Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230376/2/Wei/Bk

Linz, 07.12.1995

VwSen-230376/2/Wei/Bk Linz, am 7. Dezember 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des F H, geb , vom 28. November 1994 gegen das Straferkenntnis der Bundespolzeidirektion Linz vom 14. November 1994, Zl. St.-12.189/94-B, wegen einer Verwaltungsübertretung nach O.ö. Polizeistrafgesetz - O.ö. PolStG (LGBl Nr. 36/1979 idF LGBl Nr. 94/1985, zuletzt geändert durch LGBl Nr. 30/1995) zu Recht erkannt:

I. Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, daß der Spruch zu lauten hat:

F H ist schuldig, er hat am 4. September 1994 gegen 22.05 Uhr in Linz durch das Verrichten der kleinen Notdurft in der Nähe des Hauses P in Gegenwart von Frau O und von zwei Sicherheitswachebeamten, die sich mit dem Funkwagen während dieser Verrichtung näherten, den öffentlichen Anstand verletzt.

F H hat dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 1 Abs 1 O.ö. PolStG begangen und wird deshalb über ihn nach dem Strafrahmen des § 10 Abs 1 lit a) O.ö. PolStG eine Geldstrafe von S 500,-- und für den Fall der Uneinbringlichkeit gemäß § 16 Abs 1 und 2 VStG eine Ersatzfreiheitsstrafe von 36 Stunden verhängt.

Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG hat er einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens erster Instanz in Höhe von S 50,--, das sind 10 % der verhängten Geldstrafe, zu leisten.

II. Im Berufungsverfahren hat der Berufungswerber als weiteren Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens den Betrag von S 100,--, das sind 20 % der verhängten Geldstrafe, zu bezahlen.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991, § 64 abs 1 und 2 VStG 1991.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis vom 14.

November 1994 hat die belangte Behörde den Berufungswerber (Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"Sie haben am 4.9.1994 um 22.05 Uhr in LINZ, nächst dem Hause P durch Verrichten der kleinen Notdurft den öffentlichen Anstand verletzt." Dadurch erachtete die Strafbehörde § 1 Abs 1 O.ö. PolStG als verletzte Rechtsvorschrift und verhängte gemäß § 10 Abs 1 lit a) O.ö. PolStG eine Geldstrafe von S 500,-- und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 36 Stunden. Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurden S 50,-- vorgeschrieben.

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Bw durch Hinterlegung am 19. November 1994 zugestellt worden war, richtet sich die mündlich bei der belangten Strafbehörde erhobene Berufung vom 28. November 1994.

2. Aus der Aktenlage ergibt sich der nachstehende wesentliche S a c h v e r h a l t:

2.1. Nach der Anzeige vom 4. September 1994 verrichtete der Bw am 4. September 1994 um 22.05 Uhr etwa 200 m vom Lokal Posthof in Linz, Posthofstraße 37, entfernt, wo er eine Veranstaltung besucht hatte, die kleine Notdurft. Die Meldungsleger stellten seine Rechtfertigung sinngemäß wie folgt dar:

"Ich mußte dringend brunzen. Außerdem brunzen die Hunde auch hierher. Bezahlen tue ich deshalb nichts, weil ich akute Blasenbeschwerden habe. Über ihr kleinliches Einschreiten werde ich mich beschweren." In der Folge erging die Strafverfügung vom 9. September 1994, die der Bw am 16. September 1994 durch den unterschriebenen handschriftlichen Vermerk "Ich erhebe Einspruch gegen diese Anzeige" auf der Rückseite der Strafverfügung rechtzeitig beeinspruchte. Da der Bw sehr aufgebracht war, wurde ihm die Möglichkeit eingeräumt, binnen drei Wochen eine schriftliche Stellungnahme zum Akteninhalt zu verfassen.

2.2. In seiner als Einspruch bezeichneten Stellungnahme vom 4. Oktober 1994 bestätigte der Bw, daß er zur angegebenen Tatzeit ca 200 m vom Posthof entfernt, wo er eine Veranstaltung besucht hatte, die kleine Notdurft verrichtete. Falsch sei die Angabe, daß er vor dem Haus Posthofstraße Nr. 37 die Tat begangen hätte. Dies wäre vielmehr mindestens 20 m entfernt auf einer Wiese gewesen.

Das Haus Posthofstraße Nr. 37, das auf eine Länge von 300 bis 400 Metern das einzige Haus in der Posthofstraße sei, wäre auch schon mehrere Monate nicht mehr bewohnt worden.

Als der Bw begann, die kleine Notdurft zu verrichten, wäre kein Mensch zu sehen gewesen außer die Zeugin Frau O.

Dann kam das Polizeiauto und der Bw wäre vom Beamten mit der Dienstnummer aus dem Polizeiauto angeschnauzt worden:

"Im Posthof ist Ihnen das noch nicht eingefallen." Er hätte geantwortet: "Nein, da habe ich noch nichts gespürt." Nach einigen stillen Sekunden hätte man ihm erklärt, daß dies eine Anzeige gäbe und er wäre aufgefordert worden, einen Ausweis vorzuzeigen. Da er zu 70 % invalide sei, wovon seine linke Hand am meisten betroffen ist, wäre das nicht so schnell gegangen und der Polizeibeamte habe ihn angeschnauzt: "Geht das nicht ein wenig schneller ?" Der Bw empfand die Amtshandlung als provokant. Der Polizeibeamte wäre nicht einmal ausgestiegen und er hätte über den Beifahrer mit ihm so beim Fenster hinein reden müssen. Ein ordentlicher Polizist hätte wenigstens die Kappe aufgesetzt, was aber ... nicht nötig gehabt hätte. Der Bw wäre sich wie bei "Kottan ermittelt" vorgekommen.

Die sinngemäße Darstellung seiner Rechtfertigung durch die Meldungsleger wäre falsch. Er hätte nicht einmal die Gelegenheit bekommen, eine Geldstrafe (gemeint: Organmandat) zu zahlen. Falsch wäre auch die Bemerkung über die Hunde. Er habe vielmehr wortwörtlich gesagt: "Hier gehen doch so viele Hundebesitzer mit ihren Tieren, dürfen die das auch nicht ?" Der Bw beschwert sich in seiner Eingabe noch weiter über das Verhalten des Polizeibeamten ... und jenes der Sachbearbeiterin O L, die ihn ebenfalls provokant behandelt hätte.

2.3. Der Strafreferent der belangten Behörde vernahm in der Folge RevInsp. M W am 18. Oktober 1994 als Zeugen. Dieser bekräftigte, daß er und sein Kollege RevInsp.

W im Rahmen des Streifendienstes mit dem Funkwagen angehalten hatten, als der Bw die kleine Notdurft gegenüber dem Haus Posthofstraße Nr. 37 etwa einen Meter vom Fahrbahnrand stehend verrichtete. Der Bw wäre beanstandet worden, hätte sich darüber aber empört gezeigt und in grobem Ton gesagt: "Die Hunde brunzen auch hierher." Die Bezahlung einer Organmandatsstrafe von S 300,-- hätte er verweigert, weshalb ihm eine Anzeige angekündigt worden wäre. Er habe daraufhin noch behauptet, daß er Invalide sei und den Harn nicht halten könne. Er wäre daraufhin belehrt worden, daß die Anzeige eingestellt werden würde, falls er diesbezüglich die Bestätigung eines Urologen beibringen könne.

Über Vorhalt dieser Zeugenaussage gab der Bw am 27. Oktober 1994 an, daß er sich keiner Anstandsverletzung schuldig fühle. Die Möglichkeit einer Organmandatsstrafe von S 300,-wäre ihm nicht angeboten worden. Er beantragte dazu die Einvernahme der Zeugin D O, Eine Bestrafung nehme er nicht zur Kenntnis.

Die Strafbehörde erließ daraufhin das angefochtene Straferkenntnis vom 14. November 1994 und sah von der beantragten Zeugeneinvernahme ab, weil der entscheidungswesentliche Sachverhalt unwidersprochen feststünde und die Frage einer Organmandatsstrafe nicht entscheidungsrelevant wäre.

2.4. In seiner niederschriftlichen Berufung vom 28. November 1994 berief sich der Bw auf seine "ausführlichen Einspruchsangaben vom 4.10.1994". Er hätte auch einen Zeugen angeführt, der noch nicht einvernommen worden wäre.

2.5. Die belangte Behörde hat ihren Verwaltungsstrafakt zur Entscheidung vorgelegt. Eine Gegenschrift wurde nicht erstattet.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten und unter Berücksichtigung des Vorbringens des Bw festgestellt, daß der entscheidungswesentliche Sachverhalt als hinreichend geklärt erscheint.

Der Bw hat keine wesentlichen Punkte bestritten. Die Frage des Organmandates war nicht entscheidungswesentlich. Im übrigen schließt sich der erkennende Verwaltungssenat den schlüssigen Sachverhaltsannahmen der Strafbehörde an. Der Bw konnte durch sein Vorbringen keine Zweifel an der Richtigkeit erwecken. Seine Beschwerde über das angeblich provokante Verhalten des Polizeibeamten und der ORev.

L ist für die Entscheidung in der Sache nicht relevant. Über Aufsichtsbeschwerden hat der Polizeidirektor zu befinden.

4. In der Sache hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Gemäß § 1 Abs 1 O.ö. PolStG begeht außer in den Fällen sonstiger strafbarer Handlungen eine Verwaltungsübertretung, wer den öffentlichen Anstand verletzt.

Als Anstandsverletzung im Sinne des Abs 1 ist nach § 1 Abs 2 O.ö. PolStG jedes Verhalten in der Öffentlichkeit anzusehen, das einen groben Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitte bildet.

In diesem Sinne wird der Tatbestand der Verletzung des öffentlichen Anstandes nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erfüllt, wenn ein Verhalten mit den allgemeinen Grundsätzen der Schicklichkeit nicht im Einklang steht und einen groben Verstoß gegen die Pflichten darstellt, die jedermann in der Öffentlichkeit zu beachten hat. Zur Beurteilung der Verhaltensformen, die beim Heraustreten aus dem Privatleben zu beachten sind, ist ein objektiver Maßstab anzulegen. Für die Publizität genügt es, wenn die Anstandsverletzung in einer Weise begangen wird, daß die konkrete Möglichkeit der Kenntnisnahme über den Kreis der Beteiligten hinaus gegeben ist, wobei Zeugen - zu denen auch Sicherheitswachebeamte zählen - nicht als Beteiligte anzusehen sind (vgl VwSlg 11.472 A/1984; VwGH 30.4.1992, 90/10/0039).

Das öffentliche Verrichten der kleinen Notdurft in Gegenwart von Zeugen widerspricht grundsätzlich den Umgangsformen gesitteter Menschen und ist daher geeignet, den Tatbestand einer Anstandsverletzung zu erfüllen (vgl VwGH 22.3.1991, 89/10/0207; VwGH 30.4.1992, 90/10/0039).

4.2. Der Bw bestritt nicht, daß er zur angegebenen Tatzeit nach dem Besuch einer Veranstaltung im Posthof etwa 200 m vom Veranstaltungsort entfernt die kleine Notdurft in der Nähe des Hauses Posthofstraße 37 in Gegenwart der Frau D O, die er als Zeugin des Vorfalles bezeichnete, und der beiden einschreitenden Sicherheitswachebeamten, die sich mit dem Funkwagen anläßlich ihres Streifendienstes näherten und den Bw bei seinem "Geschäft" beobachten konnten, verrichtet hatte.

Medizinische Gründe, die dieses Verhalten entschuldigen könnten, sind der Aktenlage nicht zu entnehmen.

Der oben dargestellte Tatbestand der öffentlichen Anstandsverletzung ist damit schon nach der eigenen Einlassung des Bw erwiesen. Die beantragte Einvernahme der Zeugin Obermayr hat die belangte Strafbehörde mit Recht unterlassen, weil es keine Rolle spielt, ob der Bw Gelegenheit hatte, eine Organmandatsstrafe zu bezahlen oder nicht. Der Beschuldigte hat keinen Rechtsanspruch darauf, daß seine Verwaltungsübertretung mit Organstrafverfügung nach den Bestimmungen des § 50 VStG geahndet wird (vgl mit Judikaturnachweisen Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts, 4. A [1990], 1012 Anm 3 zu § 50 VStG). Ebensowenig vermag das vom Bw kritisierte Verhalten der Sicherheitswachebeamten an seiner Verwaltungsübertretung etwas zu ändern. Die Neuformulierung des Schuldspruches diente nur der besseren Spezifizierung des Tatverhaltens.

4.3. Bei der Strafbemessung war entsprechend den Angaben des Bw von einem monatlichen Nettoeinkommen von S 9.000,-- und der Sorgepflicht für ein Kind auszugehen. Weder erschwerende noch mildernde Umstände lagen vor. Die von der Strafbehörde verhängte Geldstrafe von S 500,-- entspricht 10 % des anzuwendenden Strafrahmens gemäß § 10 Abs 1 lit a) O.ö.

PolStG. Sie ist auch nach Ansicht des erkennenden Verwaltungssenates dem Verschulden und den persönlichen Verhältnissen des Bw angemessen und war schon im Hinblick auf die uneinsichtige Einlassung des Bw unbedingt erforderlich, um ihn in Hinkunft vor weiteren Anstandsverletzungen abzuhalten. Mit seinem sinngemäßen Einwand, daß auch Hundebesitzer im Bereich des Tatortes ihren Hunden die kleine Notdurft verrichten lassen, verkennt der Bw, daß sozialethische Grundsätze der Schicklichkeit nur für Menschen, nicht aber für Hunde gelten. An das triebhafte Verhalten von Tieren können keine menschlichen Maßstäbe angelegt werden. Hundebesitzer sind freilich verpflichtet, ihre Hunde soweit zu beaufsichtigen, daß unzumutbare Belästigungen vermieden werden.

Die gemäß § 16 Abs 1 und 2 VStG für den Fall der Uneinbringlichkeit festgesetzte Ersatzfreiheitsstrafe von 36 Stunden entspricht 12 % des gegebenen Ersatzfreiheitsstrafrahmens von bis zu 2 Wochen. Sie ist damit nur unwesentlich höher und begegnet keinen Bedenken, weil sie im Rahmen der Schuld gut vertretbar erscheint und bei ihrer Bemessung die nicht so günstigen persönlichen Verhältnisse des Bw außer Betracht zu bleiben haben.

5. Bei diesem Ergebnis war dem Bw gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG im Berufungsverfahren ein weiterer Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens in Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafe aufzuerlegen.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. W e i ß

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