Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230325/13/Kei/Shn

Linz, 18.04.1995

VwSen-230325/13/Kei/Shn Linz, am 18. April 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch seine 1. Kammer unter dem Vorsitz von Dr. Guschlbauer, dem Beisitzer Dr. Wegschaider und dem Berichter Dr. Keinberger über die Berufung der N W, vertreten durch den Rechtsanwalt Dr. H B, A, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz , Zl.St.-4.157/94-B, wegen einer Übertretung des OÖ. Polizeistrafgesetzes (OÖ. PolStG), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 28. März 1995, zu Recht:

I: Der Berufung wird mit der Maßgabe, daß der Schuldspruch des angefochtenen Straferkenntnisses nachstehend berichtigt wird, insoferne Folge gegeben, als anstelle von "durch die Vereinbarung eines entgeltlichen GV mit einem Kunden" die Verwendung zu setzen ist: "durch ein Gespräch mit einem Kunden". Im übrigen wird der Schuldspruch bestätigt. Der Strafausspruch wird behoben und an dessen Stelle die Beschuldigte gemäß § 21 Abs.1 VStG unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit des Verhaltens ermahnt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG) iVm § 24 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG), § 21 Abs.1, § 51 Abs.1 und § 51e VStG.

II: Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

§ 65 und § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis wurde über die Berufungswerberin eine Geldstrafe in der Höhe von 12.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 5 Tagen) verhängt, weil sie "am 15.3.1994 um 00.30 Uhr in L, S Lokal O durch die Vereinbarung eines entgeltlichen GV mit einem Kunden sich in einer solchen Weise verhalten" habe, "die auf die Anbahnung von Beziehungen zur sexuellen Befriedigung zu Erwerbszwecken abzielte".

Dadurch habe sie eine Übertretung des § 2 Abs.3 lit.a OÖ. PolStG begangen, weshalb sie gemäß § 10 Abs.1 lit.b OÖ.

PolStG zu bestrafen gewesen sei.

2. Gegen dieses der Berufungswerberin am 17. Juni 1994 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die Berufung, die am 28. Juni 1994 bei der belangten Behörde eingelangt ist und fristgerecht erhoben wurde.

Die Berufungswerberin bringt im wesentlichen vor:

Die belangte Behörde hätte gegen tragende Pfeiler der österreichischen Rechtsordnung verstoßen - insbesondere gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz auf ein faires Verfahren iSd Art.6 MRK, der ua in § 25 StPO seine einfachgesetzliche Ausgestaltung gefunden habe. Die Berufungswerberin führt weiters aus, wenn man den Konsum alkoholischer Getränke (Bier udgl) des vertraulichen Mitteilers berücksichtige, so müßten die von diesem gemachten Angaben umso weniger glaubhaft erscheinen. Die Berufungswerberin bestreitet, daß sie den vertraulichen Mitteiler zu unzüchtigen Handlungen aufgefordert bzw ermuntert habe und beantragt die Einvernahme des vertraulichen Mitteilers. Sie bestreitet auch, daß sie eine "Anbahnung von Beziehungen zur sexuellen Befriedigung zu Erwerbszwecken" mit dem vertraulichen Mitteiler gesetzt habe. Sie beantragt, daß der Berufung - allenfalls nach Ergänzung der in erster Instanz gepflogenen Verhandlung Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und inhaltlicher Rechtswidrigkeit ersatzlos aufgehoben wird.

3. Da im angefochtenen Bescheid eine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, hatte der unabhängige Verwaltungssenat durch die nach der Geschäftsverteilung zuständige Kammer zu entscheiden (§ 51c VStG).

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat in den Verwaltungsakt der Bundespolizeidirektion Linz vom 1. Juli 1994, Zl.III-St.4.157/94-B, Einsicht genommen und am 28. März 1995 eine öffentliche mündliche Verhandlung gemäß § 51e VStG durchgeführt.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

4.1. Gemäß § 2 Abs.3 lit.a OÖ. PolStG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer sich an einem öffentlichen Ort in einer Weise verhält, die auf die Anbahnung der Prostitution abzielt. Als öffentlicher Ort hat ein solcher zu gelten, der jederzeit von einem nicht von vornherein beschränkten Kreis von Personen betreten werden kann oder im Rahmen seiner Zweckbestimmung allgemein zugänglich ist. Dem Verhalten an einem öffentlichen Ort ist ein Verhalten gleichgestellt, das zwar nicht an einem öffentlichen Ort gesetzt wird, das aber von dort aus wahrgenommen werden kann.

Gemäß § 10 Abs.1 OÖ. PolStG sind Verwaltungsübertretungen gemäß § 1, § 2 Abs.3 und § 3 von der Bezirksverwaltungsbehörde, im Wirkungsbereich einer Bundespolizeidirektion von dieser, bei Übertretungen nach (lit.b) § 2 Abs.3 mit Geldstrafe bis S 200.000, im Falle der Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu sechs Wochen, zu bestrafen.

4.2.1. Die Berufungswerberin führte in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem O.ö. Verwaltungssenat ua aus, daß sie am 7. März 1994 aus Santo Domingo gekommen sei und am 15. März 1994 in der O gearbeitet habe. Weiters daß sie von den Separees in der Bar Gebrauch mache, um mit einem Gast zu sprechen (in deutscher Sprache und auf bescheidenem Niveau, Anmerkung) oder um einen Sekt mit einem Gast zu trinken. Am 15. März 1994 sei sie in der O ua bekleidet gewesen mit einer azurblauen, kurzen Hose und einer schwarzen Bluse. Mit wievielen Gästen sie am Abend des 15. März gesprochen hat und daran, ob es viele waren oder nicht, konnte sich die Berufungswerberin nicht mehr erinnern.

Der vertrauliche Mitteiler führte aus, daß er in der Nacht vom 14. auf den 15. März 1994 das erste und einzige Mal in der O gewesen sei. Er habe sich an der Bar mit einem Mädchen unterhalten, das schulterlange, gekräuselte und dunkle Haare gehabt hätte und eine dunkle Kleidung dunkle Strümpfe, eine schwarze kurze Hose (Short) - getragen habe. Dieses Mädchen habe zu dem Zeugen in deutscher Sprache mit südländischem Akzent gesagt: "Gehen wir in das Separee.

Das kostet ca 3.000 Schilling." Der vertrauliche Mitteiler korrigierte diese Aussage im Hinblick auf den Geldbetrag dahingehend, daß er sich an den genauen Betrag nicht mehr erinnern konnte. Auch von einem Geschlechtsverkehr sei die Rede gewesen. Außer dem vertraulichen Mitteiler seien während der Zeitdauer von ca 15 Minuten, als er sich in der O aufgehalten habe, keine Männer in der Bar gewesen. Der vertrauliche Mitteiler gab auch an, daß er an alkoholischen Getränken einige Stunden vor dem Besuch der Bar ein Bier und während des Besuches der Bar ebenfalls ein Bier getrunken habe.

Die Zeugin E B sagte ua aus, daß die Mädchen von ihr angehalten worden seien, daß sie keinen Geschlechtsverkehr in der Bar ausüben dürfen. Auch hätte sie niemals bemerkt, daß ein solcher in der Bar ausgeführt worden sei. Sie informiere auch die Gäste, daß geschlechtliche Handlungen im Separee verboten seien.

Sie hätte "von einem Wirbel in der Nacht vom 14. auf den 15. März 1994 nichts mitbekommen".

Der Zeuge Gruppeninspektor D P sagte ua aus, daß er selbst nicht in der Bar gewesen sei und daß er den Eingang zu dieser beobachtet habe. Der vertrauliche Mitteiler habe um 00.30 Uhr das Lokal betreten und um ca 00.55 Uhr wieder verlassen. Unmittelbar nachher habe der Zeuge P den vertraulichen Mitteiler angesprochen und sei im Wachzimmer eine Niederschrift mit genauer Personsbeschreibung der Anbahnerin aufgenommen worden. Eine Gegenüberstellung des vertraulichen Mitteilers und der Dame, die dieser beschrieben hat, sei nicht erfolgt. Als der Zeuge P nach Aufnahme der Niederschrift gemeinsam mit Inspektor W in das Lokal gekommen sei, seien drei Mädchen anwesend gewesen. Alle drei hätten eine dunkle Haut- und eine dunkle Haarfarbe gehabt. Eines der Mädchen hätte ein knallrotes Minikleid getragen, die Frau J ein schwarzes Minikleid und die Berufungswerberin ein schwarzes Spitzentop (am oberen Abschluß mit Spitzen) und eine blaue, oberschenkellange, zerfranste Jeanshose. Die Berufungswerberin hätte damals die Haare etwas länger als während der Verhandlung und offen getragen und diese seien nicht gekraust gewesen.

Der Zeuge Revierinspektor C W sagte aus, daß zu der Zeit, als er im Lokal gewesen sei, drei ausländische Damen mit dunkler Hautfarbe und eine Dame, deren Haare blond waren und die wie eine Österreicherin ausgesehen hat, anwesend gewesen seien. Die Berufungswerberin, die im Lokal gewesen sei, habe, soweit er sich noch erinnern konnte, die Haare offen getragen und diese sei ua mit einer Jeanshose, die im Bereich der Oberschenkel abgeschnitten gewesen sei und mit einem dunklen Leibchen mit Spitzen (einem "Strickleiberl") bekleidet gewesen. Die Frau J hätte ein schwarzes Minikleid und eine andere Frau hätte ein rotes Minikleid getragen. Die Beschreibung der einzelnen Frauen durch den vertraulichen Mitteiler ihm gegenüber sei für ihn eindeutig gewesen wie auch die Tatsache, daß die Dame, mit der der vertrauliche Mitteiler gesprochen habe, die bei der Verhandlung anwesend gewesene Berufungswerberin gewesen sei.

4.2.2. Folgender Sachverhalt wurde als erwiesen angenommen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

Die Berufungswerberin befand sich in der Nacht vom 14. auf den 15. März 1994 in der O in L. Sie war ua bekleidet mit einer blauen kurzen Hose und einer schwarzen Bluse bzw Leibchen. Sie hat um ca 00.30 Uhr mit einem vertraulichen Mitteiler an der Bar des Lokales ein Gespräch, das ca 15 Minuten gedauert hat, geführt. Im Zuge dieses Gespräches forderte die Berufungswerberin den vertraulichen Mitteiler auf bzw bot ihm an, daß dieser mit ihr im Separee um einen näher bestimmten Preis einen Geschlechtsverkehr vollziehen solle bzw könne.

Wenn der vertrauliche Mitteiler ausgesagt hat, daß die Frau, mit der er das Gespräch geführt hat, eine schwarze (und nicht eine blaue, Anmerkung) kurze Hose getragen hätte, so dürfte diese Beschreibung auf die inzwischen verstrichene Zeit zurückzuführen sein. Diese Beurteilung gründet sich auf die Tatsachen, daß eine Frau mit einer schwarzen kurzen Hose gar nicht in der Bar anwesend gewesen ist und daß die Beschreibung der Frau, mit der der vertrauliche Mitteiler das Gespräch geführt hat - was die übrigen Merkmale betrifft - auf die Berufungswerberin zutrifft. Die Beschreibung des Aussehens der Berufungswerberin durch den vertraulichen Mitteiler stimmt auch im Hinblick auf die anderen Merkmale mit den Aussagen der übrigen, in der öffentlichen mündlichen Verhandlung einvernommenen, Personen und insbesondere mit der genauen Personsbeschreibung unmittelbar nach der Tat überein. Aus diesen Gründen ist eine Verwechslung dahingehend, daß der vertrauliche Mitteiler mit einer anderen der im Lokal anwesend gewesenen Frauen das Gespräch geführt hat, auszuschließen und erschien auch die Aussage der E B gänzlich unglaubwürdig.

Durch das oa Verhalten hat die Berufungswerberin den objektiven Tatbestand des § 2 Abs.3 lit.a OÖ. PolStG verwirklicht.

Im Hinblick auf die subjektive Tatseite ist festzuhalten, daß ein Verschulden der Berufungswerberin zwar vorliegt, daß dieses aber aus nachfolgenden Gründen geringfügig ist: Die Berufungswerberin ist nach einer längeren Abwesenheit erst ca eine Woche vor der Tat nach Österreich gekommen. Sie war - und ist auch heute noch - der deutschen Sprache nur in sehr beschränktem Umfang mächtig. Die Berufungswerberin hatte zur Tatzeit nur sehr geringe Kenntnis von den einschlägigen nationalen Verwaltungsvorschriften (ein Hinweis darauf ist auch die Tatsache, daß die Berufungswerberin in einschlägiger Hinsicht verwaltungsstrafrechtlich unbescholten war). Die Berufungswerberin befand sich auch in einem (wirtschaftlichen) Abhängigkeitsverhältnis und war Opfer eines Menschenhändlers.

Die Folgen der Übertretung sind unbedeutend, zumal die O einen Traditionspunkt des Linzer Nachtlebens darstellt und Störeffekte gegenüber der Nachbarschaft oder gegenüber "schockierten Gästen" nicht bekannt sind.

Da die beiden in § 21 Abs.1 VStG genannten Voraussetzungen vorliegen, konnte diese Bestimmung angewendet und von der Verhängung einer Strafe abgesehen werden. Um das Bewußtsein der Berufungswerberin im Hinblick auf die Einhaltung von einschlägigen Bestimmungen des OÖ. PolStG zu schärfen, wird der Ausspruch einer Ermahnung als erforderlich erachtet.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Berufungswerberin nach den in Punkt II des Spruches angeführten Rechtsgrundlagen weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem O.ö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Guschlbauer

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