Unabhängiger Verwaltungssenat
des Landes Oberösterreich
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VwSen-240053/9/Gf/Hm

Linz, 09.03.1993

VwSen-240053/9/Gf/Hm Linz, am 9. März 1993 DVR 0690392

E r k e n n t n i s

Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat durch sein Mitglied Dr. Grof über die Berufung des J, gegen das Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von St. Johann i. Pg. vom 12. November 1992, Zl. 6/369/-3154-1992, zu Recht erkannt:

I. Der Berufung wird gemäß § 24 VStG iVm § 66 Abs. 4 AVG stattgegeben und das angefochtene Straferkenntnis aufgehoben; das Strafverfahren wird gemäß § 45 Abs. 1 Z.1 VStG eingestellt.

II. Gemäß § 66 Abs. 1 VStG entfällt die Verpflichtung zur Leistung von Beiträgen zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde sowie zu den Kosten des Verfahrens vor dem unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:

1.1. Mit Straferkenntnis des Bezirkshauptmannes von St. Johann i. Pg. vom 12. November 1992, Zl. 6/369-3154-1992, wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe von 500 S (Ersatzfreiheitsstrafe: 30 Stunden) verhängt, weil er als Verantwortlicher der Fa. J insofern gegen die Verordnung über Hygiene bei Zuckerwaren aus Automaten, BGBl.Nr. 127/1988 (im folgenden: ZuckerwarenHVO), verstoßen habe, als "der an der Hauswand des Gasthofes angebrachte Zuckerwarenautomat" direkter Sonnenbestrahlung ausgesetzt sowie die Auffangmulden staubig und verschmutzt gewesen seien und dieser überdies auch unverpackte Kaugummis enthalten habe; dadurch habe der Berufungswerber eine Übertretung des § 74 Abs. 4 Z. 1 des Lebensmittelgesetzes, BGBl.Nr. 86/1975, zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 226/1988 (im folgenden: LMG) iVm § 1 Abs. 2 und § 3 Abs. 1 ZuckerwarenHVO begangen, weshalb er gemäß § 74 Abs. 4 Z. 1 LMG zu bestrafen gewesen sei.

1.2. Gegen dieses dem Berufungswerber am 16. November 1992 zugestellte Straferkenntnis richtet sich die vorliegende, am 30. November 1992 - und damit rechtzeitig - zur Post gegebene Berufung.

2.1. Im angefochtenen Straferkenntnis führt die belangte Behörde begründend aus, daß die Tatbestandsmäßigkeit der Verwaltungsübertretung - nämlich die Aussetzung direkter Sonneneinstrahlung, die Verschmutzung der Auffangmulden und die Verwendung auch nichtverpackter Kaugummis - aufgrund der glaubwürdigen Angaben des Organes der Lebensmittelaufsicht bei seiner Einvernahme als erwiesen anzusehen sei.

Bei der Strafbemessung seien die bisherige Unbescholtenheit des Berufungswerbers als strafmildernd sowie dessen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse entsprechend zu bewerten gewesen.

2.2. Der Berufungswerber bringt dagegen vor, daß dem von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahren verschiedene Verfahrensfehler - Nichteinvernahme eines beantragten Zeugen; bloß pauschale Feststellung der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Berufungswerbers sowie der Milderungsund Erschwerungsgründe; mangelnde Konkretisierung des Tatvorwurfes durch Nichtbezeichnung des verfahrensgegenständlichen Warenautomaten - anhängen würden. In der Sache sei der Tatvorwurf aufgrund bloßer Behauptungen des Lebensmittelaufsichtsorganes keineswegs als erwiesen anzusehen. Außerdem mangle es an einem Verschulden des Berufungswerbers. Schließlich sei die verhängte Geldstrafe auch als überhöht anzusehen.

+Aus diesen Gründen wird daher die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des Strafverfahrens beantragt.

3. Der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft St. Johann i. Pg. zu Zl. 6/369-3154-1992 sowie im Wege der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu der als Partei der Vertreter des Berufungswerbers sowie der Zeuge W (Lebensmittelaufsichtsorgan der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land) erschienen sind.

Im Zuge dieser Beweisaufnahme wurde folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt:

Am 19. März 1992 hat der Zeuge in eine lebensmittelpolizeiliche Revision durchgeführt. Sein Auftrag lautete dahingehend, den hygienischen Zustand des Inhaltes der im Bereich der Volks- und Hauptschule dieses Ortes aufgestellten Zuckerwarenautomaten zu überprüfen. Der Zeuge stellte dabei fest, daß sich in diesem Bereich auch mehrere Automaten des Berufungswerbers befanden, die wegen verschiedener Ursachen jeweils Grund zur Beanstandung geboten hätten; er habe sein Augenmerk jedoch auf die vier auf der Südseite des Gasthofes befindlichen und dort vom Berufungswerber angebrachten Zuckerwarenautomaten gelegt. Einer dieser Automaten enthielt verpackte und unverpackte Kaugummis; in den anderen Automaten befanden sich keine Zucker-, sondern diverse Spielwaren. Die Auffangmulden der Automaten waren - vermutlich durch abbröckelnden Hausverputz und durch Straßenstaub - verschmutzt. Außerdem waren sämtliche Automaten direkter Sonnenbestrahlung ausgesetzt.

Welcher dieser vier Automaten nun tatsächlich der verfahrensgegenständliche ist, konnte der Zeuge - dem in der mündlichen Verhandlung eine Kopie des von ihm an Ort und Stelle angefertigten Originalfotos, dessen Verbleib nicht geklärt werden konnte, vorgelegt wurde - allerdings nicht angeben.

Diese Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf die glaubhaften, in sich widerspruchsfreien und schlüssigen Angaben des einvernommenen Zeugen.

4. In der Sache selbst hat der unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich erwogen:

4.1. Gemäß § 74 Abs. 4 Z. 1 LMG begeht insbesondere derjenige eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 50.000 S zu bestrafen, der den Bestimmungen der gemäß § 21 Abs. 1 lit. a, c und d LMG erlassenen ZuckerwarenHVO zuwiderhandelt.

Nach § 1 Abs. 2 ZuckerwarenHVO sind Zuckerwarenautomaten so aufzustellen oder anzubringen, daß sie nicht direkter Sonnenbestrahlung ausgesetzt sind; zur Vermeidung einer Verschmutzung muß die Auffangvorrichtung (Entnahmemulde) witterungsgeschützt sein. Gemäß § 2 ZuckerwarenHVO ist es verboten, Zuckerwaren ohne Umhüllung aus Automaten feilzuhalten. Nach § 3 Abs. 1 ZuckerwarenHVO sind alle Teile des Zuckerwarenautomaten, die bei vorhersehbarem Gebrauch mit umhüllten Zuckerwaren in Berührung kommen, bei jeder Beschickung, mindestens aber innerhalb von drei Monaten sorgfältig zu reinigen.

Nach § 44a Z 1 bis 3 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses u.a. die als erwiesen angenommene Tat, die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, und die verhängte Strafe sowie die angewendete Gesetzesbestimmung zu enthalten.

4.2. Unter dem letztgenannten Aspekt betrachtet, wird dem Berufungswerber mit dem angefochtenen Straferkenntnis - wie aus der Anführung der als verletzt festgestellten Rechtsvorschriften hervorgeht - u.a. auch eine Übertretung des in § 3 Abs. 1 ZuckerwarenHVO festgelegten Reinigungsgebotes zur Last gelegt, ohne daß in dessen Spruch (aber auch nicht in dessen Begründung) in irgendeiner Weise konkretisiert würde, inwiefern der Berufungswerber seiner Reinigungspflicht bei jeder Beschickung, mindestens jedoch innerhalb von drei Monaten, nicht nachgekommen sein sollte. Gleiches gilt hinsichtlich des auf § 1 Abs. 2 ZuckerwarenhygieneVO bezogenen Tatvorwurfes der "staubigen und verschmutzten Auffangmulden", weil nach dieser Bestimmung nicht der Umstand der Verschmutzung, sondern jener des Nichtvorhandenseins eines Witterungsschutzes - was dem Berufungswerber aber gar nicht zum Vorwurf gemacht wird pönalisiert wird.

Das angefochtene Straferkenntnis entspricht insoweit also nicht den Anforderungen des § 44a Z. 1 VStG.

Umgekehrt wird dem Berufungswerber im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses vorgehalten, daß der Zuckerwarenautomat auch nicht verpackte Kaugummis enthielt, ohne daß aber bei den übertretenen Rechtsvorschriften auch die Bestimmung des § 2 ZuckerwarenHVO angeführt wird.

Das angefochtene Straferkenntnis entspricht daher insofern nicht den Anforderungen des § 44a Z. 2 VStG.

Hinsichtlich des letzten verbleibenden Tatvorwurfes - direkte Sonnenbestrahlung - fehlt es schließlich im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses schon im Hinblick darauf, daß der Zeuge auch bei den übrigen Automaten des Berufungswerbers (nicht näher konkretisierte) Verstöße gegen die Hygienevorschriften wahrgenommen hat, an einer Tatbeschreibung dergestalt, welcher der vier an der Hauswand angebrachten Automaten nun konkret jener war, der Zuckerwaren enthielt, weil nur auf einen solchen der Tatvorwurf der Übertretung des § 74 Abs. 4 Z. 1 iVm § 21 Abs. 1 lit. a, c und d LMG und iVm der ZuckerwarenHVO überhaupt bezogen werden kann.

Auch insoweit entspricht das angefochtene Straferkenntnis daher nicht den Anforderungen des § 44a Z. 1 VStG.

4.3. Zwar könnte die Berufungsbehörde gemäß § 24 VStG iVm § 66 Abs. 4 AVG innerhalb der Verjährungsfrist - die vorgeworfene Tat wurde am 19. März 1992 gesetzt und die Verjährungsfrist beträgt gemäß § 75 Abs. 6 LMG ein Jahr, sodaß gegenwärtig Verfolgungsverjährung noch nicht eingetreten ist - den Spruch des erstbehördlichen Straferkenntnisses den Anforderungen des § 44a Z. 1 und 2 VStG entsprechend korrigieren (vgl. die nach h. Auffassung unzutreffende Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes, zuletzt z.B. VwGH v. 14. Jänner 1993, Zl. 92/09/0294). Dies widerspräche jedoch zum einen - wie der Oö. Verwaltungssenat in zahlreichen Entscheidungen bereits zum Ausdruck gebracht hat (vgl. z.B. VwSen-260022 v. 6. Juli 1992) - schon allgemein dem aus Art. 6 Abs. 1 MRK abzuleitenden Prinzip des "fairen Verfahrens", mit dem eine Doppelfunktion des unabhängigen Verwaltungssenates als Anklage- und rechtsfindende Institution unvereinbar ist; zum anderen muß - als Besonderheit des gegenständlichen Verfahrens ohnehin konstatiert werden, daß auch in der vom Oö. Verwaltungssenat durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, die gemäß § 51i VStG vom Unmittelbarkeitsprinzip geprägt ist, kein Beweis über die - weil nur solche Automaten überhaupt den Beschränkungen der ZuckerwarenHVO unterliegen, aber für eine Bestrafung unabdingbar zu klärende - Frage erbracht werden konnte, mittels welchen konkreten der vier angebrachten Automaten die zur Last gelegte Verwaltungsübertretung begangen wurde, um den Berufungswerber insbesondere im Hinblick darauf, daß vom Organ der Lebensmittelaufsicht im Zuge seiner Revision auch bei anderen Automaten Beanstandungen vorgenommen wurden, wirksam vor einer Doppelbestrafung zu schützen (vgl. z.B. VwSlg 11894 A/1985).

4.4. Konnte damit aber im Ergebnis die Tat in einer dem Gebot des § 44a Z. 1 VStG entsprechenden Konkretisierung überhaupt nicht erwiesen werden, so war der vorliegenden Berufung gemäß § 24 VStG iVm § 66 Abs. 4 AVG schon aus diesem Grunde stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z. 1 VStG einzustellen.

5. Bei diesem Verfahrensergebnis war dem Berufungswerber gemäß § 66 Abs. 1 VStG weder ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vor der belangten Behörde noch ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens vor dem Oö. Verwaltungssenat vorzuschreiben.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g:

Gegen diesen Bescheid ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

H i n w e i s:

Gegen diesen Bescheid kann von den Parteien des Verfahrens innerhalb von sechs Wochen ab Zustellung eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden; diese muß - von gesetzlichen Ausnahmen abgesehen - jeweils von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Für den O.ö. Verwaltungssenat:

Dr. G r o f

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