Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230265/2/Wei/La

Linz, 07.02.1994

VwSen-230265/2/Wei/La Linz, am 7. Februar 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des M W, geb., Kaufmann, H, A, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. J H, Dr. M K, Dr. F H, M, L, vom 15. Oktober 1993 gegen den Bescheid vom 1. Oktober 1993, Zl. Pol96/109/1993, der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung betreffend die Zurückweisung des Einspruches gegen die Strafverfügung vom 12. Juli 1993, beschlossen und zu Recht erkannt:

I. Der Berufungsantrag, das gegen den Beschuldigten eingeleitete Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 VStG einzustellen, wird als unzulässig zurückgewiesen.

II. Im übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

Rechtsgrundlage:

§ 24 VStG 1991 iVm § 66 Abs 4 AVG 1991.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem oben bezeichneten Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 1. Oktober 1993 wurde der Einspruch des Berufungswerbers (im folgenden Bw) gegen die Strafverfügung der belangten Behörde vom 12. Juli 1993 wegen Verwaltungsübertretungen nach § 5 Abs 1 O.ö.

PolStG gemäß dem (gemeint: im Grunde des) § 49 Abs 1 VStG 1991 als verstätet eingebracht zurückgewiesen.

1.2. Gegen diesen den Rechtsvertretern des Bw am 4. Oktober 1993 zugestellten Bescheid wendet sich die vorliegende am 15. Oktober - und damit rechtzeitig - zur Post gegebenen Berufung vom 15. Oktober 1993, die bei der belangten Behörde am 18. Oktober 1993 einlangte.

2.1. In ihrem Zurückweisungsbescheid führt die belangte Behörde begründend aus, daß die Strafverfügung laut Zustellnachweis am 15. Juli 1993 rechtswirksam zugestellt worden sei. Der Einspruch hätte daher spätestens am 29. Juli 1993 zur Post gegeben bzw bei der belangten Behörde überreicht werden müssen. Aus dem Poststempel sei aber ersichtlich, daß das Rechtsmittel erst am 5. August 1993 beim Postamt in 4020 Linz aufgegeben wurde.

Mangels rechtzeitiger Einbringung des Einspruches sei die Strafverfügung in Rechtskraft erwachsen und gemäß § 49 Abs 4 VStG 1991 zu vollstrecken.

2.2. Die Berufung bekämpft den Zurückweisungsbescheid der belangten Behörde unter Hinweis auf die Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften, weil die Behörde auf das in erster Instanz erstattete Vorbringen nicht eingegangen ist und die zur Frage der Rechtzeitigkeit beantragten Beweise nicht aufgenommen hat. Im Falle der Aufnahme der beantragten Zeugenvernehmungen der Gattin B M und des Bruders M M hätte sich ergeben, daß sich der Bw im Zeitraum von 15. bis 27. Juli 1993 nicht an der Abgabestelle aufhielt und daher der Einspruch rechtzeitig gewesen sei. Dazu komme, daß der Strafverfügung vom 12. Juli 1993 gar keine dienstlichen Wahrnehmungen einer Behörde oder eines Sicherheitsorganes zugrundelägen. Abschließend werden sinngemäß die Anträge gestellt, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und das gegen den Beschuldigten eingeleitete Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 VStG einzustellen.

2.3. Die belangte Behörde hat mit Schreiben vom 4. November 1993 die Berufungsschrift sowie den bezughabenden Verwaltungsakt zur Entscheidung vorgelegt und auf die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

3.1. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der belangten Behörde festgestellt, daß der entscheidungswesentliche Sachverhalt aufgrund der Aktenlage hinlänglich geklärt erscheint. Da der erkennende Verwaltungssenat seiner Entscheidung das Tatsachenvorbringen der Berufung vollinhaltlich zugrundelegt und nur Rechtsfragen zu behandeln sind, konnte von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

3.2. Aufgrund der Aktenlage in Verbindung mit der eingebrachten Berufung steht folgender Sachverhalt fest:

Die belangte Behörde hat die Zustellung der Strafverfügung vom 12. Juli 1993, Zl. Pol96/109/1993, an den Bw durch RSa-Brief angeordnet. Nach dem im Akt befindlichen Rückschein (vgl Formular 3 zu § 22 Zustellgesetz) erfolgte der erste Zustellversuch am 14. Juli 1993 und hat der Zusteller die Ankündigung eines zweiten Zustellversuches (vgl Formular 2 zu § 21 Abs 2 Zustellgesetz) für den 15.

Juli 1993 in den Briefkasten eingelegt. Anläßlich des zweiten Zustellversuches am 15. Juli 1993 hat der Zusteller die Verständigung über die Hinterlegung eines Schriftstückes (vgl Formular 1 zu § 17 Abs 2 Zustellgesetz) beim Postamt 4203 in den Briefkasten eingelegt und den Beginn der Abholfrist mit 15. Juli 1993 bekanntgegeben.

Mit Schriftsatz vom 5. August 1993, eingelangt bei der belangten Behörde am 6. August 1993, hat der Bw Einspruch gegen die Strafverfügung vom 12. Juli 1993 erhoben.

Mit Schreiben vom 20. August 1993 hat die belangte Behörde dem Bw vorgehalten, daß der Einspruch offensichtlich verspätet eingebracht worden sei und Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 2 Wochen eingeräumt. In seiner Stellungnahme vom 8. September 1993 behauptete der Bw ebenso wie bereits zuvor im Einspruch, daß er infolge Urlaubsabwesenheit nicht in der Lage gewesen sei, auf die Strafverfügung zu reagieren. Für den Fall, daß die belangte Behörde noch immer nicht von der Urlaubsabwesenheit zum Zeitpunkt der Hinterlegung überzeugt wäre, beantragte er vorsichtshalber die zeugenschaftliche Einvernahme von B M und M M zu diesem Beweisthema. Als Bescheinigungsmittel für die Urlaubsreise wurde die Kopie der Rechnung (Bestätigung) Nr. 8256 vom 17.

Juni 1993 des Sparkassen Reisebüro vorgelegt, die zunächst eine Buchung des Hotels Garden Club Toskana für drei Personen in der Zeit von 10. bis 17. Juli 1993 belegt. Die im verwendeten Vordruck mit Schreibmaschine vorgenommenen Eintragungen wurden allerdings diagonal durchgestrichen und diese Durchstreichung mit Wellenlinie wieder korrigiert. Der Reisetermin wurde handschriftlich auf 17. bis 24. Juli 1993 geändert.

Der erkennende Verwaltungssenat folgt der Darstellung der Berufung, daß der Bw für die Zeit vom 17. bis 24. Juli 1993 einen Urlaubsaufenthalt entsprechend der Reisebestätigung gebucht hat und sich in der Zeit vom 15. bis 25. Juli 1993 nicht an der Abgabestelle aufhielt. Er geht auch insbesondere davon aus, daß der Bw bereits am 15. Juli 1993 die Fahrt nach Italien angetreten hat, obwohl eine Anreise in die Toskana bereits 2 Tage vor dem gebuchten Termin eher ungewöhnlich erscheint. Deshalb erübrigt sich die Einvernahme der zu diesem Beweisthema beantragten Zeugen.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Gegenstand dieses Berufungsverfahrens ist die Zurückweisung des Einspruches gegen die Strafverfügung vom 12. Juli 1993 wegen verspäteter Einbringung. Es handelt sich dabei um die Bekämpfung eines verfahrensrechtlichen Bescheides. Die Strafverfügung der belangten Behörde kann nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens sein. Denn ergibt das gegenständliche Berufungsverfahren, daß die belangte Behörde den Einspruch zu Unrecht zurückgewiesen hat, so bedeutet dies gleichzeitig, daß die gesamte Strafverfügung gemäß § 49 Abs 2 VStG 1991 durch den wirksam erhobenen Einspruch außer Kraft getreten ist. Die Erstbehörde hat dann das ordentliche Verfahren einzuleiten. Ist die Berufung als unbegründet abzuweisen, so bedeutet dies, daß die Strafverfügung rechtskräftig geworden ist und einer Sachentscheidung das Prozeßhindernis der entschiedenen Sache gemäß § 68 Abs 1 AVG 1991 entgegensteht. Aufgrund dieser Rechtslage ist der Berufungsantrag, das Strafverfahren gegen den Berufungswerber gemäß § 45 Abs 1 VStG einzustellen, nicht statthaft. Er war daher als unzulässig zurückzuweisen.

4.2. Gemäß § 21 Abs 2 Zustellgesetz ist der Empfänger bei der Zustellung zu eigenen Handen schriftlich unter Hinweis auf die sonstige Hinterlegung nach dem ersten Zustellversuch zu ersuchen, zu einer gleichzeitig zu bestimmenden Zeit an der Abgabestelle zur Annahme des Schriftstückes anwesend zu sein. Dieses Ersuchen ist in den für die Abgabestelle bestimmten Briefkasten (Briefeinwurf, Hausbrieffach) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Zur angegebenen Zeit ist ein zweiter Zustellversuch durchzuführen. Ist auch dieser erfolglos, ist nach § 17 Zustellgesetz zu hinterlegen.

Nach § 17 Abs 1 Zustellgesetz ist das Schriftstück im Falle der Zustellung durch die Post beim zuständigen Postamt zu hinterlegen, wenn die Sendung an der Abgabestelle nicht zugestellt werden kann und der Zusteller Grund zur Annahme hat, daß sich der Empfänger regelmäßig an der Abgabestelle aufhält. Der § 17 Abs 2 Zustellgesetz regelt, daß die schriftliche Verständigung des Empfängers von der Hinterlegung in den für die Abgabestelle bestimmten Briefkasten (Briefeinwurf, Hausbrieffach) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen ist. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen.

Gemäß § 17 Abs 3 Zustellgesetz ist die hinterlegte Sendung mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Sendungen gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt , wenn sich ergibt, daß der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden könnte.

Nach § 17 Abs 4 Zustellgesetz ist die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung auch dann gültig, wenn die im Absatz 2 oder die im § 21 Abs 2 leg.cit. genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde.

4.3. Im gegenständlichen Fall ist davon auszugehen, daß der Bw in der Zeit von 15. bis 25. Juli 1993 wegen einer Urlaubsreise nach Italien von der Abgabestelle abwesend war.

Allerdings war er - seinem eigenen Vorbringen entsprechend am 14. Juli 1993 noch nicht abwesend, weil er die Fahrt in die Toskana am 15. Juli 1993 angetreten hat. Daraus folgt aber auch, daß der Bw am Tag des ersten Zustellversuches gemäß § 21 Abs 2 Zustellgesetz noch nicht von der Abgabestelle abwesend war und die in den Briefkasten eingelegte Ankündigung eines zweiten Zustellversuches (vgl Formular 2 zu § 21 Abs 2 des Zustellgesetzes nach der Zustellformularverordnung BGBl Nr. 600/1982) für den 15.

Juli 1993 hätte beheben und damit vom Zustellvorgang hätte Kenntnis erlangen können.

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann der Empfänger bei einer Zustellung zu eigenen Handen bereits durch die Verständigung vom erfolglosen ersten Zustellversuch und die Aufforderung gemäß § 21 Abs 2 Zustellgesetz Kenntnis davon erlangen, daß ihm ein behördliches Schriftstück zugestellt werden soll. Die Hinterlegung hat schon dann die Wirkung einer rechtswirksamen Zustellung, wenn der Empfänger zumindest am Tag des ersten Zustellversuches, nicht aber am Tag des zweiten Zustellversuches an seiner Abgabestelle anwesend war (vgl die zitierte Judikatur bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. A [1990], 1219, E 4 zu § 17 Abs 3 ZustG und 1230, E 4a und E 4b zu § 21 ZustG). Auf die tatsächliche Kenntnisnahme kommt es dabei für die Rechtswirksamkeit der Zustellung nicht an. Diese wird nicht davon abhängig gemacht, ob und wann eine gemäß dem § 17 Abs 3 Zustellgesetz rechtswirksam hinterlegte Sendung vom Empfänger behoben wird und ob hiebei Hindernisse auftreten. Vielmehr können derartige Umstände allenfalls einen Wiedereinsetzungsgrund gemäß § 71 Abs 1 Z 1 AVG bilden (vgl VwGH 26.2.1992, 91/01/0193; VwGH 28.5.1993, 92/17/0239).

5. Eine Kostenentscheidung im Grunde des § 64 Abs 1 VStG 1991 war nicht zu treffen, weil mit der gegenständlichen Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates kein Straferkenntnis der belangten Behörde bestätigt worden ist.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. W e i ß

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