Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230798/8/Fra/Ka

Linz, 27.03.2002

VwSen-230798/8/Fra/Ka Linz, am 27. März 2002

DVR.0690392

E R K E N N T N I S

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Fragner über die Berufung des Herrn FS, gegen das nichtdatierte Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land, AZ.: Sich96-346-2000, betreffend Übertretungen des § 81 Abs.1 Sicherheitspolizeigesetz und des § 82 Abs.1 Sicherheitspolizeigesetz, zu Recht erkannt:

Der Berufung wird stattgegeben. Das angefochtene Straferkenntnis wird behoben und das Verwaltungsstrafverfahren eingestellt; der Berufungswerber hat keine Beiträge zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens zu zahlen.

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 AVG iVm §§ 24 und 45 Abs.1 Z1 und Z3 VStG; § 66 Abs.1 VStG.

Entscheidungsgründe:

1. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über den Berufungswerber (Bw) wegen Übertretung des § 81 Abs.1 SPG eine Geldstrafe von 800 S (58,14 Euro) für den Fall der Uneinbringlichkeit dieser eine Ersatzfreiheitsstrafe von 13 Stunden verhängt, weil er am 16.5.2000 um 08.25 Uhr in Linz, Volksgarten (Bereich der Veranstaltung des ÖGB), durch besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt gestört hat, indem er mehrmals lautstark auf provokante Weise den ÖGB als "rotes Gesindel" beschimpfte und dabei zusätzlich mit seinen Händen heftig gestikulierte. Weiters wurde über den Bw wegen Übertretung des § 82 Abs.1 SPG eine Geldstrafe von 1.000 S (72,67 Euro), für den Fall der Uneinbringlichkeit dieser eine Ersatzfreiheitsstrafe von 17 Stunden verhängt, weil er am 16.5.2000 um 08.25 Uhr in Linz, Volksgarten (Bereich der Veranstaltung des ÖGB) sich trotz vorausgegangener Abmahnung gegenüber Organen der öffentlichen Aufsicht, während diese ihre gesetzlichen Aufgaben wahrnahmen, aggressiv verhielt und dadurch eine Amtshandlung behinderte, indem er versuchte, zwei Beamte der Bundespolizeidirektion Linz mit unsachgemäßen Äußerungen wie "Ihr seid alle dümmer als ich" zu provozieren. In weiterer Folge sagte er zu den Beamten noch "Schleicht Euch!".

Ferner wurde gemäß § 64 VStG ein Kostenbeitrag in Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafen vorgeschrieben.

2. In seinem Rechtsmittel bringt der Bw im Wesentlichen vor, dass die ihm zur Last gelegten Verstöße nicht zustande gekommen seien, weil der ÖGB mit Mitgliedern der "Roten Fraktion" eine nichtgenehmigte Veranstaltung durchgeführt haben und dadurch bereits maßgebliche Rechtsvorschriften verletzt worden seien. Da die öffentliche Ordnung bereits durch "rote sogenannte Arbeitnehmervertreter" gestört worden sei, da sie Passanten mit Flugzetteln belästigten und außerdem öffentliche Gehwege teilweise durch Sessel, Tische und diverse Gegenstände blockierten, habe er die öffentliche Ordnung nicht noch einmal stören können. Herr A lüge, wenn er behaupte, dass er seinem Enkelkind einen Luftballon oder ein Zuckerl angeboten hätte. Herr A habe ausschließlich ihn belästigt, da er ihm unbedingt einen Flugzettel des "roten Gesindels" überreichen wollte, er aber dies mit der Begründung "das rote Gesindel war 30 Jahre in der Regierung und hat nur Schulden verursacht und ihr wollt euch jetzt über eine demokratisch zustande gekommene Regierung aufregen" abgelehnt habe. Übrigens sei der Ausdruck "rotes Gesindel unter Häuptling Gruselbauer" ein nicht von ihm stammender, sondern ein in weiten Bevölkerungskreisen verbreiteter Ausdruck. Die Polizeibeamten seien von ihm auf eine nichtgenehmigte Versammlung aufmerksam gemacht worden, haben dies aber mit den Worten: "Was genehmigt ist oder nicht, bestimmen wir" ignoriert. Die Behauptung von ihm, dass die Beamten dümmer seien als er, bezog sich rein auf deren offensichtlich geringe Intelligenz, welche sie durch die Art und Weise der Durchführung der Amtshandlung bewiesen hätten. Außerdem besitze er ein Gutachten eines gerichtlich beeideten Sachverständigen, dass sein Intelligenzquotient 134 betrage. Sollten sich die Beamten beleidigt gefühlt haben, sei er gerne bereit ein Gutachten über ihren IQ zu finanzieren. Während der Amtshandlung sei er mit seiner dreijährigen Enkeltochter auf einer Bank gesessen und habe schon allein dadurch bedingt kein aggressives Verhalten durch Gestik an den Tag legen können. Als er die einschreitenden Beamten aufmerksam machte, dass sie ihn ja abmahnen könnten und er dann sein angeblich strafbares Verhalten einstellen würde, hätten sie ihm Folgendes mitgeteilt: "Das ist völlig egal, denn in die Anzeige schreiben wird sowieso, dass wir dich abgemahnt haben!". Die Beamten hätten sich durch ihr Naheverhältnis zur sozialistischen Gewerkschaftsfraktion sehr subjektiv verhalten. Da sogar ihm zum Zeitpunkt der Amtshandlung bekannt gewesen sei, dass die angebliche "Veranstaltung" nicht genehmigt gewesen sei, hätten es die Polizeibeamten sicher auch gewusst. Es wäre daher auch zu überprüfen, ob sich nicht auch die Beamten einer Verfehlung schuldig gemacht haben. In dieser Hinsicht behalte er sich weitere Schritte, insbesondere eine Sachverhaltsdarstellung an die zuständige Staatsanwaltschaft vor.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land - als nunmehr belangte Behörde - sah sich zu einer Berufungsvorentscheidung nicht veranlasst und legte das Rechtsmittel samt bezughabendem Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der, weil jweils 726 Euro nicht übersteigende Geldstrafen verhängt wurden, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied entscheidet (§ 51c erster Satz VStG).

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen:

4.1. Vorerst ist festzustellen, dass im vorgelegten Verwaltungsstrafakt kein Zustellnachweis betreffend das angefochtene Straferkenntnis vorgefunden werden konnte. Das Straferkenntnis ist auch nicht datiert. Laut Stempel der belangten Behörde wurde dieses Straferkenntnis am 19.7.2001 abgesendet. Der Berufungswerber behauptet, das angefochtene Straferkenntnis sei ihm am 24.7.2001 zugestellt worden. Laut Poststempel auf dem entsprechenden Briefkuvert wurde die Berufung am 6.8.2001 der Post zur Beförderung übergeben. Auf der Berufung befindet sich auch der Vermerk "in offener Frist". Der Oö. Verwaltungssenat geht daher von einer rechtzeitigen Einbringung des Rechtsmittels aus, woraus rechtlich resultiert, dass es nicht wegen Verspätung zurückzuweisen, sondern in der Sache selbst zu entscheiden ist. Weiters ist festzustellen, dass die richtige Schreibweise des Familiennamens des Bw "S" und nicht wie im angefochtenen Straferkenntnis angeführt "S" ist. Die belangte Behörde teilte hiezu dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit, dass die divergierende Schreibweise auf einen Tippfehler in der Anzeige vom 16.5.2000 beruhe. Im Hinblick auf die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses erübrigt es sich jedoch, die Schreibweise des Namens zu korrigieren. Wie bereits oben angeführt, ist das angefochtene Straferkenntnis auch nicht datiert. Im Verwaltungsstrafakt der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land befindet sich ein weiterer Entwurf eines Straferkenntnisses, welcher mit 6.3.2001 datiert ist. Auf der ersten Seite dieses Straferkenntnisses ist ein Aktenvermerk vom 20.5.2001 mit dem Vermerk "Rechtskraft zurückgesetzt" angebracht. Aus diesem Aktenvermerk geht weiters hervor, dass dem Bw das Straferkenntnis (mit RSa) zugestellt wird (neu). Zu diesem Aktenvermerk ersuchte der Oö. Verwaltungssenat die belangte Behörde mit Schreiben vom 12.9.2001, VwSen-230798/2/Fra/Ka, um Aufklärung, ob und allenfalls wann dem Bw das mit 6.3.2001 datierte Straferkenntnis zugestellt wurde und bejahendenfalls, weshalb das "nicht datierte" Straferkenntnis dem Bw nochmals zugestellt wurde und wie der Vermerk "Rechtskraft zurückgesetzt" aus der Sicht der belangten Behörde zu verstehen ist.

Die belangte Behörde teilte hiezu mit Schreiben vom 14.3.2002, Sich96-346-2000, dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich mit, dass laut Aktenlage an den Bw ein Straferkenntnis vom 6.3.2001 erging. Zu diesem Schriftstück gibt es jedoch keinen Rückschein, woraus zu schließen ist, dass das Straferkenntnis nicht, oder zumindest nicht korrekt zugestellt worden ist. Der Bw hatte von der belangten Behörde eine Strafverfügung vom 27.6.2000 erhalten. Da der Einspruch gegen dieselbe irrtümlich nicht in der EDV erfasst worden war, erging an den Bw eine Mahnung. Im Zuge des fernmündlichen Beschwerde- bzw. Aufklärungsgespräches erfuhr der zuständige Sachbearbeiter, dass dem Bw kein Straferkenntnis zugestellt worden war. Infolge dessen wurde vom Sachbearbeiter die Rechtskraft in der EDV zurückgesetzt. Daraufhin stellte die belangte Behörde das Straferkenntnis neuerlich, allerdings offensichtlich undatiert per RSa-Brief zu. Die Datierung (19.7.2001) ist nur am amtsinternen Entwurf sichtbar, nicht jedoch auf dem Originalstraferkenntnis.

Im Hinblick auf die oa Mitteilung der belangten Behörde geht der Oö. Verwaltungssenat davon aus, dass das undatierte Straferkenntnis, welches am 24.7.2001 zugestellt wurde und gegen das der Bw rechtzeitig Berufung erhoben hat, erstmals zugestellt wurde. Wäre nämlich das Straferkenntnis der belangten Behörde vom 6.3.2001, AZ. Sich96-346-2000, ebenfalls rechtswirksam zugestellt worden, hätte der Oö. Verwaltungssenat das am 24.7.2001 zugestellte Straferkenntnis wegen Verstoßes gegen den Grundsatz "ne bis in idem" aufzuheben gehabt, woraus wiederum resultieren würde, dass das Straferkenntnis vom 6.3.2001 mangels rechtzeitiger Einbringung einer Berufung in Rechtskraft erwachsen und die mit diesem Straferkenntnis verhängten Strafen zu vollstrecken wären. Im Übrigen stellt das Datum eines Bescheides grundsätzlich kein wesentliches Bescheidmerkmal dar (vgl. VwGH vom 28.6.1994, 94/05/0004).

4.2. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

4.2.1. Gemäß § 82 Abs.1 SPG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer sich trotz vorausgegangener Abmahnung gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht oder gegenüber einer Militärwache, während diese ihre gesetzlichen Aufgaben wahrnehmen, aggressiv verhält und dadurch eine Amtshandlung behindert.

Voraussetzung für die Tatbildmäßigkeit des Verhaltens ist somit die Behinderung einer Amtshandlung ua eines Organes der öffentlichen Aufsicht. Im angefochtenen Straferkenntnis wurde dieses wesentliche Tatbildmerkmal auch aufgenommen, nicht jedoch in einer rechtzeitigen, dh während der Verfolgungsfrist gesetzten Verfolgungshandlung. Die inkriminierte Tat wurde am 16.5.2000 gesetzt. In der Strafverfügung vom 27.6.2000 ist von einer Störung und nicht von einer Behinderung der Amtshandlung die Rede, ebenso in der Aufforderung zur Rechtfertigung vom 13.7.2002, im Rechtshilfeersuchen vom 21.7.2000, in der Zeugeneinvernahme des Herrn RI. K vom 2.8.2000. In der Zeugeneinvernahme des Herrn RI. W vom 2.8.2000 sowie des Roland A vom 17.8.2000 ist von einer Behinderung der Amtshandlung nicht die Rede. Das Straferkenntnis vom 6.3.2001, welches offensichtlich nicht rechtswirksam zugestellt wurde, enthält erstmals das wesentliche Tatbestandsmerkmal der Behinderung der Amtshandlung. Dieses Straferkenntnis ist jedoch bereits außerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist ergangen. Hinsichtlich dieses Tatbestandes liegen somit Umstände vor, welche die weitere Verfolgung der dem Bw zur Last gelegten Tat ausschließt.

4.2.2. Gemäß § 81 Abs.1 SPG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer durch besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt stört. Gemäß § 82 Abs.2 SPG schließt eine Bestrafung nach Abs.1 eine Bestrafung wegen derselben Tat nach § 81 aus. § 82 Abs.1 SPG verdrängt somit eine Bestrafung nach § 81 SPG. Der Tatbestand nach Punkt 1 des angefochtenen Straferkenntnisses wurde daher dem Bw schon aus diesem Grunde zu Unrecht angelastet. Da durch die gegenständliche Berufungsentscheidung Punkt 2 des angefochtenen Straferkenntnisses aufgehoben wurde, könnte man die Auffassung vertreten, dass die Verwaltungsübertretung nach Punkt 1 des angefochtenen Straferkenntnisses wieder "auflebt". Das dem Bw zur Last gelegte Verhalten erfüllt jedoch auch in materieller Hinsicht nicht diesen Tatbestand. § 81 SPG ist ein Erfolgsdelikt. Der "Erfolg" besteht darin, dass der normale Ablauf an einem öffentlichen Ort beeinträchtigt wird; diese Beeinträchtigung ist nach objektiven Kriterien zu messen. Der Verfassungsgerichtshof geht davon aus, dass unter "Ordnung an öffentlichen Orten" nur der Zustand der gewöhnlichen Verhältnisse der Dinge der Außenwelt zueinander verstanden werden kann, eine Ordnung, die etwa durch Aufsehen oder durch einen Massenauflauf gestört und in der Folge wieder hergestellt werden kann, somit die äußerliche öffentliche Ordnung. Es muss durch das inkriminierte Verhalten der Ablauf des äußeren Zusammenlebens von Menschen oder ein bestehender Zustand von Dingen in wahrnehmbarer Weise gestört worden sein. Dass derartiges durch das Verhalten des Bw bewirkt worden wäre, ist nicht evident. Wenn der Bw, wie ihm dies unter Punkt 1 des angefochtenen Straferkenntnisses zur Last gelegt wird, den ÖGB als "rotes Gesindel" beschimpft hat, so stellt diese Äußerung eine nicht seinem behaupteten hohen Intelligenzquotienten angepasste Polemik gegen einen politisch mächtigen Verein dar. Wenn der Bw - wie er behauptet - einen derart hohen IQ aufweist, wäre ihm wohl, wenn er schon Kritik am ÖGB anbringen möchte, eine andere Wortwahl zumutbar.

Aus den genannten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

5. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Dr. F r a g n e r