Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230377/17/Kei/Shn

Linz, 23.02.1996

VwSen-230377/17/Kei/Shn Linz, am 23. Februar 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Michael Keinberger über die Berufung des Günther W, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Vöcklabruck vom 11. Oktober 1994, Zl.Sich96/1264/1993/Ti, wegen einer Übertretung des O.ö.

Polizeistrafgesetzes (O.ö. PolStG), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 9. Jänner 1996 und mündlicher Verkündung der Entscheidung am 14. Februar 1996, zu Recht erkannt:

I: Der Berufung wird mit der Maßgabe, daß der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses nachstehend berichtigt wird, im Hinblick auf die Schuld keine Folge gegeben. Im Hinblick auf die Strafe wird ihr insoferne teilweise Folge gegeben, als die Geldstrafe auf 500 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 33 Stunden herabgesetzt wird.

Die als erwiesen angenommene Tat hat zu lauten:

"Sie haben am 10. Juni 1993 um ca 19.30 Uhr in S in einer Halle des Hauses L gemeinsam mit Georg S den Hinterteil (Analbereich) entblößt, den Körper dabei nach vorne gebeugt und die Rückseite des Körpers den Personen Mag. Karl H, Anna H und Heinz Karl H, die sich in der Nähe befunden haben, zugewandt und den öffentlichen Anstand verletzt. Bei diesem Vorfall befanden sich Brita B und Ruth K in der Halle." Die Strafsanktionsnorm hat zu lauten:

"§ 10 Abs.1 lit.a O.ö. Polizeistrafgesetz".

Rechtsgundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) iVm § 24 Verwaltungsstrafgesetz (VStG), § 51 Abs.1 und § 51e VStG.

II: Der Berufungswerber hat als Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens 10 % der verhängten Strafe, ds 50 S, binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu leisten. Die Vorschreibung eines Beitrages zu den Kosten des Verfahrens vor dem O.ö. Verwaltungssenat hatte hingegen zu entfallen.

Rechtsgrundlage:

§ 64 Abs.1 und 2 und § 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber (Bw) eine Geldstrafe von 800 S (Ersatzfreiheitsstrafe 36 Stunden) verhängt, weil er "am 10.6.1993, gegen 19.30 Uhr in S, L, den öffentlichen Anstand verletzt und damit gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitten verstossen" habe, indem er "im Tor des Hauses L durch Hinunterziehen seiner Hose in vorgebeugter Haltung seinen Anal- und Genitalbereich" entblößt habe, "wodurch Personen in seiner Nachbarschaft belästigt" worden seien. Dadurch habe er eine Übertretung des § 1 Abs.1 O.ö. PolStG begangen, weshalb er gemäß § 1 Abs.1 O.ö. PolStG zu bestrafen gewesen sei.

2. Gegen dieses dem Bw am 9. November 1994 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die Berufung, die am 23. November 1994 der Post zur Beförderung übergeben und fristgerecht erhoben wurde.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 1. Dezember 1994, Sich96-1264-1993+1, Einsicht genommen und am 9. Jänner 1996 eine öffentliche mündliche Verhandlung gemäß § 51e VStG durchgeführt.

Folgender Sachverhalt wurde als erwiesen angenommen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

Am 10. Juni 1993 um ca 19.30 Uhr befanden sich in S in einer Halle, die zum Haus L gehörte und deren Tor geöffnet war, der Bw, Günther W, Brita B und Ruth K. Von einem Fenster im 1. Stock des Hauses L, das sich in der Nähe der Halle befunden hat, sahen Mag. Karl H, dessen Frau Anna H und der Sohn der beiden, Heinz Karl H, heraus. Die Entfernung von S und W zu den Angehörigen der Familie H betrug - eine Sichtverbindung lag vor - ca 25-30 Meter. Im Bewußtsein, daß jemand von der Familie H sich beim Fenster befunden und aus diesem geblickt hat, entfernten S und W die Kleidung vom Hinterteil (Analbereich) und entblößten diesen. Die beiden Personen waren dabei nach vorne gebeugt, befanden sich etwa nebeneinander und hatten die Rückseite des Körpers den Angehörigen der Familie Hermann zugewandt.

4. In der Sache selbst hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

4.1. Gemäß § 1 Abs.1 O.ö. PolStG begeht, wer den öffentlichen Anstand verletzt, außer in den Fällen einer sonst mit Verwaltungsstrafe oder einer mit gerichtlicher Strafe bedrohten Handlung, eine Verwaltungsübertretung.

Gemäß § 1 Abs.2 O.ö. PolStG ist als Anstandsverletzung im Sinne des Abs.1 jedes Verhalten in der Öffentlichkeit anzusehen, das einen groben Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitte bildet.

Gemäß § 10 Abs.1 O.ö. PolStG sind Verwaltungsübertretungen gemäß (ua) § 1 von der Bezirksverwaltungsbehörde, im Wirkungsbereich einer Bundespolizeidirektion von dieser, mit Geldstrafe bis 5.000 S zu bestrafen.

4.2. Der in Punkt 3 angeführte Sachverhalt wurde als erwiesen angenommen auf Grund der in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem O.ö. Verwaltungssenat getätigten Aussagen des Bw und der Personen Georg S, Mag.

Karl H, Anna H, Heinz-Karl H und Brita B. Der Tatbestand der Verletzung des öffentlichen Anstandes wird nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erfüllt, wenn ein Verhalten mit den allgemeinen Grundsätzen der Schicklichkeit nicht im Einklang steht und einen groben Verstoß gegen die Pflichten darstellt, die jedermann in der Öffentlichkeit zu beachten hat. Zur Beurteilung der Verhaltensformen, die beim Heraustreten aus dem Privatleben zu beachten sind, ist ein objektiver Maßstab anzulegen. Für die Publizität genügt es, wenn die Anstandsverletzung in einer Weise begangen wird, daß die konkrete Möglichkeit der Kenntnisnahme über den Kreis der Beteiligten hinaus gegeben ist, wobei Zeugen nicht als Beteiligte anzusehen sind. Das in Punkt 3 angeführte Verhalten des Bw bildet einen groben Verstoß gegen die allgemein anerkannten Grundsätze der guten Sitten. Der objektive Tatbestand der Übertretung des § 1 Abs.1 O.ö. PolStG wurde durch das Verhalten des Bw verwirklicht.

Zur subjektiven Tatseite ist festzuhalten: Dem Bw war zur Zeit bevor und während er den Hinterteil entblößt hat bewußt, daß sich jemand von der Familie H beim Fenster befunden hat und dieses Verhalten wahrnehmen konnte. Dies ergibt sich ua daraus, daß der Bw und Georg S gleichzeitig das Verhalten gesetzt haben und auch aus der Aussage des Bw in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem O.ö.

Verwaltungssenat. Das Verschulden des Bw wird vor diesem Hintergrund als bedingter Vorsatz qualifiziert. In diesem Zusammenhang wird auf die Ausführungen über die Wissens- und Wollenskomponente des Vorsatzes in Diethelm Kienapfel, "Grundriß des österreichischen Strafrechts. Allgemeiner Teil" (5. Auflage, Manzsche Verlags- und Universitätsbuchhandlung, Wien 1994, S 82-84) hingewiesen.

Das Verschulden ist nicht geringfügig iSd § 21 Abs.1 VStG.

Zur Strafbemessung:

Im Hinblick auf die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse wurde davon ausgegangen, daß der Bw ein monatliches Einkommen von 7.800 S (Pension) bezieht und kein Vermögen und keine Sorgepflichten hat. Mildernd wurde - im Unterschied zur Beurteilung durch die belangte Behörde - die Unbescholtenheit des Bw gewertet (§ 34 Z2 StGB iVm § 19 Abs.2 VStG). Dieser Milderungsgrund wird als gewichtig gewertet. Erschwerungsgründe sind nicht zutage getreten. Die durch den O.ö. Verwaltungssenat vorgenommene Berichtigung des Spruches des angefochtenen Straferkenntnisses im Hinblick auf einen nicht entblößten bzw nicht sichtbar gewesenen Bereich des Körpers (Genitalbereich) hat die Konsequenz, daß der Unrechtsgehalt der Tat geringer ist als dieser durch die belangte Behörde bewertet wurde. Dem Verwaltungsakt ist nichts dahingehend zu entnehmen und es ist auch im Verfahren vor dem O.ö. Verwaltungssenat nichts dahingehend hervorgekommen, daß es geboten wäre, den Aspekt der Spezialprävention zu berücksichtigen. Die Höhe der Strafe beträgt ein Zehntel der Obergrenze der gesetzlich normierten Strafe und ist insgesamt - auch unter Berücksichtigung des Ausmaßes des Verschuldens (siehe die oben getätigten Ausführungen) - angemessen.

4.3. Aus den angeführten Gründen war der Berufung gemäß § 24 VStG iVm § 66 Abs.4 AVG hinsichtlich der Schuld keine Folge und ihr hinsichtlich der Strafe teilweise Folge zu geben.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bw gemäß § 64 Abs.1 und 2 VStG ein Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens in der Höhe von 10 % der verhängten Strafe, ds 50 S, vorzuschreiben. Da der Berufung teilweise Folge gegeben wurde, sind für das Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat keine Kosten zu leisten (§ 65 VStG).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Beilage Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Keinberger

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