Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-230280/2/Wei/Bk

Linz, 20.06.1994

VwSen-230280/2/Wei/Bk Linz, am 20. Juni 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des F H, M, S, vertreten durch die Kommandit-Partnerschaft der Rechtsanwälte Dr. E, Dr. W, Dr. P, S, M, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 1. Februar 1994, Zl. Pol 96-18-1994-Bu, betreffend die Einstellung eines Strafverfahrens wegen Ehrenkränkung zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid wird ersatzlos mit der Feststellung aufgehoben, daß die belangte Behörde das Strafverfahren wegen Ehrenkränkung des Berufungswerbers durchzuführen hat.

Rechtsgrundlage:

§66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem oben bezeichneten Bescheid vom 1. Februar 1994 hat die belangte Behörde über den vom Berufungswerber (Bw) eingebrachten Privatanklageantrag vom 28. Dezember 1993 wie folgt entschieden:

"Von der Einleitung eines Strafverfahrens wird abgesehen und gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG 1991 die Einstellung verfügt." Begründend wird der Tatbestand des § 1 lit a) des o.ö.

Landesgesetzes vom 22. Oktober 1975 über die Verfolgung von Ehrenkränkungen (LGBl Nr. 76/1975; im folgenden kurz O.ö.

Ehrenkränkungsgesetz) wiedergegeben und darauf hingewiesen, daß nach dem Strafantrag die Äußerung des Herrn J W jun. im Beisein der Frau W und demnach "in einer für einen Dritten wahrnehmbaren Weise" gemacht worden sei, was eine gemäß § 111 StGB bedrohte Handlung darstelle.

Da bei Vorliegen einer gerichtlich strafbaren Handlung die Verwaltungsbehörden nicht zuständig sind, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

1.2. Gegen diesen Bescheid, der den Rechtsvertretern des Bw am 4. Februar zugestellt worden ist, hat der Privatankläger die gemäß § 56 Abs 3 VStG zulässige Berufung vom 14. Februar 1994 bei der belangten Behörde am 15. Februar 1994 und damit rechtzeitig eingebracht, in der er beantragt den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben und der Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz die Einleitung des ordentlichen Ermittlungsverfahrens und die fristgerechte Setzung einer Verfolgungshandlung aufzutragen.

2.1. Mit Privatanklage vom 28. Dezember 1993 hat der Bw einen Antrag auf Bestrafung wegen Übertretung des § 1 O.ö.

Ehrenkränkungsgesetzes gestellt und dazu folgenden Sachverhalt vorgebracht:

"Am 15. Dezember 1993 ging ich von meinem Anwesen zum Nachbarhaus W, weil von dorther unzumutbare Immissionen im Form von Geruchsbelästigungen auf mein Grundstück einwirkten.

Ich habe kurz mit Frau W gesprochen und die Angelegenheit erörtert, worauf J W jun. gegen 13.00 Uhr aus Richtung Garage heraufkam und laut sagte: 'Was tut denn dieser Trottel da?'" Die Privatanklage führt weiter aus, daß die Publizität im Sinne des § 115 StGB nicht erfüllt war, weshalb J W jun. eine Übertretung des § 1 lit a) 1. Fall O.ö.

Ehrenkränkungsgesetzes zu verantworten habe und nach dieser Gesetzesstelle zu bestrafen sei. Mit dem Ausdruck "Trottel" habe J W jun. den Privatankläger einer verächtlichen Eigenschaft geziehen, nämlich in Form einer formalen Ehrenbeleidigung.

2.2. Die belangte Behörde hat mit Schreiben vom 13. Jänner 1994 ihre Rechtsansicht mitgeteilt, wonach der gerichtlich strafbare Tatbestand des § 111 StGB vorliege, weswegen kein Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet werden könne. In der Stellungnahme vom 17. Jänner 1994 wurde die Privatanklage aufrechterhalten und der Rechtsansicht der belangten Behörde widersprochen.

In der Berufung wird begründend ausgeführt, daß der inkriminierte Ausspruch keinesfalls den Tatbestand der üblen Nachrede, sondern jenen der Beschimpfung nach § 115 Abs 1 1.

Fall StGB erfülle, wobei eine Bestrafung mangels der erforderlichen Publizität nicht erfolgen könne. Die Begehung der Tat vor mehreren Leuten bedeute nach § 115 Abs 2 StGB die gleichzeitige Anwesenheit und Kenntnisnahme von mindestens drei weiteren Personen. Die belangte Behörde hätte daher das ordentliche Ermittlungsverfahren einleiten und den Angeklagten wegen der Übertretung des § 1 lit a) 1.Fall O.ö. Ehrenkränkungsgesetzes bestrafen müssen.

2.3. Die belangte Behörde hat die Berufung mit dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt zur Berufungsentscheidung vorgelegt. Eine Gegenschrift wurde nicht erstattet.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt festgestellt, daß der angefochtene Bescheid bereits nach der Aktenlage aufzuheben ist. Eine öffentliche mündliche Verhandlung war daher nicht anzuberaumen.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Nach den Tatbeständen des § 1 O.ö.

Ehrenkränkungsgesetzes begeht die Verwaltungsübertretung der Ehrenkränkung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe bis zu dreitausend Schilling zu bestrafen, wer vorsätzlich a) einen anderen einer verächtlichen Eigenschaft oder Gesinnung zeiht oder eines unehrenhaften Verhaltens oder eines gegen die guten Sitten verstoßenden Verhaltens beschuldigt, das geeignet ist, ihn in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen oder herabzusetzen, b) einem anderen eine gerichtlich strafbare Handlung vorwirft, für die die Strafe schon vollzogen oder wenn auch nur bedingt nachgesehen oder nachgelassen oder für die der Ausspruch der Strafe vorläufig aufgeschoben worden ist, c) einen anderen beschimpft, verspottet, am Körper mißhandelt oder mit einer körperlichen Mißhandlung bedroht, ohne daß die Tat das Tatbild einer gerichtlich strafbaren Handlung erfüllt.

Die in den Buchstaben a) bis c) umschriebenen Tatbilder des § 1 O.ö. Ehrenkränkungsgesetzes entsprechen - abgesehen von den Publizitätserfordernissen - wörtlich den Delikten gegen die Ehre in den §§ 111 Abs 1, 113 und 115 Abs 1 StGB. Da die für die gerichtliche Strafbarkeit gemäß §§ 111 Abs 1 und 115 Abs 1 StGB geforderte Mindestpublizität verschieden geregelt worden ist, muß im Hinblick auf die Subsidiarität der Verwaltungsübertretungen der Ehrenkränkung streng zwischen den Tathandlungen dieser Tatbilder unterschieden werden.

4.2. Gegenständlich hat die belangte Behörde die in der Privatanklage inkriminierte Äußerung: "Was tut denn dieser Trottel da?" rechtsirrig als das Vergehen der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 StGB angesehen. In dieser Kundgabe kann weder das Zeihen einer verächtlichen Gesinnung oder Eigenschaft (sog. Schmähung) noch die Beschuldigung eines unehrenhaften oder gegen die guten Sitten verstoßenden Verhaltens gesehen werden. Vielmehr liegt darin mangels eines Charakter- oder Verhaltensvorwurfes eine formale Ehrenbeleidigung, die als ehrverletzende Mißachtung die Tatbildvariante der Beschimpfung im § 115 Abs 1 Fall 1 StGB erfüllen würde (vgl zur Abgrenzung näher mwN Kienapfel, Grundriß des österreichischen Strafrechts, Besonderer Teil I, 3. A [1990], § 115 Rz 5 ff, Vorbem §§ 111 ff Rz 14 ff, § 111 Rz 59; Leukauf/Steininger, Kommentar zum StGB, 3. A [1992], § 115 Rz 13 und § 111 Rz 6).

Entgegen der rechtlichen Beurteilung in der Privatanklage und in der Berufung kann daher keine Übertretung des § 1 lit a) 1. Fall O.ö. Ehrenkränkungsgesetzes vorliegen. Diese Deliktsvariante entspricht der sog. Schmähung des § 111 Abs 1 Fall 1 StGB , wobei hinsichtlich der Mindestpublizität die Begehung "in einer für einen Dritten wahrnehmbaren Weise" genügt. Läge Schmähung gemäß § 111 Abs 1 Fall 1 StGB vor, wäre gegenständlich nach dem Privatanklagevorbringen auch die Mindestpublizität erfüllt, weshalb die belangte Behörde zu Recht die Durchführung des Strafverfahrens verweigert hätte.

An die unrichtige rechtliche Beurteilung des Privatanklägers war die belangte Strafbehörde aber nicht gebunden. Diese hatte vielmehr aufgrund der vorgebrachten Tatsachen das Vorliegen einer Verwaltungsübertretung nach dem O.ö.

Ehrenkränkungsgesetz und damit ihre Zuständigkeit eigenständig zu beurteilen. Sie hätte daher davon ausgehen müssen, daß in Wahrheit die Verwaltungsübertretung nach § 1 lit c) O.ö. Ehrenkränkungsgesetz in Betracht kommt, wenn die Mindestpublizität für die gerichtliche Strafbarkeit gemäß dem § 115 Abs 1 und 2 StGB nicht vorliegt.

4.3. § 115 Abs 1 StGB fordert, daß die Tathandlung öffentlich oder vor mehreren Leuten erfolgen muß. Nach der Legaldefinition des § 115 Abs 2 StGB wird eine Handlung vor mehreren Leuten begangen, wenn sie in Gegenwart von mehr als zwei vom Täter und vom Angegriffenen verschiedenen Personen begangen wird und diese sie wahrnehmen können. Dies bedeutet jedenfalls, daß die ehrverletzende Handlung vor mindestens drei unbeteiligten Personen begangen werden muß, die sie konkret wahrnehmen können (vgl Kienapfel, BT I, 3. A, § 115 Rz 15; Leukauf/Steininger, Kommentar zum StGB, 3. A, § 115 Rz 9). Diese Voraussetzung für die gerichtliche Strafbarkeit der inkriminierten Beschimpfung lag eindeutig nicht vor, weshalb die belangte Strafbehörde verpflichtet gewesen wäre, das Strafverfahren aufgrund der rechtzeitig eingebrachten Privatanklage durchzuführen. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

5. Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen, weil der erkennende Verwaltungssenat einen verfahrensrechtlichen Bescheid ersatzlos behoben und nicht gemäß § 64 Abs 1 VStG ein Straferkenntnis bestätigt hat.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. W e i ß

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum