Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-230933/21/Ste

Linz, 02.11.2005

 

 

 

VwSen-230933/21/Ste Linz, am 2. November 2005

DVR.0690392

 

 

 

 

 

E R K E N N T N I S

 

 

Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Vizepräsident Mag.Dr. Wolfgang Steiner über die Berufung des C K, vertreten durch Dr. B P, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns des Bezirks Linz-Land vom 15. Juli 2005, Zl. Sich96-1169-2004, wegen einer Übertretung des Sicherheitspolizeigesetzes - nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung - zu Recht erkannt:

 

 

I. Der Berufung wird stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis wird aufgehoben und das Verwaltungsstrafverfahren wird eingestellt.

 

II. Der Berufungswerber hat weder einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch einen Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat zu leisten.

 

 

Rechtsgrundlagen:

zu I: § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 - VStG iVm. § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, § 45 VStG;

zu II: § 66 VStG.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmanns des Bezirks Linz-Linz, Zl. Sich96-1196-2004, wurde über den Berufungswerber (in der Folge: Bw) gemäß § 81 Abs. 1 des Sicherheitspolizeigesetzes eine Geldstrafe von 50 Euro, im Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden, verhängt, weil er "am 10. Oktober 2004, um 2.25 Uhr, in Wilhering [...], durch das unten beschriebene Verhalten in besonders rücksichtsloser Weise die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt gestört" habe. Der Spruch weiter dann wörtlich: "Sie haben im Zuge des Kellerfestes mit einer bislang unbekannten Person zu raufen begonnen und wurden deshalb vom Festgelände durch den Veranstalter verwiesen. Sie haben den einschreitenden Gendarmeriebeamten vor die Füße gespuckt."

 

Begründend führt die Behörde erster Instanz im Wesentlichen aus, dass die Tat auf Grund des Erhebungsergebnisses erwiesen sei; dabei stützt sich die Behörde in erster Linie auf die Aussage des als Zeugen vernommenen Polizisten, die Verantwortung des Bw im bis dahin abgeführten Verfahren werden als reine Schutzbehauptungen gewertet. Die Behörde erster Instanz schließt ihre Begründung mit Ausführungen zur Strafbemessung, wobei sie als strafmildernd den Umstand bewertet, dass der Bw sich in einem Ausbildungsverhältnis befindet und zum Tatzeitpunkt das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Auch war keine einschlägige Verwaltungsstrafe vorgemerkt.

 

1.2. Gegen dieses Straferkenntnis, das dem Bw am 20. Juli 2005 zugestellt wurde, richtet sich die am 3. August 2005 - und somit rechtzeitig - bei der belangten Behörde eingelangte Berufung. Darin rügt der Bw im Wesentliche eine unrichtige Beweiswürdigung der Behörde erster Instanz, wenn diese von der ausdrücklich beantragten Einvernahme eines Entlastungszeugen absieht; auch sei der gesamte Sachverhalt falsch angenommen worden. Hätte die Behörde eine ordnungsgemäßes und faires Verfahren abgeführt, hätte sich der Bw entsprechend verteidigen und entlasten können. In rechtlicher Hinsicht wird die Vollendung des Tatbestands des "besonders rücksichtslosen Verhaltens" bestritten; auch würde das Straferkenntnis wesentlichen formalen Kriterien nicht entsprechend. Die Behörde erster Instanz hätte sich im Übrigen mit den Bestimmungen der §§ 20 und 21 VStG auseinander setzen müssen.

 

Abschließend wird die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens, allenfalls die Abänderung in eine Ermahnung sowie die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung beantragt.

 

 

2. Die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land hat die Berufung samt dem bezughabenden Verwaltungsstrafakt zur Berufungsentscheidung vorgelegt. Da im angefochtenen Straferkenntnis keine 2.000 Euro übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, ist der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich zur Entscheidung durch eines seiner Mitglieder berufen (§ 51c VStG).

 

2.1. Der Oö. Verwaltungssenat hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis sowie die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat am 3. Oktober 2005.

 

2.2. Daraus ergibt sich für den Unabhängigen Verwaltungssenat folgender Sachverhalt, der der Entscheidung zugrunde liegt:

 

Der nunmehrige Bw besuchte in der Nacht vom 9. auf 10. Oktober 2004 eine Veranstaltung im Stiftskeller des Stiftes Wilhering. Noch vor Mitternacht wurde er in eine kleinere Auseinandersetzung mit einem Dritten verwickelt, die weder zu einer unmittelbaren Reaktion eines Vertreter des Veranstalters noch des Beauftragten des Sicherungsunternehmens führte.

 

Um etwa 2.00 Uhr wurde dem Bw, der das Veranstaltungslokal kurze Zeit verlassen hatte, der neuerliche Zutritt mit der Begründung verweigert, dass er sich vorher nicht ordnungsgemäß verhalten hätte.

 

In der sich entspinnenden Diskussion (zunächst mit den Angestellten des Sicherungsunternehmens, dann mit einem Vertreter des Veranstalters) verlangte der Bw daraufhin vehement und lautstark und die genannten Personen teilweise beschimpfend jedenfalls seine Jacke holen zu dürfen und den Eintrittspreis rückerstattet zu bekommen.

 

Auch den verständigten Polizeiorganen gegenüber verhielt sich der Bw uneinsichtig und laut. Er spuckte zweimal vor einem der Beamten auf den Boden.

 

2.3. Der Sachverhalt ergibt sich aus den gegenseitigen Behauptungen, insbesondere auch jenen in der öffentlichen mündlichen Verhandlung.

Abgesehen von den wiedergegebenen konnten keine weiteren Sachverhaltsdetails mit der für ein Strafverfahren notwendigen Sicherheit bewiesen werden. Insbesondere ist in keiner Weise bewiesen, dass der Bw im Veranstaltungslokal zu raufen begonnen hatte, weil sämtliche Zeugen davon nur von dritter Seite gehört haben. Die belangte Behörde hat damit schon in diesem Punkt in wesentlichen Fragen genauere Erhebungen unterlassen, die aber als Grundlage für ein Strafverfahren notwendig wären.

Diese Widersprüche und Unklarheiten im Ermittlungsverfahren konnten auch vom Unabhängigen Verwaltungssenat mit vertretbarem Aufwand nicht saniert werden, wobei auch die zwischenzeitig bereits eingetretene Verfolgungsverjährung zu beachten war.

 

 

3. In der Sache selbst hat der Oö. Verwaltungssenat erwogen:

 

3.1. Gemäß § 81 Abs. 1 des Sicherheitspolizeigesetzes - SPG, BGBl. Nr. 566/1991, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. Nr. 151/2004, begeht eine Verwaltungsübertretung, wer durch besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt stört.

 

3.1.1. Dem Bw wurde zunächst vorgeworfen "am 10. Oktober 2004, um 2.25 Uhr, mit einer bislang unbekannten Person zu raufen begonnen" zu haben (die im Spruch angeführt Wortfolge "... und wurden deshalb vom Festgelände durch den Veranstalter verwiesen" erweist sich dort ohnehin als entbehrlich, kann doch darin wohl keine Ordnungsstörung durch den Bw erblickt werden).

 

Auf Grund des festgestellten Sachverhalts kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Bw diese Tat begangen hat, weil diese ihm zur Last gelegte Tat nicht erwiesen ist. Der Bw war zu dieser Zeit nicht mehr im Veranstaltungsraum, sodass es ausgeschlossen ist, dass er zu diesem Zeitpunkt zu raufen begonnen hat. Abgesehen davon kann - ohne nähere Erhebungen insbesondere zur Dauer (eine Minute?) oder zu den Auswirkungen des Raufens - ein besonders rücksichtsloses Verhalten nicht ohne weiteres angenommen werden. Insbesondere wären auch nähere Erhebungen zum Tatzeitpunkt und -ort sowie zur Frage notwendig gewesen, ob tatsächlich der Bw "begonnen" hat. Wurde er nämlich von einem Dritten angegriffen und versuchte er sich nur zu wehren, so kann grundsätzlich nicht davon ausgegangen werden, dass dieses Verhalten dem § 81 Abs. 1 SPG widersprochen hätte.

 

Diese aufgezeigten Mängel im Spruch konnten auch nicht durch die weitwendige Begründung der belangten Behörde saniert werden, die zudem Sachverhaltselemente herausstreicht, die im Hinblick auf die in der Strafbestimmung genannten Tatbestandsmerkmale jedenfalls im vorliegenden Fall kaum oder nicht einschlägig sind (z.B. was die Frage der Alkoholisierung des Bw an belangt).

 

Es zeigt sich im Ergebnis somit, dass keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Bw in diesem Punkt eine Verwaltungsübertretung nach § 81 Abs. 1 SPG zu verantworten hat.

 

3.1.2. Dem Bw wurde weiters vorgeworfen, "am 10. Oktober 2004, um 2.25 Uhr, den einschreitenden Gendarmeriebeamten vor die Füße gespuckt" zu haben.

 

§ 81 Abs. 1 SPG erfordert tatbestandsmäßig ein besonders rücksichtsloses Verhalten. Dabei ist ein Maßstab anzulegen, der der Gesamtheit jener (ungeschriebener) Regeln für das Verhalten Einzelner in der Öffentlichkeit entspricht, deren Befolgung als unentbehrliche Voraussetzung für ein gedeihliches Miteinander angesehen wird.

 

Was nun das Ausspucken unmittelbar vor die Füße des oder damaligen Gendarmeriebeamten oder seitlich anlangt, liegt nicht im Ergebnis nach Ansicht des Unabhängigen Verwaltungssenat ein besonders rücksichtsloses Verhalten nicht vor. Dies deshalb, da ein Ausspucken vor eine Person - ganz abgesehen davon, dass ein solches Verhalten in anderen Kulturkreisen durchaus üblich ist - an sich zwar sicher unhygienisch und rücksichtslos sein kann, für den Tatbestand jedoch ein qualifiziertes Unrecht notwendig ist. Für eine besondere Rücksichtslosigkeit hätte die Tathandlung eine besondere umschriebene Qualifikation vorausgesetzt, wie die Tatsache, dass eine Person getroffen (vgl. den Sachverhalt in der Entscheidung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshof vom 7. Juli 1999, 99/09/0026, oder UVS Steiermark vom 11. Dezember 2000, 30.7-113/2000) oder ein Treffen einer Person angestrebt oder in Kauf genommen wurde und Ähnliches. Dies war allerdings weder der Fall noch auf Grund des Sachverhalts anzunehmen.

 

Auch in diesem Punkt liegen daher keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass der Bw eine Verwaltungsübertretung nach § 81 Abs. 1 SPG zu verantworten hat.

 

3.2. Der Bw ist nach Ansicht des erkennenden Mitglieds des Oö. Verwaltungssenats auch mit Vorwurf im Recht, dass es die belangte Behörde unterlassen hat, den ihrer Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalt, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage im Straferkenntnis klar und übersichtlich darzulegen (vgl. § 44a Abs. 1 Z. 7 VStG iVm. § 60 AVG).

 

3.3. Die Berufungsbehörde musste daher schon auf Grund dieser Überlegungen das angefochtene Straferkenntnis aufheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG einstellen.

 

3.4. Um Missverständnissen vorzubeugen sieht sich der Oö. Verwaltungssenat noch zu folgendem Hinweis veranlasst: Da die belangte Behörde das (übrige) Verhalten des Bw (insbesondere sein vehementes und lautstarkes Auftreten sowohl dem Vertreter des Veranstalters, als auch dem des Sicherungsunternehmens und den Polizisten gegenüber) nicht verfolgt hat, war es dem Oö. Verwaltungssenat auch verwehrt darüber abzusprechen.

 

4. Bei diesem Ergebnis war dem Bw nach § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat noch ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde vorzuschreiben.

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

 

Hinweis:

Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von sechs Wochen ab seiner Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und/oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muss - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Für jede dieser Beschwerden ist eine Gebühr von 180 Euro zu entrichten.

 

 

 

Wolfgang Steiner

 

 

 

 

 

 

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