Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240036/4/Gf/Hm

Linz, 01.09.1992

VwSen-240036/4/Gf/Hm Linz, am 1. September 1992 DVR.0069264

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Alfred Grof über die Beschwerde der R, gegen das Straferkennt- nis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 17. Juli 1992, Zl. SanRB-96/2/1803/1991-Fu, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG insoweit stattgegeben, als die verhängte Geldstrafe auf 5.000 S und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 17 Stunden herabgesetzt wer- den; im übrigen wird diese hingegen abgewiesen und das angefoch- tene Straferkenntnis bestätigt.

II. Gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG hat die Beschwerdeführerin einen Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belang- ten Behörde in Höhe von 500 S binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu leisten.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von Linz-Land vom 17. Juli 1992, Zl. SanRB-96/2/1803/1991-Fu, wurde über die Beschwerdeführerin eine Geldstrafe von 8.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 8 Tage) verhängt, weil sie am 24. November 1991 mit dem Lenker eines KFZ einen entgeltlichen Geschlechtsverkehr ausgeübt und somit gewerbsmäßig Unzucht getrieben habe, ohne sich vor Aufnahme dieser Tätigkeit sowie periodisch wiederkehrend einer amtsärztlichen Untersuchung auf einen Kontakt mit dem Virus LAV/HTLV III unterzogen zu haben; dadurch habe sie die Bestimmung des § 4 Abs. 2 des AIDS-Gesetzes, BGBl.Nr. 293/1986, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 243/1989 (im folgenden: AIDS-G), verletzt, weshalb sie gemäß § 9 Abs. 1 Z. 2 AIDS-G zu bestrafen gewesen sei.

1.2. Gegen dieses der Beschwerdeführerin am 22. Juli 1992 zugestellte Straferkenntnis wendet sich die vorliegende, am 25. Juli 1992 - und damit rechtzeitig - zur Post gegebene und nur gegen die Höhe der verhängten Strafe gerichtete Beschwerde.

2.1. Die belangte Behörde führt im angefochtenen Straferkenntnis diesbezüglich begründend aus, daß das öffentliche Interesse an der Hintanhaltung der Belästigung von Unbeteiligten und der Hintanhaltung der Verbreitung des Virus LAV/HTLV III durch das Verhalten der Beschwerdeführerin nicht unwesentlich geschädigt worden sei. Als straferschwerend seien zwei einschlägige Vorstrafen, als strafmildernd sei hingegen kein Umstand zu werten gewesen. Unter Berücksichtigung dieses nicht unbeträchtlichen Unrechtsgehaltes der Tat, des nicht geringfügigen Verschuldens sowie der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse der Beschwerdeführerin erscheine die verhängte Geldstrafe sohin als tat- und schuldangemessen.

2.2. Dagegen bringt die Beschwerdeführerin vor, derzeit mit ihrer dreijährigen Tochter in einer 40m²-Wohnung zu leben und hiefür 4.200 S an monatlicher Miete entrichten zu müssen. An Sondernotstandshilfe habe sie bis zum 25. Juli 1992 pro Tag 216 S bezogen. Da sie ihre Tochter erst Anfang September 1992 in einen Kindergarten geben könne, könne sie erst ab diesem Zeitpunkt wie- der zu arbeiten beginnen. Vom Vater ihrer Tochter erhalte sie eine monatliche Unterhaltszahlung von 1.500 S sowie Familienbei- hilfe in Höhe von 1.400 S. Hieraus resultiere ein monatliches Einkommen von 9.380 S, dem in diesem Zeitraum jeweils Ausgaben zwischen 6.841,10 S und 7.541,10 S gegenüberstünden, sodaß ihr und ihrer Tochter nur etwa 2.500 S zum Leben verbleiben würden. Außerdem würden vier gerichtliche Exekutionsverfahren gegen sie laufen. Da sie sohin faktisch zahlungsunfähig sei, würde der damit drohende Vollzug der Ersatzfreiheitsstrafe notwendiger- weise dazu führen, daß sie ihre Tochter verliere, weil sie diese auch nicht zu deren Vater geben könnte. Schließlich sei die Beschwerdeführerin auch noch für ihren beiden Kinder aus erster Ehe sorgepflichtig, wofür sie jedoch aufgrund ihrer tristen finanziellen Lage beim besten Willen kein Geld aufbringen könne.

Aus allen diesen Gründen wird beantragt, die Höhe der verhängten Geldstrafe herabzusetzen.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land zu Zl. SanRB-96/2/1803/1991; im übrigen konnte gemäß § 51e Abs. 2 VStG von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

4. In der Sache selbst hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

4.1. Gemäß § 4 Abs. 2 i.V.m. § 9 Abs. 1 Z. 2 AIDS-G ist derjenige, der gewerbsmäßig Unzucht treibt, ohne sich vor Aufnahme dieser Tätigkeit und regelmäßig wiederkehrend einer amtsärzlichen Untersuchung auf eine Kontaktnahme mit dem Virus LAV/HTLV III zu unterziehen, mit Geldstrafe bis zu 100.000 S zu bestrafen.

Nach § 19 VStG bilden die Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, sowie der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat. Hiebei ist auf das Ausmaß des Verschuldens besonders Bedacht zu nehmen. Überdies sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe gegeneinander abzuwägen. Schließlich sind bei der Bemessung von Geldstrafen auch die Einkommens-, Vermö- gens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten zu berücksichti- gen.

4.2. In der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses geht die belangte Behörde davon aus, daß die durch die Strafdrohung geschützten öffentlichen Interessen, nämlich die Hintanhaltung der Belästigung von Unbeteiligten sowie der Verbreitung des Virus LAV/HTLV III, durch die der Beschwerdeführerin zur Last gelegte Tat "nicht unwesentlich geschädigt" worden seien. Für den unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ist nun weder nachvollziehbar, was mit der Formulierung "nicht unwe- sentlich" konkret gemeint ist, noch, als wie gravierend nun die Schädigung der rechtlich geschützten öffentlichen Interessen tatsächlich durch die belangte Behörde bewertet wurde. Gemäß § 19 VStG hat - weil es sich insoweit nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes um eine Ermessensentscheidung handelt (vgl. dazu die bei W. Hauer - O. Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, Eisenstadt 1990, 788, angeführten Nachweise) - der Beschuldigte aber einen Anspruch darauf, daß die in dieser Bestimmung enthaltenen unbestimmten Gesetzesbegriffe durch eine in einer allgemein verständlichen Form vorgenommene und nachvollziehbare Auslegung sowie Subsumtion, die in der Begründung des Straferkenntnisses auch zum Ausdruck kommen muß, von der Behörde konkretisiert werden. Diesem Anspruch genügt die Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses jedenfalls insoweit nicht. Aufgrund des von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens ist jedoch - was von der Beschwerdeführerin auch nicht in Abrede gestellt wird - als erwiesen anzusehen, daß sie zumindest mit einem Kunden tatsächlich einen Geschlechtsverkehr gegen Entgelt ausgeübt hat. Weiters kann es als notorisch angesehen werden, daß die Ausübung des Geschlechtsverkehrs zu einer der größten Risikogruppen für die Übertragung des Virus LAV/HTLV III zählt und daß bisher gegen eine Erkrankung an diesem Virus aus medizinischer Sicht ein wirksames Heilmittel nicht existiert. Aus diesem Grunde ist daher bezogen auf die der Beschwerdeführerin konkret zur Last gelegte Tat tatsächlich davon auszugehen, daß die durch die gesetzliche Strafdrohung rechtlich geschützten öffentlichen Interessen in einem erheblichen Ausmaß beeinträchtigt wurden.

Wie die belangte Behörde zu dem Vorwurf kommt, daß der Beschwerdeführerin ein "nicht geringfügiges Verschulden" vorzuwerfen ist und was man darunter zu verstehen hat, ist anhand der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses zwar ebenfalls nicht nachzuvollziehen. Aus dem von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahren ergibt sich jedoch, daß die Beschwerdeführerin die ihr zur Last gelegte Übertretung vorsätzlich begangen hat, indem sie ihren Kunden nicht davon informiert hat, sich der gesetzlich geforderten Untersuchung auf eine Kontaktnahme mit dem Virus LAV/HTLV III nicht unterzogen zu haben. Sohin besteht im Ergebnis auch der diesbezüglich von der belangten Behörde erhobene Vorwurf zu Recht.

Was die von der belangten Behörde gegeneinander abgewogenen Erschwerungs- und Milderungsgründe betrifft, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt, daß hinsichtlich der Beschwerdeführerin bis zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Straferkenntnisses tatsächlich zwei rechtskräftige einschlägige Vormerkungen (mit einer Strafhöhe von 5.000 bzw 8.000 S) aufscheinen. In diesem Zusammenhang hat die belangte Behörde jedoch übersehen, daß die Beschwerdeführerin die Tat von Anfang an (siehe deren Rechtfertigung in der Anzeige des Wachzimmers Landhaus vom 24. November 1991 sowie deren - undatierte - schriftliche Stellungnahme zur Aufforderung zur Rechtfertigung) nicht bestritten hat, obwohl diese - insbesondere im Hinblick auf die tatbestandsmäßig geforderte tatsächliche und gewerbsmäßige Ausübung der Unzucht - erst durch ihre Aussage (und die eines weiteren Zeugen, nicht aber allein durch die Angaben der Erhebungsbeamten) als erwiesen angesehen werden konnte; ein derartiges Geständnis ist aber nach dem gemäß § 19 Abs. 2 VStG sinngemäß anzuwendenden § 34 Z. 17 VStG als strafmildernd zu berücksichtigen.

Schließlich hat die Beschwerdeführerin anhand entsprechender Ausführungen und Unterlagen - die von der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift jeweils unbestritten blieben - ihre derzeit tristen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse dargetan (s.o., 2.2.).

Wie sich die belangte Behörde, die zwar richtig erkannt hat, daß die Möglichkeit der Erlassung einer Berufungsvorentscheidung gemäß § 51b VStG für sie keine Rechtspflicht begründet, sondern in ihrem Ermessen steht, anhand der vorangeführten Fakten dennoch "nicht veranlaßt" sehen konnte, "ihre Entscheidung abzuändern", bleibt dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich ebenso unverständlich wie der Umstand, daß sie eine Geldstrafe gerade in einer Höhe von 8.000 S verhängt hat. Diesbezüglich liegt die Vermutung nahe, daß mit einer Straffest- setzung in dieser Höhe in erster Linie die höchste der bisher einschlägigen Vormerkungen nicht unterschritten werden sollte, nicht jedoch, daß - wie dies aber § 19 VStG, dem eine derartige Überbetonung des spezialpräventiven Aspektes nicht entnommen werden kann, fordert - bei der Strafbemessung dessen Kriterien auch tatsächlich (und nur) auf die der Beschwerdeführerin konkret zur Last gelegte Tat angewendet wurden.

4.3. Aus den vorangeführten Gründen erachtet der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich daher im Ergebnis vielmehr die Verhängung einer Geldstrafe von 5.000 S in gleicher Weise als tat- und schuldangemessen. In diesem Umfang war sohin der vorliegenden Beschwerde gemäß § 24 VStG i.V.m. § 66 Abs. 4 AVG stattzugeben, wobei die Ersatzfreiheitsstrafe gemäß der durch § 9 Abs. 1 AIDS-G i.V.m. § 16 Abs. 2 VStG vorgegebenen Relation mit 17 Stunden festzusetzen war.

Die Bezahlung dieser Geldstrafe kann der Beschwerdeführerin jedenfalls (auf ihren Antrag hin) im Ratenwege (vgl. § 54b Abs. 3 VStG) - nach Ansicht des O.ö. Verwaltungssenates auch zugemutet werden; auf die Bestimmung des § 14 Abs. 1 VStG, wonach Geldstrafen nur insoweit zwangsweise eingebracht werden dürfen, als dadurch weder der notwendige Unterhalt der Bestraften selbst noch solcher Personen, zu deren Unterhalt diese gesetzlich verpflichtet ist, gefährdet wird, wird hingewiesen.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war der Beschwerdeführerin gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde in Höhe von 10% der verhängten Geldstrafe, d.s. 500 S, vorzuschreiben; die Vorschreibung eines Kostenbeitrages zum Verfahren vor dem unabhängi- gen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hatte hingegen gemäß § 65 VStG zu unterbleiben. + R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann von den Parteien des Verfahrens (§ 51d VStG) innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. G r o f 6

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