Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230360/2/Wei/Bk

Linz, 22.11.1994

VwSen-230360/2/Wei/Bk Linz, am 22. November 1994 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des Privatanklägers F H, vertreten durch Dr. J P, Rechtsanwalt in M, vom 26.

September 1994 gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 19. September 1994, Zl. Pol 96-18-1994-Gr, betreffend die Einstellung eines Strafverfahrens gegen den Beschuldigten (mitbeteiligte Partei) J W jun. wegen Ehrenkränkung zu Recht erkannt:

Der Berufung wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem oben bezeichneten verfahrensrechtlichen Bescheid vom 19. September 1994 hat die belangte Behörde über den vom Berufungswerber (Bw) eingebrachten Privatanklageantrag vom 28. Dezember 1993 wie folgt entschieden:

"Aufgrund Ihrer Privatanklage vom 28.12.1993 wird gegen Herrn J W jun., M, kein Strafverfahren eingeleitet und die Einstellung dieses Verfahrens verfügt.

Rechtsgrundlage:

§ 45 Abs. 1 Z. 3 VStG 1991" 1.2. Gegen diesen Bescheid, der dem Rechtsvertreter des Bw am 20. September 1994 zugegangen ist, richtet sich die gegenständliche Berufung vom 26. September 1994, die bei der belangten Strafbehörde am 29. September 1994 und damit rechtzeitig einlangte.

2.1. Zur Vorgeschichte ist anzuführen, daß die belangte Behörde bereits mit Bescheid vom 1. Februar 1994 wie folgt entschieden hatte:

"Von der Einleitung des Strafverfahrens wird abgesehen und gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG 1991 die Einstellung verfügt." Die belangte Behörde vertrat rechtsirrig die Auffassung, daß die inkriminierte, vor einer weiteren Person gemachte Äußerung: "Was tut denn dieser Trottel da ?" das Vergehen der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 StGB erfülle und erachtete sich daher im Grunde der Subsidiaritätsklausel des § 1 O.ö. Ehrenkränkungsgesetz (LGBl Nr. 76/1975) für nicht zuständig. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat daher diesen Bescheid ersatzlos aufgehoben und festgestellt, daß die belangte Behörde das Strafverfahren aufgrund der Privatanklage durchzuführen hat.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid verweigert die belangte Behörde neuerlich die Strafverfolgung wegen des Privatanklageantrags und begründet die abermalige Einstellung damit, daß sie bis zur h. Entscheidung vom 24.

Juni 1994 keine Verfolgungshandlung gegen den Täter gesetzt habe, weil sie mit gutem Grund der Rechtsauffassung gewesen sei, es liege ein gerichtlich strafbarer Tatbestand vor. Die Frist für die Verfolgungsverjährung gemäß § 31 Abs 1 VStG endete am 15. Juni 1994 (inkriminierte Äußerung vom 15.

Dezember 1993). Danach hätte wegen eingetretener Verjährung keine Verfolgungshandlung mehr vorgenommen werden können, weshalb die Strafbehörde "bedauerlicherweise von der Einleitung eines Strafverfahrens absehen und die Einstellung dieses Verfahrens" hätte verfügen müssen.

Der Auffassung des Einschreiters, wonach im Privatanklageverfahren durch die Stellung eines Strafantrages eine Verfolgungshandlung gesetzt worden wäre, pflichtete die Strafbehörde nicht bei. Denn § 31 Abs 1 VStG normiere ausdrücklich und unzweifelhaft, daß die Verfolgungshandlung von der Behörde zu setzen ist. Da aber innerhalb der Verjährungsfrist keine sonstige taugliche Verfolgungshandlung erfolgte, sei nunmehr zwingend mit der Einstellung des Verfahrens vorzugehen.

2.2. Die Berufung wendet sich gegen die Ansicht der belangten Strafbehörde, sie hätte zunächst mit gutem Grund ihre Zuständigkeit verneinen können. Der Bw habe schon in der Privatanklage und in seiner Äußerung nach Mitteilung der belangten Behörde vom 13. Jänner 1994 die richtige Rechtsauffassung vertreten, daß die vom § 115 StGB geforderte Publizität nicht vorlag.

Mit Schreiben vom 19. Juli 1994 habe die belangte Behörde mitgeteilt, daß bei neuerlicher Prüfung des Sachverhaltes festgestellt worden wäre, daß Verfolgungsverjährung eingetreten und daher beabsichtigt sei, das Verfahren einzustellen. In der Stellungnahme dazu habe der Bw im wesentlichen an die Bindung an das h. Erkenntnis erinnert und die Fortführung des Verwaltungsstrafverfahrens verlangt.

Ohne darauf einzugehen, habe die belangte Behörde das Verfahren wieder eingestellt. Das dagegen eingebrachte Rechtsmittel diene nicht mehr nur der Durchsetzung des Rechtes auf Durchführung des Verwaltungsstrafverfahrens gegen den Privatangeklagten, sondern auch der Sicherung von Schadenersatzansprüchen. Die Vorgangsweise der Erstbehörde sei unverständlich.

Ungeachtet der Rechtsansicht des Bw, daß es bei Privatanklagedelikten lediglich auf die Rechtzeitigkeit der Privatanklage ankomme, hätte die belangte Behörde in Bindung an die Rechtsansicht des unabhängigen Verwaltungssenates das Verwaltungsstrafverfahren durchführen müssen. Der Auftrag im Erkenntnis vom 20. Juni 1994 sei unmißverständlich. Die Erstbehörde habe übersehen, daß der unabhängige Verwaltungssenat dieses Erkenntnis nach vermeintlichem Eintritt der Verfolgungsverjährung konzipiert und zugestellt habe. Es sei daher klar, daß der unabhängige Verwaltungssenat Kenntnis vom Verstreichen der sechs Monate seit Tatzeitpunkt gehabt hätte. Da dennoch ein Auftrag zur Durchführung des Strafverfahrens ergangen wäre, hätte die belangte Behörde erkennen müssen, daß das Strafverfahren durchzuführen war.

Die Berufung weist darauf hin, daß nicht nur die Erstbehörde an die Rechtsansicht der Oberbehörde, sondern diese selbst im Falle eines zweiten Rechtsganges gebunden sei. Änderungen der Rechtslage oder im Tatsachenbereich seien nicht eingetreten.

2.3. Die belangte Strafbehörde hat mit Schreiben vom 7.

Oktober 1994 die Berufung mit ihrem Verwaltungsstrafakt Zl.

Pol 96-18-1994-Bu zur Berufungsentscheidung vorgelegt und von der Erstattung einer Gegenschrift abgesehen.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsicht in den Verwaltungsstrafakt festgestellt, daß der angefochtene Bescheid bereits nach der Aktenlage aufzuheben ist. Eine öffentliche mündliche Verhandlung war daher entbehrlich.

4. Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Gegenstand der mit h. Erkenntnis vom 20. Juni 1994 getroffenen Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates war ausschließlich die Frage, ob der Einstellungsbescheid der belangten Behörde vom 1. Februar 1994 aus dem angeführten Grunde der mangelnden Zuständigkeit der Verwaltungsstrafbehörde zu Recht ergangen ist. Andere Einstellungsgründe wie etwa die Verfolgungsverjährung waren nicht Thema dieser Berufungsentscheidung. Dies folgt schon daraus, daß die Strafbehörde noch vor der Entscheidung durch den unabhängigen Verwaltungssenat eine ihrer Ansicht nach taugliche Verfolgungshandlung hätte vornehmen können.

Entgegen der Berufungsansicht entstand durch die h.

Entscheidung vom 20. Juni 1994 keine Bindungswirkung für die Frage der Verfolgungsverjährung. Die Feststellung des O.ö.

Verwaltungssenates, daß die belangte Behörde das Strafverfahren aufgrund der Privatanklage durchzuführen hat, war nur in bezug auf die vorentschiedene Frage der Zuständigkeit der Verwaltungsstrafbehörde relevant. Daraus konnte nicht abgeleitet werden, daß der unabhängige Verwaltungssenat auch andere Einstellungsgründe vorentschieden hätte. Die in der Berufung geäußerte Ansicht zur Bindungswirkung des h. Erkenntnisses vom 20. Juni 1994 trifft daher nicht zu. Der neuerliche Einstellungsbescheid der belangten Behörde vom 19. September 1994 war aber aus den im folgenden erörterten Gründen nicht rechtmäßig.

4.2. Gemäß § 56 Abs 1 VStG ist die Verwaltungsübertretung der Ehrenkränkung zu verfolgen, wenn der Verletzte binnen sechs Wochen ab Kenntnis von Tat und Täter bei der zuständigen Behörde einen Strafantrag stellt. Der Privatankläger ist Partei im Sinne des AVG. Gegen die Einstellung des Strafverfahrens steht ihm gemäß § 56 Abs 3 VStG die Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat zu.

Außerdem gilt im Privatanklageverfahren die allgemeine Vorschrift des § 73 AVG über die Entscheidungspflicht, weshalb die unabhängigen Verwaltungssenate im Fall der Säumnis der Strafbehörde mittels Devolutionsantrags angerufen werden können. Diese Möglichkeit garantiert bereits Art 129a Abs 1 Z 4 B-VG.

§ 56 Abs 1 enthält eine Ausnahme vom Grundsatz der amtswegigen Strafverfolgung. In der Kommentarliteratur wird die nicht näher problematisierte Ansicht vertreten, daß neben der subjektiven Frist des § 56 Abs 1 VStG auch die objektiven Verjährungsfristen des § 31 VStG zu beachten seien (vgl Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. A [1990], 1084 Anm 3 zu § 56 VStG; Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze II [1992], 519 Anm 5 zu § 56 VStG). Andererseits wird aber auch betont, daß die Vorschrift des § 56 Abs 1 VStG eine besondere subjektive Verfolgungsverjährungsfrist vorsieht (vgl Hauer/Leukauf, Handbuch, 4. A, 866 Anm 1 zu § 31 VStG; Walter/Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts, 5. A [1991], 349 Rz 872).

Die Aussage, daß die objektiven Verjährungsfristen zu beachten sind, bedeutet jedenfalls, daß nach Ablauf der Frist für die Verfolgungsverjährung trotz denkbarer offener subjektiver Verfolgungsfrist (Fristenlauf beginnt erst ab Kenntnis!) eine Strafverfolgung unzulässig ist. Der Privatankläger muß demnach die sechswöchige subjektive Frist innerhalb der objektiven Verjährungsfrist nutzen. In diesem Sinn ist die subjektive Frist durch die objektive Frist für die Verfolgungsverjährung begrenzt (vgl mwN Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht, 5. A, 362 Rz 905). Daneben sind selbstverständlich auch die Strafbarkeits- und Vollstreckungsverjährung gemäß § 31 Abs 3 VStG zu beachten.

4.3. Im übrigen vertritt der unabhängige Verwaltungssenat die Ansicht, daß gerade im Privatanklageverfahren an das Verfolgungsverhalten der Strafbehörde nur geringe Anforderungen gestellt werden dürfen. Die weitgehende Abhängigkeit des Privatanklägers von der rechtsrichtigen Handhabung des Verfolgungsverhaltens der Strafbehörde widerspräche dem Zweck des Instituts der Privatanklage mit der Möglichkeit im Fall der strafbehördlichen Säumnis einen Devolutionsantrag gemäß § 73 AVG zu stellen. Die Strafbehörde hätte es in der Hand, durch Untätigkeit einen Devolutionsantrag leerlaufen und damit sinnlos erscheinen zu lassen, wenn der unabhängige Verwaltungssenat nach Ablauf der Sechsmonatsfrist des § 32 Abs 2 VStG nur mehr den Eintritt der Verfolgungsverjährung mangels (tauglicher) behördlicher Verfolgungshandlung feststellen dürfte. In diesem Zusammenhang ist beachtlich, daß ein Strafverfahren aufgrund einer Privatanklage im Gegensatz zum herkömmlichen Verwaltungsstrafverfahren kein Inquisitionsverfahren darstellt. Der Privatankläger ist Partei und Träger eines höchstpersönlichen Strafanspruches (vgl Hauer/Leukauf, Handbuch, 4. A, 1086 E 9 zu § 56 VStG). Das Verfahren unterliegt mit Ausnahme der Straffrage (vgl das eingeschränkte Berufungsrecht nach § 56 Abs 3 VStG) seiner Disposition. Er kann gemäß § 56 Abs 2 VStG jederzeit von der Verfolgung zurücktreten. Schon der gesetzlich verwendete Begriff "Privatanklage" zeigt, daß die Verfolgung nicht von der Strafbehörde ausgeht. Vielmehr ist das Prozeßverhalten des Privatanklägers maßgebend. Für eine taugliche Strafverfolgung kommt es auf den Inhalt der Privatanklage an. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Recht gefordert, daß ein Strafantrag nach § 56 Abs 1 VStG den zugrundeliegenden Sachverhalt genau zu umschreiben hat (vgl VwSlg 9443 A/1977), hängt doch davon die Beurteilung der entscheidungswesentlichen Frage des Verfahrensgegenstandes und damit der Identität der Tat ab.

Vor diesem Hintergrund erscheint es richtig, in der Verfahrensregelung des § 56 VStG eine abweichende Sonderregelung zum herkömmlichen Verwaltungsstrafverfahren zu sehen, die entgegen der erstbehördlichen Ansicht gerade nicht darauf abstellt, daß die Strafverfolgung von der Strafbehörde ausgeht. Aus dieser Sicht sind die Vorschriften des § 31 Abs 1 VStG und des § 32 Abs 1 VStG im Privatanklageverfahren nicht unmittelbar, sondern nur modifiziert bezogen auf den Privatankläger anwendbar. Für die Unterbrechung der Verjährung wird man die Anhängigkeit des Strafverfahrens analog dem § 58 Abs 3 Z 2 StGB genügen lassen müssen. Diese beginnt im gerichtlichen Strafverfahren, sobald irgendeine strafgerichtliche Maßnahme oder Verfügung gegen den Täter getroffen wurde (vgl näher Leukauf/Steininger, Kommentar zum StGB, 3. A [1992], Rz 19 ff zu § 58 StGB).

4.4. Selbst wenn man der dargelegten Rechtsansicht nicht folgen will, muß man der Sache nach zumindest anerkennen, daß die strafbehördliche Verfolgungshandlung im Verfahren aufgrund einer Privatanklage nur untergeordnete Bedeutung für die Unterbrechung der Verjährung haben kann. Von den im Offizialverfahren geltenden strengeren Maßstäben werden daher Abstriche zulässig sein.

Gemäß § 32 Abs 2 VStG ist unter einer Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person gerichtete Amtshandlung zu verstehen, und zwar auch dann, wenn die Behörde nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.

Eine grundsätzlich weitgefaßte Begriffsbildung folgt auch aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach alle behördlichen Handlungen als verjährungsunterbrechende Schritte anzusehen sind, die nach Art und Bedeutung die Absicht der Behörde zum Ausdruck bringen (wohl objektiv gemeint: dem Zweck dienen), den gegen eine bestimmte Person wegen einer bestimmten Tat bestehenden Verdacht zu prüfen (vgl Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze II, E 3 und E 21 zu § 32 VStG). Wesentliches Element einer tauglichen Verfolgungshandlung ist weiter, daß die Person des Beschuldigten feststeht und daß die Amtshandlung die Sphäre der Behörde verlassen hat, also nicht bloß ein behördeninterner Vorgang vorliegt (vgl dazu mwN Hauer/Leukauf, Handbuch, 4. A, 880 ff und Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze II, E 20 ff und E 64 ff zu § 32 VStG). Die rechtliche Qualifikation des Tatvorwurfes spielt keine Rolle, wenn nur alle für die Bestrafung wesentlichen Sachverhaltselemente aufscheinen (vgl die Judikaturnachweise bei Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze II, E 56 ff zu § 32 VStG).

Im gegenständlichen Fall hat die belangte Strafbehörde nach ihrer eigenen Einschätzung keine Verfolgungshandlung innerhalb der Verjährungsfrist gesetzt. Von der Vornahme einer solchen hängt aber - wie aus § 32 Abs 1 VStG abgeleitet werden kann - die Einleitung des Strafverfahrens ab (vgl Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht, 5. A, 345 Rz 860). Tatsächlich hat die Strafbehörde aber nicht nur einen Verwaltungsstrafakt angelegt, sondern auch mit dem Privatanklagevertreter in der Sache korrespondiert und ihm mit Schreiben vom 13. Jänner 1994 unter Bezugnahme auf die Privatanklage, die rechtsirrig als Anzeige bezeichnet wird, ihre - wenn auch verfehlte - Rechtsansicht, daß sie wegen Vorliegens einer gerichtlich strafbaren Ehrenbeleidigung nicht zuständig sei, zur Kenntnis gebracht. Obwohl die Behörde nach richtiger Ansicht bereits dadurch ein Verfahren über die Anschuldigung durch den Privatankläger eingeleitet hatte, verweigerte sie die Einleitung des Verfahrens und stellte die "Anzeige" zurück. Daraufhin legte der Privatanklagevertreter mit Schriftsatz vom 17. Jänner 1994 die Privatanklage neuerlich vor und verwies darauf, daß mangels Publizität keine gerichtlich strafbare Handlung vorlag. Die belangte Behörde erließ in weiterer Folge den mit h. Erkenntnis vom 24. Juni 1994 aufgehobenen Bescheid vom 1. Februar 1994, mit dem sie ebenso wie mit dem nunmehr angefochtenen paradoxerweise von der Einleitung eines Strafverfahrens absah und andererseits aber die Einstellung (wovon?; des nicht eingeleiteten Strafverfahrens?) verfügte.

Dazu ist am Rande anzumerken, daß der Einleitungssatz der Vorschrift des § 45 Abs 1 VStG sinnvollerweise so zu verstehen ist, daß sich die Verfügung der Einstellung nur auf den zweiten Fall des Absehens von der Fortsetzung des Strafverfahrens und nicht auch auf den ersten Fall des Absehens von der Einleitung eines Strafverfahrens beziehen kann.

Da den Verwaltungsverfahrensgesetzen ein übertriebener Formalismus fremd ist und überdies Art 6 EMRK die konventionskonforme Interpretation der §§ 31 und 32 VStG im Sinne eines eher materiellen Verständnisses des Strafverfahrens (kein formeller Beschuldigtenbegriff, dh keine förmliche Anschuldigung begrifflich notwendig!) nahelegt, geht der unabhängige Verwaltungssenat bei der gegebenen Sachlage davon aus, daß die belangte Behörde allein durch ihre nach außen in Erscheinung getretene Prüfung der Privatanklage, die einen in bezug auf die wesentlichen Tatbestandsmerkmale des § 1 lit c) O.ö.

Ehrenkränkungsgesetz ausreichend konkretisierten Sachverhalt vorgebracht hat, unabhängig vom erzielten Ergebnis eine ausreichende Verfolgungshandlung vorgenommen hat und daß daher ein erstbehördliches Verwaltungsstrafverfahren anhängig war, das von der Strafbehörde eingestellt worden ist. Diese Betrachtungsweise folgt aus rein objektiven Gesichtspunkten. Die (subjektive) Absicht der belangten Behörde ist ebensowenig maßgeblich wie deren rechtliche Beurteilung, weil andernfalls die objektiv zu beurteilende Frage der Verjährung von den (mitunter verfehlten) Vorstellungen der Strafbehörde abhinge. Nach der Vorschrift des § 32 Abs 2 VStG ist die Kenntnis des Beschuldigten von der Verfolgungshandlung nicht erforderlich.

Es war daher auch aus dieser Sicht spruchgemäß zu entscheiden. Die belangte Behörde hat im fortgesetzten Verfahren das Beweisverfahren durchzuführen und eine Sachentscheidung zu treffen.

5. Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen, weil ein verfahrensrechtlicher Bescheid ersatzlos behoben und kein Straferkenntnis iSd § 64 Abs 1 VStG bestätigt worden ist. Im übrigen gilt § 74 AVG (iVm § 24 VStG), wonach jeder Beteiligte seine Kosten selbst zu tragen hat.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. W e i ß

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