Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230889/3/SR/Ri

Linz, 22.10.2004

 

 

 VwSen-230889/3/SR/Ri Linz, am 22. Oktober 2004

DVR.0690392
 
 
 

E R K E N N T N I S

 

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch seine

I. Kammer

 
unter dem Vorsitz von Dr. G r o f,
in Anwesenheit des Berichters Mag. S t i e r s c h n e i d e r
und der Beisitzerin Mag. B e r g m a y r - M a n n

 

 

über die Berufung des S J, B Straße, R.I., gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Ried i.I. vom 28. Juli 2004, Zl. Sich96-404-2004-Ha, wegen Übertretung des Sicherheitspolizeigesetzes zu Recht erkannt:

 

  1. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG eingestellt.
  2.  

  3. Der Berufungswerber hat keinen Kostenbeitrag zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

§ 66 Abs.4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz BGBl. Nr. 51/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I. Nr. 10/2004 - AVG iVm § 24, § 45 Abs.1 Z.1, § 51e Abs.2 Z.1 Verwaltungsstrafgesetz, BGBl. Nr. 52/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I. Nr. 117/2002- VStG

zu II.: § 66 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

1. Mit dem angefochtenen Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Ried i.I. wurde der Berufungswerber (im Folgenden: Bw) wie folgt schuldig erkannt und bestraft:

"Sie haben sich am 22.05.2004 um 01.30 Uhr in 4910 Ried i.I., Schloßberg 1, in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand vor den Eingang des Krankenhauses gelegt und haben so getan, als würden Sie schlafen. Sie wollten damit erreichen, dass die Rettung verständigt werde, damit diese Sie nach Hause fahre. Sie haben somit durch besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt gestört.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 81 Abs.1 Sicherheitspolizeigesetz, BGBl.Nr. 566/1991

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Freiheitsstrafe von 2 Tagen

Gemäß § 81 Abs. 1 Sicherheitspolizeigesetz

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

30 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich 15 Euro angerechnet).

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher 30,00 Euro".

 

2. Gegen dieses dem Bw am 5. August 2004 zu eigenen Handen zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende bei der Behörde erster Instanz rechtzeitig eingebrachte Berufung.

 

2.1. In der Begründung führte die Behörde erster Instanz im Wesentlichen aus, dass der im Spruch angeführte Sachverhalt auf Grund der Ergebnisse des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und der Anzeige des Gendarmeriepostenkommandos Ried im Innkreis einwandfrei erwiesen sei. Da der Bw keine Stellungnahme abgegeben habe, könne angenommen werden, dass er dem klaren Sachverhalt nichts entgegen zu halten habe. Die Tatbestandsmerkmale der zur Last gelegten Verwaltungsübertretung seien voll und ganz erfüllt, da sich der Bw "zum Tatzeitpunkt in alkoholisiertem Zustand vor den Eingang des Krankenhauses Ried im Innkreis gelegt und so getan habe, als würde er schlafen, um so zu erreichen, dass die Rettung verständigt werde und ihn nach Hause bringe".

 

Die Freiheitsstrafe wurde damit begründet, dass der Bw "seit dem Jahre 1999 bereits 14 mal wegen Übertretung nach § 81 Abs. 1 SPG, 7 mal wegen Übertretung nach § 83 Abs. 1 SPG und 15 mal wegen Übertretung nach § 1 Abs. 1 Oö. Polizeistrafgesetz" rechtskräftig bestraft worden sei. Weiters habe sich der Bw hinsichtlich der Beachtung von Vorschriften, welche der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dienen, in hohem Maße uneinsichtig gezeigt. Um ihn von Übertretungen gleicher Art abzuhalten, sei die Verhängung einer Freiheitsstrafe als unbedingt notwendig erachtet worden.

 

2.2. Dagegen hat der Bw die ihm zur Last gelegte Tat bestritten und die verhängte Strafe als zu hoch bezeichnet.

 

3.1. Die Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis hat die Berufung samt den bezughabenden Verwaltungsstrafakt vorgelegt.

 

    1. Auf Grund der Aktenlage steht folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt fest:

 

Am 24. Juni 2004 um 01.30 Uhr teilte der diensthabende Portier des Krankenhauses Ried im Innkreis dem zuständigen Beamten des Gendarmeriepostenkommandos Ried im Innkreis telefonisch mit, dass es mit dem amtsbekannten Bw wieder ein Problem gebe. Dieser habe um etwa 01.15 Uhr verlangt, dass ihn die Rettung nach Hause fahren müsse. Auf Grund der Vorsprache sei der Bw ärztlich untersucht worden. Da keine Verletzung festgestellt werden konnte und auch sonst kein Behandlungsbedarf bestanden habe, sei der Bw aufgefordert worden, das Krankenhaus zu verlassen. Der Bw sei der Aufforderung nachgekommen, habe sich aber vor dem Haupteingang des Krankenhauses auf den Boden gelegt und sich schlafend gestellt.

 

Zur Klärung der Sachlage wurde die Sektorstreife Ried/I (RevInsp S und GrInsp B) zum Tatort entsandt. Beim Eintreffen der Streife lag der sichtlich unter Alkoholeinwirkung stehende Bw am Boden vor dem Haupteingang des Krankenhauses und stellte sich schlafend. Die einschreitenden Beamten "stellten" den Bw auf, setzten ihn in den Dienstwagen und brachten ihn nach Hause.

 

Abgesehen von der behördlichen Aufforderung zur Rechtfertigung vom 29. Juni 2004 finden sich keine weiteren Hinweise auf ein behördliches Ermittlungsverfahren und auf Erhebungsberichte der einschreitenden Beamten.

In der Aufforderung zur Rechtfertigung wurde dem Bw lediglich vorgehalten, dass er sich "in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand vor den Eingang des Krankenhauses gelegt und so getan habe, als würde er schlafen. Damit habe der Bw erreichen wollen, dass die Rettung verständigt werde, damit diese ihn nach Hause fahre. Er habe somit durch besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt gestört".

Dem Bw wurde jedoch nicht vorgeworfen, dass sein Verhalten von anderen als den betroffenen Personen wahrgenommen wurde und diese daran Ärgernis genommen haben.

 

  1. Der Oö. Verwaltungssenat hat erwogen:

 

4.1.1. Gemäß § 81 Abs. 1 SPG begeht eine Verwaltungsübertretung, wer durch besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt stört.

 

4.1.2. § 81 Abs. 1 SPG bildet ein Erfolgsdelikt, weshalb § 5 Abs. 1 VStG nicht zum Tragen kommt. Im Sinne von § 81 Abs. 1 SPG ist jedes menschliche Verhalten tatbildlich, das als besonders rücksichtslos qualifiziert werden kann. Rücksichtsloses Verhalten ist jenes Verhalten, das gegen jene ungeschriebenen Regeln für das Verhalten des Einzelnen in der Öffentlichkeit verstößt, deren Befolgung als unentbehrliche Voraussetzung für ein gedeihliches Miteinanderleben angesehen wird. Die besondere Rücksichtslosigkeit ist nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen. Ein Verhalten, das unter bestimmten Umständen hinzunehmen ist, kann unter anderen Umständen besonders rücksichtslos sein. Demnach ist die Ordnung an einem öffentlichen Ort gestört, wenn ein Zustand hergestellt worden ist, welcher der Ordnung widerspricht, wie sie an einem öffentlichen Ort gefordert werden muss oder wenn ein Zustand geschaffen wird, der geordneten Verhältnissen an einem öffentlichen Ort widerspricht. Jedenfalls muss durch das tatbildliche Verhalten entweder der Ablauf des äußeren Zusammenlebens von Menschen oder aber ein bestehender Zustand von Dingen in wahrnehmbarer Weise gestört worden sein (Hauer/Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz, Kommentar2 , Seite 592 ff).

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Tatbestandselement der tatsächlichen Störung der öffentlichen Ordnung überdies nur dann verwirklicht, wenn das Verhalten des Beschuldigten und seine Äußerungen von anderen Personen als den unmittelbar Betroffenen und intervenierenden Beamten wahrgenommen werden kann. Dieses Element der Straftat ist im Spruch des Straferkenntnisses anzuführen, ebenso wie die Tatsache, dass diese Personen daran Ärgernis genommen haben (u.v. VwGH vom 25.11.1991, Zl. 91/10/0207).

 

4.2. Gemäß § 44a Z. 1 VStG hat der Spruch die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten.

Der Vorschrift des § 44a Z. 1 VStG ist (nur) dann entsprochen, wenn

a) im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und

b) der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. (Siehe hiezu Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, Seite 969).

 

Ziffer 1 stellt somit klar, dass der den Deliktstatbestand erfüllende Sachverhalt mit allen rechtserheblichen Merkmalen konkretisiert umschrieben werden muss.

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Sprucherfordernissen nach § 44a Z.1 VStG ist die Tat so weit zu konkretisieren, dass eine eindeutige Zuordnung zu den Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (stRsp seit den verst. Senaten VwSlg 11.466 A/1984 und VwSlg 11.894 A/1985). Dabei sind die Anforderungen an Tatort- und Tatzeitumschreibung von Delikt zu Delikt und je nach den Begleitumständen verschieden und an Rechtsschutzüberlegungen zu messen (vgl u.a. im Anschluss an verst. Senat VwSlg 11.894 A/1985; VwGH 29.9.1993, 93/02/0046; VwGH 31.1.1995, 95/05/0008; VwGH 9.9.1998, 97/04/0031). Im Spruch sind alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind. Eine Umschreibung bloß in der Begründung reicht im Verwaltungsstrafrecht nicht aus (vgl mwN Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, 1996, 971).

 

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Rechtsmittelbehörde nach § 66 Abs. 4 AVG (iVm § 24 VStG) nicht die Befugnis, dem Beschuldigten eine andere Tat als die Erstbehörde anzulasten und damit die Tat auszuwechseln (vgl. allgemein VwGH 25.3.1994, 93/02/0228; VwGH 19.5.1993, 92/09/0360; VwGH 28.2.1997, 95/02/0601). Die Entscheidungsbefugnis der Berufungsbehörde ist durch den Abspruchsgegenstand des angefochtenen Bescheides beschränkt (vgl. VwGH 23.11.1993, 93/04/0169). Eine Abänderungsermächtigung besteht nur im Rahmen der Sache iSd § 66 Abs. 4 AVG (vgl etwa VwGH 25.9.1992, 92/09/0178; VwGH 8.2.1995, 94/03/0072; VwGH 3.9.1996, 96/04/0080). Dabei ist Sache des Berufungsverfahrens die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs im Bescheid der Unterbehörde bildet (vgl. u.a. VwGH 24.3.1994, 92/18/0356; VwGH 23.10.1995, 94/04/0080; VwGH 29.10.1996, 96/07/0103; VwGH 19.3.1997, 93/11/0107). Ein Austausch wesentlicher Tatbestandsmerkmale führt zur Anlastung einer anderen Tat und ist daher unzulässig (vgl. VwGH 20.11.1997, 97/06/0170).

 

4.3. Die Verfolgungshandlung gegen einen Beschuldigten muss daher das ihm zur Last gelegte Handeln - im Falle des Unterlassens durch Beschreibung jener Handlung, die er hätte setzen müssen und nach Auffassung der Behörde rechtswidriger Weise nicht gesetzt hat - unter Berücksichtigung sämtlicher gemäß § 44a Z1 VStG im Spruch des Straferkenntnisses aufzunehmenden Tatbestandselemente der verletzten Verwaltungsvorschrift gemäß § 44a Z2 VStG näher konkretisieren und individualisieren (VwGH vom 7.9.1990, Zl. 85/18/0186).

 

Die Behörde erster Instanz hat dem Bw zwar eine Verwaltungsübertretung zur Last gelegt und ihn zur Rechtfertigung aufgefordert, jedoch mit der gewählten Formulierung keine dem Gesetz entsprechende Konkretisierung iSd § 44a Z. 1 VStG vorgenommen. U.a. wurde dem Bw nicht vorgehalten, dass an seinem Verhalten nicht unmittelbar betroffene Personen Ärgernis genommen haben. Durch die mangelhafte Tatanlastung war der Bw in seinen Verteidigungsrechten eingeschränkt.

Dem Oö. Verwaltungssenat war es gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 24 VStG verwehrt, den Tatvorwurf auszutauschen.

 

Da die dem Bw zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden konnte, war der Berufung stattzugeben, das Straferkenntnis aufzuheben und gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG die Einstellung zu verfügen.

 

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Bw weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der Behörde erster Instanz noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

Dr. Grof

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