Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230860/2/WEI/An

Linz, 27.11.2004

 

 

 VwSen-230860/2/WEI/An Linz, am 27. November 2004

DVR.0690392
 
 
 
 

E R K E N N T N I S
 
 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Wolfgang Weiß über die Berufung des I Ü, t Staatsangehöriger, B, G, vertreten durch Dr. M F, Rechtsanwalt in W, T., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen vom 23. Oktober 2003, Zl. Sich96-137-2002, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem § 7 VStG iVm § 107 Abs 1 Z 4 und § 31 Abs 1 Fremdengesetz 1997 - FrG 1997 (BGBl I Nr. 75/1997, zuletzt geändert mit BGBl I Nr. 134/2002 [Strafrechtsänderungsgesetz]) zu Recht erkannt:

 

 

I. Der Berufung wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

II. Die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens entfällt.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG iVm § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG; § 66 Abs 1 VStG.
 
 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Berufungswerber (Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"Sie erleichtern als gesetzlicher Vertreter Ihres minderjährigen Sohnes Ü M, geb., vorsätzlich die Begehung einer Verwaltungsübertretung, indem Sie ihrem Sohn weiterhin seit 10.1.2002 einen nicht rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet der Republik Österreich, und zwar an ihrer Unterkunft in K ermöglichen,

obwohl die Aufenthaltsberechtigung (Reisevisum) für das Bundesgebiet mit 8.9.2001 abgelaufen ist und ihr Sohn nicht aufgrund eines Aufenthaltstitels oder einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt ist und er nicht Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels ist und ihm nicht eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1997 zukommt.

 

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

 

§ 7 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG), BGBl.Nr. 52/1991, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 137/2001, in Verbindung mit § 107 Abs. 1 Zi. 4 und § 31 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 (FrG), BGBl. I Nr. 75/1997, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 98/2001."

 

Wegen dieser Verwaltungsübertretung verhängte die belangte Behörde "gemäß § 107 Abs. 1 Zi. 4 FrG in Verbindung mit § 7 VStG" eine Geldstrafe in Höhe von 145 Euro und für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 66 Stunden. Als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurden 14,50 Euro vorgeschrieben.

 

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Bw zu Händen seines Rechtsvertreters am 29. Oktober 2003 zugestellt wurde, richtet sich die rechtsfreundlich verfasste Berufung, die am 12. November 2003 rechtzeitig zur Post gegeben wurde und am 13. November 2003 bei der belangten Behörde einlangte. Die Berufung beantragt primär die Aufhebung des Straferkenntnisses und die Einstellung des Strafverfahrens, hilfsweise die Anwendung des § 21 VStG oder angemessene Herabsetzung der Strafe.

 

2. Aus der Aktenlage ergibt sich der folgende wesentliche S a c h v e r h a l t :

 

2.1. Im angefochtenen Straferkenntnis ging die belangte Behörde von folgendem Sachverhalt aus:

 

Am 23. Dezember 1998 wurde für M Ü, den Sohn des Bw, ein Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung im Rahmen des Familiennachzuges im Wege der österreichischen Botschaft in A gestellt. Frau A Ü, die Ehegattin des Bw, stellte ebenfalls einen solchen Antrag. Die sofortige Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung wäre im Rahmen der festgelegten Quote nicht möglich gewesen. Da der Sohn des Bw in der Folge das 14 und 15 Lebensjahr vollendete, wäre die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung im Rahmen des Familiennachzuges nicht mehr möglich gewesen. Der Antrag des Sohnes auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung sei mit Bescheid der belangten Behörde vom 18. Juni 2001 abgewiesen worden. Die dagegen eingebrachte Berufung sei mit Bescheid des BMI vom 7. November 2001 abgewiesen worden. Über die dagegen eingebrachte Beschwerde habe der Verwaltungsgerichtshof noch nicht entschieden.

 

Am 14. Mai 2001 sei der Ehegattin eine Niederlassungsbewilligung im Rahmen des Familiennachzuges erteilt worden. Damals sei dem Bw schon bekannt gewesen, dass seinem Sohn im Rahmen des Familiennachzuges keine Bewilligung mehr erteilt werden könne.

 

Am 30. Juli 2001 meldete sich der Sohn des Bw polizeilich in Österreich an. In das Bundesgebiet reiste er mit einem am 26. Juli 2001 von der Botschaft in A ausgestellten und bis 8. September 2001 gültigen Reisevisum C ein. Er verfügte daher seit 9. September 2001 über keine Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet der Republik Österreich.

 

2.2. Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 2. Jänner 2002, Zl. Sich 96-125-1-2001, wurde der Bw wegen der Erleichterung der Verwaltungsübertretung des unrechtmäßigen Aufenthalts bis 9. Jänner 2002 (Zustelldatum des Straferkenntnisses) nach § 7 VStG iVm § 107 Abs 1 Z 4 FrG 1997 rechtskräftig bestraft. Mit h. Berufungserkenntnis vom 1. April 2003, VwSen-230812/5/Fra/Ka, wurde der Berufung in der Schuldfrage keine Folge gegeben, die Strafe aber herabgesetzt.

 

Mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 19. November 2002, Zl. Sich 96-52-2003, zugestellt durch Hinterlegung am 17. März 2003, hat die belangte Behörde dem Bw angelastet, seinem Sohn durch die Unterkunft in G, B, den nicht rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet vorsätzlich zu ermöglichen, obwohl das Reisevisum mit 8. September 2001 abgelaufen und der Sohn durch keinen Aufenthaltstitel oder eine Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sei. In der rechtsfreundlich vertretenen Stellungnahme vom 27. November 2002 wird im Hinblick auf das gleichgelagerte Straferkenntnis der belangten Behörde vom 2. Jänner 2002, Zl. Sich 96-125-1-2001, ein Verstoß gegen das Verbot der Doppelbestrafung behauptet und auf die seinerzeitige Rechtfertigung verwiesen. Das Verfahren möge bis zur Entscheidung des damals anhängigen Berufungsverfahrens unterbrochen werden.

 

Die belangte Behörde hat schließlich das nunmehr angefochtene Straferkenntnis vom 23. Oktober 2003 erlassen. Bei der rechtlichen Beurteilung ging die belangte Behörde davon aus, dass sich der Bw nach Ablauf seines Reisevisums seit 9. September 2002 nicht mehr rechtmäßig in Österreich unter der Adresse K aufgehalten hat. Der unrechtmäßige Aufenthalt in der Zeit vom 9. September 2001 bis 9. Jänner 2002 sei durch das vorangegangene Straferkenntnis abgedeckt worden.

 

Dem Vorbringen, dass der Bw nicht vorsätzlich die Begehung einer Verwaltungsübertretung erleichtert, sondern nur zum Wohl seines mj. Sohnes gehandelt hätte, erwiderte die belangte Behörde, der Bw wäre aufgefordert worden Vorkehrungen zu treffen, damit sein Sohn alleine in der T bleiben kann. Er wäre auch informiert worden, dass im Rahmen des Familiennachzuges keine Niederlassungsbewilligung mehr erteilt werden könnte. Somit musste der Bw damit rechnen, dass sich sein Sohn lediglich zu kurzfristigen Besuchen in Österreich werde aufhalten können. Ein Strafausschließungsgrund liege daher nicht vor.

 

2.3. Die rechtsfreundlich verfasste Berufung verweist hinsichtlich der Abweisung der Erstniederlassungsbewilligung auf eine beim Verwaltungsgerichtshof noch anhängige Beschwerde gegen den Berufungsbescheid des BMI. Der Verwaltungsgerichtshof habe das Vorverfahren gemäß § 35 Abs 3 VwGG eingeleitet. Interessant sei auch ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 8. Oktober 2003, mit dem § 18 Abs 1 Z 3 FrG sowie § 22 FrG als verfassungswidrig aufgehoben worden wäre. Dazu wäre festgestellt worden, dass die unbedingte Geltung der Quotenpflicht dazu führe, dass nicht geprüft werden könne, ob auf Grund besonderer Familienverhältnisse eine rasche Familienzusammenführung durch Art 8 EMRK geboten wäre. Die Ausführungen in diesem vom Bw nicht näher bezeichneten Erkenntnis träfen auch auf den vorliegenden Fall zu. Deshalb könnte der Verwaltungsgerichtshof der Beschwerde möglicherweise stattgeben und klarstellen, dass die Versagung der Niederlassungsbewilligung rechtswidrig gewesen wäre. Da dies eine wesentliche Vorfrage wäre, hätte das Verfahren bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes im Verfahren Zl. 2002/18/0068 gemäß § 38 AVG ausgesetzt werden müssen.

 

Die Berufung gegen die mit Bescheid der belangten Behörde vom 18. November 2002, Zl. Sich 40-6812, verfügte Ausweisung des mj. M Ü sei mit Berufungsentscheidung der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 16. Jänner 2003, Zl. St 262/02, abgewiesen worden. Dagegen sei fristgerecht Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben worden. Mit Beschluss vom 17. September 2003, Zl. AW 2003/18/0195-5, habe der Verwaltungsgerichtshof der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Daraus leitet die Berufung ein vorläufiges Aufenthaltsrecht ab.

 

In der Beschwerde sei darauf verwiesen worden, dass der Bw seit 13 Jahren legal in Österreich aufhältig sei und über eine unbefristete Niederlassungsbewilligung verfüge. In absehbarer Zeit sei die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft zu erwarten. Da beide Kindeseltern im Bundesgebiet legal niedergelassen sind, sei davon auszugehen, dass die Familie nicht in die T zurückkehren werde. Der EGMR leite aus Art 8 EMRK einen Rechtsanspruch auf Familienzusammenführung bei einem solchen Sachverhalt ab (Hinweis auf EGMR v 21.12.2001 ohne Zahl in der Sache Sen gegen Niederlande). Österreich sei auch nach der UN-Konvention über die Rechte der Kinder verpflichtet, Minderjährige nicht der Gefahr der Verwahrlosung auszusetzen und für eine umfassende Betreuung und Obsorge durch beide Eltern zu sorgen.

 

Die belangte Behörde negiere völlig, dass den Bw als Kindesvater Schutz- und Sorgfaltspflichten treffen. Bereits mehrfach habe man darauf hingewiesen, dass der mj. Sohn keine Verwandten in der T habe, die ihn aufnehmen und betreuen würden. Bei einer Rückkehr in die T würde ihm die Verwahrlosung und das Abgleiten in den sozialen Abgrund drohen. Für den Bw habe das Wohl und persönliche Fortkommen seines Sohnes im Vordergrund gestanden. Er hätte damit in Verfolgung eines legitimen und auch verfassungsrechtlich anerkannten Zieles gehandelt. Die belangte Behörde hätte dies berücksichtigen und mangelndes Verschulden annehmen müssen.

 

Die Berufung rügt weiter, dass das angefochtene Straferkenntnis gegen das Bestimmtheitsgebot des § 44a Z 1 VStG verstoße. Die belangte Behörde nehme nicht auf die vorgetragenen Umstände Bedacht und lege nicht ausreichend substantiiert dar, inwieweit der Bw als gesetzlicher Vertreter vorsätzlich die Begehung einer Verwaltungsübertretung erleichtere. Die Umschreibung im Straferkenntnis reiche nicht aus. Die belangte Behörde habe auch keine ausreichenden Tatsachenfeststellungen zur Begründung des Tatvorwurfes getroffen.

Außerdem leitet die Berufung aus dem rechtskräftigen Straferkenntnis vom 2. Jänner 2002, mit dem ein "völlig identischer Sachverhalt" angelastet worden wäre, einen Verstoß gegen das Verbot der Doppelbestrafung ab.

 

Schließlich übergehe die Behörde einen am 22. März 2002 gestellten Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung als Angehöriger eines österreichischen Staatsbürgers, dem der Adoptionsvertrag vom 15. Februar 2002 zugrunde lag, dem allerdings die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung aus formalrechtlichen Gründen nicht erteilt worden wäre. Dieser Antrag sei mit Bescheid der belangten Behörde vom 18. November 2002 abgewiesen worden. Bis zu dieser am 22. November 2002 zugestellten Entscheidung hätte man nicht von einem unrechtmäßigen Aufenthalt ausgehen dürfen. Dem gesetzlichen Vertreter gegenüber wäre mit dieser Antragstellung ein Strafvorwurf weggefallen. Spätestens dann hätte die Frist nach dem § 31 Abs 2 VStG zu laufen begonnen und wäre Verjährung eingetreten.

 

Die Berufung wiederholt dann noch die ihrer Meinung nach maßgeblichen Umstände und verweist auf ein Ersuchen um Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 10 Abs 4 FrG 1997, aus dem sie etwas gegen das Straferkenntnis ableiten zu können glaubt. Abschließend wird behauptet, dass bei einer Gesamtbetrachtung des Falles ein gesetzlicher Strafausschließungsgrund nach § 6 VStG vorliege.

 

3. Der Oö. Verwaltungssenat hat nach Einsicht in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt festgestellt, dass die Aktenlage unvollständig ist, weil die belangte Behörde ihre fremdenbehördlichen Akten nicht angeschlossen hat. Eine nähere Überprüfung der Darstellung des Bw war allerdings nicht notwendig, weil schon aus der unvollständigen Aktenlage abgeleitet werden konnte, dass das angefochtene Straferkenntnis aus rechtlichen Gründen aufzuheben ist.

 

4. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat erwogen.

 

4.1. Gemäß § 107 Abs 1 FrG 1997 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist in den Fällen der Z 1 und Z 2 mit Geldstrafe bis 726 Euro oder Freiheitsstrafe bis zu 14 Tagen, sonst mit Geldstrafe bis zu 726 Euro zu bestrafen, wer

 

nach Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung nicht rechtzeitig ausreist oder

einem Aufenthaltsverbot zuwider unerlaubt in das Bundesgebiet zurückkehrt oder

sich als passpflichtiger Fremder, ohne im Besitz eines gültigen Reisedokuments zu sein, im Bundesgebiet aufhält, oder

sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (§ 31).

Nach § 31 FrG 1997 halten sich Fremde in Österreich rechtmäßig auf,

  1. wenn sie unter Einhaltung der Bestimmungen des 2. Hauptstückes und ohne die Grenzkontrolle zu umgehen eingereist sind oder
  2. wenn sie auf Grund eines Aufenthaltstitels oder einer Verordnung für Vertriebene (§ 29) zum Aufenthalt berechtigt sind oder
  3. wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind oder
  4. solange ihnen eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1997 zukommt.

 

4.2. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu den Sprucherfordernissen nach § 44a Z 1 VStG ist die Tat so weit zu konkretisieren, dass eine eindeutige Zuordnung zu den Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (stRsp seit verst. Senaten VwSlg 11.466 A/1984 und VwSlg 11.894 A/1985). Dabei sind die Anforderungen an Tatort- und Tatzeitumschreibung von Delikt zu Delikt und je nach den Begleitumständen verschieden und an Rechtsschutzüberlegungen zu messen (vgl u.a. im Anschluss an verst. Senat VwSlg 11.894 A/1985; VwGH 29.9.1993, 93/02/0046; VwGH 31.1.1995, 95/05/0008; VwGH 9.9.1998, 97/04/0031). Im Spruch sind alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind. Eine Umschreibung bloß in der Begründung reicht im Verwaltungsstrafrecht nicht aus (vgl mwN Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, 1996, 971).

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Rechtsmittelbehörde nach § 66 Abs 4 AVG (iVm § 24 VStG) nicht die Befugnis, dem Beschuldigten eine andere Tat als die Erstbehörde anzulasten und damit die Tat auszuwechseln (vgl allgemein VwGH 25.3.1994, 93/02/0228; VwGH 19.5.1993, 92/09/0360; VwGH 28.2.1997, 95/02/0601). Die Entscheidungsbefugnis der Berufungsbehörde ist durch den Abspruchsgegenstand des angefochtenen Bescheides beschränkt (vgl VwGH 23.11.1993, 93/04/0169). Eine Abänderungsermächtigung besteht nur im Rahmen der Sache iSd § 66 Abs 4 AVG (vgl etwa VwGH 25.9.1992, 92/09/0178; VwGH 8.2.1995, 94/03/0072; VwGH 3.9.1996, 96/04/0080). Dabei ist Sache des Berufungsverfahrens die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs im Bescheid der Unterbehörde bildet (vgl u.a. VwGH 24.3.1994, 92/18/0356; VwGH 23.10.1995, 94/04/0080; VwGH 29.10.1996, 96/07/0103; VwGH 19.3.1997, 93/11/0107). Ein Austausch wesentlicher Tatbestandsmerkmale führt zur Anlastung einer anderen Tat und ist daher unzulässig (vgl VwGH 20.11.1997, 97/06/0170).

 

4.3 Der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses leidet zunächst schon unter einem wesentlichen Mangel, weil er fälschlich den Tatort mit K anführt, obwohl die vorgeworfene Ermöglichung des unrechtmäßigen Aufenthaltes für den nunmehr angelasteten Tatzeitraum - wie die belangte Behörde im Vorlageschreiben zugibt - nicht an dieser Adresse, sondern per Adresse B in G stattgefunden habe. Die belangte Behörde hält dies irrtümlicherweise für einen bloßen Schreibfehler und begründet dies mit der Übernahme von Teilen des früheren Straferkenntnisses. Allerdings findet sich auch in der Bescheidbegründung die falsche Adresse K und wird die richtige Adresse nicht erwähnt.

Der Tatort ist ein essentielles Element der gemäß § 44a Z 1 VStG in den Spruch eines Straferkenntnisses als erwiesen aufzunehmenden Tat. Zu einem Austausch dieses wesentlichen Tatbestandselements ist die Berufungsbehörde auch dann nicht berechtigt, wenn sie damit nur einen der Strafbehörde unterlaufenen Irrtum richtigstellen will (vgl VwGH 15.11.1994, Zl. 92/070139; VwGH 19.9.1996, Zl. 96/07/0002).

4.4. Im Übrigen hält das nunmehr erkennende Mitglied des Oö. Verwaltungssenats - anders als die bestätigende Berufungsentscheidung vom 1. April 2003, VwSen-230812/5/Fra/Ka, - die Tatanlastung als solche für nicht aussagekräftig und damit auch nicht im Sinne des § 44a Z 1 VStG hinreichend konkretisiert. Der gegen den Bw erhobene Tatvorwurf, an einer bestimmten Unterkunft den nicht rechtmäßigen Aufenthalt des mj. Sohnes ermöglicht zu haben, geht weitgehend ins Leere, weil der Bw als Vater und gesetzlicher Vertreter zivilrechtlich verpflichtet ist, seinem mj. Sohn Unterhalt und damit auch Unterkunft zu gewähren (vgl § 140 ABGB). Der Vorwurf eines an sich rechtmäßigen Verhaltens ist für sich allein nicht ausreichend, die Beihilfe des Vaters zur Verwaltungsübertretung des nicht rechtmäßigen Aufenthaltes seines Sohnes zu begründen. Der von der belangten Behörde gewählte Ansatz greift zu kurz. Sie hätte zusätzlich darauf abstellen müssen, dass der Bw, der als Vater und gesetzlicher Vertreter über den Aufenthaltsort seines mj. Sohnes verfügt, geeignete Vorkehrungen zu treffen hat, dass sein mj. Sohn die Einreise- und Niederlassungsbestimmungen des Fremdenrechts einhält. So wäre der Bw wohl verpflichtet gewesen, die notwendigen Schritte zu setzen, um die rechtzeitige Ausreise seines Sohnes zu gewährleisten und diesen in der T unterzubringen.

Diese Einschätzung der Unzulänglichkeit des Tatvorwurfes wird auch durch die Kontrollüberlegung bestätigt, dass es aus fremdenpolizeilicher Sicht für die belangte Behörde von Vorteil ist, wenn der mj. Sohn beim Vater Unterkunft genommen hat. In diesem Fall ist er für die Fremdenbehörde greifbar, wenn es um die Durchsetzung einer Ausweisung geht. Wenn der Bw seinem Sohn keinen Unterkunft gewährte und dieser irgendwo untergetaucht wäre, hätte die belangte Behörde den Bw dann etwa nicht der Beihilfe beschuldigen können? Schon diese rhetorische Frage macht wohl klar, dass es im gegebenen Zusammenhang nicht einfach nur auf die Gewährung der Unterkunft ankommen konnte. Vielmehr wäre es notwendig gewesen, die Umstände des Einzelfalles zu erheben und dementsprechend das Fehlverhalten des Vaters iSd § 7 VStG näher zu konkretisieren. Denn bei dem verkürzten objektiven Ansatz der belangten Behörde bleibt auch der sich darauf beziehende Vorwurf der vorsätzlichen Begehung bloß inhaltsleer und nichtssagend.

5. Im Ergebnis war das angefochtene Straferkenntnis schon im Grunde des rechtlich verfehlten Tatvorwurfes aufzuheben und das Strafverfahren mangels einer zutreffend angelasteten Verwaltungsübertretung gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen. Auf die weiteren Argumente der Berufung brauchte nicht mehr eingegangen werden. Bei diesem Ergebnis entfällt auch nach § 66 Abs 1 VStG die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.
 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.
 
 

Dr. W e i ß
 

 
 

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