Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230912/3/BMa

Linz, 26.04.2005

 

 VwSen-230912/3/BMa Linz, am 26. April 2005

DVR.0690392
 

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Mag. Gerda Bergmayr-Mann über die Berufung des K K, vertreten durch Mag. S T, Rechtsanwalt gegen das Straferkenntnis des Polizeidirektors der Stadt Linz vom 31. Jänner 2005, Zl. III/S-11.655/04-2 SE, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Sicherheitspolizeigesetz, zu Recht erkannt:

 

  1. Der Berufung wird stattgegeben, der angefochtene Bescheid wird behoben und das Verfahren eingestellt.
  2. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat zu leisten.

 

Rechtsgrundlagen:

zu I.: §§ 24, 45 Abs. 1 Z. 1 und § 51 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG iVm. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG.

zu II.: § 66 VStG.

 

 

 

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit dem in der Präambel angeführten Straferkenntnis wurde über den Berufungswerber (im Folgenden: Bw) eine Geldstrafe in Höhe von 50 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 36 Stunden) verhängt, weil er am 6. März 2004 um 14.45 Uhr in Linz, Landstraße 17 - 25, in den Geschäftsräumen der Firma P & C durch ein besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt gestört habe, indem er im Verkaufsraum des dortigen Geschäftslokals gemeinsam mit anderen Personen Transparente entrollt und mit Trillerpfeifen gepfiffen habe. Dadurch habe er eine Übertretung des § 81 Abs. 1 Sicherheitspolizeigesetz begangen, weshalb er nach der genannten Bestimmung zu bestrafen gewesen sei.

Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, es stehe aufgrund der Anzeige vom 18. März 2004 und des durchgeführten Ermittlungsverfahrens unbestritten fest, dass der Bw in den Geschäftsräumen der Fa. P & C gemeinsam mit anderen Personen Transparente entrollt und mit Trillerpfeifen gepfiffen habe. Zu diesem Zeitpunkt habe im Geschäft reger Kundenverkehr geherrscht. Durch das Verhalten des Bw sei der normale Ablauf an einem öffentlichen Ort, nämlich der ungestörte Geschäftsbetrieb, ungerechtfertigt beeinträchtigt und gestört worden. Im Übrigen wurde das bisherige Verfahren kurz dargestellt und die Strafbemessung näher begründet.

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Bw zu Handen seines Vertreters am
4. Februar 2005 zugestellt wurde, richtet sich die am 16. Februar 2005 - und somit rechtzeitig - der Post zur Beförderung übergebene und bei der belangten Behörde am 18. Februar 2005 eingelangte Berufung.

Darin wird unrichtige Tatsachenfeststellung, unrichtige Beweiswürdigung und unrichtige rechtliche Beurteilung gerügt. Insbesondere sei nicht konkretisiert, ob der Bw tatsächlich gepfiffen habe. Das bloße Pfeifen sei auch nicht als erhebliche Störung einzustufen. Das vorgeworfene Verhalten hätte besonders rücksichtslos und die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt gestört sein müssen. Die Behörde erster Instanz habe sich diesbezüglich auf bloße Mutmaßungen gestützt.

Abschließend wird die Aufhebung des Straferkenntnisses und die Einstellung des Verfahrens, in eventu die Herabsetzung der verhängten Strafe, beantragt.

 

2. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bundespolizeidirektion Linz, Zl. S - 11.655/04-2; da sich bereits aus diesem der entscheidungswesentliche Sachverhalt klären ließ und mit dem angefochtenen Straferkenntnis eine 500 Euro übersteigende Geldstrafe nicht verhängt wurde, konnte im Übrigen gemäß § 51e VStG von der Durchführung einer öffentlichen Verhandlung abgesehen werden. Es war durch ein Einzelmitglied zu entscheiden, weil weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde (§ 51c VStG).

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:

3.1.1.  Der Oö. Verwaltungssenat geht bei seiner Entscheidung von folgendem entscheidungswesentlichen Sachverhalt aus:

Am 6. März 2004 um ca. 14.45 Uhr betrat eine Personengruppe von 15 bis 20 Personen das Geschäft des Unternehmens P & C in Linz, Landstraße. Einige Personen entrollten Transparente, einige machten mit Trillerpfeifen und Sprechchören, unterstützt durch ein Signalhorn, auf sich aufmerksam. Im Geschäft herrschte reger Kundenverkehr. Als die Personen das Verkaufslokal verließen, wurde eine Gruppe von Personen vom Hausdetektiv weiter verfolgt.

Organe der BPD Linz hielten kurz vor 15.00 Uhr eine Personengruppe, die sich in Richtung Herrenstraße bewegte, in dem als Promenade bezeichneten Straßenzug, an. Bei der anschließenden Personsdurchsuchung wurden zwei Trillerpfeifen, eine Treibgashupe sowie Prospekt- und Propagandamaterial sichergestellt.

Der Geschäftsführer von P& C erstattete Anzeige.

3.1.2. Dieser Sachverhalt ergab sich widerspruchsfrei aus dem Akteninhalt.

3.1.3. Davon abgesehen konnten keine weiteren Sachverhaltsdetails mit der für ein Strafverfahren notwendigen Sicherheit bewiesen werden. Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass der Bw im Bekleidungsgeschäft Transparente entrollt und mit Trillerpfeifen gepfiffen hat (und nicht etwa eine andere dort anwesende Person). So wurde von der belangten Behörde allen vier gleichzeitig angehaltenen Personen vorgeworfen, mit Trillerpfeifen gepfiffen und Transparente entrollt zu haben; bei der Personsdurchsuchung dieser am Wachzimmer wurden aber nur zwei Trillerpfeifen und kein Transparent vorgefunden. Eine Zuordnung der Pfeifen zu den einzelnen Personen ist unterblieben. Insbesondere ist auszuschließen, dass der Berufungswerber bei seiner Einvernahme als Beschuldigter Aussagen treffen wird, die zu Feststellungen führen könnten, die eine Subsumtion unter die Tatbestandselemente des ihm vorgeworfenen Delikts zulassen würden, hat er doch bestritten, überhaupt gepfiffen zu haben.

Auch hinsichtlich der Tatbestandselemente "rücksichtsloses Verhalten" und "ungerechtfertigte Störung der öffentlichen Ordnung" fehlen fundierte Feststellungen. So wurden die Behauptungen im bekämpften Bescheid nicht durch Zeugeneinvernahmen von im Geschäft anwesenden Kunden oder durch die Angabe der Identität dieser Personen belegt.

3. 2. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.2.1. Gemäß § 81 Abs. 1 des Sicherheitspolizeigesetzes - SPG, BGBl. Nr. 566/1991, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. Nr. 151/2004, begeht eine Verwaltungsübertretung, wer durch besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt stört.

3.2.2. § 81 Abs. 1 SPG bildet ein Erfolgsdelikt, weshalb § 5 Abs. 1 VStG nicht zum Tragen kommt.

Im Sinne von § 81 Abs. 1 SPG ist jedes menschliche Verhalten tatbildlich, das als besonders rücksichtslos qualifiziert werden kann. Rücksichtsloses Verhalten ist jenes Verhalten, das gegen jene ungeschriebenen Regeln für das Verhalten des Einzelnen in der Öffentlichkeit verstößt, deren Befolgung als unentbehrliche Voraussetzung für ein gedeihliches Miteinanderleben angesehen wird. Die besondere Rücksichtslosigkeit ist nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen. Ein Verhalten, das unter bestimmten Umständen hinzunehmen ist, kann unter anderen Umständen besonders rücksichtslos sein. Demnach ist die Ordnung an einem öffentlichen Ort gestört, wenn ein Zustand hergestellt worden ist, welcher der Ordnung widerspricht, wie sie an einem öffentlichen Ort gefordert werden muss oder wenn ein Zustand geschaffen wird, der geordneten Verhältnissen an einem öffentlichen Ort widerspricht. Jedenfalls muss durch das tatbildliche Verhalten entweder der Ablauf des äußeren Zusammenlebens von Menschen oder aber ein bestehender Zustand von Dingen in wahrnehmbarer Weise gestört worden sein (Hauer/Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz, Kommentar2 , Seite 592 ff).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Tatbestandselement der tatsächlichen Störung der öffentlichen Ordnung überdies nur dann verwirklicht, wenn das Verhalten des Beschuldigten und seine Äußerungen von anderen Personen als den unmittelbar Betroffenen und intervenierenden Beamten wahrgenommen werden kann. Dieses Element der Straftat ist im Spruch des Straferkenntnisses anzuführen, ebenso wie die Tatsache, dass diese Personen daran Ärgernis genommen haben (u.v. VwGH vom 25.11.1991, Zl. 91/10/0207).

Gemäß § 44a Z. 1 VStG hat der Spruch die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten.

Der Vorschrift des § 44a Z. 1 VStG ist (nur) dann entsprochen, wenn

a) im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und

b) der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. (Siehe hiezu Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens,

5. Auflage, Seite 969).

Ziffer 1 stellt somit klar, dass der den Deliktstatbestand erfüllende Sachverhalt mit allen rechtserheblichen Merkmalen konkretisiert umschrieben werden muss.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Sprucherfordernissen nach § 44a Z.1 VStG ist die Tat so weit zu konkretisieren, dass eine eindeutige Zuordnung zu den Tatbestandsmerkmalen ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht (stRsp seit den verst. Senaten VwSlg 11.466 A/1984 und VwSlg 11.894 A/1985). Dabei sind die Anforderungen an Tatort- und Tatzeitumschreibung von Delikt zu Delikt und je nach den Begleitumständen verschieden und an Rechtsschutzüberlegungen zu messen (vgl u.a. im Anschluss an verst. Senat VwSlg 11.894 A/1985; VwGH 29.9.1993, 93/02/0046; VwGH 31.1.1995, 95/05/0008; VwGH 9.9.1998, 97/04/0031). Im Spruch sind alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale anzuführen, die zur Individualisierung und Konkretisierung des inkriminierten Verhaltens notwendig sind. Eine Umschreibung bloß in der Begründung reicht im Verwaltungsstrafrecht nicht aus (vgl mwN Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, 1996, 971).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Rechtsmittelbehörde nach § 66 Abs. 4 AVG (iVm § 24 VStG) nicht die Befugnis, dem Beschuldigten eine andere Tat als die Erstbehörde anzulasten und damit die Tat auszuwechseln (vgl. allgemein VwGH 25.3.1994, 93/02/0228; VwGH 19.5.1993, 92/09/0360; VwGH 28.2.1997, 95/02/0601). Die Entscheidungsbefugnis der Berufungsbehörde ist durch den Abspruchgegenstand des angefochtenen Bescheides beschränkt (vgl. VwGH 23.11.1993, 93/04/0169). Eine Abänderungsermächtigung besteht nur im Rahmen der Sache iSd § 66 Abs. 4 AVG (vgl etwa VwGH 25.9.1992, 92/09/0178; VwGH 8.2.1995, 94/03/0072; VwGH 3.9.1996, 96/04/0080). Dabei ist Sache des Berufungsverfahrens die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs im Bescheid der Unterbehörde bildet (vgl. u.a. VwGH 24.3.1994, 92/18/0356; VwGH 23.10.1995, 94/04/0080; VwGH 29.10.1996, 96/07/0103; VwGH 19.3.1997, 93/11/0107). Ein Austausch wesentlicher Tatbestandsmerkmale führt zur Anlastung einer anderen Tat und ist daher unzulässig (vgl. VwGH 20.11.1997, 97/06/0170).

 

Die Verfolgungshandlung gegen einen Beschuldigten muss daher das ihm zur Last gelegte Handeln - im Falle des Unterlassens durch Beschreibung jener Handlung, die er hätte setzen müssen und nach Auffassung der Behörde rechtswidriger Weise nicht gesetzt hat - unter Berücksichtigung sämtlicher gemäß § 44a Z1 VStG im Spruch des Straferkenntnisses aufzunehmenden Tatbestandselemente der verletzten Verwaltungsvorschrift gemäß § 44a Z2 VStG näher konkretisieren und individualisieren (VwGH vom 7.9.1990, Zl. 85/18/0186).

 

3.2.3. Die Behörde erster Instanz hat dem Bw zwar eine Verwaltungsübertretung zur Last gelegt, jedoch mit der gewählten Formulierung keine dem Gesetz entsprechende Konkretisierung iSd § 44a Z. 1 VStG vorgenommen. U.a. wurde dem Bw nicht vorgehalten, dass an seinem Verhalten nicht unmittelbar betroffene Personen Ärgernis genommen haben. Durch die mangelhafte Tatanlastung war der Bw in seinen Verteidigungsrechten eingeschränkt.

Dem Oö. Verwaltungssenat war es aber gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 24 VStG verwehrt, den Tatvorwurf auszutauschen.

3.2.4. Bereits aufgrund der mangelhaften Anlastung der Tat im Spruch des bekämpften Erkenntnisses konnte die dem Bw zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden. Eine ergänzende Beweisaufnahme zur Vervollständigung der Ermittlungsergebnisse der Erstbehörde (siehe Punkt 3.1.3. dieses Erkenntnisses) konnte daher unterbleiben.

Somit war der Berufung stattzugeben, das Straferkenntnis aufzuheben und gemäß
§ 45 Abs. 1 Z. 1 VStG die Einstellung zu verfügen.

 
4. Bei diesem Ergebnis entfällt gemäß § 66 Abs.1 VStG die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens.

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

Mag. Gerda Bergmayr - Mann

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