Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230209/4/Bi/Fb

Linz, 20.09.1993

VwSen - 230209/4/Bi/Fb Linz, am 20. September 1993 DVR.0690392 - &

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Mag. Bissenberger über die Berufung der Martina J, vom 16. April 1993 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 30. März 1993, Sich96/1148/1991-Fu, zu Recht:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren diesbezüglich eingestellt.

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung jeglicher Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage: zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24, 45 Abs.1 Z1 und 51 VStG, Art.IX Abs.1 Z1 iVm Art.IX Abs.1 EGVG. zu II.: §§ 66 VStG.

Entscheidungsgründe:

zu I.: 1. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis über die Beschuldigte wegen der Verwaltungsübertretung gemäß Art.IX Abs.1 Z1 EGVG eine Geldstrafe von 500 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden verhängt, weil sie am 4. Oktober 1991 von 9.50 Uhr bis ca. 10.03 Uhr in Linz durch ein Verhalten, das Ärgernis zu Erregen geeignet ist, die Ordnung an einem öffentlichen Ort gestört habe, indem sie auf der sogenannten Landhauszufahrt vor der Promenade während einer Wahlveranstaltung der FPÖ sich jeweils in einem Abstand von etwa 1 m bis 2 m vor einem Zuschauer aufstellte und von diesem ein Foto anfertigte bzw anfertigen wollte. Durch dieses Verhalten habe sie bei unbeteiligten Veranstaltungsteilnehmern Aufsehen und Ärgernis erregt. Gleichzeitig wurde sie zur Leistung eines Verfahrenskostenbeitrages von 50 S verpflichtet.

2. Dagegen hat die Rechtsmittelwerberin rechtzeitig Berufung erhoben, die seitens der Erstinstanz ohne Berufungsvorentscheidung dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vorgelegt wurde. Damit wurde die Zuständigkeit des unabhängigen Verwaltungssenates ausgelöst, der, da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch ein Einzelmitglied zu entscheiden hat (§ 51c VStG). Die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung war nicht erforderlich, da bereits aus der Aktenlage ersichtlich war, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben war (§ 51e Abs.1 VStG).

3. Die Rechtsmittelwerberin macht im wesentlichen geltend, nicht ihr Verhalten sei geeignet gewesen, die Ordnung an einem öffentlichen Ort zu stören, sondern habe vielmehr das Verhalten einiger Versammlungsteilnehmer erst die Störung der Veranstaltung verursacht. Das Fotografieren im öffentlichen Raum ohne die Absicht, die Fotos zu anderen als privaten Zwecken zu gebrauchen, werden von der Rechtsordnung gebilligt, und sie habe keine Ahnung gehabt, warum einige Versammlungsteilnehmer auf sie zukamen, sie aufs gröbste beschimpften, beleidigten, sie an den Haaren rissen und verletzten. Sie habe diese Handlungen nicht als gegenteilige Willensäußerung, sondern als Angriff auf ihre Person empfunden. Sie stelle wiederholt in Abrede, daß irgend jemand der teilnehmenden Veranstaltungsbesucher ihr auf andere zulässige Weise zu verstehen gegeben hätten, daß ihnen ihre Tätigkeit, nämlich das Fotografieren, unerwünscht sei. Mit Frau P sei sie in keiner Weise in Kontakt gekommen. Sie beantrage nochmals die Einvernahme des Zeugen Andreas W, zumal ihr nicht einsichtig sei, warum nicht der von ihr beantragte neutrale Zeuge einvernommen wurde. Es sei auch nicht richtig, daß wie Herr Karl K angab, die fünf Personen nur mit Mühe zur Beendigung ihrer Tätigkeit gebracht werden konnten. Vielmehr hätten sie, nachdem er die Bitte vorgetragen habe, mit dem Fotografieren aufzuhören, den Veranstaltungsort sofort verlassen, da sie ansonsten mit einer Strafanzeige zu rechnen gehabt hätten. Sie beantrage daher die Einstellung des Verfahrens, bei dem sie aus ihrer Sicht Opfer und nicht Täter sei.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verfahrensakt der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land.

4.1. Aus dem Verfahrensakt ergibt sich folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt:

Am 4. Oktober 1991 fand anläßlich der oberösterreichischen Landtags- und Gemeinderatswahlen auf der Landhauszufahrt vor der Promenade eine Wahlveranstaltung der FPÖ statt. Vor dem Landhaustor befand sich eine Rednertribüne, vor der etwa 300 bis 400 Zuhörer versammelt waren. Etwa 15 min nach Beginn der Veranstaltung begannen laut Anzeige fünf Personen, darunter die Rechtsmittelwerberin, die den Rednern zuhörenden Personen aus einer Entfernung von etwa 1 m bis 2 m im Profil zu fotografieren, wobei Personen, die nicht fotografiert werden wollten und die Hand vor das Kameraobjektiv oder sich zB einen Werbeprospekt vor das Gesicht hielten, von einem anderen Fotografen aufgenommen wurde. Schließlich forderten mehrere Zuhörer die anwesenden Polizeibeamten, insbesondere den Meldungsleger Oberst Alfred P, auf, die Belästigungen abzustellen.

Im Verfahren vor der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land wurden mehrere Personen, teils im Rechtshilfeweg, zeugenschaftlich einvernommen, so die Zeugen Karl K, Oberst Alfred P, Ernst K, Isolde P, Franz R, Mag. Sibille K, Anita E, Stefan O, Rainer J sowie Marianne K, jedoch nicht die von der Rechtsmittelwerberin laut Stellungnahme vom 6. Mai 1992 beantragten Zeugen Andreas W und Thomas H. Die Zeugen bestätigen im wesentlichen, daß die Rechtsmittelwerberin ebenso wie die anderen vier Personen von den Passanten beschimpft wurde, wobei sie sich mehrere Gegenstände oder die Hand vor das Gesicht bzw das Kameraobjektiv hielten, um ein Fotografieren abzuwehren. Der Zeuge Rainer J bestätigte, er sei auf die Rechtsmittelwerberin aufmerksam geworden, als das Publikum unruhig wurde. Nach zwei bis drei Minuten sei sie von Sicherheitswachebeamten abgeschirmt und entfernt worden. Der Beamte habe ihr eine Anzeige im Fall des weiteren Fotografierens angedroht, und sie habe das Fotografieren sofort eingestellt. Lediglich einige Veranstaltungsteilnehmer hätten aggressiv reagiert, und seiner Beurteilung nach habe das Verhalten der Rechtsmittelwerberin bei den meisten Veranstaltungsteilnehmern kein Ärgernis erregt.

Die Erstinstanz hat im Rahmen der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses ausgeführt, die Rechtfertigung der Rechtsmittelwerberin, das Anfertigen von Fotos würde nie zu einer Störung der öffentlichen Ordnung beitragen bzw könne von normal empfindenden Menschen nicht als ärgerniserregend empfunden werden, vermöge diese deshalb nicht zu entlasten, weil derartige Handlungen immer situationsbezogen zu beurteilen seien, und ein "Fotografiertwerden" von den Betroffenen als angenehm empfunden bzw erwünscht, aber auch als unangenehm und unerwünscht erachtet werden könne. Ihre Handlungen seien unbestrittenerweise auch von anderen als den unmittelbar betroffenen Personen wahrgenommen worden und auch bei diesen Personen sei laut Zeugenaussagen die lebhafte Empfindung des Unerlaubten und Schändlichen hervorgerufen, dh Ärgernis erregt worden. Das demonstrative Anfertigen von Fotos sei von den Versammlungsteilnehmern offensichtlich als Provokation empfunden worden. Dadurch sei ein Zustand geschaffen worden, der die gewöhnlichen Verhältnisse während einer Veranstaltung in wahrnehmbarer Weise negativ verändert habe, zumal die Versammlungsteilnehmer in ihrer Aufmerksamkeit beeinträchtigt und vom eigentlichen Geschehen abgelenkt wurden.

4.2. Von seiten des unabhängigen Verwaltungssenates ist dazu folgendes auszuführen:

Gemäß Art.IX Abs.1 Z1 EGVG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer durch ein Verhalten, das Ärgernis zu erregen geeignet ist, die Ordnung an öffentlichen Orten stört.

Nach der Aktenlage bestand das zu beurteilende Verhalten der Rechtsmittelwerberin darin, daß sie während einer Wahlrede im Rahmen einer Parteiveranstaltung mit einem Fotoapparat in der Hand zwischen den Zuhörern herumging und einige Personen aus einer geringen Entfernung fotografiert hat, obwohl manche Personen versucht haben, dies durch Vorhalten von Gegenständen oder Verdecken der Linse zu verhindern.

Grundsätzlich ist dazu auszuführen, daß im Fotografieren von Personen, die einer Rede lauschen, für sich allein noch nicht eine Handlung zu erblicken ist, die bei unbefangenen Menschen "die lebhafte Empfindung des Unerlaubten und Schändlichen hervorzurufen geeignet ist". Im europäischen Kulturkreis - ein anderer war nicht betroffen - ist es durchaus üblich, Personen zB im Zuge einer Besichtigung oder eines besonderen Ereignisses auch aus der Nähe zu fotografieren, ohne diese vorher zu fragen; es aber auch zu unterlassen, wenn diese Personen ihr Nicht-Einverständnis kundtun. Dabei handelt es sich nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates jedoch um einen reinen Akt der Höflichkeit; ein Verbot des Fotografierens schlechthin läßt sich aus gesetzlichen Bestimmungen nicht ableiten. Auch § 78 des Urheberrechtsgesetzes betrifft lediglich den Mißbrauch des (bereits existenten) Bildnisses mit dem Zweck, die Bloßstellung einer Person, die Preisgabe ihres Privatlebens bzw eine Benützung des Bildnisses die entwürdigend oder herabsetzend wirkt, zu verhindern. Daß die Rechtsmittelwerberin überhaupt ein Foto angefertigt hat bzw was sie mit den Fotos ihr offensichtlich unbekannter Passanten tatsächlich beabsichtigt hat, geht aus dem Akteninhalt nicht hervor und ist auch nicht hier zu erörtern.

Auch wenn - was die Rechtsmittelwerberin nicht bestreitet - sie durch das Fotografieren die Reaktion der Veranstaltungsteilnehmer ausgelöst hat, nämlich daß diese versuchten, die Kamera mit der Hand wegzuschieben, oder sich Gegenstände vor das Gesicht hielten, kann darin ein die öffentliche Ordnung störendes Verhalten nicht erblickt werden. Die Überreaktion von Veranstaltungsteilnehmern (laut Aussage des Zeugen Rainer J wurde die Rechtsmittelwerberin sogar tätlich angegriffen, die Zeugin Anita E sagte aus, der Rechtsmittelwerberin sei die Kamera gegen die Stirn geschlagen und sie sei an den Haaren gerissen worden) ist nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates nicht der Rechtsmittelwerberin sondern diesen Personen zuzurechnen, die offensichtlich im Rahmen falsch verstandener "Notwehr" zu keineswegs adäquaten Mitteln gegriffen haben, wobei der unabhängige Verwaltungssenat die Auffassung vertritt, daß es für an derartigen Veranstaltungen teilnehmende Personen geradezu zu erwarten ist, von wem auch immer fotografiert zu werden.

Zusammenfassend ist auszuführen, daß das Verhalten der Rechtsmittelwerberin zwar bewirkt hat, daß die Aufmerksamkeit der Zuhörer von den Wahlrednern Kzeitig abgelenkt wurde; die Schaffung von geordneten Verhältnissen an einem öffentlichen Ort widersprechenden Zustände kann ihr aber nicht zur Last gelegt werden. Möglicherweise hat die Rechtsmittelwerberin durch ihr Verhalten die fotografierten Personen zu einer "Überreaktion" im Sinne einer überschreitenden Abwehrhaltung provoziert; die Störung der öffentlichen Ordnung im Rahmen der Veranstaltung ist zumindest im Zweifel nicht auf das Verhalten der Rechtsmittelwerberin, sondern auf die lautstarken Beschimpfungen und Tätlichkeiten der provozierten Personen zurückzuführen. Eine derartige Aggressivität verwirklicht nach Auffassung des unabhängigen Verwaltungssenates den genannten Tatbestand zweifellos.

Auf der Grundlage der oben angestellten Überlegungen war spruchgemäß zu entscheiden.

zu II.: Der Entfall der Verfahrenskosten ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist eine weitere Berufung unzulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden. Sie muß von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Beilagen Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Mag. Bissenberger 6

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