Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230574/3/Kei/Shn

Linz, 11.09.1997

VwSen-230574/3/Kei/Shn Linz, am 11. September 1997 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Keinberger über die Berufung des Namik B, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Gmunden vom 20. März 1997, Zl. Sich96-50-1997, wegen einer Übertretung des Fremdengesetzes (FrG), zu Recht:

I. Der Berufung wird mit der Maßgabe, daß der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses nachstehend berichtigt wird, insoferne Folge gegeben, als gemäß § 21 Abs.1 VStG von der Verhängung einer Strafe abgesehen wird. Zwischen "sich" und "seit 27.11.1996" wird eingefügt "als Fremder im Sinne des § 1 Abs.1 Fremdengesetz", anstelle von "Sie sind nicht im Besitz eines gültigen Sichtvermerkes nach dem Fremdengesetz und auch nicht im Besitz einer gültigen Aufenthaltsbewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz." wird gesetzt "Ihnen wurde nicht eine Bewilligung gemäß § 1 des Aufenthaltsge- setzes oder von einer Sicherheitsbehörde ein Sichtvermerk erteilt und Ihnen ist keine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1991, BGBl.Nr. 8/1992, zugekommen." Die Verwaltungsvorschriften, die durch die Tat verletzt worden sind, lauten "§ 82 Abs.1 Z4 iVm § 15 Abs.1 Fremdengesetz" und die Strafsanktions- norm lautet "§ 82 Abs.1 Z4 Fremdengesetz".

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) iVm § 24 Verwaltungsstrafgesetz (VStG), § 21 Abs.1 und § 51 Abs.1 VStG II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage: § 65 und § 66 Abs.1 VStG Entscheidungsgründe:

1. Die im Spruch des in der Präambel angeführten Straferkenntnisses angeführte, als erwiesen angenommene Tat (§ 44a Z1 VStG) lautet: "Sie halten sich seit 27.11.1996 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet der Republik Österreich, und zwar in R, auf. Sie sind nicht im Besitz eines gültigen Sichtvermerkes nach dem Fremdengesetz und auch nicht im Besitz einer gültigen Aufenthaltsbewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz." Der Berufungswerber (Bw) habe dadurch eine Übertretung der "§§ 15/1/2 iVm. 82/1/4 Fremdengesetz 1992" begangen, weshalb er gemäß "§ 82 FrG" zu bestrafen gewesen sei - und zwar mit einer Geldstrafe von 3.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 72 Stunden). 2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die Berufung, die fristgerecht erhoben wurde. 3. Der O.ö. Verwaltungssenat hat in gegenständlichen Verwaltungsakt und in den Nachweis über die Beschäftigungszeiten des Bw Einsicht genommen. 4. Der O.ö. Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. § 82 Abs.1 FrG lautet: Wer ... 4. sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (§ 15), begeht eine Verwaltungsübertretung und ist ... mit Geldstrafe bis zu 10.000 Schilling zu bestrafen. Als Tatort gilt der Ort der Betretung oder des letzten bekannten Aufenthaltes.

Artikel 6 Abs.1 des auf das Assoziationsabkommen zwischen der EWG und der Türkei (abgeschlossen am 12. September 1963, in Kraft getreten am 1. Dezember 1964) gestützten Beschlusses des Assoziationsrates vom 19. Dezember 1980 lautet: Vorbehaltlich der Bestimmungen in Artikel 7 über den freien Zugang der Familienangehörigen zur Beschäftigung hat der türkische Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehört, in diesem Mitgliedstaat - nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung Anspruch auf Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei dem gleichen Arbeitgeber, wenn er über einen Arbeitsplatz verfügt; - nach drei Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung - vorbehaltlich des den Arbeitnehmer aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs - das Recht, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl auf ein unter normalen Bedingungen unterbreitetes und bei den Arbeitsämtern dieses Mitgliedstaates eingetragenes anderes Stellenangebot zu bewerben; - nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis. 4.2. Im Hinblick auf die Frage der Anwendbarkeit des in Punkt 4.1. angeführten Beschlusses wird auf die Abhandlung von Rudolf Feik "Das Aufenthaltsrecht türkischer Arbeitnehmer" (Zeitschrift für Verwaltung, Heft 1/1995, S. 4 bis S. 14) und auf das Erkenntnis des VwGH vom 25. Juni 1996, Zl. 96/09/0088, hingewiesen. Eine "ordnungsgemäße Beschäftigung" iSd Art.6 Abs.1 des in Punkt 4.1. angeführten Beschlusses ist im gegenständlichen Zusammenhang nicht vorgelegen. Die Ordnungsgemäßheit im Sinne dieser Bestimmung setzt nach der Rechtsprechung des EuGH [EuGH, Rs C-192/89-Sevince (FN 10) Rn 30; sowie Rs C-237/91-Kus (FN 21) Rn 13] eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position des Betroffenen auf dem Arbeitsmarkt voraus. Durch das gegenständliche Verhalten des Bw wurde der objektive Tatbestand des § 82 Abs.1 Z4 iVm § 15 Abs.1 FrG verwirklicht. Zur subjektiven Tatseite wird bemerkt: Ab 26. November 1996 (jedenfalls bis zum 20. März 1997) wurde ein die Person des Bw betreffendes Ausweisungsverfahren durchgeführt. Der Ausgang dieses Verfahrens war - dies liegt in der Natur eines Verfahrens - offen. Vor diesem Hintergrund war dem Bw ein rechtmäßiges Verhalten, das nur in einer Ausreise gelegen wäre, nur schwer zuzumuten. Das tatbildmäßige Verhalten des Bw ist hinter dem in der Strafdrohung des § 82 Abs.1 Z4 FrG typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückgeblieben. Der Verwaltungsgerichtshof hat in vielen Erkenntnissen zum Ausdruck gebracht, daß dann, wenn das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt, die Schuld des Beschuldigten geringfügig ist (zB Zl.86/18/0059 vom 12. September 1986, Zl.87/04/0070 vom 20. Oktober 1987, Zl.86/08/0073 vom 14. Jänner 1988 uva Erkenntnisse). Das Verschulden des Bw wird als geringfügig beurteilt. Die Folgen der Übertretung werden wegen ihrer relativ kurzen Dauer als unbedeutend qualifiziert. Da beide in § 21 Abs.1 erster Satz VStG normierten Voraussetzungen vorliegen, war in Entsprechung dieser Bestimmung von der Verhängung einer Strafe abzusehen. Der Ausspruch über den Entfall der Beiträge zu den Verfahrenskosten hat seine Grundlage in den angeführten Gesetzesbestimmungen. Insgesamt war aus den angeführten Gründen spruchgemäß (Spruchpunkte I und II) zu entscheiden.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Beilage Dr. Keinberger

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