Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
FAQs| Sitemap| Weblinks

VwSen-230672/4/Kei/Bk

Linz, 30.06.1999

VwSen-230672/4/Kei/Bk Linz, am 30. Juni 1999

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Keinberger über die Berufung des Halil G, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis vom 27. April 1998, Zl. Sich96-203-1997-Stö, wegen einer Übertretung des Fremdengesetzes (FrG), zu Recht:

I. Der Berufung wird mit der Maßgabe, daß der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses nachstehend berichtigt wird, im Hinblick auf die Schuld keine Folge gegeben. Im Hinblick auf die Strafe wird der Berufung insoferne teilweise Folge gegeben, als die Geldstrafe auf 3.600 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 120 Stunden herabgesetzt wird.

Anstelle von "Sich07/3386 wird gesetzt "Sich07-3386".

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG, § 51 Abs.1 VStG.

II. Der Berufungswerber hat als Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens 10 % der verhängten Strafe, ds 360 S, zu leisten. Die Vorschreibung eines Beitrages zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat hatte hingegen zu entfallen.

Rechtsgrundlage:

§ 64 Abs.1 und 2 und § 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die im Spruch des in der Präambel angeführten Straferkenntnisses angeführte, als erwiesen angenommene Tat (§ 44a Z1 VStG), lautet:

"Sie sind trotz der gemäß § 17 Abs.1 Fremdengesetz - FrG, BGBl.Nr. 838/1992, mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Ried i.I. vom 12.12.1994, Sich07/3386, erlassenen und seit 7.2.1995 durchsetzbaren, rechtskräftigen Ausweisung in der Zeit vom 6.11.1996 bis 27.8.1997 Ihrer Verpflichtung zur unverzüglichen Ausreise nicht nachgekommen. Als Tatort gilt O, wo der angeführte Sachverhalt am 27.8.1997 durch Beamte des Gendarmeriepostens Obernberg a.I. festgestellt worden ist." Der Berufungswerber (Bw) habe dadurch "§ 22 Abs.1 iVm. § 82 Abs.1 Ziffer 1 Fremdengesetz (FrG), BGBl.Nr. 838/1992 (im folgenden kurz 'FrG 1992')" übertreten, weshalb er "gemäß § 82 Abs.1 FrG 1992" zu bestrafen gewesen sei - und zwar mit einer Geldstrafe von 4.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 134 Stunden).

2. Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die fristgerecht erhobene Berufung.

Der Bw brachte in der Berufung vor:

"Der Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten. Im einzelnen wird folgendes ausgeführt:

1. Richtig ist, daß der Berufungswerber mit Bescheid der BH Ried im Innkreis vom 12.12.1994 gemäß § 17 Absatz 1 Fremdengesetz aus Österreich ausgewiesen wurde, richtig ist auch, daß dieser Bescheid seit 07.02.1995 rechtskräftig ist. Richtig ist auch, daß der Berufungswerber am 27.08.1997 in O, aufhältig war.

Unrichtig ist, daß der Berufungswerber durchgehend von 06.11.1996 bis 27.08.1997 in Österreich aufhältig war. Ungeachtet dessen, daß der Beschuldigte anläßlich der Einvernahme vom 04.02.1998 nicht bestritten hat, rechtswidrig in Österreich aufhältig zu sein, hat die Behörde zu unrecht den Tatzeitraum durchgehend von 6.11.96 bis 27.08.97 angenommen. Hiefür gibt es keinerlei Beweise aus dem Ermittlungsverfahren. Auch aus dem "Eingeständnis", im Moment der Einvernahme rechtswidrig in Österreich aufhältig zu sein, läßt sich dies nicht ableiten. Richtigerweise hätte die Tatzeit nur mit dem Tag der Kontrolle durch Beamte des Gendarmeriepostens Obernberg, somit den 27.08.1997, angenommen werden dürfen.

Die erstinstanzliche Behörde hat einen Tatzeitraum ohne hiezu durchgeführtes Ermittlungsverfahren angenommen. Dies widerspricht den Verfahrensvorschriften des VStG bzw. AVG. Bei richtiger Einhaltung der Verfahrensvorschriften hätte die erstinstanzliche Behörde hinsichtlich des Tatzeitraumes zu einem anderen Ergebnis kommen können. Der Bescheid ist daher in diesem Punkt mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften im Sinne des § 42 Absatz 2 Ziffer 3 lit.c VwGG behaftet.

2. Unrichtig ist, daß aufgrund des vorliegenden Tatzeitraumes auf den gegenständlichen Sachverhalt die Bestimmungen des Fremdengesetzes 1992, BGBl 838/92, anzuwenden sind.

Gemäß § 1 Absatz 2 VStG richtet sich die Strafe bei einer Verwaltungsübertretung nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht, es sei denn, daß das zur Zeit der Fällung des Bescheides in 1. Instanz geltende Recht für den Täter günstiger wäre. Bei diesem Vergleich ist nicht bloß auf die angedrohte Strafe abzustellen; vielmehr ist der Günstigkeitsvergleich hinsichtlich der gesamten (potentiell) anzuwendenden Rechtsvorschriften anzustellen.

Der Bescheid 1. Instanz wurde am 27.04.1998 (bzw. mit Zustellung am 29.04.1998) "gefällt"; zu diesem Zeitpunkt ist das Fremdengesetz 1992 bereits außer Kraft getreten und das Fremdengesetz 1997, BGBl I 75/97, in Kraft getreten. Die vergleichbare Strafdrohung zu § 82 Absatz 1 Zif. 1 Fremdengesetz 1992 findet sich in § 107 Absatz 1 Zif. 1 Fremdengesetz 1997. Die darin normierte Strafdrohung ("mit Geldstrafe bis zu S 10.000,00 oder mit Freiheitsstrafe bis zu 14 Tagen") ist identisch, sodaß bei Vergleich der Strafdrohungen keine Norm günstiger ist, sodaß zunächst die Anwendbarkeit des Fremdengesetzes 1992 richtig erscheint.

Unterstellte man jedoch die Anwendung des Fremdengesetzes 1997, so sind auch die diesbezüglichen Übergangsbestimmungen heranzuziehen. Aus § 114 Fremdengesetz 1997 ergibt sich, daß der seinerzeitige Bescheid der BH Ried vom 13.12.1994 bzw. der Berufungsbescheid der Sicherheitsdirektion für Oberösterreich vom 01.02.1995 nicht mehr wirksam ist. Aus diesem Vergleich ergibt sich somit, daß das Fremdengesetz 1997 günstiger ist. Der erstinstanzliche Bescheid ist daher bereits aufgrund der generellen Anwendung des Fremdengesetz 1992 mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes behaftet.

3. Wie bereits oben ausgeführt (2.) ist gemäß § 114 Fremdengesetz 1997 der zugrundeliegende Ausweisungsbescheid nicht mehr rechtswirksam. Dementsprechend ist dem Beschuldigten auch die Verwaltungsübertretung im Sinne des § 110 Absatz 1 Fremdengesetz 1997 nicht mehr anzulasten. Es liegt daher keine Verwaltungsübertretung (mehr) vor, sodaß der Bescheid auch aus diesem Grund rechtswidrig ist.

4. Der Beschuldigte führt zur GZ 3 Cgs 1/98 einen Prozeß gegen die PVA vor dem LG Ried. Um dort seine Rechte als Kläger wahrnehmen zu können, hat der Beschuldigte nicht nur einer Ladung zu Gericht Folge zu leisten, es ist vielmehr auch notwendig, daß er sich der/den vorgeschriebenen Untersuchung/en unterzieht. Eine Ausreise aus Österreich, die - abgesehen von den dabei auftretenden Problemen - mit der Rückkehr in die Türkei gleichzusetzen wäre, würde dies faktisch unmöglich machen. Auch wenn die Klage erst 1998 erhoben wurde, ist das vorgelagerte (Verwaltungs-)Verfahren bei der PVA bereits vor dem gegenständlichen Deliktszeitraum eingeleitet worden; es handelt sich somit um keine selbstverschuldete Zwangslage! Gemäß Art.6 MRK hat jeder das verfassungsgesetzlich geschützte Recht auf ein faires Verfahren; dies inkludiert auch die persönliche Teilnahme am Prozeß (Recht auf Parteiengehör) sowie insbesondere an den - im Sozialrechtsprozeß nötigen - persönlichen ärztlichen Untersuchungen.

Der momentane Aufenthalt des Beschuldigten bzw der Aufenthalt im Deliktszeitraum in Österreich ist aus diesem Grund gerechtfertigt und entschuldigt. Auch wenn der Tatbestand des § 82 (1) Z1 FrG 1992 oder § 107 (1) Z1 FrG 1997 erfüllt ist, liegt keine Verwaltungsübertretung vor.

Aus den angeführten Gründen stellt der Berufungswerber daher den

ANTRAG,

der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich als Berufungsbehörde möge

1.den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis vom 27.04.1998 aufheben und das gegen den Beschuldigten anhängige Verwaltungsstrafverfahren einstellen; in eventu

2.den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis vom 27.04.1998 aufheben und die Angelegenheit zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung zurückverweisen."

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft

Ried im Innkreis vom 26. Mai 1998, Zl. Sich96-203-1997-Stö, Einsicht genommen.

4. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

4.1. Es trifft nicht zu, daß der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis vom 13. Dezember 1994, Zl. Sich07-3386 und der Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 1. Februar 1995, Zl. St 21/95, "nicht mehr wirksam" seien. Das Vorbringen in der Berufung, daß der Bw nicht durchgehend von 6. November 1996 bis 27. August 1997 in Österreich aufhältig gewesen sei, wird als nicht glaubhaft beurteilt. Bei dieser Beurteilung wurde berücksichtigt, daß der Bw in der Niederschrift, die von der belangten Behörde am 4. Februar 1998 aufgenommen worden ist (Zl. Sich96-203-1997-Stö), angegeben hat: "Es ist richtig, daß ich mich entgegen der von der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis erlassenen Ausweisung, die am 07.02.1995 durchsetzbar geworden ist, rechtswidrig in Bundesgebiet aufhalte und in dem mir zur Last gelegten Tatzeitraum meiner gesetzlichen Verpflichtung zur unverzüglichen Ausreise aus Österreich nicht nachgekommen bin."

Der Oö. Verwaltungssenat zweifelt nicht am Vorliegen des Sachverhaltes, der durch die im Spruch des gegenständlichen Straferkenntnisses angeführte, als erwiesen angenommene Tat (§ 44a Z1 VStG), zum Ausdruck gebracht wird.

Das FrG BGBl.I 75/1997 ist für den Bw nicht günstiger als das FrG BGBl. 838/1992. Im gegenständlichen Zusammenhang war das FrG BGBl. 838/1992 anzuwenden. Der objektive Tatbestand der dem Bw vorgeworfenen Übertretung wurde verwirklicht. Das Verschulden des Bw wird - ein Rechtfertigungsgrund oder ein Schuldausschließungsgrund liegt nicht vor - als Vorsatz qualifiziert. Das Verschulden des Bw ist nicht geringfügig iSd § 21 Abs.1 erster Satz VStG. Die Folgen der Übertretung sind nicht unbedeutend iSd § 21 Abs.1 erster Satz VStG. Es konnte die Bestimmung des § 21 Abs.1 VStG nicht angewendet und nicht von der Verhängung einer Strafe abgesehen werden.

4.2. Zur Strafbemessung:

Erschwerend wird das Vorliegen von zwei einschlägigen Vormerkungen in verwaltungsstrafrechtlicher Hinsicht gewertet (siehe die Entscheidungen der belangten Behörde Zlen. Sich96-353-1994-Stö und Sich96-143-1996-Stö). Eine weitere Vormerkung in verwaltungsstrafrechtlicher Hinsicht, die durch die belangte Behörde als erschwerend gewertet wurde, wird nicht berücksichtigt, weil die diesbezügliche Strafe getilgt ist (§ 55 VStG). Ein weiterer Erschwerungsgrund liegt nicht vor. Ein Milderungsgrund liegt nicht vor.

Im Hinblick auf die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Bw wurde von folgenden Grundlagen ausgegangen: Bezug der Familienbeihilfe für fünf Kinder in der Höhe von insgesamt ca 12.000 S pro Monat, kein Einkommen, Vermögen ca. 40.000 S (Sparbuchguthaben), monatliche Rate an Schuldenzahlungen insgesamt ca 8.800 S (gemeinsam mit der Gattin), Sorgepflichten für fünf Kinder (gemeinsam mit der Gattin).

Durch den Oö. Verwaltungssenat wurde im Unterschied zur belangten Behörde das Vorliegen eines Vorsatzes nicht als erschwerend gewertet. Auf das Ausmaß des Verschuldens wurde durch den Oö. Verwaltungssenat Bedacht genommen. Die Aspekte der Spezialprävention und der Generalprävention wurden berücksichtigt. Der Unrechtsgehalt der Tat ist wegen deren Dauer beträchtlich. Die Geldstrafe wurde deshalb herabgesetzt, weil durch den Oö. Verwaltungssenat eine für den Bw günstigere Beurteilung bei der Strafbemessung vorgenommen wurde. Die Verhängung einer Geldstrafe in der Höhe von 3.600 S ist insgesamt angemessen. Um der Verhältnismäßigkeit zwischen der verhängten Geldstrafe und der angedrohten Ersatzfreiheitsstrafe zu entsprechen, war die angedrohte Ersatzfreiheitsstrafe neu festzusetzen.

4.3. Aus den angeführten Gründen war die Berufung gemäß § 24 VStG iVm § 66 Abs.4 AVG hinsichtlich des Schuldspruches abzuweisen und ihr hinsichtlich der Strafe teilweise Folge zu geben.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bw gemäß § 64 Abs.1 und 2 VStG ein Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens in der Höhe von 10 % der verhängten Strafe, ds 360 S, vorzuschreiben. Da der Berufung teilweise Folge gegeben wurde, sind für das Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat keine Kosten zu leisten (§ 65 VStG).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S zu entrichten.

Dr. Keinberger

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgelehnt;

VwGH vom 27.02.2001, Zl.: 99/21-0234-6

 

 

DruckersymbolSeite drucken
Seitenanfang Symbol Seitenanfang
www.uvs-ooe.gv.at| Impressum