Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230238/2/Wei/Bk

Linz, 04.07.1994

VwSen-230238/2/Wei/Bk Linz, am 4. Juli 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des M H, vertreten durch Dr. A H, Rechtsanwalt in gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 14. Juni 1993, Zl.

Vet-96/1-1992/Dr, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem O.ö. Tierschutzgesetz (LGBl Nr. 27/1953) zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

II. Die Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991; § 66 Abs 1 VStG 1991.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis vom 14. Juni 1993 wurde der Berufungswerber (Bw) wie folgt schuldig erkannt:

"Sie haben in der Zeit von Anfang Februar 1992 bis 12.2.1992 in L, D, den von Ihnen gehaltenen Tieren (11 Schafe und 4 Hochlandrinder) durch Vernachlässigung hinsichtlich Unterbringung, Fütterung und Tränkung erhebliche Schmerzen und Leiden zugefügt, wobei sogar ein Hochlandrind sowie zwei Schafe (13.-15.) infolge der Unterversorgung verendeten und dadurch Tierquälerei begangen." Die belangte Behörde ging davon aus, daß der Bw in 15 Fällen die Rechtsvorschriften des § 1 Abs 1 und 2 lit d iVm § 4 Abs 1 O.ö. Tierschutzgesetz verletzt hat und verhängte wegen dieser Verwaltungsübertretungen nach dem Strafrahmen des § 4 Abs 1 O.ö. Tierschutzgesetz eine Geldstrafe von je S 500,-(Ersatzfreiheitsstrafe je 24 Stunden).

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das am 12. Juli 1993 zugestellt worden ist, richtet sich die am 27. Juli 1993 bei der belangten Behörde eingelangte, am 26. Juli 1993 - und damit rechtzeitig - zur Post gegebene Berufung vom 26. Juli 1993.

2.1. Dem angefochtenen Straferkenntnis liegt folgender unbestrittene Sachverhalt zugrunde:

Mit Urteil des Einzelrichters des Landesgerichts Linz vom 2.

Juni 1992, Zlen. 26 EVr 930/92, 26 EHv 61/92, wurde der Bw wie folgt schuldig gesprochen und bestraft:

"M H ist s c h u l d i g :

Er hat zumindest in der Zeit von Anfang Februar bis 12.02.1992 in Leonding dadurch, daß er es unterließ, elf Schafe und vier Hochlandrinder mit ausreichender Nahrung und Wasser zu versorgen, wodurch eine lebensbedrohende Unterernährung der Tiere eintrat und sogar ein Hochlandrind sowie zwei Schafe infolge der Unterversorgung verendeten, unnötige Qualen zugefügt.

M H hat dadurch das Vergehen der Tierquälerei durch Unterlassung nach den §§ 2, 222 Abs 1 StGB begangen, und er wird hiefür nach dem § 222 Abs. 1 StGB zu einer G E L D S T R A F E ------------------von 100 TAGESSÄTZEN im Nichteinbringungsfall zu 50 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe sowie gemäß § 389 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verurteilt.

Der Tagessatz wird mit S 200,-- bestimmt; die Gesamtgeldstrafe beträgt demnach S 20.000,--.

Gemäß § 43 Abs. 1 StGB wird die Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen." Dieses Strafurteil ist in Rechtskraft erwachsen, zumal der Bw durch Schriftsatz seines Rechtsvertreters vom 13. Juli 1992 die gegen das Urteil angemeldete Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe zurückgezogen hat.

Mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 7. Mai 1992 wurde dem Bw Tierquälerei in 17 Fällen vorgeworfen. Anläßlich der niederschriftlichen Einvernahme vom 19. Mai 1992 bestritt er die Taten. Am 30. September 1992 wurde seinem Rechtsvertreter zur Kenntnis gebracht, daß die Strafbehörde die angelasteten Verwaltungsübertretungen entsprechend dem Sachverhalt im rechtskräftigen Urteil des Landesgerichts Linz als erwiesen annimmt. Eine schriftliche Stellungnahme dazu wurde unterlassen.

2.2. In rechtlicher Hinsicht führt die belangte Strafbehörde aus, daß Fahrlässigkeit angenommen werde, da der Bw bei sorgfältiger Überlegung die Rechtswidrigkeit seines Handelns hätte erkennen müssen. So sei ihm durchaus bewußt gewesen, daß die Tiere infolge der Unterernährung einen sehr schlechten Ernährungszustand aufwiesen, der zum Tod von einem Hochlandrind und zwei Schafen führte.

2.3. In der Berufung werden hauptsächlich rechtliche Einwendungen gegen das Straferkenntnis vorgebracht. Unter Hinweis darauf, daß der Bw wegen derselben Tat bereits vom Landesgericht Linz der Tierquälerei für schuldig befunden worden ist, wird Scheinkonkurrenz, und zwar in Form der Konsumtion eingewendet. Es sei nicht vorstellbar, daß jemand wegen § 222 StGB, nicht aber wegen § 1 O.ö. Tierschutzgesetz bestraft werde, womit ein klassischer Fall der Konsumtion vorliege.

Weiters wird ein fortgesetztes Delikt eingewandt, weil die Tathandlung im Unterlassen der ausreichenden Nahrungs- und Wasserversorgung im Tatzeitraum von insgesamt zwölf Tagen lag. Deshalb liege nur eine einzige strafbare Handlung vor.

Schließlich weist die Berufung darauf hin, daß ein Verfahren zur Bestellung eines Sachwalters für den Bw beim Bezirksgericht Linz-Land zu Zl. 6 SW 5/93 über Initiative des Sohnes und der Schwiegertochter anhängig sei. Dem sei der Bw natürlich entgegengetreten. Sollte sich dabei aber herausstellen, daß der Bw weder körperlich noch geistig in der Lage sei, den landwirtschaftlichen Betrieb zu führen, könnte ihm kein Vorwurf gemacht werden und das Verschulden entfiele. Dazu wird angeregt bis zur Erledigung des Sachwalterverfahrens innezuhalten, ansonsten die Behörde von Amts wegen die Deliktsfähigkeit zu überprüfen hätte.

Auch die Strafe sei überhöht. Diese habe sich an der Schuld zu orientieren. Es sei auch zu berücksichtigen, daß der Bw unbescholten ist und keine Tiere mehr besitze. Eine Wiederholung derartiger Vorfälle scheide damit aus. Es hätte genügt, mit einer Ermahnung gemäß § 21 VStG vorzugehen.

2.4. Die belangte Behörde hat die Berufung mit dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt zur Berufungsentscheidung vorgelegt. Eine Gegenschrift wurde nicht erstattet.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt festgestellt, daß das angefochtene Straferkenntnis bereits nach der Aktenlage aufzuheben ist. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte daher entfallen.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Gemäß § 1 Abs 1 O.ö. Tierschutzgesetz begeht eine Tierquälerei, wer - ohne daß eine Ausnahme nach § 2 vorliegt und ohne daß Gründe vorliegen, die die öffentlichen Interessen am Tierschutz überwiegen - einem Tier erhebliche Schmerzen oder Leiden zufügt.

Im § 1 Abs 2 O.ö. Tierschutzgesetz werden gleichsam Regelfälle angeführt, die unter den Voraussetzungen des Abs 1 insbesondere eine Tierquälerei darstellen. Nach dem Buchstaben d) wird die Tierquälerei insbesondere begangen durch Vernachlässigung hinsichtlich Unterbringung, Fütterung, Tränkung, Schutz und Pflege bei Haltung, Beförderung und Viehtrieb.

Aus § 1 Abs 1 (arg. "...ohne daß Gründe vorliegen, die ...") iVm § 5 Abs 2 O.ö. Tierschutzgesetz (arg. "...unnötig erhebliche Schmerzen oder Leiden zugefügt ...") ergibt sich, daß das O.ö. Tierschutzgesetz ebenso wie die Tierquälerei nach § 222 StGB auf die Zufügung von unnötigen Leiden bzw Qualen abstellt. Damit sollen sozialadäquate Verhaltensweisen tatbestandlich ausgeschieden werden, bei denen die Zufügung von Schmerzen oder Leiden maßvoll und in Verfolgung eines vernünftigen und berechtigten Zweckes (zB Erziehungsmaßnahmen) erfolgt (vgl näher Leukauf/Steininger, Kommentar zum StGB, 3. A [1992], § 222 Rz 4). Die im § 2 O.ö. Tierschutzgesetz angeführten "Ausnahmen" von der Tierquälerei, die in Wahrheit als gesetzliche Auslegungsrichtlinien aufzufassen sind, deuten auf die Richtigkeit dieser Auslegung hin. Auch von der tatbestandlichen Mindestschwelle im § 1 Abs 1 O.ö.

Tierschutzgesetz der erheblichen Schmerzen kann nur gesprochen werden, wenn der Eingriff in die körperliche Integrität des Tieres von einiger Intensität war.

Die gerichtlich strafbare Tierquälerei spricht von "roh mißhandeln". Damit ist ebenfalls ein erheblicher Angriff auf den Körper des Tieres gemeint. Nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofes liegt eine rohe Mißhandlung vor, wenn aus dem Ausmaß und der Intensität der gegen das Tier gesetzten Tätlichkeit und der dem Tier zugefügten Schmerzen in Verbindung mit dem Fehlen eines vernünftigen und berechtigten Zwecks auf eine gefühllose Gesinnung des Täters geschlossen werden kann (vgl mwN Leukauf/Steininger, Kommentar zum StGB, 3. A [1992], § 222 Rz 3). Weil das Merkmal "roh" nicht ausschließlich die Gesinnung des Täters, sondern nach überwiegender Ansicht auch die Erheblichkeit der Mißhandlung kennzeichnet (vgl mit Judikaturnachweisen Leukauf/Steininger, Kommentar zum StGB, 3. A, § 222 Rz 3; Pallin, Wiener Kommentar zum StGB, § 222 Rz 10) ist es nicht als reines Schuldmerkmal sondern als Tatbildmerkmal aufzufassen (vgl Triffterer, Österreichisches Strafrecht, Allgemeiner Teil, 2. A [1993], 276 Rz 107).

Im Ergebnis können keine wesentlichen Unterschiede zwischen den Tatbildmerkmalen der Tierquälerei des § 222 Abs 1 StGB und des § 1 Abs 1 O.ö. Tierschutzgesetz festgestellt werden.

Für den Gerichtstatbestand gilt im Hinblick auf die allgemeine Regel des § 7 Abs 1 StGB, daß nur vorsätzliches Handeln strafbar ist, während für die Verwaltungsübertretung der Tierquälerei nach der Grundregel des § 5 Abs 1 Satz 1 VStG bereits fahrlässiges Verhalten für die Strafbarkeit ausreicht. Ein Unterschied besteht auch in bezug auf die Schuldrelevanz des Merkmals "roh", die eine gefühllose bzw grausame Gesinnung des Täters voraussetzt. Eine solche qualifizierte Einstellung des Täters ist für die landesgesetzliche Verwaltungsübertretung nicht erforderlich.

Der Vergleich der Tatbestände hat aber gezeigt, daß der gerichtliche Straftatbestand das speziellere Delikt darstellt und daß das verwaltungsbehördliche Delikt als Auffangtatbestand fungiert. Liegt Tierquälerei gemäß § 222 Abs 1 StGB vor, so wird regelmäßig auch das Tatbild der Verwaltungsübertretung erfüllt sein.

4.2. Aus § 30 Abs 1 VStG ergibt sich, daß zusammentreffende strafbare Handlungen (egal ob nur Verwaltungsübertretungen oder mit Gerichtsstraftatbeständen) grundsätzlich auch dann unabhängig voneinander zu verfolgen sind, wenn sie durch ein und dieselbe Tat begangen worden sind. Von diesem Grundsatz ist eine Ausnahme zu machen, wenn der Gesetzgeber ausdrücklich eine Subsidiaritätsklausel vorsieht oder wenn sonst ein Fall einer bloß scheinbaren Konkurrenz (Gesetzeskonkurrenz) vorliegt (vgl VfSlg 8275/1978 und die weiteren Judikaturnachweise bei Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze II [1992], E 33 zu § 22 VStG).

In diesem Zusammenhang bestimmt § 30 Abs 2 VStG nach richtiger Ansicht nicht nur für den Fall der Subsidiarität, sondern für alle Fälle der Scheinkonkurrenz (vgl Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze II [1992], Anm 8 zu § 30 VStG) daß das Strafverfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der in Betracht kommenden Verwaltungsbehörde oder des Gerichts auszusetzen ist.

Obwohl § 222 Abs 1 StGB an sich das speziellere Delikt darstellt, liegt keine Spezialität ieS vor, die nach hM streng verstanden wird und voraussetzt, daß ein Deliktstypus den anderen begriffsnotwendig in sich einschließt, indem er alle Merkmale der lex generalis und darüber hinaus noch weitere enthält, durch die der Sachverhalt in spezifischer Weise erfaßt wird (vgl Burgstaller, Die Scheinkonkurrenz im Strafrecht, JBl 1978, 396; Kienapfel, Strafrecht Allgemeiner Teil, 4. A [1991], E 8 Rz 22; Leukauf/Steininger, Kommentar zum StGB, 3. A, § 28 Rz 42; Triffterer, AT, 2.A, 460 Rz 76; aus der öffentlichrechtlichen Literatur vgl Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. A [1990], 820; Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze II, 213 Anm 4 zu § 22 VStG).

Eine vom Landesgesetzgeber angeordnete ausdrückliche oder formelle Subsidiarität liegt nicht vor. Die in der Literatur auch anerkannte materielle oder stillschweigende Subsidiarität kommt in Betracht, wenn eine Strafvorschrift erkennbar nur hilfsweise Bedeutung im Sinne eines Auffangtatbestandes hat (vgl Leukauf/Steininger, Kommentar zum StGB, 3.A, § 28 Rz 55; Hauer/Leukauf, Handbuch, 4. A, 820; teilweise abw Triffterer, AT, 2. A, 460 f Rz 79 ff).

Als Beispiele werden in der strafrechtlichen Literatur verschiedene Stadien oder Intensitäten des Angriffes auf ein Rechtsgut angeführt wie sie etwa im Verhältnis von Delikten betreffend Vorbereitung, Versuch und Vollendung, Gefährdung und Verletzung, Körperverletzung und Tötung, Beitrags- und Bestimmungstäterschaft sowie unmittelbare Täterschaft oder sonst bei Auffangdelikten, die aus systematischen oder teleologischen Überlegungen nur hilfsweise Geltung beanspruchen, auftreten (vgl näher mwN Leukauf/Steininger, Kommentar zum StGB, 3. A, § 28 Rz 59 ff).

4.3. Im Verhältnis zwischen der landesgesetzlichen Tierquälerei im § 1 Abs 1 O.ö. Tierschutzgesetz aus dem Jahre 1953 und der gerichtlich strafbaren Tierquälerei des § 222 Abs 1 StGB, die bundesgesetzlich mit dem StGB im Jahr 1975 eingeführt worden ist, könnte eine materielle (stillschweigende) Subsidiarität in Betracht kommen. Die Länder haben in der zweiten Republik offenbar im Bewußtsein, daß die Tierschutzgesetzgebung nach der Ansicht des Bundeskanzleramtes Verfassungsdienst schlechthin Sache der Länder im Sinne des Art 15 B-VG sei (vgl dazu näher Schneider, Die Tierschutzgesetzgebung in der zweiten Republik, JBl 1950, 228 ff, 229) Tierschutzgesetze erlassen, wobei das Vorarlberger Landesgesetz LGBl Nr. 17/1948 sogar einen gerichtlich strafbaren Tatbestand vorsah.

Im Erkenntnis VfSlg 5649/1967 hat der Verfassungsgerichtshof über Feststellungsantrag der Bundesregierung gemäß Art 138 Abs 2 B-VG betreffend den Entwurf einer gerichtlichen Strafbestimmung gegen Tierquälerei zum Ausdruck gebracht, daß Regelungen zum Schutz von Tieren gegen Quälerei eine Querschnittsmaterie darstellen und den Ländern nur soweit zukommen, als derartige Regelungen nicht im Zusammenhang mit einer dem Bund zugewiesenen Angelegenheit stehen.

Verwaltungsstrafbestimmungen können je nach Materie vom Bund oder von den Ländern erlassen werden. Gerichtliche Strafbestimmungen sind nicht an den Zusammenhang mit einer bestimmten Materie gebunden und fallen unter den Bundeskompetenztatbestand "Strafrechtswesen" in Art 10 Abs 1 Z 6 B-VG. Der Verfassungsgerichtshof hält es demnach grundsätzlich für zulässig, daß Strafbestimmungen gegen Tierquälerei von verschiedenen Gesetzgebern erlassen werden.

Dabei wird aber nach Ansicht des O.ö. Verwaltungssenates die Einschränkung zu machen sein, daß die Länder nicht Verwaltungsstraftatbestände schaffen dürfen, die mit der gerichtlichen Strafbestimmung deckungsgleich sind (vgl idS bereits das h Erk vom 24. September 1991, VwSen-230004/5/Gf/Kf). Dieser Fall erscheint im Hinblick auf den Sinn des Materienannexprinzips kompetenzwidrig, weil dann die durch den Zusammenhang mit einer Materie vorgegebene Besonderheit der landesgesetzlichen Regelung nicht mehr erkennbar ist. Freilich ist nicht zu verkennen, daß bloße Überschneidungen von Strafbestimmungen gegen die Tierquälerei unvermeidbar und unschädlich sind. Die Landesgesetzgeber regeln in ihren Tierschutzgesetzen einen umfassenderen Schutz, was auch wesentlich weiter reichende Strafbestimmungen mit Auffangcharakter zur Folge haben muß.

Der Sinn der landesgesetzlichen Verwaltungsstrafbestimmungen kann sowohl im Hinblick auf das Sachlichkeitsgebot des Art 7 B-VG als auch aus kompetenzrechtlicher Sicht nicht darin bestehen, daß ein gerichtlich strafbarer Sachverhalt zusätzlich als Verwaltungsübertretung bestraft wird. Eine solche Doppelbestrafung für ein und dieselbe Tat unter dem gleichen Rechtsgutsaspekt wird mit gutem Grund in vielen jüngeren Verwaltungsstrafbestimmungen durch ausdrückliche Subsidiaritätsklauseln vermieden. Sie entbehrt jeder kriminalpolitischen Berechtigung und ist auch rechtsstaatlich äußerst bedenklich. Mit einem modernen Strafrecht, das den rechtsstaatlichen Anforderungen des Schuldprinzips und präventiven Strafzwecken Rechnung trägt, ist eine Doppelbestrafung unter dem gleichen Rechtsgutsaspekt schlechthin unvereinbar.

Zusammenfassend vertritt der O.ö. Verwaltungssenat trotz Fehlens einer ausdrücklichen landesgesetzlichen Subsidiaritätsklausel die Auffassung, daß die gebotene verfassungskonforme Interpretation zur Annahme einer materiellen Subsidiarität der umfassenderen Verwaltungsstrafbestimmung gegenüber der spezielleren und auch schwerer wiegenden gerichtlich strafbaren Tierquälerei führt.

4.4. Als weiteren Unterfall der Scheinkonkurrenz ist noch an die vom Bw relevierte Konsumtion zu denken, bei der neben dem Vergleich der Straftatbestände auch der konkrete Sachverhalt näher zu betrachten ist. Konsumtion liegt nach hM vor, wenn die wertabwägende Auslegung der Tatbestände zeigt, daß durch die Bestrafung wegen eines Deliktes schon der gesamte Unrechtsgehalt des Täterverhaltens erfaßt und abgegolten wird (vgl mwN Burgstaller, JBl 1978, 459; Kienapfel, AT, 4. A, E 8 Rz 30 f; Leukauf/Steininger, Kommentar zum StGB, 3. A, § 28 Rz 45; Hauer/Leukauf, Handbuch, 4. A, 820; Triffterer, AT, 2. A, 462 Rz 82). Dabei wird auf den typischen Zusammenhang einer Begleit-, Voroder Nachtat mit einer schwerwiegenderen Haupttat abgestellt und gefragt, ob das verdrängte Delikt regelmäßig und/oder typisch im Unrechtsgehalt der Haupttat enthalten ist (vgl dazu auch Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze II, 214, Anm 4 zu § 22 VStG und die zitierte Judikatur in E 11, 22, 23, 24 und 35). Wesentlich für das Vorliegen von Konsumtion ist die Typizität der durch die unwertschwerere Haupttat miterfaßten Rechtsgutsverletzung der untergeordneten Tat.

Der Berufung ist zuzubilligen, daß der gerichtliche Schuldspruch wegen Vernachlässigung der gegenständlichen Tiere nach § 222 Abs 1 StGB auch den Unwert der landesgesetzlichen Tierquälerei des § 1 Abs 1 O.ö.

Tierschutzgesetz mitumfaßt. Es ist in der Tat nicht vorstellbar, daß ein Fall des § 222 Abs 1 StGB vorliegt, ohne daß gleichzeitig nicht auch § 1 O.ö. Tierschutzgesetz erfüllt wäre. Wegen dieser zwangsläufigen Folge hat sich der erkennende Verwaltungssenat aus den oben ausgeführten Gründen für materielle Subsidiarität ausgesprochen.

Hilfsweise kann aber auch mit Konsumtion argumentiert werden, weil das gerichtlich strafbare Delikt sicher als das strengere und unwertschwerere anzusehen ist, auch wenn das Gericht eine bloß bedingte Geldstrafe verhängt hat, die im Verwaltungsstrafrecht nicht möglich ist. Es kann nicht auf die tatsächlich angewandte Möglichkeit der bedingten Strafnachsicht ankommen. Vielmehr sind die Strafdrohung und die Gesamtauswirkungen einer gerichtlichen Verurteilung zu berücksichtigen. Die ungleich strengere Strafdrohung der Tierquälerei gemäß § 222 Abs 1 StGB sieht eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen vor. Außerdem wiegt eine gerichtliche Vorstrafe nicht nur nach allgemeiner Einschätzung, sondern auch deshalb wesentlich schwerer, weil nach dem Tilgungsgesetz ein zentrales Strafregister mit abgestuften Auskunftsmöglichkeiten und mit einer gegenüber § 55 Abs 1 VStG erschwerten Tilgung vorgesehen ist. Gerichtliche Vorstrafen haben auch viel häufiger Tatbestandswirkung zum Nachteil des Verurteilten.

Im Ergebnis besteht kein Zweifel, daß die gegenständlich begangene Tierquälerei der Vernachlässigung von Tieren durch Unterlassung der Versorgung mit ausreichender Nahrung und Tränke den gerichtlichen Tatbestand des § 222 Abs 1 StGB sowie typischerweise und in der Regel auch den der landesgesetzlichen Verwaltungsübertretung gemäß § 1 Abs 1 in Verbindung mit dem im § 1 Abs 2 lit d) O.ö. Tierschutzgesetz genannten Regelfall erfüllt. Da dasselbe Rechtsgut des Schutzes der körperlichen Integrität von Tieren betroffen und kein anderer Schutzzweck der landesgesetzlichen Verwaltungsübertretung erkennbar ist, geht diese in der unwertschwereren gerichtlichen Straftat auf und kann nicht zur eigenständigen Strafbarkeit führen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und das Strafverfahren mangels Vorliegens einer von der belangten Strafbehörde zu ahndenden Verwaltungsübertretung gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen. Auf das weitere Berufungsvorbringen brauchte der unabhängige Verwaltungssenat nicht mehr eingehen.

4.5. Bei diesem Ergebnis entfällt gemäß § 66 Abs 1 VStG die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. W e i ß

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