Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230784/4/Fra/Ka VwSen230789/2/Fra/Ka

Linz, 22.06.2001

VwSen-230784/4/Fra/Ka VwSen-230789/2/Fra/Ka Linz, am 22. Juni 2001

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Fragner über die Berufung des Herrn HT, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 20.4.2001, AZ.: Sich96-4050-2001, betreffend Übertretung des Fremdengesetzes 1997, zu Recht erkannt:

I. Die Berufung wird hinsichtlich der Schuld als unbegründet abgewiesen. Hinsichtlich der Strafe wird der Berufung insofern Folge gegeben, als die Geldstrafe auf 500,00 Schilling (entspricht 36,34 Euro) und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 6 Stunden herabgesetzt werden.

II. Der Berufungswerber hat zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat keinen Kostenbeitrag zu zahlen. Für das Verfahren erster Instanz ermäßigt sich der Kostenbeitrag auf 10 % der neu bemessenen Strafe, ds 50,00 Schilling (entspricht 3,63 Euro).

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm §§ 16, 19 und 24 VStG.

zu II.: §§ 64 und 65 VStG.

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über den Berufungswerber (Bw) wegen Übertretung der §§ 31 iVm 107 Abs.1 Z4 FrG 1997 gemäß § 107 Abs.1 Z4 leg.cit. eine Geldstrafe von 2.000 S (EFS 24 Stunden) verhängt, weil er am 11.11.2000 mit einem von der Österreichischen Botschaft in Ankara am gleichen Tag ausgestellten und bis zum 9.2.2001 gültigen Einreisetitel (Visum C) nach Österreich eingereist ist und sich am 7.12.2000 in A, polizeilich angemeldet hat. Seit Ablauf der Gültigkeitsdauer seines Einreisetitels mit 9.2.2001 hält er sich weiterhin, somit nicht rechtmäßig, als pass- und sichtvermerkspflichtiger Fremder (§ 1 Abs.1 FrG 1997) im Bundesgebiet auf.

Ferner wurde gemäß § 64 VStG ein Kostenbeitrag in Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafe vorgeschrieben.

I.2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig durch den ausgewiesenen Vertreter bei der Strafbehörde eingebrachte Berufung. Die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck - als nunmehr belangte Behörde - legte das Rechtsmittel samt bezughabenden Verwaltungsstrafakt dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der, weil eine 10.000 S nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied entscheidet (§ 51c erster Satz VStG).

I.3. Der Bw bringt vor, die Anwendung des § 107 FrG 1997 setze voraus, dass tatsächlich ein nicht rechtmäßiger Aufenthalt im Bundesgebiet vorliege. Diese Bestimmung verweise auf § 31 leg.cit., wobei im vorliegenden Fall der Absatz 1 Ziffer 1 entscheidend sei. Er sei legal aufgrund eines Einreisetitels "Visum C" in das Bundesgebiet eingereist. Noch vor Ablauf der Gültigkeitsdauer dieses Visums sei am 22.1.2001 ein Ersuchen an das Bundesministerium für Inneres - Integrationsbeirat - gerichtet und darin die Erteilung einer humanitären Aufenthaltsbewilligung gemäß § 10 Abs.4 FrG 1997 angeregt worden. Da diese Bestimmung eine amtswegige Prüfung vorsieht, ob die in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen vorliegen, bedeute dies, dass bis zum Abschluss einer derartigen Prüfung keine anderweitigen Maßnahmen durch die Behörde gesetzt werden können und auch von keinem in diesem Sinne unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet durch ihn gesprochen werden könne. Die rechtliche Beurteilung der Erstbehörde sei daher verfehlt und es seien auch wesentliche im Einspruch begehrte Beweisaufnahmen unterblieben. So sei keine Anfrage beim Bundesministerium für Inneres zum angeführten Akt erstattet worden und es seien in weiterer Folge darauf aufbauende notwendige Feststellungen unterblieben, die zur umfassenden und fehlerfreien Beurteilung des Sachverhaltes unerlässlich seien.

Eine analoge Interpretation der maßgebenden Bestimmungen führe auch zur Anwendung der Bestimmung des § 31 Abs.4 FrG 1997, wonach Fremde, die einen Antrag auf Ausstellung eines weiteren Aufenthaltstitels gestellt haben, sich bis zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Da insoweit ein amtswegiges Ermittlungsverfahren nach § 10 Abs.4 FrG 1997 normiert ist, könne dies nur bedeuten, dass bis zum Abschluss desselben nicht vom Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung gesprochen werden könne, sodass er sich zu Recht auf diese Bestimmung des FrG 1997 für einen rechtmäßigen Aufenthalt berufen könne. In diesem Zusammenhang verweise er auch auf die Bestimmung des Art.8 MRK, wonach ein umfassender Rechtsanspruch auf Achtung des Familienlebens und damit Anspruch auf eine gemeinsame Lebensgestaltung rechtmäßig verbundener Eheleute bestehe. Seine Ehegattin ET verfüge über eine unbefristete Niederlassungsbewilligung und werde damit dieser sein Rechtsanspruch gestützt. Dies sei auch in Verbindung mit § 20 FrG 1997 gegeben, der den Grundsatz des Familiennachzuges für auf Dauer niedergelassene Fremde festlegt. Ein Antrag auf Bewilligung der Familienzusammenführung sei im Übrigen bereits im September 1999 gestellt worden. Obwohl keinerlei Versagungsgründe vorliegen, sei dieser bisher nicht positiv beschieden worden. Aufgrund des Assoziationsbeschlusses Nr. 1/80, bei dem es sich um unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht handelt, genießen Staatsangehörige der Türkei aufenthaltsrechtlich einen Sonderstatus, welcher in Verbindung mit der zitierten verfassungsgesetzlichen Vorschrift des Artikel 8 MRK einen unmittelbaren Rechtsanspruch auf Bewilligung der Familienzusammenführung schaffe. Bereits unter diesen Gesichtspunkten könne sohin bei konsequenter Auslegung des Gemeinschaftsrechtes in Verbindung mit verfassungsrechtlichen Vorschriften kein unrechtmäßiger Aufenthalt vorliegen.

Es liege sohin weder ein rechtswidriger Aufenthalt noch ein Verstoß gegen die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit vor. Der Aufenthalt bei seiner Gattin könne keinesfalls gegen die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit verstoßen, als dies lediglich Ausfluss eines auch verfassungsrechtlich verankerten Rechtes sei. Ihm sei für das Jahr 2001 ohnedies ein Quotenplatz für die Familienzusammenführung zu bewilligen. In Verbindung mit Artikel 8 MRK bedeute dies sohin, dass dieser Rechtsanspruch nur mehr eines entsprechenden Gestaltungsaktes (Ausstellung einer Vignette) bedarf.

Im vorliegenden Fall seien sohin jedenfalls hinreichende Gründe für die Anwendung des § 21 VStG und damit das Absehen von einer Strafe gegeben. Bei einer Gesamtbetrachtung seines Verhaltens sei auch festzustellen, dass kein tatbestandsmäßiges und rechtswidriges Verhalten vorwerfbar sei und zumindest Schuldausschließungsgründe nach § 6 VStG vorliegen. Er verweise insbesondere auch darauf, dass er sich im Jänner 2001 im Krankenhaus Vöcklabruck einer Unterleibsoperation unterziehen musste und in der Folge bis Ende Februar 2001 in laufender medizinischer Behandlung befand. Auch derzeit sei noch Bedarf an fachärztlicher Betreuung gegeben. Dieser Umstand habe im bisherigen Verfahren keine Berücksichtigung gefunden und möge deshalb im Berufungsverfahren durch seine Einvernahme und allenfalls auch Einholung sämtlicher medizinischer Unterlagen im Krankenhaus Vöcklabruck ergänzt werden. Weder spezial- noch generalpräventive Überlegungen gebieten sohin eine Bestrafung. Die verhängte Geldstrafe sei überdies unter Berücksichtigung seiner persönlichen Verhältnnisse und der Einkommensverhältnisse überhöht. Er habe keinerlei Einkommen, sondern sei ausschließlich auf die Unterhaltsleistungen durch die Gattin angewiesen. Es sei auch kein Vermögen festgestellt worden. Aus diesen Gründen gebiete sich überdies und jedenfalls die Herabsetzung der verhängten Geldstrafe auf ein schuld- und tatangemessenes Maß.

Der Bw beantragt sohin seiner Berufung stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen, in eventu das angeführte Straferkenntnis aufzuheben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidungsfindung an die Erstbehörde zurückzuverweisen, jedenfalls die verhängte Geldstrafe herabzusetzen bzw von der Verhängung einer Strafe gemäß § 21 VStG abzusehen.

I.3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat nach Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt erwogen:

Unstrittig ist, dass der Bw die Österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt, somit Fremder im Sinne des § 1 Abs.1 FrG 1997 ist. Der Bw besitzt die türkische Staatsbürgerschaft. Er reiste am 11.11.2000 mit einem von der Österreichischen Botschaft in Ankara ausgestellten und bis zum 9.2.2001 gültigen Einreisetitel "Visum C" nach Österreich ein und hielt sich bis zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Straferkenntnisses im Bundesgebiet der Republik Österreich auf. Der Bw regte mit Ersuchen vom 22.1.2001 an das Bundesministerium für Inneres die Erteilung einer humanitären Aufenthaltsbewilligung gemäß § 10 Abs.4 FrG 1997 an. Nach dieser Bestimmung kann die Behörde Fremden trotz Vorliegen eines Versagungsgrundes gemäß Abs.1 Z2, 3 und 4 sowie gemäß Abs.2 Z1, 2 und 5 in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen aus humanitären Gründen von Amts wegen eine Aufenthaltserlaubnis erteilen. Dem Argument des Bw, dass nach dieser Bestimmung eine Verpflichtung der Behörde bestehe, das Vorliegen der maßgeblichen Tatbestandsmomente für die Gebrauchnahme der ihr im § 10 Abs.4 FrG 1997 eingeräumten Ermächtigung zu prüfen und dass bis zum Abschluss einer derartigen von Amts wegen durchzuführenden Prüfung keine anderweitige Maßnahme durch die Behörde gesetzt werden könne und daher auch von keinem in diesem Sinne unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet durch ihn gesprochen werden könne, sind die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Straferkenntnis insofern entgegenzuhalten, als die Behörde ausführt, dass dem Fremden kein Antrags-, sondern lediglich ein Anregungsrecht für ein solches Tätigwerden der Behörde vorsieht, woraus resultiert, dass lediglich eine Empfehlung darüber abgegeben werden kann, eine Aufenthaltserlaubnis im Sinne dieser Bestimmung zu erteilen.

§ 31 Abs.4 FrG 1997 normiert, dass Fremde, die einen Antrag auf Ausstellung eines weiteren Aufenthaltstitels vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des ihnen zuletzt erteilten Aufenthaltstitels oder vor Entstehen der Sichtvermerkspflicht eingebracht haben, sich bis zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten.

Wenn sich der Bw in diesem Zusammenhang unter Hinweis auf sein Ersuchen gemäß § 10 Abs.4 FrG 1997 auf diese Bestimmung beruft und meint, dieses analog interpretieren zu müssen, kann ihm dahingehend nicht gefolgt werden. Der Bw ist darauf hinzuweisen, dass er lediglich im Besitz eines Einreisetitels (Visum) im Sinne des § 6 FrG 1997 und nicht im Besitze eines Aufenthaltstitels nach § 7 leg.cit. ist. Die belangte Behörde führt im angefochtenen Straferkenntnis zutreffend aus, dass für die Erteilung eines Einreisetitels der Grundsatz der Antragstellung vor der Einreise vom Ausland aus gelte und diese im Inland nicht verlängerbar sind und dass das dem Bw von der Österreichischen Botschaft in Ankara ausgestellte "Visum C" ein Reisevisum ist, welches Besuchs- und Geschäftsreisen mit einer maximalen Gültigkeitsdauer von drei Monaten erteilt wird, weshalb der Bw verpflichtet gewesen wäre, mit Ablauf der Gültigkeitsdauer dieses Einreisetitels aus Österreich auszureisen und der Bw bisher noch keinen Aufenthaltstitel besessen hat. Der Bw war daher nicht berechtigt, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den oa Antrag im Bundesgebiet zu bleiben.

Wenn der Bw im gegenständlichen Zusammenhang auch Artikel 8 MRK und den Assoziationsbeschluss EWG-Türkei Nr.1/1980 zitiert, wonach Staatsangehörige der Türkei aufenthaltsrechtlich einen Sonderstatus genießen und ein unmittelbarer Rechtsanspruch auf Bewilligung der Familienzusammenführung geschaffen wird, woraus resultiere, dass bei konsequenter Auslegung des Gemeinschaftsrechtes in Verbindung mit der zitierten verfassungsrechtlichen Vorschrift kein unrechtmäßiger Aufenthalt seinerseits vorliegen könne, weil er seit 24.5.1995 mit einer türkischen Staatsangehörigen rechtmäßig verheiratet ist, so ist dem zu entgegnen, dass auch die im zitierten Beschluss sich im Übrigen primär auf den Zugang zum Arbeitsmarkt beziehenden Begünstigungen Familienangehöriger den zuvor rechtmäßigen Aufenthalt im Vertragsstaat voraussetzen (vgl. z.B. W. Brechmann, in: Chr. Callies-M. Ruffert [Herausgeber], Kommentar des Vertrages über die Europäische Union des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, Luchterhand 1999, RN 25 ff, insbesondere RN 28 und 34; s.a. die RV zu § 30 FrG, abgedruckt in P. Widermann u.a. [Herausgeber], Fremdenrecht, Band 1, Wien, Loseblattausgabe seit 1995, S.1.1.132/1).

Weitere Beweise waren mangels rechtlicher Relevanz nicht aufzunehmen.

Aus den genannten Gründen war die Berufung in der Schuldfrage als unbegründet abzuweisen.

Strafbemessung:

Die Strafe wurde im Hinblick auf die soziale und wirtschaftliche Situation des Bw (wohnt bei seiner Ehefrau, die auch für den Lebensunterhalt aufkommt, beschäftigungslos, kein Vermögen und keine Sorgepflichten) sowie aufgrund des Umstandes, dass der Bw verwaltungsstrafrechtlich unbescholten ist - dies wird als Milderungsgrund anerkannt - als auch aufgrund des Umstandes, dass keine Erschwerungsgründe im Verfahren hervorgekommen sind, tat- und schuldangemessen herabgesetzt.

Hiebei fand auch die Krankheit des Bw Berücksichtigung (das diesbezügliche Vorbringen des Bw ist glaubhaft, weshalb seine Einvernahme unterbleiben konnte).

Entgegen der Auffassung des Bw liegen die Voraussetzungen für die Anwendung des § 21 Abs.1 VStG nicht vor. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt die Anwendung des § 21 Abs.1 leg.cit. nur in Frage, wenn die Schuld des Beschuldigten geringfügig ist. Davon kann aber nur die Rede sein, wenn das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt. Davon kann im Hinblick auf den mehrmonatigen nicht rechtmäßigen Aufenthalt des Bw in Österreich gesprochen werden.

zu II. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 2.500,00 Schilling (entspricht 181,68 Euro) zu entrichten.

Dr. F r a g n e r

Beachte:

Beschwerde gegen vorstehende Entscheidung wurde abgewiesen.

VwGH vom 18.05.2004, Zl.: 2001/21/0110-8

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