Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230490/2/Kei/Shn

Linz, 11.03.1997

VwSen-230490/2/Kei/Shn Linz, am 11. März 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Keinberger über die Berufung des Hans Peter H, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Urfahr-Umgebung vom 29. November 1995, Zl.Sich96-284-1995/Mag.Scha/HM, wegen einer Übertretung des Meldegesetzes, zu Recht:

I: Der Berufung wird insoferne Folge gegeben, als das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben wird. Die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens wird nicht verfügt.

II: Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem O.ö. Verwaltungssenat zu leisten.

Rechtsgrundlage: Art.6 Abs.1 MRK iVm § 51e Abs.1 VStG; §§ 65 und 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Der Spruch des in der Präambel angeführten Straferkenntnisses lautet: "Sie haben jedenfalls seit 27.12.1994 bis 09.09.1995 in einer Wohnung im Hause K, P, Unterkunft genommen, ohne sich innerhalb der gesetzlichen Frist von drei Tagen bei der zuständigen Meldebehörde anzumelden. Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt: § 22 Abs.1 Ziffer 1 i.V.m. § 3 Abs.1 Meldegesetz 1991 (MG), BGBl.Nr.9/1992 Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt: Geldstrafe von Schilling 3.000, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 72 Stunden gemäß § 22 Abs.1 Ziffer 1 MG. Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen: 300,-- Schilling als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d.s. 10 % der Strafe (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich 200 S angerechnet); Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafen/Kosten/Barauslagen) beträgt daher 3.300,-- Schilling. Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen (§ 54d VStG). Zahlungsfrist: Wenn Sie keine Berufung erheben, ist der Bescheid sofort vollstreckbar. Sie haben dann den Gesamtbetrag (Strafe, Kosten, Barauslagen) unverzüglich entweder mit dem beiliegenden Zahl(Erlag)schein zu überweisen oder unter Mitnahme dieses Bescheides bei uns einzuzahlen. Bei Verzug müssen Sie damit rechnen, daß der Betrag zwangsweise eingetrieben und im Falle seiner Uneinbringlichkeit die Ersatzfreiheitsstrafe vollstreckt wird." 2. Gegen dieses dem Berufungswerber (Bw) am 1. Dezember 1995 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die Berufung, die am 15. Dezember 1995 bei der belangten Behörde eingelangt ist und fristgerecht erhoben wurde. 3. Der O.ö. Verwaltungssenat hat in den gegenständlichen Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung Einsicht genommen. Bereits aufgrund dieser Akteneinsicht hat sich ergeben, daß gemäß § 51e Abs.1 VStG "der angefochtene Bescheid aufzuheben ist" (weshalb auch von einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte).

4. Der O.ö. Verwaltungssenat hat erwogen:

Im Hinblick auf die Tatbestandselemente "Wohnung" und "Unterkunftnahme" (Adresse "Kaindlweg 12, 4040 Puchenau") - siehe die relevante Bestimmung des Meldegesetzes - wurden durch die belangte Behörde keine Emittlungen vorgenommen. Es wurde diesbezüglich nicht ein (allfälliger) Ortsaugenschein durchgeführt und es erfolgte - zB im Hinblick auf einen zeitlichen Aspekt einer (allfälligen) Unterkuntfnahme des Bw - nicht eine niederschriftliche zeugenschaftliche Einvernahme.

Der O.ö. Verwaltungssenat hat bereits mehrfach (zB VwSen-260022 vom 6. Juli 1992) zum Ausdruck gebracht, daß es ihm schon von Verfassungs wegen verwehrt ist, die Rolle des unparteiischen Richters zu verlassen und stattdessen (auch) in die Position des Anklägers zu schlüpfen. Denn Art.6 Abs.1 MRK garantiert bei strafrechtlichen Anklagen ein "faires Verfahren", das den Anklageprozeß (vgl. Art.90 Abs.2 B-VG) und damit eine strikte Trennung der richterlichen von der anklagenden Funktion voraussetzt. Diese Rechtsansicht des O.ö. Verwaltungssenates ist so zu verstehen, daß das Beweisverfahren nicht erst im Berufungsverfahren begonnen werden kann. Denn ein vom unabhängigen Verwaltungssenat gemäß § 51g Abs.1 VStG durchgeführtes Beweisverfahren kann von vornherein nur ergänzender bzw korrigierender Art sein. § 24 VStG iVm § 66 Abs.4 AVG in diesem Lichte verfassungskonform interpretiert kann daher nur bedeuten, daß der unabhängige Verwaltungssenat in Fällen, wo einerseits das erstbehördliche Ermittlungsverfahren mit gravierenden Mängeln behaftet war, andererseits aber berechtigte Anhaltspunkte für die Täterschaft des Beschuldigten bestehen, zwar nicht zu einer Zurückverweisung des Verfahrens gemäß § 66 Abs.2 AVG (die eine Fortführungspflicht für die Erstbehörde begründet), wohl aber zu einer Aufhebung des Bescheides (die für die Erstbehörde lediglich eine Fortführungsmöglichkeit bedeutet und wofür im übrigen auch schon die Textierung des § 51e Abs.1 VStG zu sprechen scheint) berechtigt ist ohne daß damit gleichzeitig auch die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens verbunden wird. Dadurch ergibt sich auch kein Widerspruch zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die - wie etwa im Erkenntnis vom 4. September 1992, 92/18/0353, deutlich wird - ja davon auszugehen scheint, daß mit der Aufhebung eines Straferkenntnisses lediglich dann zugleich auch die Einstellung des Strafverfahrens untrennbar verbunden ist, wenn sich im Spruch des Erkennntnisses des unabhängigen Verwaltungssenates hinsichtlich der Frage der Verfahrenseinstellung keine gesonderte Aussage findet, während demgegenüber - abgesehen von der expliziten Aufnahme des Ausschlusses der Verfahrenseinstellung in den Spruch des Berufungsbescheides - eben durchaus Fallkonstellationen denkbar sind (und wozu infolge der gebotenen verfassungskonformen Interpretation auch die verfahrensgegenständliche zählt), in denen die Aufhebung des Straferkenntnisses durch den unabhängigen Verwaltungssenat nicht auch zugleich die notwendige Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens zur Folge hat (vgl. zB VwGH vom 8. Oktober 1992, 92/18/0391, 0392). Aus den angeführten Gründen war der Berufung insoweit stattzugeben, als das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben war und zum Ausdruck zu bringen war, daß die Einstellung des Strafverfahrens nicht verfügt wird.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bw gemäß § 65 iVm § 66 Abs.1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem O.ö. Verwaltungssenat vorzuschreiben. Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Beilage Dr. Keinberger

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