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des Landes Oberösterreich
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VwSen-230491/2/Kei/Shn

Linz, 27.02.1997

VwSen-230491/2/Kei/Shn Linz, am 27. Februar 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Keinberger über die Berufung des Reinhold M gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Linz vom 15. Dezember 1995, Zl.St.463/95 W, betreffend eine Übertretung des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG), zu Recht:

I: Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren eingestellt.

II: Es entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Verfahrenskostenbeiträgen.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) iVm § 24 Verwaltungsstrafgesetz (VStG), § 45 Abs.1 Z1, § 51 und § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die im Rahmen des Spruches des in der Präambel angeführten Straferkenntnisses angeführte als erwiesen angenommene Tat lautet:

"Sie haben am 14.12.1995 zw. 22.35-22.40 Uhr in LINZ, Bahnhofplatz 8, in d. Abfahrtshalle des Hauptbahnhofes sich trotz vorausgegangener Abmahnung gegenüber einem Organ d.

öffentl. Aufsicht während dieses seine gesetzlichen Aufgaben wahrnahm, aggressiv verhalten u. dadurch die Amtshandlung behindert, indem Sie sich während einer Kontrolle d.

Fremdengesetzes dicht neben das kontrollierende Organ drängten, mit den Händen fuchtelten, sich verbal in die Amtshandlung einmischten und beim Ausweichen des Organes diesem gestikulierend folgten, sodaß die Fremdenkontrolle letztlich völlig unterbleiben mußte." Der Berufungswerber (Bw) habe dadurch eine Übertretung des § 82 Abs.1 SPG begangen, weshalb er gemäß § 82 Abs.1 SPG zu bestrafen gewesen sei - und zwar mit einer Geldstrafe von 1.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 100 Stunden).

2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die Berufung, die fristgerecht erhoben wurde.

3. Der O.ö. Verwaltungssenat hat in den Verwaltungsakt der Bundespolizeidirektion Linz vom 19. Jänner 1996, Zl.III-St.463/95 W, Einsicht genommen.

4. Der O.ö. Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Gemäß § 82 Abs.1 SPG begeht, wer sich trotz vorausgegangener Abmahnung gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht oder gegenüber einer Militärwache, während diese ihre gesetzlichen Aufgaben wahrnehmen, aggressiv verhält und dadurch eine Amtshandlung behindert, eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 3.000 S zu bestrafen. Anstelle einer Geldstrafe kann bei Vorliegen erschwerender Umstände eine Freiheitsstrafe bis zu einer Woche, im Wiederholungsfall bis zu zwei Wochen verhängt werden.

4.2. Ein Verhalten des Bw wurde im angefochtenen Straferkenntnis folgendermaßen beschrieben: "..., indem Sie sich während einer Kontrolle d. Fremdengesetzes dicht neben das kontrollierende Organ drängten, mit den Händen fuchtelten, sich verbal in die Amtshandlung einmischten und beim Ausweichen des Organes diesem gestikulierend folgten, ...".

Im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal des "aggressiven Verhaltens" war das im folgenden Angeführte zu beachten (zitiert aus Hauer-Keplinger, "Handbuch zum Sicherheitspolizeigesetz", Prugg Verlag Eisenstadt, 1993):

"Während Art. IX Abs.1 Z2 EGVG 'ungestümes Benehmen' ahndete, fordert § 82 SPG nunmehr 'aggressives Verhalten'; eine inhaltliche Änderung sollte diesbezüglich nicht eintreten (RV), wenn auch gleichwohl zu beachten ist, daß das aggressive Verhalten zu einer Behinderung führen muß." "'Das Vertreten eines Rechtsstandpunktes, mag dies auch in entschiedener Weise geschehen, stellt eine angemessene Reaktion, nicht aber ein ungestümes Benehmen dar' (VfSlg.

2906/1955, 9730/1983 mwN, vgl. auch VwSlg. 7815A/1970)." "Andererseits tragen ungehörige oder allenfalls auch beleidigende Äußerungen keineswegs in jedem Falle das Merkmal des ungestümen Benehmens in sich (VfSlg. 9730/1983 mwN, VwSlg. 6987A/1966). So ist der Tatbestand des ungestümen Benehmens nicht erfüllt, wenn 'zwar beleidigende Äußerungen gemacht (werden), diese aber im normalen Gesprächston, also nicht übermäßig laut, ausgesprochen werden. ... Eine Äußerung, die zufolge des Tonfalles des Vorbringens nicht der üblichen Ruhe mangelt und darüber hinaus nicht mit heftigen Bewegungen verbunden ist, erfüllt nicht den Tatbestand ...' (VfSlg. 7464/1974 mwN).

'Theatralische Gesten' oder 'herrische Gebärden', unsachliches Vertreten seines Standpunktes und 'ungehörige Äußerungen' stellen kein ungestümes Benehmen dar (vgl.

VfSlg. 10957/1986). Unmutsäußerungen, die sich ausschließlich darauf beschränken, daß nach einem Anwalt und einem Arzt verlangt wird oder wenn sich jemand auf seine demokratischen Rechte beruft, erfüllen keinen Tatbestand (VfSlg. 9114/1982)." Aus der oa Beschreibung eines Verhaltens des Bw ergibt sich - auch vor dem Hintergrund der zitierten Ausführungen aus Hauer-Keplinger - für den O.ö. Verwaltungssenat nicht, daß das Tatbestandsmerkmal "aggressives Verhalten" verwirklicht wurde.

In der Anzeige vom 15. Dezember 1995 wurde ein Verhalten des Bw, das nach einer Abmahnung (arg. "trotz vorausgegangener Abmahnung", § 82 Abs.1 SPG) gesetzt worden wäre, nicht präzise beschrieben. Für den O.ö. Verwaltungssenat ist nicht mit einem in einem Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Ausmaß an Sicherheit erwiesen, daß im gegenständlichen Zusammenhang das erwähnte Tatbestandsmerkmal verwirklicht worden wäre. Daher war spruchgemäß (Spruchpunkt I) zu entscheiden.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bw gemäß § 66 Abs.1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem O.ö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Beilage Dr. Keinberger

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