Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230751/8/Br/Bk

Linz, 18.05.2000

VwSen-230751/8/Br/Bk Linz, am 18. Mai 2000

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erkennt durch sein Mitglied Dr. Bleier über die Berufung der Frau K gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 6. März 2000, Zl.: Sich96-55-1998, nach der am 16. Mai 2000 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht:

I. Der Berufung wird mit der Maßgabe Folge gegeben, dass unter Anwendung des § 21 VStG von der Verhängung einer Strafe abgesehen wird. Der Schuldspruch wird jedoch bestätigt.

Rechtsgrundlage:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 158/1998 AVG iVm § 21, § 24, § 51 Abs.1, § 51e Abs.1 und § 51i Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 164/1999 VStG.

II. Es entfallen sämtliche Verfahrenskostenbeiträge.

Rechtsgrundlage:

§ 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat mit dem oben bezeichneten Straferkenntnis wider die Berufungswerberin wegen der Übertretung nach § 82 Abs. 1 Z4 iVm § 15 Abs.1 Z2 FrG eine Geldstrafe von 2.000 S und für den Fall der Uneinbringlichkeit 72 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, wobei ihr sinngemäß zur Last gelegt wurde, sie habe sich in der Zeit von Anfang 1996 bis 19.12.1997 in - ohne im Besitz eines von einer österreichischen Sicherheitsbehörde erteilten Sichtvermerkes bzw. einer Bewilligung zur Begründung eines ordentlichen Wohnsitzes in Österreich gemäß § 1 des Aufenthaltsgesetzes zu sein - aufgehalten und sich somit nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten.

1.1. Begründend führt die Erstbehörde im Ergebnis aus, dass die Erteilung der Aufenthaltsbewilligung nicht primär an der Erlangung eines Reisepasses für die Berufungswerberin gescheitert sei, sondern vielmehr wegen ihrer wiederholten Verwendung eines gefälschten Reisedokumentes. Es sei in ihrer eigenen Sphäre gelegen, sich bei den zur Ausstellung dieser Dokumente befugten Stellen zu bedienen. Dass sie diesbezüglich nicht die ihr zumutbare Sorgfalt obwalten habe lassen, sei aus der Aktenlage nachvollziehbar.

Die Berufungswerberin sei mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 19.4.1995 aus Österreich ausgewiesen worden. Auf Grund ihres Antrages sei ihr Abschiebungsaufschub bis zum 31.12.1995 zuerkannt worden. Am 3. November 1995 habe sie sich mit dem österreichischen Staatsbürger L verehelicht. Damit sei jedoch der Status des illegalen Aufenthaltes in Österreich nicht beendet worden. Eine Ausreise bzw. Beendigung des illegalen Aufenthaltes in Österreich zum Zweck der Familienzusammenführung wäre erforderlich gewesen. Ein Entschuldigungs- und Einstellungsgrund nach § 45 Abs.1 Z2 sei in den Umständen nicht begründet gewesen.

2. In der fristgerecht durch ihre ag. Rechtsvertreter erhobenen Berufung führt die Berufungswerberin im Ergebnis aus wie folgt:

Den Asylantrag habe sie zu einem Zeitpunkt zurückgezogen als nach ihrer Verehelichung seitens des BMfI die Zusicherung einer Visumserteilung bestanden habe. Erst danach habe sich ergeben, dass ihr Reisepass verfälscht war. Diesbezüglich sei jedoch das gerichtliche Verfahren gegen sie am 28.7.1997, 3 St 252/97, eingestellt worden. Schließlich wurde ihr die Ausreise in die Slowakei ermöglicht, um von dort einen Antrag stellen zu können. Die Heimreise nach Liberia nach Abschluss (gemeint Zurückziehung des Antrages) des Asylverfahrens wäre ihr keinesfalls zuzumuten gewesen. Damit sei zumindest die subjektive Tatseite nicht erfüllt worden. Der von der Behörde gezogene Schluss, dass in Liberia nicht möglich sein kann, was in Österreich nicht möglich ist, sei daher unzulässig.

Die Berufungswerberin erachtet die Annahme, dass eine Verehelichung mit einem Österreicher den illegalen Aufenthalt nicht saniert, deshalb als unzutreffend, weil ihr Aufenthalt zum Zeitpunkt der Eheschließung auf Grund des anhängigen Asylverfahrens legal gewesen sei.

3. Da keine 10.000 S übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Oö. Verwaltungssenat durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied zur Entscheidung berufen.

4. Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den von der Erstbehörde vorgelegten Verwaltungsakt, durch Beischaffung einer sog. AIS Auskunft im Wege des Bundesasylsamtes und durch Anhörung der Berufungswerberin anlässlich der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung.

5. Folgender Sachverhalt ist erwiesen:

5.1. Die Berufungswerberin gelangte am 10. April 1995 auf dem Luftweg von Ghana via Italien - illegal - nach Österreich. Nach der Einreise stellte sie einen Asylantrag, den sie nach negativer Bescheidung schließlich am 28. April 1997 zurückzog. Bereits im Jahr 1995 verehelichte sich die Berufungswerberin mit dem österreichischen Staatsangehörigen, mit dem sie bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt an o.a. Wohnadresse lebt. Sie ist als Hilfsarbeiterin im S beschäftigt und besitzt zwischenzeitig einen bis zum 11.4.2001 gültigen Aufenthaltstitel.

Aus der im Akt erliegenden Korrespondenz ergibt sich, dass selbst seitens des BMfI Bemühungen getätigt wurden, den Aufenthalt der Berufungswerberin auf legale Basis zu bringen, welche jedoch durch Probleme bei der Beischaffung eines gültigen Reisepasses von den liberianischen Stellen erheblich verzögert wurden.

Im Ergebnis vermag der Sichtweise der Behörde erster Instanz nicht beigepflichtet werden, dass der Berufungswerberin eine Ausreise nach Liberia subjektiv zugemutet werden hätte können und sie das Unterbleiben einer solchen Ausreise in ihrer Sphäre in schuldhafter Weise zu vertreten gewesen sei.

6. Rechtlich hat der unabhängige Verwaltungssenat wie folgt erwogen:

6.1. Soweit die Berufungswerberin sich auf einen legalen Aufenthaltsstatus nach dem Asylgesetz beruft, ist dem zu entgegnen, dass sie aus einem sicheren Drittland (Italien) nach Österreich reiste. Damit kann sie sich nicht mehr auf die Legalität des Aufenthaltes berufen, da sie ja bereits in Italien jenen Schutz vor Verfolgung genossen hätte, auf welchen sie den (erst) in Österreich gestellten Asylantrag stützte. Es ist somit von der Illegalität des Aufenthalts der Berufungswerberin während der hier zur Last liegenden Zeitspanne auszugehen gewesen, womit der Tatbestand im Sinne des angefochtenen Straferkenntnisses objektiv erfüllt ist. Selbst nach der Zurückziehung des Asylantrages und den Bestrebungen nach der Eheschließung nach dem Aufenthaltsgesetz, den Aufenthalt im Bundesgebiet zu legalisieren, blieb dieser Aufenthalt formal illegal, wenngleich hier das Verschulden als geringfügig qualifiziert werden kann.

Nach dem Fremdengesetz in der hier anzuwendenden bis zum 31. Dezember 1997 geltenden Fassung, halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf,

1. wenn sie unter Einhaltung der Bestimmungen des 2. Teiles und ohne die Grenzkontrolle zu umgehen, eingereist sind oder

2. wenn ihnen eine Bewilligung gemäß § 1 des Aufenthaltsgesetzes oder von einer Sicherheitsbehörde ein Sichtvermerk erteilt wurde oder

3. solange ihnen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1991, BGBl. Nr. 8/1992, zukommt.

(2) Auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des Abs. 1 Z1 halten sich Fremde nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie auf Grund eines Schubabkommens (§ 4 Abs. 4) oder internationaler Gepflogenheit rückgenommen werden mussten oder auf Grund einer Durchbeförderungserklärung (§ 38) oder einer Durchlieferungsbewilligung gemäß § 47 des Auslieferungs- und Rechtshilfegesetzes (ARHG), BGBl. Nr. 529/1979, eingereist sind.

(3) Die Dauer des rechtmäßigen Aufenthaltes eines Fremden im Bundesgebiet richtet sich nach

1. der durch zwischenstaatliche Vereinbarung, Bundesgesetz oder Verordnung getroffenen Regelung oder

2. der Befristung der Bewilligung oder des Sichtvermerkes (§ 15 FRG).

6.1.1. Beim gegenständlichen Deliktstypus handelt es sich um ein sogenanntes Dauerdelikt bei dem nicht nur die Herbeiführung eines rechtswidrigen Zustandes, sondern auch dessen Aufrechterhaltung pönalisiert ist (VwGH 8.4.1987, 87/01/0007, vgl. VwSlg 3156/A/1953). Da dieser Zustand letztlich erst mit Erteilung des Visums im April 2000 beendet wurde, war die bereits mit der Strafverfügung vom 19. Jänner 1998 zur Last gelegte Tatzeit auch noch im Straferkenntnis einer Verfolgung zugänglich (vgl. VwGH 20.9.1999, 98/21/0137 mit Hinweis auf VwGH 2. Oktober 1996, 95/21/0362). Da selbst das gesamte Jahr 1996 noch vom illegalen Aufenthaltszeitraum umfasst ist, vermag in der Umschreibung "1996 bis 19.12.1997" ein Mangel im Sinne des § 44a Z1 VStG nicht erblickt werden.

6.2. Zur Frage der Rechtswidrigkeit:

6.2.1. Für den rechtmäßigen Aufenthalt eines Fremden im Bundesgebiet bedarf es entweder einer Bewilligung im Sinne des § 1 Aufenthaltsgesetz oder eines von der Sicherheitsbehörde erteilten Sichtvermerkes (§ 15 Abs.1 Z2 FrG - Fremdengesetz). In diesem Punkt ist den Ausführungen der Erstbehörde beizutreten. Im Sinne des Legalitätsgrundsatzes kann selbst eine zwischenzeitig erteilte Berechtigung zum Aufenthalt nicht gleichsam rückwirkend den zwischenzeitig, ohne Bewilligung gepflogenen Aufenthalt (ex tunc), nicht sanieren und diesen Aufenthalt nicht der Rechtswidrigkeit entledigen. Aus dieser Sicht würde der Aufenthalt selbst dann nicht legal sein, wenn die Nichterteilung der Bewilligung - was hier nicht der Fall ist - in rechtswidriger Weise vorenthalten worden wäre.

6.3. Zur Schuldfrage:

6.3.1. Der § 5 Abs.1 VStG normiert, dass, wenn eine Verwaltungsvorschrift über das Verschulden nicht anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt.

Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn - so wie hier - zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört wird (den sog. Ungehorsamsdelikten) und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft.

Im Zusammenhang mit illegalen Aufenthalten mit einem Asylantragsverfahren vertrat der unabhängige Verwaltungssenat wiederholt die Auffassung, dass es letztlich (für die Frage, inwieweit einem Berufungswerber ein rechtmäßiges Verhalten zugemutet werden kann) auch nicht gleichgültig sein kann, dass die Berufungswerberin einen legitimen und für sie aus der Grundrechtsperspektive einen achtenswerten Rechtsstandpunkt vertrat - mit welchem sie letztlich auch durchdrang - und bei zumindest lebensnaher Betrachtung wohl kaum zuzumuten wäre, den Verfahrensausgang im Herkunftsland abzuwarten. In diesem Punkt vermag - wie oben schon dargetan - der bloß formelhaft anmutenden Begründung der Behörde erster Instanz nicht gefolgt werden.

Ein Gesetz (oder eine Rechtsordnung), das eine Bedachtnahme auf einen derartigen Umstand unter keinen Umständen zulässt, würde über das Ziel schießen (vgl. auch VfGH 23.6.1992, G330 bis G333/91, Slg.Nr. 13.120 sinngem.).

6.4. Die Behörde kann ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten (§ 21 Abs.1 VStG). Selbst einer Ermahnung bedarf es angesichts des zwischenzeitig bereits legalisierten Aufenthaltes nicht mehr. Auch nachteilige Folgen an der relativ lange andauernden Aufrechterhaltung des formal illegalen Zustandes können hier nicht erblickt werden, weil letztlich das zu einem positiven Abschluss führende Verfahren von der Berufungswerberin stets nachhaltig betrieben wurde, sodass einer letztlich erfolgreichen Rechtsdurchsetzung in diesem Bereich schon begrifflich keine nachteiligen Folgen zugedacht sein können.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab der Zustellung eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof oder beim Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von den gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500 S (entspricht 181,68 €) zu entrichten.

Dr. B l e i e r

Beschlagwortung:

Zumutbarkeit, Ausreise, Antragstellung

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