Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230397/5/Kei/Km

Linz, 08.03.1995

VwSen-230397/5/Kei/Km Linz, am 8. März 1995 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Michael Keinberger über die Berufung der Alberie R, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Freistadt vom 16. Dezember 1994, Zl.

Sich96-322-1994/Pil/Mo, wegen einer Übertretung des Fremdengesetzes (FrG), zu Recht:

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG) iVm § 24 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG), § 45 Abs.1 Z2 und § 51 VStG.

II. Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde sowie zu den Kosten des Verfahrens vor dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis wurde über die Berufungswerberin eine Geldstrafe von 2.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe 4 Tagen) verhängt, weil sie "seit 13.9.1994 unrechtmäßig im Bundesgebiet der Republik Österreich aufhältig" sei, "zumal ihre vormalige Aufenthaltsbewilligung (Touristensichtvermerk) bereits am 12.9.1994 abgelaufen" sei. "Obwohl sie seither nicht im Besitz einer gültigen Aufenthaltsbewilligung" sei, sei "sie ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen". Dadurch habe sie eine Übertretung des § 15 Abs.1 Z2 FrG begangen, weshalb sie gemäß § 82 Abs.1 Z4 FrG zu bestrafen gewesen sei.

2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die fristgerecht erhobene Berufung.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 17. Jänner 1995, Zl.Sich96-322-1994/Pil/Pz, Einsicht genommen.

4. In der Sache selbst hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

4.1. Gemäß § 15 Abs.1 FrG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn (Z2) ihnen eine Bewilligung gemäß § 1 des Aufenthaltsgesetzes oder von einer Sicherheitsbehörde ein Sichtvermerk erteilt wurde.

Gemäß § 82 Abs.1 Z4 FrG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 10.000 S zu bestrafen, wer sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (§ 15). Als Tatort gilt der Ort der Betretung oder des letzten bekannten Aufenthaltes.

Gemäß § 6 VStG ist eine Tat nicht strafbar, wenn sie durch Notstand entschuldigt oder, obgleich sie dem Tatbestand einer Verwaltungsübertretung entspricht, vom Gesetz geboten oder erlaubt ist.

4.2. Der objektive Tatbestand des § 82 Abs.1 Z4 iVm § 15 Abs.1 Z2 FrG liegt - wie durch die belangte Behörde beurteilt wurde (und wie auch die Berufungswerberin in der Stellungnahme und Rechtfertigung vom 12. Dezember 1994 implizit zum Ausdruck gebracht hat) - vor. Im Hinblick auf die subjektive Tatseite wird aber festgehalten:

Die Berufungswerberin war eine Albanerin aus der Provinz Kosovo (ehemalige Republik Jugoslawien). Das Ausmaß und auch die Intensität der Auseinandersetzungen in diesem Teil Europas sind Gegenstand ausführlicher medialer Berichterstattung und sohin allgemein bekannt. Die subjektive Befürchtung der Berufungswerberin, die dem glaubhaften Vorbringen in der Stellungnahme und Rechtfertigung vom 12. Dezember 1994 und in der Berufung zum Ausdruck kommt, dahingehend, daß sie in die Auseinandersetzung hineingezogen und einer Verfolgung ausgesetzt wird, begründet eine Notstandsituation. Festgehalten wird auch, daß ein Irrtum der Berufungswerberin im Hinblick auf die Einschätzung der Situation (Tatsachenirrtum) in analoger Anwendung des § 10 Abs.2 zweiter Satz StGB entschuldbar wäre. Das Verhalten der Berufungswerberin war somit nicht schuldhaft. Was die Beurteilung dieser Frage im Rahmen des Verwaltungsstrafverfahrens betrifft, so wird hingewiesen, daß diese unabhängig von einer Beurteilung durch andere Behörden in administrativen Verfahren erfolgt und auch auf das Erkenntnis des O.ö. Verwaltungssenates vom 20. Februar 1995, VwSen-230413/2/Br/Bk.

4.3. Aus den angeführten Gründen war der vorliegenden Berufung gemäß § 24 VStG iVm § 66 Abs.4 AVG stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs.1 Z2 VStG einzustellen.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Berufungswerberin gemäß § 66 Abs.1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem O.ö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Beilage Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. Keinberger

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