Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230812/5/Fra/Ka

Linz, 01.04.2003

 

 

 VwSen-230812/5/Fra/Ka Linz, am 1. April 2003

DVR.0690392
 

 

 

E R K E N N T N I S
 
 
 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Fragner über die Berufung des Herrn IÜ, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. MF, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 2.1.2002, Sich96-125-1-2001, betreffend Übertretung des Fremdengesetzes 1997, zu Recht erkannt:

 

 

I. Die Berufung wird hinsichtlich der Schuld als unbegründet abgewiesen. Hinsichtlich der Strafe wird der Berufung insofern Folge gegeben, als die Geldstrafe auf 72 Euro herabgesetzt wird. Für den Fall der Uneinbringlichkeit dieser wird eine Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden festgesetzt.

 

II. Der Berufungswerber hat zum Verfahren vor dem Oö. Verwaltungssenat keinen Kostenbeitrag zu zahlen. Für das Verfahren erster Instanz ermäßigt sich der Kostenbeitrag auf 10 % der neu bemessenen Strafe, ds. 7,20 Euro.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: § 66 Abs.4 AVG iVm § 24 VStG; §§ 16 und 19 VStG

zu II.: §§ 64 und 65 VStG.
 
 

Entscheidungsgründe:
 

I.1. Die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen hat mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis über den Berufungswerber (Bw) wegen Übertretung des § 7 VStG iVm § 107 Abs.1 Z4 und § 31 Abs.1 Fremdengesetz 1997 (FrG) gemäß § 107 Abs.1 Z4 FrG iVm § 7 VStG eine Geldstrafe von 145 Euro (EFS 66 Stunden) verhängt, weil er als gesetzlicher Vertreter seines minderjährigen Sohnes MÜ, geb.1.1.1986, vorsätzlich die Begehung einer Verwaltungsübertretung erleichtert hat, indem er seinem Sohn seit 9.9.2001 einen nicht rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet der Republik Österreich, und zwar an seiner Unterkunft in K ermöglicht hat, obwohl die Aufenthaltsberechtigung (Reisevisum) für das Bundesgebiet mit 8.9.2001 abgelaufen ist und sein Sohn nicht aufgrund eines Aufenthaltstitels oder einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt ist und er nicht Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels ist und ihm nicht eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1997 zukommt. Ferner wurde gemäß § 64 VStG ein Kostenbeitrag in Höhe von 10 % der verhängten Geldstrafe vorgeschrieben.

 

I.2. Dagegen richtet sich die rechtzeitig durch den ausgewiesenen Vertreter bei der Strafbehörde eingebrachte Berufung. Die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen - als nunmehr belangte Behörde - legte das Rechtsmittel samt bezughabendem Verwaltungsstrafakt dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vor, der, weil eine 2.000  Euro nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch das nach der Geschäftsverteilung zuständige Einzelmitglied entscheidet (§ 51c erster Satz VStG).

 

I.3. Der Bw bringt vor, sein minderjähriger Sohn sei am 26.7.2001 aufgrund eines Visums "C" legal in das Bundesgebiet eingereist. Am 10.9.2001 sei ein Ersuchen an das Bundesministerium für Inneres/Beirat für Asyl- und Migrationsfragen gerichtet worden. Es sei darin ausgeführt worden, dass sein mj. Sohn in der Türkei keine ausreichende Betreuung und Unterstützung zu erwarten habe und damit die Gefahr der Verwahrlosung und eines Abgleitens in einen sozialen Abrund bestehe. Nur bei einem gemeinsamen weiteren Aufenthalt bei den leiblichen Eltern sei die umfassende Obsorge und Betreuung gewährleistet. Um den Zielvorgaben der UN-Konvention über die Rechte der Kinder und des Art.8 MRK zu entsprechen, erscheine es geboten, aus humanitären Gründen ein Auseinanderreissen der Familie zu verhindern und sei darauf gestützt das Ersuchen gestellt worden, aus besonders berücksichtigungswürdigen humanitären Gründen eine vorläufige Aufenthaltserlaubnis gemäß § 10 Abs.4 FrG 1997 zu erteilen. Nach dieser Bestimmung sei ausdrücklich eine amtswegige Aufenthaltserlaubnis (nach den Bestimmungen des zweiten Hauptstückes) vorgesehen. Diesbezüglich hätte demnach die Behörde von Amts wegen zu prüfen gehabt und von Amts wegen darüber befinden müssen, ob die in dieser Bestimmung genannte Voraussetzung ("in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen aus humanitären Gründen") für die Möglichkeit einer Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vorliegt. Es bestehe sohin nach der gesetzlichen Bestimmung bereits eine Verpflichtung der Behörde, das Vorliegen der maßgeblichen Tatbestandsmomente für die Gebrauchnahme von der ihr im § 10 Abs.4 FrG 1997 eingeräumten Ermächtigung zu prüfen. Dies bedeute in anderer Hinsicht jedoch, dass bis zum Abschluss einer derartigen von Amts wegen durchzuführenden Prüfung keine anderweitigen Maßnahmen durch die Behörde gesetzt werden können und auch von keinem in diesem Sinne unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet durch seinen mj. Sohn gesprochen werden könne. In diesem Sinne sei bereits der erhobene verwaltungsstrafrechtliche Vorwurf rechtlich nicht begründet. Neben der UN-Konvention über die Rechte der Kinder sei im vorliegenden Fall im Besonderen auch auf die Bestimmung des Art. 8 MRK zu verweisen, wonach ein umfassender Rechtsanspruch auf Achtung des Familienlebens und damit ein Anspruch auf eine gemeinsame Lebensgestaltung der Eltern und mj. Kinder bestehe. Aufgrund des Assoziationsbeschlusses 1/80, bei dem es sich um unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht handelt, genießen Staatsangehörige der Türkei überdies aufenthaltsrechtlich einen Sonderstatus, welcher in Verbindung mit der zitierten verfassungsgesetzlichen Vorschrift des Art.8 MRK einen unmittelbaren Rechtsanspruch auf Bewilligung der Familienzusammenführung schaffe. Bereits unter diesen Gesichtspunkten könne sohin bei konsequenter Auslegung des Gemeinschaftsrechtes in Verbindung mit verfassungsrechtlichen Vorschriften kein unrechtmäßiger Aufenthalt seines mj. Sohnes vorliegen. Unter Einbeziehung dieser gesamten rechtlichen Aspekte sei sohin im vorliegenden Fall bei einer Gesamtbetrachtung davon auszugehen, dass ein gesetzlicher Strafausschließungsgrund nach § 6 VStG vorliege. Er habe jedenfalls nicht vorsätzlich die Begehung einer Verwaltungsübertretung erleichtert, als es ihm als fürsorglichen Familienvater ausschließlich um die Wahrung des Wohles seines mj. Sohnes gehe. Insofern mangle es sohin sowohl in subjektiver als auch in objektiver Hinsicht an der Tatbestandsmäßigkeit der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung. Überdies seien im vorliegenden Fall hinreichende Gründe für die Anwendung des § 21 VStG und damit das Absehen von einer Strafe gegeben. Er beantragte daher der gegenständlichen Berufung Folge zu geben, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren einzustellen, allenfalls nach Durchführung der angebotenen Beweise.

 

I.4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat nach Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt erwogen:

 

Unstrittig ist, dass der Sohn des Bw, MÜ, geb. 1.1.1986, die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt, somit Fremder im Sinne des § 1 Abs.1 FrG 1997 ist. Herr ÜM ist türkischer Staatsangehöriger. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Straferkenntnis weiters folgende Sachverhaltsfeststellungen getroffen:

 

"Am 23.12.1998 wurde für den Sohn des Bw über die Österreichische Botschaft in Ankara ein Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung im Rahmen des Familiennachzuges gestellt. Die Ehegattin des Bw, Frau ÜA, stellte ebenfalls einen Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung. Die Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung ist jedoch nur im Rahmen der von der Bundesregierung festgelegten Quote möglich. Die sofortige Erteilung einer Niederlassungsbewilligung war mangels Quote jedoch nicht möglich. Da der Sohn des Bw in der Folge das 14. bzw 15. Lebensjahr vollendete, war die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung im Rahmen des Familiennachzuges nicht mehr möglich. Der Antrag des Sohnes des Bw auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung wurde mit Bescheid der hs. Behörde vom 18.6.2001 abgewiesen. Die Berufung gegen die obige Entscheidung wurde vom Bundesministerium für Inneres mit Bescheid vom 7.11.2001 abgewiesen.

Der Ehegattin des Bw wurde am 14.5.2001 eine Niederlassungsbewilligung im Rahmen des Familiennachzuges erteilt. Es war dem Bw zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt, dass seinem Sohn im Rahmen des Familiennachzuges keine Bewilligung mehr erteilt werden kann.

Am 30.7.2001 hat sich der Sohn des Bw in Österreich polizeilich angemeldet. Er ist mit einem von der Österreichischen Botschaft in Ankara erteilten Reisevisum "C", ausgestellt am 26.7.2001, gültig bis 8.9.2001, in das Bundesgebiet eingereist.

Seit 9.9.2001 verfügt der Sohn des Bw über keine Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet der Republik Österreich."

 

Dieser vom Bw nicht bestrittene Sachverhalt ist rechtlich wie folgt zu beurteilen:

 

Gemäß § 31 Abs.1 FrG 1997 halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf,

1. wenn sie unter Einhaltung der Bestimmungen des 2. Hauptstückes und ohne die Grenzkontrolle zu umgehen und eingereist sind oder

2. wenn sie aufgrund eines Aufenthaltstitels oder einer Verordnung für Vertriebene (§ 29) zum Aufenthalt berechtigt sind oder

3. wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind oder

4. solange ihnen Aufenthaltsberechtigungen nach dem Asylgesetz 1997 zukommt.

 

Gemäß § 107 Abs.1 Z4 FrG 1997 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 726 Euro zu bestrafen, wer sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (§ 31).

 

Gemäß § 7 VStG unterliegt der auf diese Übertretung gesetzten Strafe, wer vorsätzlich veranlasst, dass ein anderer eine Verwaltungsübertretung begeht oder wer vorsätzlich einem anderen die Begehung einer Verwaltungsübertretung erleichtert, und zwar auch dann, wenn der unmittelbare Täter selbst nicht strafbar ist.

 

Wie oben erwähnt ist Herr ÜM lediglich im Besitze eines Einreisetitels (Visum) im Sinne des § 6 FrG 1997, welcher nur bis 8.9.2001 gültig war und nicht im Besitze eines Aufenthaltstitels nach § 7 leg.cit. Das Herrn ÜM von der österreichischen Botschaft in Ankara ausgestellte "Visum C" ist ein Reisevisum, welches Besuchs- und Geschäftsreisen mit einer max. Gültigkeitsdauer von drei Monaten erteilt wird. Herr ÜM wäre daher verpflichtet gewesen, mit Ablauf der Gültigkeitsdauer dieses Einreisetitels aus Österreich auszureisen. Auch aus der Anregung auf Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis lässt sich kein Aufenthaltsrecht im Gebiet der Bundesrepublick Österreich ableiten. Dem Fremden kommt diesbezüglich kein Antrags-, sondern lediglich ein Anregungsrecht für ein solches Tätigwerden der Behörde vor. Daraus resultiert, dass lediglich eine Empfehlung darüber abgegeben werden kann, eine Aufenthaltserlaubnis im Sinne dieser Bestimmung zu erteilen.

 

Der Bw zitiert den Assoziationsbeschluss EWG-Türkei Nr. 1/1980 und Art.8 MRK, wonach Staastsangehörige der Türkei aufenthaltsrechtlich einen Sonderstatus genießen und ein unmittelbarer Rechtsanspruch auf Bewilligung der Familienzusammenführung geschaffen wird. Nach Auffassung des Bw resultiere daraus, dass bei konsequenter Auslegung des Gemeinschaftsrechtes in Verbindung mit der zitierten verfassungsrechtlichen Vorschrift ein unmittelbarer Rechtsanspruch auf Bewilligung der Familienzusammenführung geschaffen werde. Dieser Auffassung ist entgegenzuhalten, dass auch die im zitierten Beschluss sich im Übrigen primär auf den Zugang zum Arbeitsmarkt beziehenden Begünstigungen Familienangehöriger den zuvor rechtmäßigen Aufenthalt im Vertragsstaat voraussetzen (vgl. zB W. Brechmann, in: Chr. Callies - M. Ruffert [Herausgeber], Kommentar des Vertrages über die Europäische Union und des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Luchterhand 1999, RN. 25ff, insbesondere RN. 28 und 34; s.a. die RV zu § 30 FrG, abgedruckt in P. Widermann u.a. [Herausgeber], Fremdenrecht, Band 1, Wien, Loseblattausgabe seit 1995, S.1.1.132/1).

 

Zur behaupteten mangelnden Schuld des Bw hat die belangte Behörde im angefochtenen Straferkenntnis festgestellt, der Bw sei von ihr eingeladen worden, Vorkehrungen zu treffen, damit sein Sohn alleine in der Türkei bleiben könne. Der Bw sei weiters informiert worden, dass seinem Sohn im Rahmen des Familiennachzuges keine Niederlassungsbewilligung mehr erteilt werden könne. Er habe somit damit rechnen müssen, dass sich sein Sohn lediglich zu kurzfristigen Besuchen in Österreich aufhalten werde könne. Diesen Feststellungen hat der Bw in seinem Rechtsmittel nichts Stichhaltiges entgegengesetzt. Der von ihm relevierte Strafausschließungsgrund liegt nicht vor. Es ist davon auszugehen, dass der Bw den nicht rechtmäßigen Aufenthalt seines mj. Sohnes ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden hat. Er handelte damit zumindest bedingt vorsätzlich, weshalb der Tatvorwurf auch hinsichtlich der Erfüllung der subjektiven Tatbestandsmerkmale als erfüllt zu betrachten ist. Davon ausgehend ist im Rahmen der Strafbemessung festzustellen, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 21 Abs.1 VStG nicht vorliegen, insbesondere auch deshalb nicht, als der mehrmonatige rechtswidrige Aufenthalt des mj. Sohnes des Bw nicht bloß als "unbedeutend" im Sinne dieser Bestimmung zu qualifizieren ist. Die Voraussetzungen für ein Absehen von der Geldstrafe liegen daher nicht vor. Dem Bw ist jedoch dahingehend zu folgen, wenn er argumentiert, dass es ihm als fürsorglichen Familienvater ausschließlich um die Wahrung des Wohles seines Sohnes gehe. Es liegt daher der besondere Milderungsgrund des "achtenswerten Beweggrundes" vor. Als mildernd wird weiters die verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit gewertet, erschwerende Gründe sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Die Strafe war daher schuldangemessen zu reduzieren.

 

II. Die Kostenentscheidung ist gesetzlich begründet.
 
 
 

Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.


 

Dr. F r a g n e r

 

 

 

 

 
 

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