Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230627/3/Kei/Shn

Linz, 17.02.1999

VwSen-230627/3/Kei/Shn Linz, am 17. Februar 1999 DVR.0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Keinberger über die Berufung der Rachel Alexandra E, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Wels-Land vom 4. November 1997, Zl. Sich96-114-1996-WIM, wegen einer Übertretung des Versammlungsgesetzes, zu Recht:

I. Der Berufung gegen die Strafe wird insoferne teilweise Folge gegeben als die Geldstrafe mit 1.000 S und die Ersatzfreiheitsstrafe mit 67 Stunden festgesetzt wird. Der auf die erlittene Vorhaft anzurechnende Betrag beträgt 26,85 S.

Rechtsgrundlage: § 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG, § 19, § 19a und § 51 Abs.1 VStG.

II. Die Berufungswerberin hat als Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens 10 % der verhängten Strafe, das sind 100 S, zu leisten. Die Vor- schreibung eines Beitrages zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Ver- waltungssenat hatte hingegen zu entfallen.

Rechtsgrundlage: § 64 Abs.1 und 2 und § 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Der Spruch des in der Präambel angeführten Straferkenntnisses lautet:

"Sie haben als Teilnehmer einer nicht rechtzeitig angezeigten Versammlung (die gemäß § 2 Abs.1 Versammlungsgesetz, BGBl.Nr. 98/1953 i.d.g.F., mindestens binnen 24 Stunden vor der beabsichtigten Abhaltung unter Angabe des Zweckes, des Ortes und der Zeit der Versammlung bei der zuständigen Behörde angemeldet werden muß) gegen den Bau des Kraftwerkes Lambach, am rechten Traunufer, Marktgemeinde Stadl-Paura (im Bereich des Widerstandscamps 'Mexico') am 11.3.1996 um 09.15 Uhr den Versammlungsort nicht sogleich verlassen und sind der gesetzlichen Verpflichtung, auseinanderzugehen, nicht nachgekommen, obwohl diese Versammlung von der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land am 11.3.1996 um 08.05 Uhr und nochmals um 08.10 Uhr mittels Megaphon behördlich untersagt und aufgelöst worden ist. Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt: § 14 iVm. § 19 Versammlungsgesetz, BGBl. 98/1953 i.d.g.F. Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird über Sie folgende Strafe verhängt: Geldstrafe von Schilling 3.000,-- gemäß § 19 iVm. § 14 Versammlungsgesetz, BGBl. 98/1953 i.d.g.F., falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 168 Stunden gemäß § 16 Abs.2 VStG., BGBl. 52/1991 idgF. Die Vorhaft von 09.15 Uhr bis 10.45 Uhr = S 26,85 wird angerechnet. Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen: 300,-- Schilling als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d.s. 10 % der Strafe (je einTag Freiheitsstrafe wird gleich 200 S angerechnet); Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher 3.273,15 Schilling. Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen (§ 54d VStG)." 2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die fristgerecht erhobene Berufung. Die Bw brachte in der Berufung vor (auszugsweise wörtliche Wiedergabe): Das Straferkenntnis wird dem Grunde und der Höhe nach bekämpft. Die Beschuldigte ist am 2.4.1980 geboren und war am 11.3.1996 noch nicht einmal 16 Jahre alt. Sie ist von zu Hause weggelaufen und hielt sich ohne Wissen der Erziehungsberechtigten in Lambach auf, um am Widerstand gegen den Bau des Kraftwerkes teilzunehmen. Die Beschuldigte war damals auf Grund der besonderen Erziehungssituation noch nicht reif genug, das Unerlaubte der Tat einzusehen oder dieser Einsicht gemäß zu handeln. Beweis: Psychologisches Gutachten.

Die Erziehungsschwierigkeiten der berufstätigen Mutter mit der heranwachsenden und eigensinnigen Tochter sind beträchtlich. Nach Auskunft der Mutter hält sich die Tochter derzeit in Linz auf, sucht Arbeit und hat kein Einkommen. Selbst wenn keine verzögerte Reife vom Sachverständigen festgestellt werden sollte, so stellt dies einen Grund für die außerordentliche Milderung der Strafe dar. Es wird daher mit einer ganz geringen Geldstrafe das Auslangen zu finden sien. Was die Ersatzfreiheitsstrafe betrifft, so wird von einem Teil der Lehre bestritten, daß bei Jugendlichen unter 16 Jahren überhaupt eine Ersatzfreiheitsstrafe in Betracht kommt (Walter-Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht, Randziffer 952). Es wird daher beantragt, der unabhängige Verwaltungssenat möge der Berufung Folge geben und das Straferkenntnis zur Gänze aufheben; in eventu das Straferkenntnis insoferne abändern, als eine geringfügige Geldstrafe ohne Ersatzfreiheitsstrafe verhängt wird.

Mit Schreiben der Bw vom 21. Dezember 1998 wurde der in der Berufung gestellte Antrag auf Einholung eines psychologischen Gutachtens und die "Berufung wegen Schuld zurückgezogen". 3. Der Oö. Verwaltungssenat hat in den Verwaltungsakt der Bezirkshaupt-mannschaft Wels-Land vom 3. Dezember 1997, Zl. Sich96-114-1996-WIM/MR, Einsicht genommen. 4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen: Mit Schreiben der Berufungswerberin (Bw) vom 21. Dezember 1998 wurde - wie unter Punkt 2 ausgeführt wurde - die "Berufung wegen Schuld zurückgezogen". Der Schuldspruch des angefochtenen Straferkenntnisses ist in Rechtskraft erwachsen. Zum Vorbringen der Bw im Hinblick auf ein Vorliegen von Erziehungsschwierigkeiten der Mutter der Bw mit der eigensinnigen Tochter (= der Bw): Dieses Vorbringen wird durch den Oö. Verwaltungssenat als glaubhaft beurteilt (es liegt kein Anhaltspunkt vor, auf Grund dessen es geboten wäre, dem diesbezüglichen Vorbringen der Bw keinen Glauben zu schenken). Der Oö. Verwaltungssenat geht davon aus, daß diese Erziehungsschwierigkeiten (auch) in der Person der Bw gelegen gewesen sind (arg. "eigensinnigen Tochter"). Dies mindert das Verschulden der Bw etwas. (In diesem Zusammenhang wird bemerkt: Auch wenn - wie oben angeführt wurde - der Schuldspruch des gegenständlichen Straferkenntnisses in Rechtskraft erwachsen ist, so ist die Vornahme einer Beurteilung im Hinblick auf das Verschulden durch den Oö. Verwaltungssenat rechtlich möglich. Durch den Oö. Verwaltungssenat war nämlich eine Beurteilung im Hinblick auf die Bestimmung des § 19 VStG vorzunehmen und es ist gemäß § 19 Abs.2 VStG auch bei der Strafbemessung auf das Ausmaß des Verschuldens Bedacht zu nehmen). Die Diskretionsfähigkeit und die Dispositionsfähigkeit (siehe die Bestimmung des § 3 Abs.1 VStG) ist vorgelegen und eine "verzögerte Reife" (§ 4 Abs.2 VStG) ist nicht vorgelegen.

(Die belangte Behörde hat im gegenständlichen Straferkenntnis ua ausgeführt: "Sie haben daher die Verwirklichung des Tatbildes gemäß § 14 Versammlungsgesetz zumindest ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden".) Die Bw hat durch das gegenständliche Verhalten beigetragen, daß geschützte Interessen verletzt wurden und zwar der Anspruch auf Ruhe und Ordnung und wirtschaftliche Interessen. Der Interessensverletzung mußte mit einem großen Einsatz der Exekutive entgegengetreten werden. Die Folgen der Übertretung sind nicht unbedeutend. Da die Folgen der Übertretung nicht unbedeutend sind und da eines der beiden in § 21 Abs.1 erster Satz VStG genannten Kriterien nicht erfüllt ist, konnte nicht die Bestimmung des § 21 Abs.1 erster Satz VStG angewendet und nicht von der Verhängung einer Strafe abgesehen werden. Beim gegenständlichen Verwaltungsakt ist nicht zu entnehmen, daß eine Vormerkung in verwaltungsstrafrechtlicher Hinsicht vorliegt. Der Milderungsgrund des § 34 Z2 StGB iVm § 19 Abs.2 liegt vor. Sonstige Milderungsgründe liegen nicht vor. Erschwerungsgründe liegen nicht vor. Im Hinblick auf die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse der Bw wurde durch den Oö. Verwaltungssenat von folgenden Grundlagen ausgegangen: kein Einkommen, kein Vermögen und keine Sorgepflicht. Diese Beurteilung ergibt sich aus dem Vorbringen der Bw in der Berufung und einem Telefonat des zur Entscheidung in der gegenständlichen Sache zuständigen Mitgliedes des Oö. Verwaltungssenates mit einem Rechtsvertreter der Bw. Im Hinblick auf den Milderungsgrund des § 34 Z2 StGB iVm § 19 Abs.2 VStG, die Einkommensverhältnisse und das Verschulden wird durch den Oö. Verwaltungssenat eine andere Beurteilung vorgenommen als durch die belangte Behörde und es wird insgesamt - auch unter Berücksichtigung des erheblichen Unrechtsgehaltes und der Aspekte der Spezialprävention und der Generalprävention - eine Geldstrafe in der Höhe von 1.000 S als angemessen beurteilt.

Zur Frage, ob im gegenständlichen Zusammenhang die Androhung einer Ersatzfreiheitsstrafe zulässig ist, wird auf die Bestimmung des § 58 Abs.2 VStG und auf die nachstehend wiedergegebenen Ausführungen in Hauer/Leukauf, "Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens", 5. Auflage, Linde Verlag, S. 1122, RN 4 und RN 6, hingewiesen. "Hat ein Jugendlicher eine Tat vor Vollendung des 16. Lebensjahres begangen, so ist die Verhängung einer primären Freiheitsstrafe unzulässig. Es darf nur eine Geldstrafe verhängt werden. Vgl. § 12 Abs.2 VStG für den Fall, daß die Strafdrohung keine Geldstrafe vorsieht. Die Verhängung einer Ersatzfreiheitsstrafe ist aber zulässig und zufolge § 16 Abs.1 VStG auch zwingend vorgeschreiben. Auf Grund der Regelung des § 54 Abs.1 VStG, wonach an Jugendlichen unter 16 Jahren eine Freiheitsstrafe nicht vollzogen werden darf, kommt jedoch der etwaige Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe erst nach Vollendung des 16. Lebensjahres in Betracht. Im Hinblick auf den Wortlaut und den Sinngehalt des § 58 Abs.2 VStG wird aber die Ersatzfreiheitsstrafe das Höchstausmaß von 2 Wochen nicht übersteigen dürfen." "Wird über den jugendlichen Straftäter eine Geldstrafe verhängt, so ist gemäß § 16 Abs.1 VStG eine Ersatzfreiheitsstrafe festzusetzen, die aber zwei Wochen nicht übersteigen darf". Die Androhung einer Ersatzfreiheitsstrafe ist im gegenständlichen Zusammenhang zulässig.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Bw gemäß § 64 Abs.1 und 2 VStG ein Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens in der Höhe von 10 % der verhängten Strafe, ds 100 S, vorzuschreiben. Da der Berufung teilweise Folge gegeben wurde, sind für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat keine Kosten zu leisten (§ 65 VStG).

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis: Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Beilage Dr. Keinberger

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