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des Landes Oberösterreich
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VwSen-230613/2/Kei/Shn

Linz, 18.01.1999

VwSen-230613/2/Kei/Shn Linz, am 18. Jänner 1999 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Keinberger über die Berufung des Berthold H, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Steyr vom 16. Oktober 1997, Zl. S 3178/ST/97, wegen einer Übertretung des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG), zu Recht:

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren eingestellt.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG, § 45 Abs.1 und § 51 Abs.1 VStG. II. Der Berufungswerber hat keinen Beitrag zu den Verfahrenskosten zu leisten. Rechtsgrundlage: § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die im Spruch des in der Präambel angeführten Straferkenntnisses angeführte, als erwiesen angenommene Tat (§ 44a Z1 VStG), lautet: "Sie haben am 04.04.1997 um (von-bis) 05.46 Uhr in Steyr, Krzg. Fabrikstraße - Gschaiderberg durch lautstarkes Beschimpfen der einschreitenden SW-Beamten, Schreien und Gestikulieren trotz vorausgegangener Abmahnung gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht, während dieses seine gesetzlichen Aufgaben wahrnahm, aggressiv verhalten und damit eine Amtshandlung behindert." Der Berufungswerber (Bw) habe dadurch eine Übertretung des § 82 Abs.1 SPG begangen, weshalb er gemäß § 82 Abs.1 SPG zu bestrafen gewesen sei - und zwar mit einer Geldstrafe von 3.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 50 Stunden, "gem. § 16/2 VStG").

Es wurde "gemäß § 19a/3 VStG Vorhaft in der Dauer von 1 Std. und 25 Min., das sind S 75,--," angerechnet und es wurde vorgeschrieben die Bezahlung eines Beitrages zu den Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von 300 S und "als Ersatz der Barauslagen für Transportkosten" 30 S. 2. Gegen dieses dem Bw am 21. Oktober 1997 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die Berufung, die am 30. Oktober 1997 bei der belangten Behörde eingebracht wurde und die fristgerecht erhoben wurde. Der Bw brachte in der Berufung vor (auszugsweise wörtliche Wiedergabe): Gegen das Straferkenntnis erhebe ich innerhalb offener Frist Berufung mit der Begründung, daß ich die einschreitenden Beamten nicht beschimpft habe und auch kein aggressives Verhalten gesetzt habe. Ich habe das im Straferkenntnis angeführte Verhalten nicht gesetzt.

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat in den Verwaltungsakt der Bundespolizeidirektion Steyr vom 31. Oktober 1997, Zl. S 3178/ST/97, Einsicht genommen und eine Auskunft des Landesgerichtes Steyr eingeholt. 4. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.1. § 82 Abs.1 SPG lautet: Wer sich trotz vorausgegangener Abmahnung gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht oder gegenüber einer Militärwache, während diese ihre gesetzlichen Aufgaben wahrnehmen, aggressiv verhält und dadurch eine Amtshandlung behindert, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 3.000 S zu bestrafen. Anstelle einer Geldstrafe kann bei Vorliegen erschwerender Umstände eine Freiheitsstrafe bis zu einer Woche, im Wiederholungsfall bis zu zwei Wochen verhängt werden. § 85 SPG lautet: Eine Verwaltungsübertretung liegt nicht vor, wenn eine Tat nach den §§ 81 bis 84 den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet. Der 1. Absatz des Artikel 4 des Protokolles Nr.7 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten samt Erklärungen (= Art.4 Abs.1 des 7. ZP MRK) lautet:

Niemand darf wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden.

4.2. Mit Urteil des Landesgerichtes Steyr vom 2. Juni 1997, Zl. 13 EVr 165/97 Hv 42/97, wurde der Bw wegen dem Vorfall am 4. April 1997 um 05.45 Uhr in Steyr im Bereich der Kreuzung Fabrikstraße-Gschaiderberg, wegen Verletzung der §§ 83 Abs.1 und 84 Abs.1 StGB bestraft. Einem Rechtsmittel dagegen wurde durch das Oberlandesgericht Linz keine Folge gegeben (Zl. 7 Bs 223/97 vom 5. August 1997). Das o.a. Urteil des Landesgerichtes Steyr ist in Rechtskraft erwachsen. Vor dem Hintergrund der Bestimmungen des § 85 SPG und des Art.4 Abs.1 des 7. ZP MRK, der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (= EGMR) im Fall "Gradinger gegen Österreich" (Zl. 33/1994/480/562 vom 23. Oktober 1995) und der Entscheidung der Europäischen Kommission für Menschenrechte (= EKMR) im Fall "Marte/Achberger gegen Österreich" (Zl. 22541/93 vom 9. April 1997) - in diesen beiden Entscheidungen wurde eine Verletzung des Art.4 des 7. ZP MRK festgestellt - war im gegenständlichen Verfahren - um dem Grundsatz "ne bis in idem" zu entsprechen - spruchgemäß (Spruchpunkt I) zu entscheiden. (Zum o.a. Fall "Marte/Achberger gegen Österreich wird bemerkt: "In diesem Fall wurde nach einem ordnungsstörenden und anstandsverletzenden Verhalten der Beschwerdeführer die Gendarmerie gerufen. Im Verlauf des Einschreitens der Gendarmeriebediensteten kam es zu einer Verletzung eines der Gendarmeriebediensteten und zu einem Widerstand gegen die Staatsgewalt. Wegen dem Widerstand gegen die Staatsgewalt erfolgte eine gerichtliche Verurteilung. Obwohl das ordnungsstörende und anstandsverletzende Verhalten vor jenem Verhalten, das zur gerichtlichen Verurteilung führte, lag, qualifizierte die EKMR unter Hinweis auf das sogenannte "Gradinger-Urteil" das o.a. Geschehen als ein "tateinheitliches (überlappendes)" Geschehen und eine Bestrafung wegen der Verwaltungsdelikte zusätzlich zur gerichtlichen Verurteilung als Verstoß gegen Art.6 Abs.1 MRK und als Verletzung des Art.4 des 7. ZP MRK. Durch das gerichtliche Verfahren sei, so die EKMR, auch das vorherige Verhalten, das als Teil des nachfolgenden, das bereits zu einer gerichtlichen Verurteilung geführt hat, zu sehen ist, abgedeckt.) 5. Bei diesem Verfahrensergebnis hat der Bw gemäß § 66 Abs.1 VStG keinen Beitrag zu den Verfahrenskosten zu leisten.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Beilage Dr. Keinberger

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