Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230395/3/Kei/Bk

Linz, 07.03.1996

VwSen-230395/3/Kei/Bk Linz, am 7. März 1996 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine 1. Kammer (Vorsitzender Dr. Guschlbauer, Berichter Dr. Keinberger, Beisitzer Dr. Wegschaider) über die Berufung der Karoline Barbara S, vom 27. Dezember 1994 gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Perg vom 12. Dezember 1994, Zl. Pol 96-64-1994-KG/BG, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem § 2 Abs 3 lit c) O.ö.

Polizeistrafgesetz - O.ö. PolStG (LGBl Nr. 36/1979 idF LGBl Nr. 94/1985), zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

II. Die Berufungswerberin hat keine Beiträge zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 AVG 1991 iVm § 24 VStG 1991, § 66 Abs 1 VStG 1991.

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis vom 12. Dezember 1994 hat die belangte Behörde die Berufungswerberin wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"Sie üben entsprechend der Anzeige des Herrn N zufolge seit mindestens 4.7.1994 in Ihrer im Obergeschoß des Hauses gelegenen Wohnung die Prostitution aus, obwohl dies aufgrund der Wohnungssituation in diesem Haus verboten ist." Durch die so angelastete Tat erachtete die Strafbehörde den § 2 Abs 3 lit c) O.ö. PolStG als verletzte Rechtsvorschrift und verhängte wegen dieser Verwaltungsübertretung nach dem Strafrahmen "gemäß § 10 Abs. 1 lit. d O.ö.

Polizeistrafgesetz 1979" (richtig: § 10 Abs 1 lit b O.ö.

PolStG) eine Geldstrafe von S 15.000,-- und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 240 Stunden. Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurden S 1.500,-- vorgeschrieben.

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das der Berufungswerberin am 13. Dezember 1994 persönlich zugestellt worden ist, richtet sich die vorliegende, durch ihren Rechtsvertreter am 27. Dezember 1994 - und damit rechtzeitig - zur Post gegebene Berufung vom 27. Dezember 1994, mit der unrichtige Sachverhaltsfeststellung, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht, die Aufhebung des Straferkenntnisses und die Einstellung des Strafverfahrens beantragt wird.

2. Aus der Aktenlage ergibt sich folgender Sachverhalt:

2.1. Aufgrund einer bekanntgewordenen Prostitutionsanzeige der "Jungspatzen" in der Zeitschrift "S.O.Z. Österreichisches Männermagazin, Ausgabe 6/1994 (vgl Gendarmerieanzeige, Beilagen 2 und 3) betreffend das Haus forderte die Gemeinde L als Eigentümer des Hauses zur Anzeige gemäß § 2 Abs 1 O.ö. PolStG gegenüber der Gemeinde auf. Mit Schreiben vom 4. Juli 1994 teilte dieser mit, daß er beabsichtige, in seinem Wohnhaus zwei Wohnräume für Zwecke der Prostitution zur Verfügung zu stellen. Der Ordnung halber stellte er klar, daß die Wohnräume bereits seit 1. Juni 1994 für den genannten Zweck beigestellt werden.

Der Gendarmerieposten St. Georgen an der Gusen erstattete die Strafanzeige vom 18. Juli 1994 gegen E wegen des Verdachts der Übertretung des § 2 Abs 1 O.ö. PolStG an die belangte Behörde. In der Anzeige wird ausgeführt, daß Edmund N der Berufungswerberin seit Anfang Juni 1994 eine Wohnung im Obergeschoß seines Hauses, zum Zwecke der Prostitutionsausübung zur Verfügung stellte, ohne die Anzeige iSd § 2 Abs 1 O.ö. PolStG zu erstatten. Die Berufungswerberin habe die Prostitution nach ihren eigenen Angaben seit Juni 1994 ausgeübt. Das Erdgeschoß war an das Ehepaar Eduard und Sonja S vermietet, die laut Melderegister des Gemeindeamts einen Zweitwohnsitz gemeldet hatten (vgl Beilage 1 zur Anzeige der Gendarmerie). Nach Angaben des Edmund N gegenüber der Gendarmerie hatte dieser die zweite Wohnung im Obergeschoß an Elisabeth Ulrike F vermietet, die die Prostitution in Linz ausübte und die Wohnung angeblich nur für Wohnzwecke benutzte. Edmund N gab an, daß die Berufungswerberin die Prostitution auf eigene Rechnung und Gefahr ausübte und er nur Einnahmen aus der Vermietung hätte. Von der Meldepflicht an die Gemeinde hätte er nicht gewußt.

Die Berufungswerberin habe die Prostitutionsausübung zugegeben und zwei Inserate aufgegeben. Entgegen dem oben angeführten Inserat übte Elisabeth Ulrike F die Prostitution nicht in L aus, da es sich anders ergeben hätte. Die Berufungswerberin wäre am 29. Juni 1994 vom Amtsarzt in Perg auf Geschlechtskrankheiten und Aids untersucht worden und hätte einen Ausweis bekommen, womit alles legal wäre.

2.2. Die belangte Behörde lastete in der Folge der Berufungswerberin mit Ladungsbescheid vom 4. August 1994 die nicht erfolgte Anzeige der Prostitution mindestens zwei Monate vor deren Aufnahme an (vgl § 2 Abs 3 lit d) iVm § 2 Abs 1 O.ö. PolStG). Bei ihrer niederschriftlichen Vernehmung am 17. August 1994 verantwortete sich die Berufungswerberin zur unterlassenen Meldung der Prostitutionsaufnahme durch sie geständig.

Die belangte Behörde erteilte dann mit Schreiben vom 4. Oktober 1994 der Gendarmerie einen Erhebungsauftrag wegen des Verdachts der verbotenen Prostitution nach § 2 Abs 3 lit c) O.ö. PolStG. Der Gendarmerieposten berichtete am 24. Oktober 1994 unter Vorlage einer Kopie des Hausplanes, daß im Hause L insgesamt 3 Wohnungen baurechtlich genehmigt waren. Die Ehegatten S wären mittlerweile ausgezogen und hätten sich am 25. August 1994 beim Gemeindeamt abgemeldet.

Die Wohnung im Erdgeschoß benutzte nunmehr F. Die zweite Wohnung im Obergeschoß stünde leer. Die Prostitution werde nur von der Berufungswerberin ausgeübt.

Mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 4. November 1994 legte die belangte Strafbehörde der Berufungswerberin wie auch im Straferkenntnis die Verwaltungsübertretung des § 2 Abs 3 lit c) O.ö. PolStG zur Last, weil sie entsprechend der Anzeige des Herrn N zufolge seit mindestens 4. Juli 1994 in ihrer im Obergeschoß des Hauses gelegenen Wohnung die Prostitution ausgeübt hätte, obwohl dies aufgrund der Wohnungssituation in diesem Haus verboten wäre. In der Folge erging das angefochtene Straferkenntnis vom 12. Dezember 1994, ohne daß weitere strafbehördliche Einvernahmen stattfanden.

2.3. Die Berufung rügt zunächst, daß sich aus dem Beweisverfahren zum angenommenen Tatzeitpunkt 4. Juli 1994 keinerlei Hinweise für eine Prostitutionsausübung der Berufungswerberin fänden. Deshalb fehlte die Identität der Tat. Die belangte Behörde hätte auch rechtsirrtümlich ein unbefristetes Dauerdelikt ohne Endtermin angenommen.

In der Sache bringt die Berufungswerberin vor, daß die Ehegatten S, nur ihren Zweitwohnsitz hatten und daß zum Tatzeitpunkt 4. Juli 1994 das Bestandverhältnis zwischen Edmund N und den Ehegatten S bereits mit Wirkung vom 30.

Juni 1994 aufgelöst war. Edmund N hätte ihnen lediglich die Räumung der Wohnung bis 31. Juli 1994 gestattet. Zum Beweis für dieses Vorbringen wird die Ausforschung und zeugenschaftliche Einvernahme der Ehegatten S beantragt.

Auch Elisabeth F wäre im Tatzeitpunkt 4. Juli 1994 bereits im Besitz einer "Genehmigung nach dem Geschlechtskrankheiten- und Aidsgesetz" der Bezirkshauptmannschaft Perg gewesen, was der Strafbehörde von Amts wegen hätte bekannt sein müssen. Zum Beweis dafür beantragt die Berufungswerberin die Einvernahme dieser Prostituierten als Zeugin und die Beischaffung des entsprechenden Aktes.

Die belangte Behörde habe das für die getroffenen Feststellungen erforderliche Beweisverfahren nicht durchgeführt und damit gegen die Grundsätze der amtswegigen Wahrheitserforschung und der Anleitungspflicht verstoßen.

Unter dem Aspekt der unrichtigen rechtlichen Beurteilung rügt die Berufung, daß es sich beim § 2 Abs 3 lit c) O.ö.

PolStG nicht um ein Dauerdelikt handelte. Aber selbst unter dieser Annahme läge die Identität der Tat nicht vor, weil aus dem Beweisverfahren und den getroffenen Feststellungen nicht hervorginge, wann ein bestimmter Erfolg herbeigeführt und ob oder wie lange ein bestimmter Erfolg bestanden hätte.

Es lägen keine Feststellungen vor, die unter § 2 Abs 3 lit c) O.ö. PolStG subsumiert werden könnten. Die Strafbehörde wäre in dubio pro reo zur Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens verpflichtet gewesen.

2.4. Die belangte Behörde hat die Berufung mit ihrem Verwaltungsstrafakt zur Berufungsentscheidung vorgelegt.

Eine Gegenschrift wurde nicht erstattet.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat hat nach Einsicht in die vorgelegten Verwaltungsakten und in das Erkenntnis des O.ö.

Verwaltungssenates vom 23. Jänner 1996, VwSen-230396/3/Wei/Bk, und unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens festgestellt, daß das angefochtene Straferkenntnis bereits nach der Aktenlage aufzuheben ist.

Die belangte Behörde hat kein ausreichendes Ermittlungsverfahren durchgeführt. Sie hat es vermutlich auch im Hinblick auf rechtsirrtümliche Vorstellungen unterlassen, alle Mieter des Hauses zur Sache einzuvernehmen. Ein ordentliches Ermittlungsverfahren besteht nicht allein in einer Aufforderung zur Rechtfertigung mit Tatanlastung. Die Strafbehörde durfte nicht von erforderlichen weiteren Beweisaufnahmen Abstand nehmen und einfach zu Lasten der Berufungswerberin Sachverhaltsfeststellungen treffen. Eine solche Vorgangsweise verstößt gegen die Unschuldsvermutung ebenso wie gegen den Grundsatz der amtswegigen Wahrheitserforschung.

Die Sachverhaltsdarstellung der Berufung erscheint der erkennenden Kammer plausibel. Die Berufungswerberin hat unwiderlegt vorgebracht, daß die Ehegatten S die Wohnung im Erdgeschoß zum angelasteten Tatzeitpunkt nicht mehr benutzten, weil das Mietverhältnis bereits Ende Juni 1994 aufgelöst war. Die belangte Behörde ist dem in keiner Weise entgegengetreten. Außerdem hat die Berufungswerberin durchaus im Einklang mit der Aktenlage darauf hingewiesen, daß Elisabeth F die Prostitution ausübt. Der unabhängige Verwaltungssenat folgt auch dem sinngemäßen Berufungsvorbringen, wonach sie sich den vorgeschriebenen Untersuchungen nach dem Geschlechtskrankheiten- und Aidsgesetz unterzogen hatte.

4. In rechtlicher Hinsicht hat der unabhängige Verwaltungssenat erwogen:

4.1. Gemäß § 2 Abs 3 lit c) O.ö. PolStG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist nach § 10 Abs 1 lit b) O.ö.

PolStG mit Geldstrafe bis S 200.000,-- und im Fall der Uneinbringlichkeit mit Arrest bis zu sechs Wochen zu bestrafen, wer in Gebäuden mit mehr als einer Wohnung oder in Gebäuden, in denen ein Gastgewerbe oder die Privatzimmervermietung ausgeübt wird, eine Wohnung, Teile einer Wohnung oder sonstige Räumlichkeiten oder wer einen Wohnwagen oder andere Bauten auf Rädern oder Wasserfahrzeuge und dgl. für Zwecke der Anbahnung oder Ausübung der Prostitution nutzt oder zur Verfügung stellt oder als Verfügungsberechtigter diese Verwendung gestattet oder duldet.

In der authentischen Interpretationsrichtlinie des 2. Satzes des § 2 Abs 3 lit c) O.ö. PolStG stellt der oberösterreichische Landesgesetzgeber klar, daß keine Verwaltungsübertretung vorliegt, wenn und solange die Prostitution in Gebäuden ausgeübt oder angebahnt wird, die ausschließlich von Personen bewohnt oder benützt werden, die die Prostitution ausüben. Nach dem erkennbaren Zweck des gegenständlichen Straftatbestandes, soll die Prostitution in Gebäuden verboten sein, wenn ein nicht der Prostitution zugehöriger Personenkreis durch ihre Ausübung betroffen und belästigt wäre. Damit kommt es für den Straftatbestand der verbotenen Prostitution entscheidend auf die tatsächlichen Benutzungsverhältnisse vor Ort im Tatzeitpunkt an.

4.2. Die Strafbehörde hat die Ausübung der Prostitution "seit mindestens 4. Juli 1994" angelastet, obwohl die Prostitution aufgrund der Wohnungssituation im Hause verboten wäre. Damit hat die belangte Behörde eine bloß allgemeine, die konkreten Umstände nicht berücksichtigende Fassung des Spruches vorgenommen. Eine unzureichende Konkretisierung iSd § 44a Z1 VStG liegt bereits im unbestimmten Verweis auf die "Wohnungssituation" im gegenständlichen Haus. Auch eine tatsächliche Anbahnung oder Ausübung der Prostitution hat die belangte Behörde nicht festgestellt. Es gibt dafür auch keine vorfallsbezogenen aktenkundigen Anhaltspunkte.

Abgesehen davon ist die Berufung nach Ansicht der erkennenden Kammer im Recht, wenn sie in bezug auf den 2. Satz des § 2 Abs 3 lit c) O.ö. PolStG vorbringt, daß auch dann keine Verwaltungsübertretung vorliegt, wenn jene Personen, die die Prostitution ausüben, dies nicht im gleichen Gebäude tun. Nach dem Gesetzeswortlaut kommt es nur darauf an, daß ausschließlich Prostituierte das Gebäude bewohnen oder benutzen, unabhängig davon, wo sie ihr Gewerbe ausüben. Nach dem Zweck der Norm bedarf es nur des Schutzes prostitutionsfremder Personen. Auch wenn Edmund N als Vermieter eine der drei Wohnungen selbst benutzte, kann § 2 Abs 3 lit c) O.ö. PolStG nicht verletzt sein, zumal die Strafbestimmung nicht den Sinn haben kann, den Hauseigentümer, der Wohnungen an Prostituierte vermietet, vor sich selbst zu schützen.

Im vorliegenden Fall folgt der unabhängige Verwaltungssenat der unwiderlegten und durchaus glaubhaften Darstellung der Berufungswerberin, die sich auch sonst im bisherigen Strafverfahren offenbar wahrheitsgemäß verantwortete, daß die nicht die Prostitution ausübenden Ehegatten S ab Juli 1994 die Wohnung im Erdgeschoß nicht mehr benutzten. Sie konnten daher von einer allfälligen Ausübung der Prostitution im angelasteten Zeitpunkt nicht mehr betroffen sein. Daß ihnen Edmund N nach Beendigung des Mietverhältnisses noch einen gewissen Zeitraum gewährt hatte, die Wohnung von ihren Fahrnissen zu räumen, vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern. Ob die Prostituierte Elisabeth ihr Gewerbe im Haus - worauf die Prostitutionsanzeige im "S.O.Z.- Österreichisches Männermagazin, Ausgabe 6/1994, hindeutete - oder in Linz oder an beiden Orten ausübte, macht für die rechtliche Beurteilung keinen Unterschied. Sie gehört jedenfalls nicht zu dem Personenkreis, dessen Schutz das Verbot der Prostitution nach § 2 Abs 3 lit c) O.ö. PolStG dient.

Schon aus diesen Gründen war das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen. Auf weitere Ausführungen der Berufung brauchte nicht mehr eingegangen werden.

5. Bei diesem Ergebnis entfällt gemäß § 66 Abs 1 VStG die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Beilagen Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Guschlbauer

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