vom unabhängigen Verwaltungssenat wurde im Grunde dieser mündlichen Verhandlung folgender entscheidungsrelevanter erwiesener Sachverhalt festgestellt:

4.1. Vom Gendarmeriepostenkommando Traun wurde am 14. Oktober 1991 gegen den Berufungswerber Strafanzeige an den Bezirksanwalt beim Bezirksgericht Linz-Land erhoben, weil er am 4. September 1991 gegen 10.15 Uhr seinen vierjährigen Schäferrüden, Rufname Herold, so nachlässig verwahrt habe, in dem er sich in das in Traun in der Fußgängerzone, B befindliche Fleischgeschäft "Schuh" begab und den Hund alleine vor dem Geschäft, ohne ihn mit einer Leine zu sichern, liegengelassen habe, sodaß dieser mit dem vom Richard B ebenfalls ohne Leine mitgeführten Entlebucher Sennenhund zu raufen anfangen konnte, wobei im Verlaufe dieses Raufhandels Frau H von dem Schäferrüden umgestoßen wurde, wodurch sie sich durch den Sturz leichte Verletzungen zuzog.

4.2. Nach Mitteilung der Staatsanwaltschaft Linz (Bezirksanwalt beim Bezirksgericht Linz-Land) vom 19. Mai 1992 wurde das gegenständliche Verfahren am 25. Oktober 1991 gemäß § 90 StPO eingestellt. Daraufhin leitete die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land ein Verwaltungsstrafverfahren ua. nach § 5 Abs.1 O.ö. Polizeistrafgesetz ein, welches in dem angefochtenen Straferkenntnis mündete.

4.3. Im Zuge der mündlichen Verhandlung wurde vom Vertreter des Berufungswerbers zum Beweis dafür, daß infolge vorfallscausaler Verletzungen der Tatbestand des § 88 Abs.1 StGB und keine Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs.1 O.ö. Polizeistrafgesetz vorlag, ein dem Zivilprozeß (Schadenersatzprozeß) beim Bezirksgericht Linz-Land zugrundegelegtes Sachverständigengutachten von Dr. Peter C vom 9. Juni 1992 sowie das Urteil des Bezirksgerichtes Linz-Land vom 13. Jänner 1993, 2 C 63/92 vorgelegt. In diesem Urteil hat das Bezirksgericht Linz-Land in der Rechtssache der klagenden Partei H wider die beklagte Partei F zu Recht erkannt, daß 1.) die beklagte Partei schuldig ist, der klagenden Partei einen Betrag von 63.460 S samt 4 % Zinsen zu bezahlen; 2.) wird festgestellt, daß der Beklagte für alle künftigen Schäden aus dem Vorfall vom 4. September 1991 um 10.15 Uhr in Traun, vor dem Hause B 10, den sein Schäferrüde "Herold" verursacht hat, haftet. In den Entscheidungsgründen des Urteils wird ua. auf Seite 6 ausgeführt, daß die Zeugin H mittlere Schmerzen in der Dauer von 14 - 18 Tagen sowie leichte Schmerzen in der Dauer von 4 1/2 bis 5 Wochen durch den Vorfall erlitten hat.

5. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

5.1. Gemäß § 5 Abs.1 O.ö. Polizeistrafgesetz begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung, wer als Halter eines Tieres dieses in einer Weise beaufsichtigt oder verwahrt, daß durch das Tier dritte Personen gefährdet oder über das zumutbare Maß hinaus belästigt werden.

Auch das Berufungsverfahren hat eindeutig ergeben, daß der Berufungswerber einwandfrei das Tatbild der Gefährdung bzw. Belästigung dritter Personen über das zumutbare Maß hinaus durch die mangelhafte Beaufsichtigung des Hundes begangen hat. Wegen der im § 5 Abs.1 Oö. PolStG befindlichen Subsidiäritätsklausel (sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit die Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet) war aber das diesbezügliche Vorbringen des Berufungswerbers einer näheren Prüfung zu unterziehen.

5.2. Gemäß § 88 Abs.1 StGB ist mit Freiheitsstrafe bis zu 3 Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen zu bestrafen, wer fahrlässig einen anderen am Körper verletzt oder an der Gesundheit schädigt. Trifft nach Abs.2 dieser Bestimmung den Täter kein schweres Verschulden und ist (Ziffer 4) aus der Tat keine Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit einer anderen Person von mehr als 3-tägiger Dauer erfolgt, so ist der Täter nach Abs.1 nicht zu bestrafen. Nun hat aber - wie schon unter Punkt 4.2. ausgeführt - der Bezirksanwalt das gegenständliche Verfahren gemäß § 90 StPO eingestellt, weshalb die Erstbehörde entsprechend der Subsidiaritätsklausel im § 5 Abs.1 O.ö. Polizeistrafgesetz annahm, daß die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet und somit der Berufungswerber eine Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs.1 Oö. PolStG begangen hat. Es ist daher näher zu erörtern, ob der Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung vorliegt. Nach den Urteilsfeststellungen des Bezirksgerichtes Linz-Land hat die Klägerin Helene Zauner (also die dritte Person im Sinne des § 5 Abs.1 Oö. PolStG) infolge des durch den Hund verursachten Sturzes mittlere Schmerzen in der Dauer von 14 bis 18 Tagen und leichte Schmerzen in der Dauer von 4 1/2 bis 5 Wochen erlitten; sohin liegt jedenfalls eine Gesundheitsschädigung von mehr als dreitägiger Dauer vor, weshalb § 88 Abs.2 Z4 StGB nicht zur Anwendung kommen konnte.

5.3. Im Zuge einer telefonischen Anfrage teilte der zuständige Bezirksanwalt bei der Staatsanwaltschaft Linz mit, daß der gegenständliche Vorfall nach § 90 StPO in Anwendung des § 42 StGB eingestellt worden war.

§ 42 StGB ("Mangelnde Strafwürdigkeit der Tat") lautet: Ist die von Amts wegen zu verfolgende Tat nur mit Geldstrafe, mit nicht mehr als drei Jahren Freiheitsstrafe oder mit einer solchen Freiheitsstrafe und Geldstrafe bedroht, so ist die Tat nicht strafbar, wenn 1. die Schuld des Täters gering ist, 2. die Tat keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat oder, sofern sich der Täter zumindest ernstlich darum bemüht hat, die Folgen der Tat im wesentlichen beseitigt, gutgemacht oder sonst ausgeglichen worden sind und 3. eine Bestrafung nicht geboten ist, um den Täter von strafbaren Handlungen abzuhalten oder der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken.

§ 42 StGB stellt sohin lediglich einen besonderen Strafausschließungsgrund (arg: "so ist die Tat nicht strafbar") dar, dh. daß das Gericht als Voraussetzung, daß § 42 StGB zur Anwendung kommen kann, zunächst bejahen muß, daß eine entsprechende gerichtlich strafbare Tat vorliegt. Aus dem gesamten Verfahren hat sich eindeutig ergeben, daß der Berufungswerber eine fahrlässige Körperverletzung begangen, sohin den Tatbestand des § 88 Abs.1 StGB erfüllt hat; damit erfüllt er aber auch gleichzeitig die Subsidiaritätsklausel im § 5 Abs.1 Oö. PolStG, weshalb seine Tat keine Verwaltungsübertretung bildet.

5.4. Gemäß § 45 Abs.1 Z1 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Verwaltungsübertretung bildet.

6. Es war daher aus den dargelegten Gründen der vorliegenden Berufung gemäß § 24 VStG iVm § 66 Abs.4 AVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis hinsichtlich seines Punktes 2 aufzuheben und das diesbezügliche Strafverfahren einzustellen. Hinsichtlich des Punktes 1 des angefochtenen Straferkenntnisses ist darauf hinzuweisen, daß nach der Geschäftsverteilung des Oö. Verwaltungssenates darüber ein anderes Mitglied zu befinden hat; über dieses Faktum wird daher auch in einem eigenen Erkenntnis des unabhängigen Verwaltungssenates abgesprochen.

zu II. Bei diesem Ergebnis war dem Berufungswerber gemäß § 65 und § 66 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Ergeht an:

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Schieferer 6

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